Erfahrungsbericht Auslandssemester an der UMASS Amherst

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1 Erfahrungsbericht Auslandssemester an der UMASS Amherst Hessen-Massachusetts Programm Heimathochschule: Technische Universität Darmstadt Gasthochschule: University of Massachusetts Amherst September bis Dezember 2016 FB11 - Materialwissenschaften

2 1. Vorbereitung und Anreise Die Bewerbung für das Hessen-Massachusetts Exchange Program erfolgt in mehreren Schritten. Zunächst erfolgt eine Bewerbung beim Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst für die Teilnahme am Programm. In dieser Bewerbung wählt man bereits mindestens drei von vier möglichen Universities of Massachusetts (UMASS) aus, die für ein Auslandssemester in Frage kommen. Hat man diese erste Bewerbungsphase überstanden, so erhält man eine Bestätigung vom Hessen-Massachusetts Exchange Program, in der man erfährt, für welche UMASS man sich jetzt in einem zweiten Bewerbungsschritt direkt bewerben kann. Beide Bewerbungen erfordern grob die gleichen Unterlagen, bestehend aus Lebenslauf, Leistungsnachweisen, und Motivationsschreiben. Zu beachten ist, dass die Bewerbung an der UMASS vollständig in Englisch abzugeben ist und bereits die Fächerauswahl für das Auslandssemester beinhalten muss. Ist auch die zweite Bewerbungsphase überstanden, erhält man innerhalb ein paar Wochen eine Bestätigungs der UMASS. Nachdem das Auslandssemester bestätigt war und ich erste Informationen über den Start des Semesters hatte, ging es an das Buchen der Flüge und die Organisation einer Unterkunft. Ich hatte mich für eine On-Campus Unterkunft entschieden, für die man sich so früh wie möglich bewerben sollte. Mehr dazu in Leben an der UMASS und in Amherst. Auf die Bestätigung des Auslandssemester folgte auch der Antrag auf ein Visum beim amerikanischen Konsulat. Auch darum sollte man sich frühzeitig kümmern, da der ganze Prozess etwas Zeit in Anspruch nehmen kann. Die Beantragung des Visums erfolgt ebenfalls in zwei Schritten, wobei man im ersten Schritt einen Fragebogen online ausfüllen muss und im zweiten Schritt muss man persönlich zu einem der amerikanischen Konsulaten, um dort zu einem Interview zu erscheinen. Hierzu erfährt man alle wichtigen Informationen beim Pre-departure Workshop der im März oder April vom Austauschprogramm veranstaltet wird. Mit dem Erhalt meines Visums waren die Vorbereitungen, die ich von Deutschland aus treffen konnte, abgeschlossen. Ich entschied mich dafür, bereits zwei Tage vor der offiziellen Orientierungswoche des International Relations Office (IRO) anzureisen. Leider habe ich dann nachträglich erfahren, dass ich mein Zimmer erst am ersten Tag der Orientierungswoche beziehen kann, sodass ich zwei Nächte in einem AirBnB in Amherst verbracht habe. Meine Anreise erfolgte über einen ca. achtstündigen Flug von Frankfurt nach Boston und von dort mit dem Bus in ca. vier Stunden nach Amherst. 2. Studieren an der UMASS Amherst Das Studienangebot der UMASS Amherst ist umfangreich und beinhaltet alle großen naturwissenschaftliche, geisteswissenschaftliche, technische und wirtschaftliche Bereiche, wobei der Fokus merklich auf den naturwissenschaftlichen Zweigen liegt. Aufgrund meines Studiums im Bereich Materialwissenschaften, war ich beim Polymer Science and Engineering (PSE) Fachgebiet eingeschrieben und habe dort zusammen mit den First Year Graduate Students die Veranstaltungen besucht. Meine Kommilitonen hatten sehr unterschiedliche Grundkenntnisse, da es keine Undergraduate Form des Studiengangs gibt, weshalb ich die Vorlesungen zusammen mit Chemikern, Materialwissenschaftlern, Ingenieuren und Architekten hörte. Dementsprechend waren die drei Vorlesungen aufgebaut. Die Vorlesungen bestanden jeweils aus zwei 90-minütigen Vorlesungen pro Woche und deckten die chemischen, physikalischen und technischen Grundlagen der Polymere ab. Das PSE Department ist ein kleinerer Fachbereich, sodass die Semesterstärke lediglich 22 Studenten betrug, wobei sechs Studenten deutsche Austauschstudenten waren. Aufgrund der geringen Semesterstärke erinnerte mich das Studiensystem sehr an das deutsche Schulsystem und fand auf einer deutlich persönlicheren Ebene statt, als ich es aus Darmstadt gewohnt war. So versuchten die Professoren zum Beispiel die Studenten mit Namen anzusprechen. Insgesamt ist das Verhältnis zwischen Professoren und Studenten weniger distanziert gewesen. Inhaltich empfand ich die Vorlesungen weniger fordernd verglichen zu denen, die ich in Darmstadt gehört hatte. Alles hatte einen schulischen Charakter, so wurden die Studenten mit Hausaufgaben und Aufsätzen fast kontinuierlich beschäftigt. Dadurch, dass die Vorlesungen in zwei bis drei Blöcke aufgeteilt sind, die jeweils von unterschiedlichen Dozenten gehalten werden, schrieb ich in den drei Kursen die ich besuchte, insgesamt sieben Klausuren. Ein weiterer Punkt, der mich sehr verwundert hatte, war die Art und Weise, wie Vorlesungen vorbereitet und gehalten wurden. So gab es zu keiner

3 Vorlesung ein wirkliches Skript, sondern im Bestfall minimalistische, handschriftliche Notizen des Professors. Mir gefiel, dass die Vorlesungen in der Regel an der Tafel gehalten wurden und die Professoren gut auf die einzelnen Vorlesungen vorbereitet waren. Nur ein Dozent fiel mir negativ auf, da er die Tafel nicht benutzte, sondern stattdessen handschriftliche Notizen eingescannt hatte und diese via Diashow präsentierte. Ansonsten waren die Professoren sehr bemüht eine gute Lernatmosphäre zu schaffen, gingen immer ausführlich (manchmal zu ausführlich) auf studentische Fragen ein und wiesen immer wieder auf ihre Sprechstunden hin. Zusammenfassend ist das Studiensystem in Amerika doch sehr unterschiedlich zu dem, das ich aus Deutschland kenne, wobei ich nach persönlichem Empfinden, das deutsche für mich bevorzuge. Jedoch sehe ich meine Erfahrungen nicht als repräsentativ für das Studieren in den USA, da es sich in meinem Fall um einen sehr kleinen Fachbereich gehandelt hat. Es ist stets abhängig vom gewählten Studiengang, Standort und persönlichem Empfinden. 3. Leben an der UMASS und in Amherst 3.1. Wohnsituation Wie am Anfang beschrieben, habe ich On-Campus gewohnt. Diese Entscheidung hatte ich anfangs getroffen, da die Suche für eine Off-Campus Unterkunft deutlich komplexer ist. Vor Ort habe ich einige Deutsche kennengelernt, die über ein Austauschprogramm aus Baden-Württemberg in Amherst waren. Dort gibt es bereits einen größeren Erfahrungsschatz, der die Suche nach geeigneten Unterkünften erleichtert. Wie überall beschrieben, haben beide Varianten ihre Vor- und Nachteile. Ich habe meine Entscheidung für On-Campus auch nicht bereut. Diese Variante ist zwar etwas teurer, aber auch wer Off-Campus wohnt, hat mit deutlich höheren Mieten zu rechnen, als man es in Deutschland gewohnt ist. Ich habe in einer zwei-zimmerwohnung gewohnt, die ich mir mit einem Studenten aus der dominikanischen Republik geteilt habe. Jeder hatte sein eigenes Zimmer, nur das Bad und die Wohnküche haben wir uns geteilt. Als Austauschstudent landete ich in einem der Lincoln Apartments in denen nur Graduate Students oder andere Austauschstudenten lebten. Als Vorwarnung erwähne ich an dieser Stelle, dass ihr trotz der hohen Miete keinen großen Luxus zu erwarten habt. Beim Einzug war ich sehr überrascht, dass die Wohnung nichts beinhaltete außer Möbel, d.h. ihr habt keine Pfannen, keine Töpfe, kein Geschirr, keine Gläser, keine Decke, kein Kopfkissen, etc. In meinem Zimmer standen lediglich ein Schreibtisch, ein Stuhl, eine Kommode, ein Schrank und ein Bett mit einer doch recht unbequemen Matratze. So ging es noch am ersten Tag erst einmal zum nächsten großen Supermarkt (das IRO hatte extra Shuttles organisiert, die im Stundentakt fuhren) und das wichtigste eingekauft. Als Tipp an dieser Stelle, kauft zunächst erstmal das Minimum, also eine Decke, ein Kopfkissen und Bettwäsche. Wenn ihr Glück habt, ist euer Mitbewohner einer der Graduate Students, der bei seinem Einzug alles Wichtige mitbringt, d.h. Geschirr, Pfannen, Töpfe etc. Allerdings ziehen die regulären Studenten erst ein paar Tage später ein, aber wie gesagt, das Warten kann euch den ein oder anderen Dollar ersparen. Zu den Apartments gehört auch ein Waschraum im Keller, in dem ihr Waschmaschinen und Trockner findet, die ihr gegen ein Entgelt benutzen könnt Campus-/Studentenleben Das Leben als Student in den USA ist deutlich anders, als man es in Deutschland gewohnt ist. Während ich das Studieren in Deutschland ähnlich ansehe wie einen Beruf, für den man morgens das Haus verlässt und abends wieder nach Hause zurückkehrt, seine Hobbies und Interessen lebt man anschließend privat in Vereinen und mit Freunden, die man nicht ausschließlich über die Uni kennt, aus. In USA hingegen ist die Entscheidung für eine Universität eine bewusste Lebensentscheidung. Die Studenten leben auf dem Campus, sie besuchen dort ihre Veranstaltungen, haben dort ihre Freunde und üben dort ihre Hobbies aus. Das Ganze Leben findet auf dem Campus statt und die Studenten identifizieren sich ganz anders mit ihrer Universität.

4 Überall sieht man Studenten in UMASS Kleidung und Sportveranstaltungen der eigenen Teams sind stets gut besucht. Diese Form des Studentenlebens hat für mich auch wieder Vor- und Nachteile. Zum einen, ist ein solcher Campus wie eine Kleinstadt, die einem sehr viel bietet. Das Ausüben sämtlicher Sportarten ist problemlos möglich, sei es das Besuchen von Fitnesskursen, das freie Trainieren im Fitnessstudio oder das Betreiben von Mannschaftssportarten. Ansonsten, gibt es für wirklich alles sogenannte Clubs, in denen man sich mit Gleichgesinnten für gute Zwecke engagieren, sich politisch einbringen oder einfach nur seinem Hobby nachgehen kann. Während der ersten Woche gibt es eine große Veranstaltung, bei dem die Clubs Stände aufbauen, an denen man sich über diese Informieren und Anmelden kann. Diese Veranstaltung zu besuchen, kann ich nur empfehlen. Der negative Aspekt ist, dass diese Art zu leben keine Selbstständigkeit erfordert. Als Graduate Student und Austauschstudent besitzt man zwar eine eigene Küche und kann sich selbstversorgen, aber die amerikanischen Studenten und Undergraduates ernähren sich fast ausschließlich über die Dinning Commons auf dem Campus, die nebenbei die besten in der USA sind. Am Anfang wirken die Preise für das Essen in den Dinning Commons zwar enorm, aber ihr werdet schnell feststellen, dass Essen in den USA alles andere als günstig ist. In die Stadt Amherst verschlägt es einen eigentlich auch eher selten und fast ausschließlich, um dort feiern zu gehen, da man alles andere auf dem Campus findet. Zum Feiern ist an dieser Stelle gesagt, dass die Bars in Amherst zwischen zwölf und eins schließen, dementsprechend geht es früher los, als man es von Deutschland eventuell gewohnt ist. Wer sich für Amherst entscheidet, sollte sich vor Augen führen, dass in Amherst fast ausschließlich Studenten leben und man relativ schnell alles von Amherst gesehen hat. Es ist eine kleine, fast schon dorfähnliche Stadt die relativ ruhig ist und nicht allzu viele Aktivitäten bietet. Dafür gibt es sehr viele kleine Cafes, in denen man sich in Ruhe mit anderen Treffen kann. Für Naturliebhaber ist Amherst hervorragend geeignet, da es zahlreiche Möglichkeiten zum Wandern und Mountainbiken gibt und es vor allem im Herbst eine wunderschöne Landschaft ist, die im Oktober in allen Farben erstrahlt. Ansonsten gibt es Busverbindungen nach Boston und New York, für die, die mehr sehen wollen als nur Amherst und Umgebung. Allerdings ist es geschickter, sich mit mehreren Leuten ein Auto zu mieten und das Land mit dem Auto zu erkunden. Diese Alternative ist günstiger und vor allem deutlich entspannter Betreuung Die Betreuung vor Ort würde ich als sehr gut bezeichnen. In der Orientierungswoche erfahrt ihr alle wichtigen Informationen, die ihr für den Anfang benötigt, ihr werdet essenstechnisch versorgt, bekommt den Campus gezeigt und alle Orte, die von Relevanz sind. Ein sehr großer Pluspunkt der Orientierungswoche war, dass diverse Stände aufgebaut waren, bei denen man sich um Themen wie Handy, Bankkonto und die Essensmarken für die Dinning Commons kümmern konnte. Hatte man ansonsten Fragen, so konnte man immer zum Büro des IRO und sich dort an die Mitarbeiter wenden, die einem auch immer direkt geholfen haben, sei es bei der Organisation der Vorlesungen oder bei Fragen zum Visum. Zusätzlich veranstaltete das IRO einmal die Woche eine International Coffee Hour auf dem Campus, bei denen man sich bei Kaffee und Kuchen mit anderen Austauschstudenten unterhalten und Erfahrungen austauschen konnte. Des Weiteren organisierte das IRO während dem Semester immer wieder kleinere Events, bei denen gemeinsam Sportveranstaltungen, Theateraufführungen oder Sehenswürdigkeiten besucht wurden. Zusätzlich wurde den Austauschstudenten ein Buddy zugeteilt, an den man sich immer wenden konnte. Ein Buddy war ein Student der UMASS, der selbst schon ein Auslandssemester absolviert hat und euch ein bisschen an die Hand nimmt, wenn ihr das wollt. So hat mir mein Buddy zum Beispiel angeboten, mich mitzunehmen zum Supermarkt, was eine sehr große Hilfe war, da in USA alles doch etwas weitläufiger ist. Man war also immer sehr dankbar, wenn man mal mit einem Auto einkaufen gehen konnte, anstatt mit dem Fahrrad oder dem Bus.

5 4. Fazit Mein Fazit über mein abgeschlossenes Auslandssemester an der UMASS Amherst fällt positiv aus und ich kann es nur jedem empfehlen, diese Erfahrung selbst zu machen. Meiner Meinung nach bringt einen ein solches Auslandssemester in allen Aspekten des Lebens weiter, wenn es auch manchmal nur die Einsicht ist, dass Zuhause doch nicht alles so schlecht ist, wie man es sich manchmal denkt. Akademisch fand ich das Auslandssemester in dem Sinne interessant, dass ich ein anderes System, mit anderen Arbeitsweisen, Methoden und anderen Einstellungen kennengelernt habe. Persönlich würde ich jedoch das Studium in Deutschland dem Studium in den USA vorziehen. Mir gefallen die deutsche Genauigkeit und die deutsche Mentalität besser, als die amerikanische. Ich habe immer wieder gemerkt, dass die Vorlesungen stark reduziert sind in dem Sinne, dass der Professor entscheidet, was für ihn, und damit für den Studenten, wichtig ist. In meinen Augen wird in Deutschland allgemeiner gearbeitet, wodurch Vorlesungen umfangreicher und komplexer werden, aber dafür besser übertragbar sind für darauf aufbauende Themen. Während meine akademischen Erfahrungen für mich etwas enttäuschend waren, so haben meine persönlichen Erfahrungen meine eigenen Erwartungen übertroffen. Ich behaupte, dass ich menschlich sehr gereift bin innerhalb der vier Monate. Zum einen reift man schon durch den Bewerbungsprozess und das Organisieren des Auslandssemesters. Man zwingt sich dadurch selbst in Situationen, in denen man sich nicht unbedingt wohlfühlt. Auch vor Ort gab es immer wieder schwierige Momente, wie zum Beispiel das Betreten der völlig leerstehenden Wohnung. Aber die Mentalität die man irgendwann entwickelt, dass man jede Situation schon irgendwie meistern wird, die nehme ich sehr dankend an. Ich kam irgendwann einfach an einen Punkt, dass ich mir in kniffeligen Momenten einfach dachte, dass ich schon andere Probleme gelöst habe. Man sollte die Herausforderungen, die auf einen zukommen während eines solchen Semesters nicht unterschätzen, aber man muss auch keine Angst vor ihnen haben. Besonders wertvoll sind für mich auch die neuen Freundschaften. Allgemein habe ich die Amerikaner als sehr freundliche und vor allem hilfsbereite Menschen in Erinnerung. Zum Abschluss möchte ich nochmals wiederholen, dass ich es nur jedem empfehlen kann, sich für ein Auslandssemester zu bewerben, sei es an der UMASS Amherst oder an einer der anderen Universitäten. Die Erfahrungen und Freundschaften die man macht sind sehr wertvoll und bringen einen in jedem Bereich des Lebens weiter.