Armut in der Schweiz. Kappeler Kirchentagung Benjamin Diggelmann, Projektmitarbeiter Fachstelle Sozialpolitik, Caritas Schweiz
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- Wilhelmine Judith Reuter
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1 Armut in der Schweiz Kappeler Kirchentagung 2019 Benjamin Diggelmann, Projektmitarbeiter Fachstelle Sozialpolitik, Caritas Schweiz
2 Programm Workshop Zeit Was 09:00 10:25 Einführung ins Thema (interaktive Präsentation) 10:25 10:30 Themensammlung für Kleingruppen 10:30 11:00 Pause 11:00 11:30 Kleingruppen (Umsetzungsideen sammeln) 11:30 11:45 Feedback im Plenum 2
3 Armut in der Schweiz wahrnehmen In Haiti Erdbeben, kein Haus, fast kein Einkommen, wenig Essen In der Schweiz Lange eine Arbeit suchen, doch nichts finden, ausgesteuert werden Nicht zum Zahnarzt gehen Keine Perspektive haben Leben unter Existenzminimum 3
4 Armut in der Schweiz ist schwierig abzubilden ist oft verborgen heisst, im Vergleich zum Durchschnitt der Bevölkerung nicht dazu zu gehören 4
5 Armutsgrenze Berechnung gemäss SKOS-Richtlinien Haushaltstyp Wohnkosten Krankenkasse Grundbedarf SKOS (2010) Armutsgrenze (gerundet) Einzelperson Alleinerziehend mit 2 Kindern Paar ohne Kind In: SKOS Armut und Armutsgrenze Januar 2013; Paar mit 2 Kindern
6 Grundbedarf 1 Person = 33 Franken am Tag 4 Personen = 17 Franken am Tag, für Nahrung, Getränke, Haushaltsprodukte, Kleidung, Schuhe, Gesundheit, Energieverbrauch, Fahrkosten, Kommunikation, Körperpflege, Bildung und Freizeit 6
7 Wie viele Menschen sind betroffen? Menschen leben unter der, Armutsgrenze (nach SKOS Grenze), jede/r Mio. sind von Armut gefährdet mehr als jede 5. Person hat Mühe, eine unerwartete Ausgabe von zu tätigen Kinder und Jugendliche von Armut betroffen 7
8 Armut ist eine prekäre Lebenslage Schwierigkeiten mit der Arbeit Beengte Wohnverhältnisse Angeschlagene Gesundheit Keine nachobligatorische Bildung Spannungen in der Partnerschaft und Familie Wenige soziale Kontakte Eingeschränkte Freizeitaktivitäten Knappe finanzielle Mittel 8
9 Armut als Prekäre 9 In:
10 Soziale Definition von Armut Personen, Familien und Gruppen sind arm, wenn sie über so geringe (materielle, kulturelle und soziale) Mittel verfügen, dass sie von der Lebensweise ausgeschlossen sind, die in ihrer Gesellschaft als Minimum annehmbar ist. 10
11 Wer ist in der Schweiz arm? Personen ohne nachobligatorische Bildung Einelternfamilien Working Poor Familien mit mehreren Kindern 11
12 Weshalb gibt es Armut in der Schweiz? (1) Keine nachobligatorische Bildung: 46% der Sozialhilfebeziehenden haben keine berufliche Ausbildung Ungleiche Chancen aufgrund der sozialen Herkunft und des Geschlechts: Diskriminierungen Familienpolitik erschwert die Vereinbarkeit von Beruf und Familie 12
13 Weshalb gibt es Armut in der Schweiz? (2) Zunehmend problematische wirtschaftliche Verhältnisse Arbeitsbedingungen, welche zum Leben nicht reichen, nehmen zu (z.b. Teilzeitarbeit, Arbeit auf Abruf, Working poor) Spezialist/-innen sind gefragt; Arbeitsplätze mit geringen Anforderungen werden immer seltener Digitalisierung (-> Plattformwirtschaft, häufig tiefe Einkommen & hohe Arbeitsbelastung, grosse Verschiebungen zwischen Branchen & Berufen) 13
14 Weshalb gibt es Armut in der Schweiz? (3) Gesellschaftliche Veränderungen Norm der Kernfamilie löst sich auf; das familiäre Netzwerk bietet weniger Sicherheit Trennungen und Scheidungen nehmen zu; die (finanziellen) Belastungen davon sind für die Betroffenen oft sehr hoch und ungleich verteilt 14
15 Armut ist stigmatisiert Wer unter Armutsgrenze lebt, hat Recht auf Sozialhilfe Beziehende Sozialhilfe: (3.3% Gesamtbevölkerung) Nichtbezug : Schätzung 26% (oder mehr) Gründe für den Nichtbezug sind vielfältig: Keine Abhängigkeit/Kontrolle, Würde/Demütigung, Angst vor Auswirkungen auf Aufenthaltsstatus, oft kleine Differenz bei Working Poor 15
16 1. Fehlende Verbindlichkeit in der Armutspolitik Kantonale Ebene 11 Kantone verfassen Armutsberichte Keine nummerischen Zielvorgaben zur Armutsbekämpfung Kein ganzheitlicher Blick und keine kohärente Armutspolitik Bundesebene Nationales Armutsprogramm : Wertvolle Grundlagen und Vernetzungsarbeit Entscheid April 2018: Trotz ausgewiesenem Handlungsbedarf verzichtet der Bund auf ein nationales Armutsmonitoring und reduziert sein finanzielles Engagement auf ein Minimum. 16 Die Schweiz braucht eine wirksame Armutspolitik
17 2. Tiefsteuerpolitik initiiert Willkür in der Existenzsicherung Kantonale Tiefsteuerpolitik führt zu Sozialabbau Trotz Revision werden die SKOS-Richtlinien weiter in Frage gestellt, Konsens hält nicht Zunehmend rigidere Sozialhilferegimes Recht auf Leben in Würde wird verletzt Existenzsicherung der Kinder bleibt ohne Antworten, nur einzelne Kantone haben Ergänzungsleistungen für Familien eingeführt. 17 Die Schweiz braucht eine wirksame Armutspolitik
18 3. Fehlende Armutsperspektive in der Bildungspolitik Jede achte Person ohne Berufsabschluss lebt derzeit in Armut. Bei Personen mit Tertiärabschluss trifft es nur jede zwanzigste. Politik nimmt die Verantwortung für Frühe Förderung nicht wahr. Volksschule reduziert Ungleichheiten mangelhaft. Nachholbildung wird den Realitäten nicht gerecht. 18 Die Schweiz braucht eine wirksame Armutspolitik
19 4. Mangelhafte Vereinbarkeit von Familie und Beruf Ist die Betreuung der Kinder garantiert, gelingt es den Eltern häufiger, ein existenzsicherndes Einkommen zu erzielen. Bund schafft neue Betreuungsplätze, trotzdem fehlen vielerorts noch immer Kitaplätze. Häufig sind Kitaplätze zu teuer und schlecht auf die Bedürfnisse der Familien ausgerichtet. Familienfreundliche Arbeitsbedingungen sind meist Gutqualifizierten und Gutverdienenden vorbehalten. 19 Die Schweiz braucht eine wirksame Armutspolitik
20 5. Integration von Flüchtlingen, Vorläufig Aufgenommen und Menschen in der Nothilfe Erwerbsquote der erwerbsfähigen anerkannten Flüchtlinge im Durchschnitt 30,7%. Erwerbsquote der erwerbsfähigen vorläufig aufgenommenen Flüchtlinge durchschnittlich 36,8%. 20
21 Nothilfe Inzwischen leben in der Schweiz tausende Langzeit-NothilfebezügerInnen: Durch Abschreckung keine Ausreise, aber Verletzung des Rechts auf Existenzsicherung 21
22 Rolle von Caritas in der sozialpolitischen Diskussion Armut zum Thema gemacht: Dekade der Armut und Ausgrenzung, Erklärung und Vernetzung, Handbuch Armut Schweiz Selbstverpflichtung: Armutsmonitoring, Beobachten, auf die Finger schauen Armutsprogramm des Bundes: Steuer- und Begleitgruppe 22
23 Rolle der Caritas Informationsarbeit und Positionsbezug Lobbying in Parlament und Teilnahme an Vernehmlassung Mandate: z.b. in der SKOS 23
24 24 Informations-Produkte
25 Caritas ganz konkret (1) Caritas-Märkte (Lebensmittel und Hygieneartikel zu Tiefstpreisen) KulturLegi (Kultur-, Bildungs- und Sportangebote für Menschen an der Armutsgrenze erschwinglich macht und so die soziale Einbindung Armutsbetroffener ins gesellschaftliche Leben fördert) Sozial- und Schuldenberatung Second Hand Kleider (Nothilfe, Arbeitsintegration) 25
26 Caritas ganz konkret (2) «mit mir» (vermittelt Kinder aus belasteten Familien an freiwillige Gotten und Göttis) Co-Pilot (Freiwillige helfen zum Beispiel bei Vorbereitung auf Elterngespräche oder Elternabende, beim Ausfüllen von Formularen, erklären Schulsystem im Kanton Zürich oder geben Tipps, wie Kind gefördert werden kann) 26
27 27
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