GrundriB der Rhetorik

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1 GrundriB der Rhetorik

2 Gert U eding/bernd Steinbrink GrundriB der Rhetorik Geschichte Technik Methode J. B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung Stuttgart

3 CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Ueding, Gert: Grundriss der Rhetorik : Geschichte, Technik, Methode / Gert Ueding ; Bernd Steinbrink Aufl. - Stuttgart : Metzler, Aufl. u.d. T.: Ueding, Gert: Einführung in die Rhetorik ISBN NE: Steinbrink, Bernd ISBN DOI / ISBN (ebook) 1986 Springer-Verlag GmbH Deutschland Ursprünglich erschienen bei J.B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung und Carl Ernst Poeschel Verlag GmbH in Stuttgart 1986

4 Der wahre Redner ist, im Sinne Quintilians, in erster Linie immer Piidagoge: Aus Griinden der Erziehung, und nicht urn des sophistischen Blendungsspiels willen, hat Lessing so sehr die witzigen A pori en geschiitzt- sie dienten seinem Appell, das Gegebene nicht als Fatalitiit aufzufassen, sondern immer auch das Gegenteil zu bedenken, sich auszumalen, die Welt ware anders als jetzt, das Potentielle sei praktikabel und die Dinge stiinden plotzlich auf dem Kopf. Walter Jens

5 lnhaltsverzeichnis Vorwort V Einleitung in die Rhetorik.... Historischer Teil: A. Die Begriindung der Rhetorik in der Antike Anf<inge der Rhetorik Sophistik und Rhetorik Platon und die Rhetorik Poetik und Rhetorik des Aristoteles Cicero und die Rhetorik Kritik am Verfall der Beredsamkeit I Pseudo-Longinos Quintilian und die Ausbildung zum Redner B. Christliche Erbschaft der Rhetorik im Mittelalter Einleitung Augustinus und die christliche Beredsamkeit Die artes liberales im Mittelalter Die Rhetorik im Trivium Die Autoritiiten des mittelalterlichen Rhetorikunterrichts Juristenrhetorik und ars dictaminis Ars poeticae Ars praedicandi C. Studia humanitatis und Barockstil- Die Rhetorik vom 15. his zum 17.Jahrhundert Epochenbezeichnungen Die Wiederentdeckung und das Studium der alten Schriftsteller Luther und die Reformation Redekunst und Dichtkunst Vir bonus und rhetorisches Bildungsideal »Dinge«und»Worte« Die Dreistillehre Manierismus Rhetorik und Muttersprache D. Rhetorik der AufkHirung- Das 18.Jahrhundert in Deutschland Aufkliirung und Beredsamkeit Begriff und Zweck aufkliirerischer Redekunst Die Bearbeitungsphasen der Rede Rhetorische Stillehre Redekunst und Dichtkunst Rednerideal und biirgerliche Erziehung von Thomasius his Knigge Die Beredsamkeit nach ihren wichtigsten Gattungen Rhetorik und Hochsprache VII

6 E. Ubiquitiit der Rhetorik. Vom Verfall und Weiterleben der Beredsamkeit im 19. Jahrhundert Bruch in der Wissenschaftsgeschichte Romantische Rhetorik Rhetorik, Poetik, Stilistik Literaturkritik und Literaturgeschichtsschreibung Die politische Rede Gerichtliche Beredsamkeit Geistliche Beredsamkeit Rhetorik in der Schule Prunk-Rhetorik und Griinderzeit F. Aspekte modemer Rhetorik-Rezeption- Das 20.Jahrhundert Rhetorik-Renaissance und apokryphe Rezeption Literaturwissenschaft und Literaturkritik Hermeneutik und Rhetorik Medien- und Kommunikationswissenschaft Neue Rhetorik und»new Rhetoric« Die politische Beredsamkeit Padagogik und Rhetorik Jurisprudenz und Rhetorik Predigtlehre Populare Rhetoriken Ttibinger Rhetorik Systematischer Teil Vorbemerkung A. Die Produktionsstadien der Rede (rhetorices partes) I. Das Finden und Erfinden des Stoffes (inventio) II. Die Ordnung des Stoffes (dispositio) Das natiirliche Ordnungssystem (ordo naturalis) Das kiinstliche Ordnungssystem (ordo artificialis) Ordnungsschemata III. Der sprachliche Ausdruck ( elocutio) Angemessenheit (aptum, decorum) a) Das innere aptum b) Das aubere aptum Sprachrichtigkeit (latinitas) a) Sprachrichtigkeit bei Einzelwiirtern (latinitas in verbis singulis) b) Sprachrichtigkeit in Wortverbindungen (latinitas in verbis coniunctis) Deutlichkeit (perspicuitas) a) Die Deutlichkeit der Einzelwiirter (perspicuitas in verbis singulis) b) Die Deutlichkeit in Wortverbindungen (perspicuitas in verbis coniunctis Stufenfolge der Rede- und Schreibweisen (genera dicendi) a) Die schlichte Stilart (genus subtile) b) Die mittlere Stilart (genus medium) c) Die grobartige, pathetisch-erhabene Stilart (genus grande) VIII

7 IV. Das Einpragen der Rede ins Gedachtnis (memoria) V. Vortrag und Korperliche Beredsamkeit (pronuntiatio actio) B. Die Beweise und ihre Fundstatten I. Einteilung der Beweise N atiirliche Beweise (probationes inartificiales) KunstgemiiBe Beweise (probationes artificiales) II. Fundstatten der Beweise (loci, topoi) Die sich aus Personen ergebenden Fundorte (loci a persona) Die sich aus den Sachen ergebenden Fundstiitten (loci are) C. Redegegenstande und Redegattungen I. Redegegenstande (materia) II. Erkennen des Redegegenstandes (intellectio) III. Gliederung der Redegegenstande Die Gliederung der Redegegenstiinde nach den Fragen (quaestiones) Die Gliederung der Redegegenstiinde nach dem Verhiiltnis Redegegenstand/Zuhiirer Die Gliederung der Redegegenstiinde nach dem Verhiiltnis Zuhiirer/Redegegenstand D. Redeteile (partes orationis) I. Der Redeanfang (exordium) Die Einleitung (prooemium, principium) a) Das Erlangen der Aufmerksamkeit (attentum parare) b) Das Erwecken der Gelehrigkeit ( docilem parare) c) Das Erlangen des Wohlwollens (captatio benevolentiae) Die Einschmeichelung (insinuatio) II. Die Erzahlung (narratio) Die Tugenden der Erziihlung (virtutes narrationis) Funktion und Gebrauch der Erziihlung Die Darlegung des Themas (propositio) Die Abschweifung (digressio) Ill. Qie Beweisfiihrung ( argumentatio) Gliederung als Eingang der Beweisftihrung (partitio) Die Teile der Beweisftihrung (argumentatio) Beweisarten (probationum genera) a) Beweisftihrung von auben (genus inartificiale) b) Beweisftihrung durch Kunstfertigkeit (genus artificiale) b 1) Zeichen, lndizien (signa) b2) Die Beweisgriinde (argumenta) b3) Das Beispiel (exemplum) b4)die Sentenz (sententia) c) Die VergriiBerung oder Steigerung (amplificatio) IX

8 IV. Der RedeschluB (peroratio) 0 1. Zusammenfassende Aufziihlung (enumeratio) 0 20 Affekterregung (delectare, movere) o E. Die Wirkungsfunktionen der Rede I. Einsicht und Belehrung ( docere, pro bare) II. Unterhalten und Vergniigen (delectare, conciliare) III. Leidenschaftserregung (movere, concitare) 261 E Der Redeschmuck ( ornatus) I. Der Redeschmuck in Einzelwortern (ornatus in verbis singulis) 0 1. Archaismus (antiquitas) 0 20 Neologismus (fictio) 0 30 Tropus (verbum translatum) o 0 0 o o 0 0 o o 0 o o o o 0 o o o 0 0 o o 0 o o o 0 o o o o o o o o o o o o o 0 0 o o o o 0 0 o o 0 0 o 266 II. Der Redeschmuck in Wortverbindungen (ornatus in verbis coniunctis) Die Wortfiguren (figurae verborum) Durch Hinzuftigung (per adiectionem) gebildete Wortfiguren 0 o 0 o o o Durch Auslassung (per detractionem) gebildete Wortfiguren Durch Umstellung (per transmutationem) gebildete Wortfiguren Die Gedankenfiguren, Sinnfiguren (figurae sententiae) Durch Veriinderung der Satzordnung oder Satzart gebildete Gedankenfiguren Durch Sinnpriizisierung oder Sinnaussparung gebildete Gedankenfiguren o 0 o o o o o o o o o o o 0 o o o o 0 0 o o 0 0 o o 0 0 o o o3 Durch szenische Erweiterung der Rede und Publikumsansprache gebildete Gedankenfiguren Die Wortfiigung (compositio) o o o 0 o o 0 0 o o 0 0 o o o o G 0 Die Ubung ( exercitatio) 304 Anmerkungen Literaturverzeichnis 336 Register X

9 Vorwort Als 1976 die von mir zusammen mit den Teilnehmern eines Oberseminars erarbeitete und herausgegebene»einftihrung in die Rhetorik - Geschichte, Technik, Methode«erschien, waren den Autoren die Schwachen des Buches wohl am deutlichsten bewubt. Doch stimmten aile Beteiligten, auch im Verlag und unter den Kollegen, die urn Rat gefragt wurden, darin iiberein, dab der dringende Mangel an einem derartigen rhetorikgeschichtlichen Lese- und Arbeitsbuch unstreitig das grobere Ubel sei gegeniiber den Lucken und Uneinheitlichkeiten des damals vorliegenden Manuskripts, das in dem einmal gesetzten personellen, zeitlichen und konzeptionellen Rahmen nur unwesentlich zu verandern gewesen ware. Der Erfolg des Buches hat uns, soweit wir das iiberblicken konnen, recht gegeben, und fast ausnahmslos stimmten indirekt auch seine Rezensenten durch ihr Urteil dieser Entscheidung zu. Es sind teilweise auberordentlich umfangreiche, griindliche und hilfreiche Besprechungen erschienen (Scheerer, Kopperschmidt, Plett, Rohner, Ockel, urn nur einige zu nennen), deren Einwande und Hinweise bei der volligen Neubearbeitung des Buches dankbar benutzt wurden. Kaum ein Satz ist auf dem anderen geblieben, allein das Kapitel»Antike Rhetorik«, schon fur die Auflage 1976 von Bernd Steinbrink bearbeitet, konnte erhalten bleiben und wurde nur etwas erganzt und vervollstandigt. Aile anderen Kapitel der Rhetorikgeschichte vom Mittelalter his zur Gegenwart wurden von Bernd Steinbrink und mir (unter gelegentlicher Beriicksichtigung der urspriinglichen Beitrage natiirlich) vollstandig neu geschrieben. Die Darstellung ist so koharent, materialreicher und liickenloser geworden, hoffentlich dadurch auch lesbarer und iiberzeugender. Freilich ist das Buch damit auch aus dem Einfuhrungs-Stand herausgewachsen, was beim Vergleich mit anderen, inzwischen einschlagigen Publikationen sichtbar wird, die sich auf knappstem Raum wirklich mit einftihrenden Abrissen und Hinweisen begniigen. Dennoch bleiben Wiinsche offen, der Kenner und Spezialist wird manches vermissen, anderes unzureichend erortert finden - das ist bei Biichern dieser Art (wie bei aller Geschichtsschreibung) wohl unvermeidlich. Ein ausdriickliches Wort aber noch zum zweiten (systematischen) Teil. Auch er wurde iiberarbeitet, erganzt und dadurch hoffentlich verbessert, doch ein prinzipieller Mangel lieb sich nicht hebeben, den einige Rezensenten zutreffend als Widerspruch von geschichtlicher Perspektive (des ersten Teils) und unhistorischer Systematik namhaft gemacht haben, weil darin eine rhetorische communis opinio unterstellt werde (noch mit dem Anschein wissenschaftlicher Systematik), die zuvor doch gerade in ihre Entwicklungs-Stadien aufgelost wurde. Kein Zweifel: eine kategorien- und begriffsgeschichtliche Herleitung der Rhetorik auch hinsichtlich ihres Systems ware vom Standpunkt historischer Forschung, der wir vor anderen Methoden den Vorzug geben, die angemessene Fortftihrung, sie kann aber weder im Rahmen einer Einftihrung noch eines Grundrisses geleistet werden. Doch sei schon hier daraufhingewiesen, dab seit Mai 1985 ein am Seminar fur Allgemeine Rhetorik der Universitat Tubingen eingerichtetes Forschungsprojekt XI

10 Vorwort die Aufgabe verfolgt, ein >>Historisches Sachworterbuch der Rhetorik«zu erarbeiten. Doch auch dies wird systematische Querschnitte in der hier vorgelegten Art nicht iiberfliissig machen, die man als pragmatische Instrumente betrachten sollte, die so lange und soweit gerechtfertigt sind, wie sie ihren Dienst tun, also brauchbar sind und zur Erkenntnis menschlicher Rede, ihrer Machart und Wirkungsweise ebenso taugen, wie sie die eigene Rede- oder Textproduktion des Lesers zu befordem vermogen. Tiibingen 1985 Gert Ueding XII