Das Laser-RemoteschweiSSen geht in die zweite Generation

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1 Das Laser-RemoteschweiSSen geht in die zweite Generation Vor vier Jahren startete die Daimler AG mit der Laser-Remotebearbeitung in die Serienproduktion. Zwischenzeitlich bilden gezielte Neuerungen bei Fertigungsqualität, Kosteneffizienz und Taktzeiten die Basis für eine zweite Generation der Technologie. 6

2 autoren Dr. Martin Bea ist Branchenmanager Automotive bei der Trumpf Laser- und Systemtechnik in Ditzingen. Dr. Michael Zürn ist Abteilungsleiter Produktionsund Werkstofftechnik bei der Daimler AG in Sindelfingen. Grundlagen Beim robotergeführten Remoteschweißen, auch Welding-on-thefly genannt, positioniert ein Roboter mit Hilfe einer Scanneroptik den fokussierten Laserstrahl quasi im Flug auf das Bauteil, 1. In wenigen Sekunden werden so Komponenten wie Autotüren präzise und fest geschweißt. Der Roboterarm führt dabei die Scanneroptik (Programmierbare Fokussieroptik, PFO) auf einer ruhigen Bahn mit einem konstanten Arbeitsabstand von etwa 0,5 m über das Werkstück. Umlenkspiegel innerhalb der PFO dirigieren den Fokuspunkt von Schweißnaht zu Schweißnaht. Ein TruDisk Scheibenlaser erzeugt den Laserstrahl fernab der Bearbeitungsstation. Bis zu 100 m lange, flexible Laserkabel führen ihn zur programmierbaren Fokussieroptik. Die PFO am Ende des Laserlichtkabels ist das zentrale Element, um den Fokuspunkt des Lasers auf dem Karosseriebauteil genau zu positionieren. In ihrem Inneren lenken zwei sehr schnell und genau drehbare Umlenkspiegel den Strahl durch ein so genanntes Planfeldobjektiv. In Sekundenbruchteilen richten sie so den erzeugten Fokuspunkt ferngesteuert (remote) im gesamten Arbeitsfeld in X- und Y-Richtung aus, ohne dass dafür die Scanneroptik als Ganzes bewegt werden muss. Ist die PFO in ihrem Inneren mit einer zusätzlichen beweglichen Linse ausgestattet, steuert diese darüber hinaus auch noch die Position des Fokuspunktes in Z-Richtung. Die Repositionierung des fokussierten Laserstrahls vom einen zum anderen Ende einer dieser drei Positionierachsen benötigt gerade einmal 30 ms. ❶ Der Roboter führt die Scanneroptik mit einer möglichst gleichförmigen Bewegung über das Karosserieteil Oktober 2010 Special I Karosserie und Bleche 7

3 Hohe Strahlqualität für exakte SchweiSSnähte Für das Welding-on-the-fly gibt es drei Grundvoraussetzungen: Zum einen erfordert es einen Festkörperlaser als Strahlquelle. Nur mit flexiblen Lichtleitkabeln, die den Bewegungen des Roboters folgen, ist es möglich, den Laserstrahl zur Scanneroptik zu führen. Zweite Voraussetzung ist eine hohe Strahlqualität des Lasers, damit trotz der langen Brennweite des verwendeten Planfeldobjektivs noch ein ausreichend kleiner Fokuspunkt erzielt werden kann. Denn für den angestrebten Tiefschweißprozess sollte der Durchmesser des Fokuspunktes nicht mehr als 0,6 mm betragen. Moderne diodengepumpte Festkörperlaser wie der Scheibenlaser erzeugen die für das Laser-Remoteschweißen im Karosseriebau üblichen Laserleistungen von 4 bis 6 kw mit Strahlqualitäten von 4 bis 8 mm*mrad. Dadurch vergrößert sich der mögliche Fokussierabstand gegenüber dem eines lampengepumpten Lasers gleicher Leistung um das Drei- bis Sechsfache. Die dritte Voraussetzung für die millimetergenaue Positionierung der Schweißnähte auf dem Bauteil ist schließlich die Online-Synchronisation zwischen der Roboter- und der Scannersteuerung. Nur wenn die Robotersteuerung der Scannersteuerung die aktuelle Position der Scanneroptik über dem Bauteil in Echtzeit mitteilt, kann die Scannersteuerung zu jedem Zeitpunkt des On-the-fly-Laserschweißprozesses etwaige Abweichungen des Roboters von der ursprünglich programmierten Bahn berücksichtigen und kompensieren. Mehr Abstand, grösseres Arbeitsfeld Mittlerweile kann die Distanz einer PFO zum Werkstück mehr als 500 mm betragen. Dadurch vergrößert sich das Bearbeitungsfeld der Scanneroptik. Das bringt Vorteile für die Produktion: Der Laser kann kleinere Bauteile komplett bearbeiten, ohne dass die Scanneroptik oder das Bauteil selbst hierfür bewegt werden muss. So kann beispielsweise auf einen Roboter zur Positionierung der PFO ganz verzichtet werden. Das spart Platz, Investitions-, Wartungs-, Ersatzteil- und Schulungskosten. 2 Klammerförmige sowie gerade Schweißnähte halten den Fensterrahmen mit dem Innenblech einer Pkw-Tür zusammen Die Scanneroptiken verschmutzen weniger. Die Lebensdauer der Glasplatten, die die Optik vor Verschmutzung schützen, steigt. Durch die frei programmierbare Strahlführung über die eingebauten Umlenkspiegel lassen sich mit einer PFO Schweißmuster in beliebigen Größen und Formen realisieren auch, wenn sie durch den eher schwerfälligen und ungenauen Roboter über das Karosseriebauteil geführt wird. Dabei finden im Wesentlichen kurze Linien, Kreise, C-förmige Klammern oder Schweißnähte in S-Form Verwendung, 2. Die freie Gestaltung, Anordnung und Ausrichtung der Laserschweißnähte ermöglicht die optimale Anpassung einer Nahtstelle 3 Schwer zugängliche Fügebereiche lassen sich mit dem Laser-Remoteschweißverfahren ebenfalls bearbeiten an die spätere Belastung im täglichen Betrieb. Zudem benötigen linienförmige Laserschweißnähte weniger Platz auf dem Bauteil als die kreisförmigen Schweißpunkte, wie sie mit dem Widerstandspunktschweißverfahren erzeugt werden. Dadurch kann die Flanschbreite verringert werden: Kleinere, leichtere und damit kostengünstigere Bauteile lassen sich so realisieren. Effizienz für grosse Serien Das Scannerschweißen stellt für immer mehr Bauteile eine effizientere Alternative zum Widerstandspunktschweißen von Automobilkomponenten dar. Die zeitintensiven Positioniervorgänge zum Bewegen der Punktschweißzange von Schweißpunkt zu Schweißpunkt werden bei der On-the-fly-Remotebearbeitung durch die kontinuierliche Bewegung des Scannerkopfes nahezu eliminiert. Auch das Erzeugen einer Laserschweißnaht mit identischer Festigkeit erfordert lediglich einen Bruchteil der Zeit, welche für einen Widerstandschweißpunkt benötigt wird. Dieser Zeitvorteil wächst mit der Stückzahl der produzierten Baugruppen, der Anzahl der darauf erzeugten Nähte und dem Grad, zu welchem das konstruktive Potenzial bei der Bauteilgestaltung bereits ausgenutzt wurde. Vor allem bei vielen kurzen Schweißnähten mit geringen Abständen voneinander bringt die Onthe-fly-Technologie die größten Vorteile. 8

4 In konkreten Zahlen bedeutet das für den Karosseriebereich, wo typischerweise Bleche mit Dicken zwischen 0,6 und 1,8 mm verschweißt werden: Beim Widerstandspunktschweißen sind etwa 2 s pro Schweißpunkt nötig, eine vergleichbare Laserschweißnaht kann in weniger als 0,4 s erzeugt werden. Die reine Schweißzeit reduziert sich also um den Faktor Fünf. Ein weiterer Vorteil der Anwendung: Während das Bauteil beim Widerstandspunktschweißen für die Schweißzange immer von beiden Seiten zugänglich sein muss, reicht beim Remoteschweißen der Zugang von lediglich einer Seite, 3. Dadurch ergeben sich neue Möglichkeiten, zum Beispiel der Einsatz von Rohren und Profilen bei der konstruktiven Gestaltung von Pkw-Seitenwänden. Durch ihre ge - schlossenen Querschnitte sind sie steifer als umgeformte Bleche, wodurch sich leichtere und stabilere Fahrzeuge konstruieren lassen bei gleichzeitigen Kostenvorteilen. Serieneinsatz für RoBscan Als erster Automobilhersteller hat die Daimler AG die On-the-fly-Remotebearbeitung in der Serienproduktion eingesetzt. Dafür wurde das Verfahren RobScan entwickelt, das seit 2007 in den Werken Bremen, Sindelfingen und East London (Südafrika) für die Produktion von Karosseriebauteilen der C-Klasse genutzt wird. Rund 70 RobScan- Systeme sind seitdem im Einsatz. Sie sind mit der Programmierbaren Fokussieroptik 4 In der programmierbaren Fokussieroptik PFO 3D lenken zwei Umlenkspiegel den Strahl in X- und Y-Richtung an die gewünschte Position, während eine bewegliche Linse den Fokuspunkt entlang des Strahls positioniert PFO 33 ausgestattet, die den Laserstrahl in X- und Y-Richtung positioniert. Als Strahlquelle dienen an den drei Standorten mehr als 30 diodengepumpte Scheibenlaser mit einer Leistung zwischen 3 und 4 kw. Seit Januar 2009 arbeitet der Automobilbauer mit der zweiten Generation von RobScan. Eine optimierte Fertigungsqualität und Kosteneffizienz durch verkürzte Taktzeiten und die verbesserte Nutzung der installierten Laserleistung zählen zu den Vorteilen. Erzielt werden sie durch vier Neuerungen: veränderbare Fokuslage des Laserstrahls in Z-Richtung reduziertes Durchschweißen weiterentwickelte Online-Qualitätskontrolle Offline-Simulation bei der Anlagenprogrammierung. Die zusätzliche Z-Achse in der PFO 3D ermöglicht es, ohne eine Richtungsänderung der Roboterbahn Bleche mit unterschiedlichen Abständen zur Scanneroptik oder auch entlang einer kontinuierlichen Höhenänderung an einer Schräge zu schweißen, 4. Das reduzierte Durchschweißen verringert Spritzer und erhöht die Prozessgeschwindigkeit bei gleichbleibender Bindungsfestigkeit. Mit neuen CAD-Simulationstools führt der Produktionsplaner die Roboter-Bahnplanung offline durch. Das System prüft die Zugänglichkeit aller Schweißnähte, nimmt eine Kollisionsprüfung mit der Spannvorrichtung vor und optimiert die Abstimmung zwischen Roboter- und Scannerbewegung. Das verbessert die Taktzeiten und hilft, komplexe Anlagen wirtschaftlich zu planen. Außerdem sichert die Offline-Simulation die gleichmäßige Bahngeschwindigkeit des Roboters und gewährleistet eine konstant hohe Prozessqualität. 20 Systeme der neuen RobScan-Generation mit dem 3-D-Scanner PFO 3D, sind Oktober 2010 Special I Karosserie und Bleche 9

5 5 Vorteile der Remotebearbeitung seit Januar 2009 für die E-Klasse-Produktion in Sindelfingen hinzugekommen. Pro Karosserie der C- und E-Klasse hat das Verfahren bis zu 15 % der Widerstandsschweißpunkte ersetzt. Für die Fertigung der E-Klasse stehen in Sindelfingen sieben TruDisk 6002 Scheibenlaser zur Verfügung. Durch den Einsatz der neuen Scanneroptik und der weiterentwickelten Bahnplanungsund Simulationstools konnte der Konzern die Anzahl der Remotesysteme in der E-Klasse-Serienfertigung weiter reduzieren. Fünffach höherer Durchsatz Eine RobScan-Laserschweißstation ersetzt bis zu fünf konventionelle Widerstandspunktschweißstationen. Gleichzeitig reichen ein bis zwei Spannstationen aus, um die Bauteile komplett zu fügen. Damit erschließt Daimler nicht zuletzt Freiräume in der Produktion, zumal auf einer Laserschweißstation auch unterschiedliche Bauteile bearbeitet beziehungsweise unterschiedliche Prozesse wie das Laser- Noppen sowie das eigentliche Laserschweißen durchgeführt werden können. Die Fertigungszeit hat sich im Vergleich zum Widerstandspunktschweißen um bis zu 80 % reduziert, 5. Vergleicht man die reinen Prozessgeschwindigkeiten, erhöhte sich die Schweißgeschwindigkeit bei Laserleistungen zwischen 4 und 6 kw um das Sechs- bis Zehnfache. Bei voller Auslastung und maximalen Laserleis tungen ist ein fünffach höherer Durchsatz möglich. Nicht nur quantitativ, auch bei der Teilequalität ergeben sich Vorteile, denn das Remote-Laserschweißen verringert Fertigungstoleranzen: Zum einen bringt es weniger Wärme und mechanische Belastung in die Bauteile ein als herkömmliche Schweißverfahren. Die Teile verziehen sich weniger und ihre Bauteilgeometrie wird nicht beeinträchtigt. Zum anderen trägt die geringere Anzahl an Positionierund Spannvorgängen zu einer noch höheren Maßhaltigkeit der geschweißten Bauteile und der gesamten Karosserie bei. Durch die Vorteile bei Bauteil- und Fahrzeugeigenschaften fällt auch die Gesamtkostenbilanz von RobScan gegen über dem Widerstandspunktschweißen trotz des vergleichsweise teuren Werk zeugs Laser positiv aus, 6: Daimler konnte die Produktionskosten durch die Remotebearbeitung deutlich senken. Die erzielte Einsparung geht einher mit einer deutlich gesteigerten Flexibilität, durch die Möglichkeit, Limousinen und Kombis auf einer RobScan-Linie schweißen zu können so das Resümee nach drei Jahren im Serieneinsatz. Längst beschränkt sich der Einsatz der Remotebearbeitung nicht mehr nur auf Türen, Seitenwände oder Heckmittelstücke aus Stahlblech. In immer mehr Zulieferbetrieben der Automobilhersteller kommt sie zunehmend für die Fertigung von Unterbaugruppen wie Stoßfänger, Schweller, Radhäuser oder Instrumententafelträger zum Einsatz Einsparpotenziale durch Scannerbearbeitung Ausblick Das Laserschweißen wird sich im Karosseriebau weiter etablieren. Wie schnell das geht, hängt vor allem vom zunehmenden Bewusstsein der Konstrukteure für die Vorteile des Laserschweißens ab. Die größten Kosten- und Produktivitätsvorteile gegenüber dem Widerstandspunktschweißen bei gleichzeitig verbesserten Bauteileigenschaften lassen sich ausschöpfen, wenn beim Re- Design von Komponenten die Aspekte einer laserschweißgerechten Konstruktion möglichst ganzheitlich berücksichtigt werden.