Embedded Linux. Arthur Baran
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- Walther Hajo Mann
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1 Embedded Linux Arthur Baran Gießen, 19. November 2003
2 Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung 1 2 Begriffsklärung Was ist Embedded System? Was ist Linux? Linux als eigenständiges Betriebssystem Meilensteine der Linux Entwicklung Warum gerade Linux? Embedded Linux Hardware Unterstützte Plattformen Speicheranforderungen Aufbau eines Embedded Linux Systems Startkonzept Kernel C Libraries GNU libc µclibc Weitere C-Bibliotheken BusyBox TinyLogin Echtzeit Grundlagen Echtzeit und Linux Einsatzgebiete Reale Anwendungsbeispiele Zusammenfassung und Ausblick 12 i
3 1 Einleitung Wir werden immer mehr von kleinen Geräten umgeben, die immer mehr an Funktionalität bieten. Die Nachfrage nach eingebetteten Systemen hat sich nicht nur in den traditionellen Bereichen wie Raumfahrt und Militär erhöht, sondern findet immer mehr Einzug in kommerzielle Bereiche wie Automobilindustrie und Telekommunikation. Dabei wächst der Bedarf an Kommunikation und Vernetzung dieser Systeme miteinander. Dieser Bedarf an immer komplexeren Systemen erfordert auch ein komplexes und flexibles Betriebssystem, das sich an verschiedene Anforderungen anpassen lässt. Open Source Software wie Embedded Linux stellt eine mögliche Lösung für diese Entwicklung dar. 2 Begriffsklärung 2.1 Was ist Embedded System? Mit Embedded System, also Eingebettetes System, wird eine große Vielfalt von Geräten bezeichnet. Dieser Begriff stammt ursprünglich aus dem industriellen Bereich. Aber was sind Eingebettete Systeme denn genau? Man könnte, auf Grund der Tatsache, dass es viele Systeme, die die unterschiedlichsten Aufgaben zu erfüllen haben, viele Definitionen angeben, die diese Frage beantworten würden. Z.B. wird dieser Begriff von Embedded Systems Glossary [13] wie folgt definiert: Eine Kombination von Computerhardware und Software, möglicherweise zusätzliche mechanische oder andere Teile, entworfen um eine bestimmte Funktion zu erfüllen. In manchen Fällen stellt ein Embedded System Teil eines größeren Systems oder Produktes dar, wie zum Beispiel im Falle des Anti-Blockier-Systems eines Autos. Bei allen diesen verschiedenen Definitionen, die man finden kann, kann man jedoch zusammenfassend sagen: Eingebettete Systeme sind kleine Rechnersysteme, die von außen als solche nicht erkennbar sind, die aber ihre Arbeit verborgen im Gerät verrichten. 2.2 Was ist Linux? Linux als eigenständiges Betriebssystem Linux ist ein UNIX-artiger Betriebssystemkern. Der Name ist ein Akronym ( Linus unix ) und verweist auf den Linux Erfinder Linus Torvalds. Aber der Kernel alleine macht noch kein Betriebssystem aus. Daneben existiert also jede Menge Software, die frei verfügbar ist, und die man für das richtige Funktionieren des Betriebssystems benötigt. In den meisten Fällen sind das die GNU 1 -Versionen der entsprechenden UNIX Programme. Dies alles macht das was man Linux nennt. 1 Abkürzung für GNU is Not Unix. GNU-Projekt wurde 1984 gestartet um ein freies UNIXähnliches Betriebssystem zu entwickeln. 1
4 2.2.2 Meilensteine der Linux Entwicklung September 1991 Linux 0.01 Januar 1992 Mai 1992 Oktober 1992 Dezember 1992 August 1993 Mai 1994 November 1994 März 1995 Mai 1996 Juli 1996 Juli 1998 November 1998 Januar 1999 März 1999 August 1999 Dezember 2000 Januar 2001 Quelle: c t 19/2001 [2] Linux 0.12 mit virtuellem Speicher und GPL-Lizenz Version 0.96a mit X Window System Kernel mit erster Alpha-Version des TCP/IP-Stacks Erste Linux-Distribution auf CD (Yggdrasil) Start des Debian-Projektes Linux 1.0 mit SCSI-, Sound-, Drucker- und brauchbarer Netzwerkunterstützung sowie ext2-dateisystem, ladbaren Treibern und ELF 2 -Format für Programme. Rund Anwender weltweit Erste Red-Hat-Distribution Linux 1.2 läuft auf Alpha-, SPARC- und Mips-Prozessoren und bringt zahlreiche neue Netzwerkfunktionen. Geschätzte Anwender Erste selbst entwickelte SuSE-Distribution Der Kernel 2.0 unterstützt 680x0- und PowerPC CPUs sowie mehrere Prozessoren. Weitere Neuerungen: Kernel- Daemon, ISDN- und Firewall-Funktionen. Rund zwei Millionen Anwender Ankündigung von Linux-Versionen der Datenbanken Oracle und Informix SAP R/3 für Linux Linux 2.2 läuft mit verbessertem SMP-Support auf acht Hardware-Plattformen. Open Sound System, Video4Linux, IPv6. Etwa zehn Millionen Anwender. Compaq, Dell, Gateway und HP kündigen Linux-Server an. IBM kündigt Linux-Initiative an Börsengang von Red Hat IBM will eine Milliarde US-Dollar in Linux investieren. Der Kernel 2.4 kompiliert auf 13 Hardware-Plattformen, enthält ein 64-Bit-Dateisystem, USB- und Firewire- Unterstützung und kann bis zu 64 GByte RAM auf Intel-Prozessoren ansprechen. Rund 15 Millionen Anwender Warum gerade Linux? Braucht man denn überhaupt ein Betriebssystem? Man könnte doch alle die Aufgaben, die ein Embedded System zu erfüllen hat, direkt ohne Unterstützung von 2 Executable and Linkable Format ist das Binärformat für ausführbare Binärdateien und Objektdateien unter Linux. 2
5 Betriebssystemen implementieren. Und wenn man schon ein Betriebssystem nimmt, warum dann Linux? Heutzutage möchte man immer mehr komplexere Aufgaben bewältigen, von mehreren nebenläufigen Programmen bis zu Datenausgabe auf komplexen Schnittstellen wie, z.b. Ethernet oder Bluetooth. Mit modernen Microcontrollern könnte man durchaus alles dies bewerkstelligen, doch würde der Programmieraufwand sehr schnell eine Grenze überschreiten, wo sich der Einsatz dieser Systeme nicht mehr lohnen würde. Die modernen Betriebssysteme stellen aber schon Lösungen für diese Probleme bereit. Man muss also selbst keine Entwicklungsarbeit für diese Standard- Aufgaben leisten, was die Entwicklungszeit und die Kosten reduziert. Desweiteren wird der Einsatz von Linux durch die Vorteile, die es gegenüber anderen Betriebssystemen bietet, gerechtfertigt. Keine Lizenzgebühren, Verfügbarkeit von Quellcode, Unterstützung verschiedener Hardwareplattformen, Stabilität, Sicherheit, aber auch die Tatsache, dass man die Software größtenteils direkt auf dem Entwicklungsrechner testen kann, bevor man es auf die Zielplattform überspielt. 2.3 Embedded Linux Embedded Linux Systeme sind also kleine Rechnersysteme, auf denen ein, in der Größe stark verkleinertes und speziell auf die Hardware angepasstes Linux Betriebssystem mit der dazugehörigen Software läuft. 3 Hardware 3.1 Unterstützte Plattformen Da Linux auf sehr unterschiedlicher Hardware eingesetzt/entwickelt wird, so ist auch die Anzahl der verschiedenen Plattformen, auf denen Linux eingesetzt werden kann sehr groß. Es werden fast alle 32-bit Prozessoren bzw. Microcontroller mit einer MMU 3 (Memory Management Unit) unterstützt. Aber auch auf Microcontrollern ohne MMU kann Linux eingesetzt werden. Dafür gibt es eine Entwicklung, die sich µclinux (Microcontroller Linux) [5] nennt. Die beste Treiberunterstützung steht jedoch für die x86-familie von Intel zu Verfügung. Dies liegt daran, das Linux ursprünglich auf dieser Plattform entwickelt wurde. Einige unterstützte Plattformen: i386 MIPS SPARC PowerPc ARM Coldfire, Dragonball 3 die Memory Management Unit ist für die Umwandlung virtueller Adressen in physikalische Adressen zuständig. 3
6 3.2 Speicheranforderungen Ein Embedded Linux System kann man bereits mit 2 MB Flash-Speicher und 8 MB RAM realisieren. Dabei sollte man beachten, dass Systeme, die komplexere Aufgaben erledigen müssen, auch deutlich mehr an Speicher brauchen. 4 Aufbau eines Embedded Linux Systems 4.1 Startkonzept Da bei Embedded Linux Systemen meistens keine Festplatte zur Verfügung steht, müssen dort andere Strategien zum Booten eingesetzt werden, z.b. Flash-Disk Boot, ROM-Boot oder Netzwerk-Boot. Am meisten wird jedoch das System im Flash Speicher abgelegt. Dies hat auch eine Reihe von Vorteilen. Man kann z.b. Daten, die während des Betriebes angefallen sind, wieder im Flash ablegen und bei nächstem Systemstart weiter verwenden. Außerdem kann man so leichter neue Programme aufspielen oder ein Update des Systems realisieren. Der Bootvorgang sieht dabei wie folgt aus: Vor dem eigentlichen Linux-Systemstart wird zunächst eine RAM-Disk im DRAM des Systems eingerichtet. Nach dem Erzeugen des Dateisystems auf diesem, wird dort der Teil des komprimierten Images aus dem Flash Speicher dekomprimiert. Anschliessend erfolgt der eigentliche Linuxsystemstart. Alle diese Aufgaben, bis zu dem eigentlichen Systemstart, werden von dem Bootloader erledigt. 4.2 Kernel Der Linux-Kernel ist der wichtigste Bestandteil eines Linux-Betriebssystems. Er stellt die Verbindung zwischen der Hardware und der Software dar. Durch die immer weiter fortschreitende Entwicklung ist seine Größe, Komplexität, aber auch die Anzahl von verschiedenen Treibern, die er bereitstellt, gestiegen. Doch vor allem die Größe, die ein heutiger 2.4 Kernel besitzt, macht ihn für den Einsatz in Embedded Systems sehr sperrig. Jedoch durch die hohe Anpassungsfähigkeit des Linux- Kernels, bei der man jeden einzelnen Treiber separat auswählen kann, ist es möglich diesen speziell auf die Zielhardware anzupassen und dabei gleichzeitig dessen Größe so klein wie nur möglich zu halten. 4.3 C Libraries Eine der zentralen Bestandteile eines UNIX-Betriebssystems ist die C-Bibliothek. Sie beinhaltet alle grundlegenden Funktionen, die von fast allen Programmen benötigt werden GNU libc Die glibc ist eine umfangreiche C-Bibliothek, die in dem GNU Projekt entwickelt wird. Da sie ein sehr hohes Maß an Portabilität besitzt, wird sie von allen großen Linux-Distributionen eingesetzt. Diese Bibliothek ist sehr umfangreich, da sie mit dem Ziel entwickelt wird, möglichst viele Standards für C-Librarys zu erfüllen. Durch 4
7 ihren Umfang belegt diese Bibliothek viel Speicherplatz. Die glibc-2 ist ungestript 4 über 4 MB groß. Durch stripen kann man diese auf knapp 1 MB reduzieren. In dieser Größe würde sie auf einem kleinen System immer noch den meisten Speicherplatz einnehmen. Aus diesem Grund wird sie auf kleinen Systemen, wie das die Embedded Systeme sind, kaum eingesetzt µclibc Für den Einsatz in Embedded Linux wurde die uclibc [6] entwickelt. Sie ist viel kleiner als dir glibc. Ihre Größe beträgt ca. 470 KB (ca. 339 KB gestript). Sie ist weitestgehend zu der glibc kompatibel, d.h. die meisten Programme die mit glibc arbeiten, funktionieren auch mit der uclibc (um die Applikationen von der glibc nach uclibc zu portieren, reicht es meistens nur den Quellcode zu rekompilieren). Diese Bibliothek läuft sowohl auf einer Standard Linux Installation wie auch auf µclinux, welches speziell für Microcontroller ohne MMU (Memory Management Unit) entwickelt wurde. Aufgrund der oben genannten Eigenschaften, aber auch der Tatsache, dass sie kostenlos verfügbar ist, wird diese sehr gerne auf den eingebetteten Systemen eingesetzt Weitere C-Bibliotheken Daneben existieren noch einige weitere C-Bibliotheken wie z.b. newlib oder dietlibc die sich jedoch nicht so hoher Beliebtheit wie die glibc und uclibc erfreuen. Man kann diese unter folgenden Adressen im Internet finden: BusyBox Auf normalen Linux Systemen gibt es sehr viele Kommandozeilenprogramme, die man für den Normalbetrieb braucht. Sei es für Konfiguration oder die tägliche Arbeit wie z.b. Dateizugriff. Dies sind meistens GNU-Versionen der gängigen UNIX- Programme wie z.b. ifconfig, ls, mount,.... Würde man diese auf das Embedded System übernehmen, so würden diese verhältnismäßig viel des kostbaren Speicherplatzes einnehmen. BusyBox [7] wurde passend für Anwendungen entwickelt, die mit sehr wenig Speicher auskommen müssen. Es kombiniert eine kleine Version der meistgebrauchten UNIX-Programme (siehe Abbildung 1), die in einer einzigen ausführbaren Datei untergebracht sind. Es stellt für eingebettete Systeme eine fast komplette POSIX 5 Umgebung zur Verfügung. Die Tools in BusyBox haben viel weniger Optionen als ihre GNU Entsprechungen, es wurden lediglich die am meisten benutzten Optionen integriert, was aufgrund der begrenzten Ressourcen verständlich ist. BusyBox ist 4 Durch stripen werden aus Bibliotheken Debugsymbole und Symboltabellen entfernt. Dadurch kann man die Größe einer Bibliothek deutlich verringern. Unter Linux wird dazu das Kommando strip benutzt. 5 Portable Operating System Interface ist ein Standard der eine Schnittstelle definiert die die Portierung auf andere POSIX konforme Betriebssysteme erleichtern soll. 5
8 modular gestaltet worden, so dass man ganz einfach bestimmte Kommandos zur Kompilierungszeit hinzufügen oder herausnehmen kann. Dadurch ist es sehr einfach an die Bedürfnisse des jeweiligen Systems anpassbar. Abbildung 1: BusyBox mit allen unterstützten Funktionen Man kann BusyBox mit dem Kommando, das man benutzen will, als Argument aufrufen z.b.:./busybox ls Dies würde BusyBox veranlassen sich wie das Kommando ls zu verhalten. Es ist aber eine umständliche Bedienung, jedes mal BusyBox vor das eigentliche Kommando zu schreiben. Es geht noch viel eleganter. Wenn man einen symbolischen Link auf BusyBox anlegt und diesen Link mit dem Namen des Kommandos benennt, z.b.:./ln -s./busybox ls so kann man die Funktionen wie gewohnt, durch Aufruf des entsprechenden Kommandos hier: ls, benutzen. 6
9 4.5 TinyLogin Ein weiteres Programm, das auf Embedded Linux Systemen eingesetzt wird, ist TinyLogin [8]. Es ist eine kleine Sammlung von Werkzeugen zum Authentisieren, Einloggen und Verwaltung von Gruppen und Benutzern auf einem Linux / Unix System. Seine Funktionsweise ist der der BusyBox gleich d.h. es ist eine einzige ausführbare Datei bei der die Kommandos entweder als Parameter übergeben werden oder man legt ein symbolisches Link auf diese mit dem Namen des Kommandos, das ausgeführt werden soll. Es ist auch ähnlich wie BusyBox konfigurierbar und an das System anpassbar. Momentan werden folgende Befehle unterstützt: adduser, addgroup, deluser, delgroup, login, su, sulogin, passwd, getty. TinyLogin kann sowohl mit aber auch ohne BusyBox benutzt werden, jedoch werden diese beiden Programme sehr oft zusammen auf einem System vorgefunden. 5 Echtzeit Bevor man sich jedoch über Echtzeit unterhält, sollte man sich im Klaren sein, was es eigentlich bedeutet. Im folgenden Text werden die Grundlagen und die Definitionen von Echtzeit kurz erläutert. 5.1 Grundlagen In einem Echtzeitcomputersystem ist die Korrektheit des Systems nicht nur von dem funktionalem Ergebnis abhängig, sondern auch von der Zeit, in der dieses Ergebnis geliefert wurde. Ein Computersystem ist demnach genau dann ein Echtzeitsystem, wenn er vorgegebene Antwortzeiten einhalten kann. Dabei bedeutet dies nicht, dass es besonders schnell sein muss, es soll nur deterministisch reagieren. Aber wie kurz müssen die Antwortzeiten eines solchen Systems sein? Nun, das ist immer von der konkreten Aufgabe des Systems abhängig. Das System sollte auf jeden Fall genügend Zeit haben, um auf die Ereignisse angemessen reagieren zu können. Man kann bei der Echtzeit zwischen harter und weicher Echtzeit unterscheiden. Harte Echtzeit: Ein hartes Echtzeitsystem muss genau festgelegte Antwortzeiten garantieren. Dabei sind Abweichungen von den Vorgaben nicht zulässig. Harte Echtzeitsysteme werden meistens in sicherheitsrelevanten Umgebungen wie z.b.: Airbagzündung, Luft- und Raumfahrt eingesetzt. Weiche Echtzeit: Bei weicher Echtzeit wird die Überschreitung dieser Antwortzeiten innerhalb gewisser, aber festgelegter Grenzen toleriert und führt nicht sofort zu einem Systemfehler. So sollte z.b. die Framerate eines Videofilm bei Multimedianwendungen fast immer 50 fps (frames per second) erreichen. Wird diese Vorgabe zeitweise aber unterschritten und wird der Videofilm mit weniger fps dargestellt, so ist das nicht so schlimm. 7
10 5.2 Echtzeit und Linux Ein Standard Linux-System erfüllt nicht die harten Echtzeit Anforderungen. Dies hat eine Reihe von Gründen: Die Prozesse im Kernel Mode sind nicht unterbrechbar. Wenn ein Prozess im Kernel Mode die CPU zugeteilt bekommt, so kann der nicht mehr durch ein Systemaufruf unterbrochen werden. Alle anderen Prozesse müssen warten, bis dieser beendet wird. Kritische Bereiche des Kernel-Code schalten Interrupts ab. Es gibt keine definierten Antwortzeiten beim Zugriff auf die Kommunikationseinrichtungen wie Ethernet. Der Zugriff auf Speicher kann bei ausgelagerten Seiten undefinierbar lange dauern. Will man also ein Linux das harte Echtzeitanforderungen erfüllen kann, so reicht es nicht den vorhandenen Kernel einfach anzupassen, man muss dabei einen völlig anderen Ansatz wählen. Harte Echtzeit wird zur Zeit von zwei wesentlichen Implementierungen unter Linux bereitgestellt. RT-Linux [17], entwickelt von einem Team um Prof. Victor Yodaiken und Michael Barabanov am New Mexico Institute of Mining and Technology RTAI (Real Time Application Interface) [18] entwickelt von einem Team um Prof. Paolo Mantegazza am Dipartimento di Ingegneria Aerospaziale des Politecnico di Milano Abbildung 2: Aufbau von RTAI. (Bild von [19]) 8
11 Bei dem echtzeitfähigen Linux wird dabei ein sehr schlanker Kern genommen, der direkt als eine Schicht auf der Hardware läuft. Da dieser die Antwortzeiten für Realtimeanwendungen garantieren kann, verwaltet er die Echtzeitprozesse aber auch die Interruptanforderungen. Dabei wird noch ein weiterer Prozess mit niedrigster Priorität gestartet, der immer dann die CPU zugeteilt bekommt, wenn keine Echtzeitaufgaben zu erledigen sind. In diesem Prozess wird das Standard Linux ausgeführt. Die verschiedenen Prozesse können dabei miteinander über spezielle Real-Time-FIFOs (wie auf der Abbildung 3 gezeigt) oder Shared Memory 6 (Shm) kommunizieren. Beide dieser Ansätze, RT-Linux und RTAI, bedienen sich der ladbaren Kernelmodule, in denen die Echtzeit-Programme ausgeführt werden. Abbildung 3: Prozesskommunikation über FIFOs (Bild von [12]) Der wesentliche Unterschied zwischen RT-Linux und RTAI ist die Art, wie die Real-Time Komponente zu Linux hinzugefügt wurde. Bei RT-Linux werden die meisten Änderungen direkt in den Quellen des Linux- Kernels durchgeführt. Dies macht die Verfolgung von Änderungen oder Update schwieriger, zudem stellt es einen erheblichen Eingriff in den Quellcode dar. RTAI begrenzt die Änderungen am Standard Linux Kernel, in dem eine Schicht, die Hardware Abstraction Layer (HAL) (siehe Abbildung 2), eingefügt wird. Diese besteht im Wesentlichen aus einer Struktur aus Zeigern auf die Interrupt-Vektoren 6 Shared Memory ist eine weitere Methode (neben FIFOs) mit der mehrere Prozesse miteinander kommunizieren können. Dabei wird ein Teil des Speichers von diesen Prozessen gemeinsam zum Datenaustausch benutzt. 9
12 und die Funktion, die die Interrupts aktivieren bzw. deaktivieren kann. Dies stellt die elegantere Lösung dar, denn es minimiert den Eingriff in den Standard Linux Kernel und zugleich ermöglicht es, während des Betriebes von dem Real-Time Betrieb zu normalem Linux verhalten umzuschalten (dies geschieht durch einfaches Umschreiben der Zeiger in der RTHAL Struktur), z.b. dann wenn die Real-Time Komponente inaktiv wird. 6 Einsatzgebiete Das Einsatzgebiet von Embedded Linux erstreckt sich von der Automation und industriellen Messtechnik bis hin zu Unterhaltungssystemen, wie z.b. MP3-Player oder Digitale Settopboxen. Abhängig von dem Einsatzgebiet müssen dabei verschiedene Anforderungen von diesen Systemen erfüllt werden. Werden eingebettete Systeme als industrielle Steuerungen (SPS Speicher Programmierbare Steuerung) eingesetzt, so müssen diese die harten Echtzeit Anforderungen erfüllen. Denn kein Unternehmen kann es sich heutzutage leisten, wegen einem zu spät abgefragten Sensor einen Maschinenschaden oder sogar den Ausfall der Produktion zu riskieren. Dabei ist es immer wichtiger, dass diese eine Möglichkeit der Fernüberwachung und der Ferndiagnose bereitstellen. Diese Forderung kann z.b. leicht mit einem integriertem Webserver realisiert werden. Im Gegensatz zur Industrie werden bei der Unterhaltungselektronik nicht so hohe Anforderungen an die Systeme gestellt, so dass in vielen Fällen die weiche Echtzeit ausreichend ist. 6.1 Reale Anwendungsbeispiele Ein Beispiel für den industriellen Einsatz ist das von der Firma Axotec [14] hergestellte System Spider. Es ist ein kompletter Linux Server in der Größe eines Taschenbuches. Es besitzt u.a. ein 10 Base T Ethernet und 2 serielle Anschluße. Spider kann in vielen industriellen Anwendungen eingesetzt werden, wie z.b. Maschinenkontrolle, Webcam, Protokoll Konverter, webbasierte Messsysteme oder Fahrzeugrechnereinsatz. Abbildung 4: Spider ein von der Firma Axotec entwickelter Linux Server (Bild von [14]) 10
13 Ein Beispiel für den Einsatz im multimedialen Bereich stellt das Handy A760 von Motorola dar, das der Konzern im August 2003 auf der International Telecomms and Networking Show in Taipeh (Taiwan) vorgestellt hat. Dieses Handy läuft auf einem Linuxsystem mit einem java-basierten multimedia application framework. Es verfügt über einen Video-, Musikplayer und einem PDA-ähnlichen Informationsverwaltungssystem (Adressbuch, Kalender,... ). (Angaben aus [15]) Abbildung 5: A760 erstes Handy das unter Linux läuft (Bild von [15]) Ein weiteres Einsatzgebiet ist der militärische Bereich. So ist zum Beispiel die GPS gesteuerte Artillerie Rakete Excalibur eine auf Linux basierte Militäranwendung, die von der Firma Raytheon entwickelt wird. (Angaben aus [16]) Abbildung 6: GPS gesteuerte Artillerie Munition basierend auf einem Linuxsystem (Bild von [16]) 11
14 7 Zusammenfassung und Ausblick Diese Arbeit beschrieb die Definition von Embedded Systems und Embedded Linux und die Hardwareanforderungen, um kleine Linux-Systeme zu realisieren. Dabei müssen diverse Komponenten des Betriebssystems speziell an die Hardware und die sehr knappen Ressourcen angepasst werden. Dies sind insbesondere der Kernel, die C-Bibliothek, aber auch die Tools, die man für den Betrieb braucht. Wie im Text beschrieben existieren da schon fertige Implementierungen wie µclinux, µclibc, BusyBox, TinyLogin, die man sehr leicht konfigurieren kann und die schon im Hinblick auf die knappen Ressourcen entwickelt wurden. Weiter wurden kurz die Grundlagen von Echtzeit und die Bedeutung von dieser in Embedded Systems geschildert. Dabei muss man zwischen weicher und harter Echtzeit unterscheiden. Es wurden kurz zwei Entwicklungen unter Linux vorgestellt, RT-Linux und RTAI, die die harte Echtzeit unter Linux bereitstellen. Schließlich wurden einige reale Anwendungen vorgestellt, die die Vielseitigkeit und die Praxistauglichkeit von Linux demonstrieren. Durch die rasante Entwicklung in der Gebrauchs- und Unterhaltungselektronik sind interessante Entwicklungen zu erwarten. Besonders bei neuen Technologien wie Bluetooth oder UMTS können neue Software Entwicklungen für Embedded Systems von Open Source wie Linux profitieren. 12
15 Literatur [1] Schwebel, Robert. Embedded Linux Handbuch für Entwickler. MITP-Verlag, Bonn, 1. Auflage 2001 [2] c t 19/2001, S. 162: Zehn Jahre Linux [3] Embedded Linux Consortium. [4] LinuxDevices the embedded Linux portal. [5] µclinux Embedded Linux Microcontroller Project. [6] µclibc a C library for embedded systems. [7] BusyBox The Swiss Army Knife of Embedded Linux. [8] TinyLogin. [9] GNU s Not Unix the GNU Project and the Free Software Foundation. [10] Linux Magazin Die Zeitschrift für Linux-Professionals. 01/ [11] Embedded Linux Journal. [12] MicroControl Systemhaus für Automatisierung. [13] Barr, Michael. Embedded Systems Glossary Juni 2003 [14] Axotec. [15] The Register. [16] Embedded Systems. [17] FSMLabs The RTLinux Company. [18] DIAPM RTAI Realtime Application Interface. rtai/index.html [19] Elektronik Net. 13
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