10.11 Wie beeinflusst der Explosionsschutz die Auswahl von Bussystemen?
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- Carl Falk
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1 10.11 Wie beeinflusst der Explosionsschutz die Auswahl von Bussystemen? IPC und Ex-Feldbusse verändern zunehmend die Prozessautomation. Dennoch kann es vorkommen, dass jemand, der damit noch nichts zu tun hatte, die Worte Feldbus und Fieldbus kurzerhand als sprachliches Phänomen abtut. Die Unsicherheit bei der Auswahl von Bussystemen hat zumeist andere Gründe als den Explosionsschutz. Ein Bussystem unterliegt prinzipiell den gleichen Bedingungen für den Explosionsschutz wie jede andere Installation. Wenn das so einfach ist, wieso sind dann Feldbusse in Ex-Anlagen nicht schon lange üblich? Erfordernisse und Realität Angesichts der Vielfalt angebotener Systeme in kontinuierlicher Innovation begleitet von verkaufsgerichteter Argumentation steht der interessierte Anwender vor der Aufgabe, seine Auswahl vor dem Kauf zu überprüfen und umfassend zu durchdenken. Die Normen VDE 0165 gehen darauf nicht besonders ein. Noch immer gibt es nicht einmal für normale Anwendung einen einheitlichen Feldbusstandard. Was ein Feldbus im Verfahrensmanagement chemischer Prozesse leisten soll, sagt die NAMUR-Empfehlung NE 74 NAMUR-Anforderungen an den Feldbus, wogegen aus den Normen DIN EN (IEC 61158) Feldbus für industrielle Leitsysteme den Planern und Betreibern explosionsgefährdeter Prozessanlagen praktischer Rat kaum erwächst. Für Ex-Bereiche ideal wäre ein explosionsgeschützter schneller Bus, der den Anschluss von Feldgeräten im Ex-Bereich begünstigt, nach Wunsch Redundanz einräumt und eine Vielzahl unterschiedlicher Geräte herstellerunabhängig bedient. Dazu gibt es reale Möglichkeiten, z. B. das eigensichere FISCO-Konzept, die leistungserweiternde Konzeption Eigensicherer Feldbus (ES-Bus; bearbeitet von PTB und TU Braunschweig) oder die herstellerunabhängige FDT-Technologie. Wie NAMUR-Fachleute schon länger errechnet haben, macht die Bustechnik Kostenminderungen von insgesamt mehr als 40 % gegenüber konventioneller Technik (4 bis 20 ma) möglich. Dabei liegt das Sparpotenzial hauptsächlich im Engineering und in der Instrumentierung. Obwohl Untersuchungen für intelligente umfassend feldbustaugliche Geräte einen Mehrpreis von % gegenüber konventionellen Ausführungen nachweisen, steht der wirtschaftliche Vorteil insgesamt außer Frage. Varianten Das Prozessleitsystem (PLS) im exfreien Wartenbereich und die Feldgeräte, die sich in den Ex-Bereichen befinden, können auf verschiedene Art analog oder digital an einen Bus angekoppelt werden. Bei Ex-Anwendungen dominieren zwei konkurrierende sehr unterschiedliche Bussysteme, Profibus PA/DP und Foundation Fieldbus H1. Ihre Vorzüge werden von den Anbietern unterschiedlich kombiniert, dokumentiert und interpretiert. Anstelle ausführlicher Darstellungen einer kaum übersehbaren Variantenvielfalt kann hier nur auf Prinzipien eingegangen und ansonsten auf die Dokumentationen der Hersteller und die spezielle Fachliteratur verwiesen werden. 220
2 Bild 10.7 zeigt am Beispiel eigensicherer Stromkreise, wie stark die Anwendung der Bustechnik (mit Remote I/O oder als Feldbus) den Aufwand für Kabel und Leitungen gegenüber dem konventionellen Anschluss der Feldgeräte verringert. Das Angebot von Bussystemen hat sich in mehreren Varianten entwickelt: a) frei wählbares Standardbussystem, das den Ex-Bereich gar nicht berührt, mit Ankopplung außerhalb des Ex-Bereiches und konventionellem Explosionsschutz im Feld; b) normaler Bus, im System variabel, der in den Ex-Bereich führt und über e -Klemmenkästen den Anschluss von explosionsgeschützten Feldgeräten in den üblichen Zündschutzarten ermöglicht (z. B. in e, d, m ), c) eigensicheres i -Bussystem, auch mit Mehrfachtrennern in Zone 1, die eine durchgeschleifte e -Einspeisung haben, wodurch der Bus bis zu 32 Teilnehmer aufnimmt; eine gültige Norm liegt inzwischen vor für das FISCO- Bussystem für Zone 1 (Fieldbus intrinsically safe concept; entspricht Gerätekategorie 2; DIN IEC VDE ), d) FNICO-Bussystem für Zone 2 (Fieldbus non-incendive concept; vereinfachte Gestaltungsregeln gegenüber FISCO, entspricht Gerätekategorie 3; gleiche Norm wie FIS- CO). FISCO, konzipiert für Zündschutzart i, benötigt ein außerhalb des Ex-Bereiches angeordnetes Speisegerät, das ohne spezielle Konfiguration auskommt und die Daten sowie die Hilfsenergie für die Feldgeräte im Ex-Bereich bereitstellt. Das Netzwerkkabel verbindet die Busteilnehmer mit dem Speisegerät. C und L der Busteilnehmer sind auf 5 nf bzw. 10 mh begrenzt. FNICO, ausgerichtet auf die Zündschutzart n, ist nur für Zone 2 geeignet und wird daher (noch) nicht als eigensicher bezeichnet. FNICO nutzt den mit analoger Technik verbundenen 1,5fachen Leistungsvorteil und lässt Geräte mit 20 mh zu. Eine eigens für diese Bussysteme geltende Norm soll es künftig nicht mehr geben. Stattdessen wird voraussichtlich die i -Norm VDE um dieses Thema erweitert. Für eigensichere Prozess-Interfaces gibt es nach NAMUR vier Varianten: konventionell in Punkt-zu-Punkt-Verdrahtung, Rackbus (Digitalisierung außerhalb des Ex-Bereiches), Remote I/O-System (Orte der Digitalisierung und i-trennung variabel, über Bus verbunden mit dem PLS), Feldbus; mit Digitalisierung im Feldgerät, Wegfall der i-barrieren, voller Kommunikation in beide Richtungen, bestmöglicher Funktionalität und Diagnose, Selbstüberwachung, bestem Preis-Leistungs-Verhältnis. Intelligente Netzwerke sollen künftig als autonome Einheiten das zentrale Prozessmanagement von Regelungs- und Überwachungsaufgaben weitgehend entlasten. Aber welche dieser Varianten bietet die jeweils günstigsten Bedingungen? Die Antwort darauf hängt ab von der Kompatibilität zum vorgeordneten PLS, dem Umfang des Datendurchsatzes, der nötigen Übertragungsgeschwindigkeit, der bevorzugten Gerätetechnik, der optimalen Geräteintegration und weiterer anlage- und betriebstechnischer Belange wie z. B. den Vernetzungsbedingungen, dem Netzwerkprotokoll, der
3 E/A E/A E/A Warte Standardbus, Warte oder Zone 2 MSR-Raum Rangierung Zone 1 ZONE 1 ZONE 1 ZONE 1 Konventionell LOCAL BUS FIELD BUS Die Leitungen analoger und binärer Ein- und Ausgänge werden in Klemmenkästen (Abzweigdosen) zu mehradrigen Stammkabeln zusammengefaßt und zum Rangierverteiler geführt. Vom Rangierverteiler erfolgt eine Einzelverdrahtung zur Ex-i-Signalanpassungsebene. Diese besteht aus Sicherheitsbarrieren, aus galvanisch getrennten DIN- Schienen-Geräten oder aus Europakarten. Von der Signalanpassungsebene werden die Standardsignale wiederum über Einzeladern zu den E/A- Baugruppen der SPS oder des PLS verdrahtet. Die Leitungen analoger und binärer Ein- und Ausgänge werden in Klemmenkästen (Abzweigdosen) zu mehradrigen Stammkabeln zusammengefaßt und zum Feldverteiler geführt. Vom Feldverteiler erfolgt eine Einzelverdrahtung zur Ex-i- Signalanpassungsebene. Diese besteht aus galvanisch getrennten BUS-Modulen zur DIN-Schienenmontage. Vom Buskoppler werden die Signale des Normbusses über eine serielle Schnittstelle zur SPS oder zum PLS verdrahtet. Einsparung bei Planung, Ein- /Ausgabemodulen, Rangierverteilern und Verdrahtung. Die Leitungen analoger und binärer Ein- und Ausgänge werden zur Ex-i-Signalanpassungsebene geführt, die in ZONE 1 montiert ist. Sie besteht aus galvanisch getrennten, steckbaren BUS-Modulen. Vom Buskoppler werden die Signale des Normbusses über eine serielle Schnittstelle zur SPS oder zum PLS verdrahtet. Einsparung bei Planung, Ein- /Ausgabemodulen, Rangierverteilern, Klemmenkästen, Abzweigdosen und Verdrahtung. Bild 10.7 Bustechnologien im Vergleich (Fa. CEAG Apparatebau) Softwarestabilität u. a. m. Bei diesen Entscheidungen steht der Explosionsschutz nicht im Vordergrund. In der Automatisierungstechnik bedient man sich gern der Zündschutzart Eigensicherheit i. Dem Vorzug von busfähigen i -Feldgeräten, im Ex-Bereich ohne Freigabe- 222
4 schein für Eingriffe zugänglich zu sein, unter Spannung und rückwirkungsfrei (hot swapping), stehen am Bus die Nachteile der begrenzten Leistung (im Mittel 2 W für etwa 10 Teilnehmer) und eine geringere Übertragungsgeschwindigkeit (31,25 kbit/s) gegenüber. Komponenten mit höherem Leistungsbedarf, wie es vor allem bei Aktoren der Fall sein kann, benötigen dann eine separate eigensichere Stromversorgung (Energiebus) und entsprechend mehr Adern im Kabel. Werden solche Komponenten aus energetischem Grund in einer anderen Zündschutzart als i eingesetzt, so gibt es auch dabei Möglichkeiten für einen schnellen Gerätewechsel. Speziell dafür konstruierte d -Steckverbinder bis maximal 10 A machen es möglich, MSR-Betriebsmittel im Ex-Bereich spannungsfrei zu schalten und sicher zu trennen, ohne dass es eines Freigabescheines bedarf. Tafel 10.2 gibt einen Überblick über die Entwicklungstendenz eigensicherer Bustechnik. Tafel 10.2 Entwicklungstendenz eigensicherer Feldbusse (Stand 2006) Variante Spannung U0 Leistung Datentransfer (je Segment) Normal f(i,r); DC 2,0 W 31,25 kbit/s FISCO (Zone 1) 14 V bis 5,32 W 31,25 kbit/s FNICO (Zone 2) 17,5 V DC 7,25 W ES-Bus *) z.b. 50 V AC 10 W 1,5 MBit/s bei 80 khz bei 100 m *) in Entwicklung; Busleitungslänge bis 400 m ( 5 W) Durch die Anforderungen der Eigensicherheit wird nicht die mögliche Länge einer Bus- Leitung beschränkt, sondern die Übertragungsgeschwindigkeit. Mit Lichtwellenleiter- Verbindungen (LWL-Technik, mit LWL-Trennübertragern) lässt sich dieser Nachteil vermeiden und es treten auch keine Beeinflussungsprobleme auf. Konventionelle Kabelverbindungen mit Kupferleitern kann man jedoch nicht einfach durch die absolut fremdspannungssichere LWL-Technik ersetzen. Zur Anwendungspraxis Bevorzugtes Bussystem ist der Profibus PA (H1). Nach derzeitigem Stand hat dieser Bus in Europa einen Bekanntheitsgrad von > 80 %. Zur Anbindung an das PLS dient der Profibus DP (H2). Das Profibus-System entspricht den Anforderungen der NAMUR-Empfehlung NE 74. Besondere Merkmale sind bei Variante DP die hohe Übertragungsgeschwindigkeit bis zu 12 Mbit/s und bei der langsamen Variante PA mit 31,25 bit/s die Eigensicherheit. Es gibt allerdings inzwischen auch bei DP schon Möglichkeiten, mit 1,5 Mbit/s eigensicher in das Feld zu gelangen. Dennoch bietet der Profibus PA wegen seiner vergleichsweise einfachen Handhabung als Feldbus günstige Voraussetzungen für Messumformer, Regelventile u. a. m
5 Unter bestimmten Voraussetzungen werden jedoch auch andere Bussysteme mit dem Explosionsschutz kombiniert, besonders der Foundation Fieldbus H1, ebenso der Modbus. CAN- und Interbus eignen sich mit einer speziellen Technik für den Anschluss leistungsstärkerer Feldkomponenten in konventionellen Zündschutzarten, werden aber selten angewandt. Prinzipiell haben Bussysteme gegenüber Remote I/O den Vorteil, sowohl Daten als auch Energie übertragen zu können. Remote I/O-Systeme passen Signale von Feldgeräten an Prozessleitsysteme an, erweitern den Einsatzbereich von Feldbussen beträchtlich und sind eine bewährte Alternative zum echten Feldbus. Prinzipiell betrachtet funktionieren Remote I/O aber auch busunabhängig. Auch unter dem Kürzel RIO bekannt nutzen sie Vorteile der Parallelinstallation und der Bustechnik dadurch, dass sie die vielen Signalleitungen konventioneller Art vor Ort zusammenfassen und über einen Bus der übergeordneten Auswerteeinheit zuführen. Als praktikable Lösung anstelle eines kompletten Feldbusses übernimmt ein RIO auch analoge Signale von Geräten, die in beliebigen Ex-Zündschutzarten ausgeführt sind. Bisher erfolgte der Geräteanschluss an den Bus über Segmente mit bis zu 16 Teilnehmern, verknüpft durch Segmentkoppler. Moderne Ex-Multibarrieren (Hubs) können sogar bis zu 24 fest angeschlossene i -Teilnehmer mit separatem Kurzschlussschutz aufnehmen, wodurch sich die Zahl erforderlicher Buskoppler verringert. Ein zusätzlicher Energiebus in Zündschutzart e führt an die Hubs und begünstigt den Anschluss von Aktoren und anderen Geräten mit höherem Anschlusswert. Neuere RIOs lassen sich unterschiedlichen Bussystemen anpassen, verfügen über verschiedenartige komfortable Ausgabesysteme, binden auch HART- und Zone-0-Teilnehmer ein und ermöglichen abgestufte Redundanz. Hersteller gestalten Remote I/O-Lösungen zunehmend als offene Systeme und modifizieren sie so, dass sie der betrieblichen Aufgabe optimal entsprechen. Damit eignen sie sich sehr gut für anlagetechnische Modernisierungen. Nach übereinstimmender Meinung vieler Anwender werden die RIOs noch längere Zeit ihre Existenzberechtigung behalten. Feldbussysteme in reiner Form setzen sich bisher nur zögerlich durch. Über die prinzipiellen Vorteile besteht kein Zweifel. Um durchgängig zu überzeugen, auch für das Asset-Management, sind jedoch noch Hürden zu überwinden in der Kompatibilität der Komponenten und ihrer Software. Üblich sind Bussysteme entweder in i oder mit Hauptbus in e und i -Segmenten, oder mit Hubs im Feld, um unter Spannung klemmen zu können. Feldbustechnologie mit Remote I/O am gleichen Objekt zu kombinieren erscheint problematisch. Für komplett mit Feldbustechnik ausgerüstete Neuanlagen liegen positive Betriebserfahrungen schon vor. Beratung durch spezialisierte Fachleute bei der Planung vermeidet Ärgernisse bei der Inbetriebnahme. In Vergleichen von Remote I/O und Feldbustechnik unter Praxisbedingungen der Pharmaproduktion konnten zugunsten der Feldbustechnik sowohl eine stabile Fahrweise als auch Kostenvorteile nachgewiesen werden. Ein rein funktionaler Vergleich nach 13 Merkmalen, von der Übertragungsrate bis zur Integration von Bedienen und Beobachten, ergab indessen nur einen minimalen Vorsprung des Feldbusses. Für sicherheitsgerichtete Anwendungen über Bussysteme, z. B. Profisafe mit SIL 3 oder Interbus-Safety einschließlich des Einbindens der etwas signalverzögernden 224
6 Funktechnologien gibt es noch keine repräsentativen Anwendungserfahrungen unter Ex-Bedingungen. Noch stehen dafür zu wenige Feldgeräte zur Verfügung. Remote I/O bietet in dieser Hinsicht noch die besseren Voraussetzungen, allerdings nicht bis SIL 3. Richtungweisend für bessere Anwendungsmöglichkeiten der Bus-Technologie in Ex-Bereichen sind z. B. Feldbus-Barrieren-Konzepte für längere, erst im Feld entkoppelte Stichleitungen, Power-Konzepte für höhere Leistungsumsätze als mit FISCO, das eigensichere Energieversorgungskonzept c-i-s für Leistungsumsätze bis 20 W mit höherfrequenten Wechselspannungen bis 100 V. Panta rhei alles fließt, und im Explosionsschutz scheint das besonders zuzutreffen auf den technischen Fortschritt bei Bus-Anwendungen. Während die Forschung technisch weitgreifende Neuerungen für eigensichere Bussysteme entwickelt, offerieren die Hersteller auf breiter Linie praktikable Lösungen für den aktuellen Bedarf. Aus einer Studie, die sich mit der Optimierung der MSR-Kosten in den Zone-2-Bereichen eines chemischen Großunternehmens befasst, geht hervor, dass dann auch sogenannte normale MSR-Betriebsmittel kostengünstige Alternativen bieten Muss der anlagetechnische Explosionsschutz auch außergewöhnliche Vorkommnisse berücksichtigen? In der Regel ist die Wirksamkeit des Explosionsschutzes elektrischer Betriebsmittel gebunden an den bestimmungsgemäßen Betrieb der Betriebsmittel und an den Normalbetrieb der technologischen Einrichtungen, von denen die Explosionsgefährdung ausgeht. Störungen des elektrischen Normalbetriebes, mit denen man bei bestimmungsgemäßem Betrieb erfahrungsgemäß zu rechnen hat, sind in den Normen des elektrischen Explosionsschutzes einbezogen, so z. B. die Überlastung von Antrieben oder das Blockieren einer Pumpe. Der Einfluss von Störungen auf technologischer Seite muss bei der Beurteilung und Einstufung der explosionsgefährdeten Bereiche berücksichtigt werden. Kommt es irgendwann zu einer vorhersehbaren Abweichung vom Normalbetrieb, dann ist das kein außergewöhnliches Vorkommnis. Die Anlagensicherheit wird nicht wesentlich beeinträchtigt. Anders ist das bei sicherheitstechnisch bedeutenden Störungen. Wenn die Anlage dem Stand der Technik entspricht, sind derartige Störungen nicht mehr vernünftigerweise vorhersehbar, ebensowenig sind sie ein Störfall im Sinne der Störfallverordnung (12. BImschV). Tritt dieser Fall dennoch ein, dann ist das für den Verantwortlichen im wörtlichen Sinn bestimmt katastrophal, auch wenn es noch keine Katastrophe in rechtlichem Sinne ist. Normgerechter Explosionsschutz trägt natürlich auch dazu bei, Störfälle und Katastrophen zu vermeiden. Unmittelbar wirksam ist er aber nur innerhalb der als explosionsgefährdet festgelegten örtlichen Bereiche und unter den genormten Bedingungen. Sollen genormte oder andere Schutzmaßnahmen darüber hinaus wirksam sein, dann
7 müssen das zu erreichende Ziel und die dazu erforderlichen Maßnahmen besonders festgelegt werden (dazu auch TRBS 2155 zur Anwendung von Prozessleittechnik im Explosionsschutz und IEC zur funktionalen Sicherheit, 10.14). Naheliegend wäre es zum Beispiel, besondere Forderungen an den Funktionserhalt im Brandfall zu erwägen. Schutzmaßnahmen gegen Störfälle erfordern ein anlagetechnisches Gesamtkonzept. Allein durch elektrischen Explosionsschutz ist das nicht zu bewerkstelligen Muss der anlagetechnische Explosionsschutz auch Fehlanwendungen ausschließen? Nach dem Willen der Richtlinie 94/9/EG ist auch die Möglichkeit sachwidriger Verwendung, der vernünftigerweise vorhersehbare Missbrauch (Anhang II der Richtlinie, Ziffer 1.0.2) zu bedenken. Damit wendet sich die Richtlinie an den Hersteller. In etwas anderer Wortwahl definiert 2 GPSG: Vorhersehbare Fehlanwendung ist die Verwendung eines Produkts in einer Weise, die von demjenigen, der es in Verkehr bringt, nicht vorgesehen ist, sich jedoch aus dem vernünftigerweise vorhersehbaren Verhalten des jeweiligen zu erwartenden Verwenders ergeben kann. In Ex-Anlagen, zu denen nur unterwiesene Fachpersonen Zutritt haben, muss man ein Fehlverhalten nach Meinung des Verfassers allgemein nicht als vernünftigerweise vorhersehbar betrachten. Vernünftigerweise vorhersehbares Fehlverhalten auch bei Ex-Elektroanlagen einzubeziehen ist jedoch notwendig, wenn Handlungsfehler zu unterbinden sind, die auch einem Fachmann mit Ex-Kenntnissen unterlaufen können. Das könnte beispielsweise der Fall sein innerhalb von Gehäusen mit eigensicheren und nichteigensicheren Stromkreisen, wo Fehlhandlungen durch gleichartige nicht kodierte bzw. anderweitig verwechselbare Steckverbinder ausgeschlossen werden müssen. Ebenso ist die Sicherheit gegen Fehlbedienung infolge Gefahrenstress ein wesentlicher Gestaltungsfaktor Welche Bedingungen für den Explosionsschutz muss die Prozessleittechnik erfüllen? Grundsätze für das Gestalten von Prozessleitsystemen sind das Thema von TRBS PLT-Einrichtungen für Ex-Anlagen müssen fähig sein, in erforderlichem Maße Schutzmaßnahmen selektiv auszulösen oder abzusichern, beispielsweise als Schaltfunktion Ein (z. B. Ventilator oder Schutzgaszufuhr zur Unterdrückung gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre), Schaltfunktion Aus (z. B. einzelne potentielle Zündquellen, gesteuertes Stillsetzen), Schaltfunktion Wechsel (z. B. Umschalten von gestörten explosionsgefährdenden Anlageteilen auf Reserveeinheiten), Alarme, Selbstdiagnose und das Fail-Safe-Prinzip (selbsttätige Rückkehr in einen sicheren Zustand). 226
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