Stellungnahme des Universitätsrates der Friedrich-Schiller-Universität Jena zum Akkreditierungsverfahren
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- Moritz Kaufman
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1 Stellungnahme des Universitätsrates der Friedrich-Schiller-Universität Jena zum Akkreditierungsverfahren Aus Anlass der derzeitigen generellen Diskussion und Kritik an der Akkreditierungspraxis in Deutschland und auf Basis eines Erfahrungsberichts des Rektorats der Friedrich- Schiller-Universität (vgl. hierzu Anlage) hat sich der Universitätsrat auf zwei Sitzungen am und ausführlich mit den hochschulpolitischen Zielen und dem Stellenwert des Akkreditierungsverfahrens im Autonomieprozess der Hochschulen befasst und folgendes Papier beschlossen. Thesen zur Akkreditierung in deutschen Hochschulen 0 Der Autonomieprozess ist die wichtigste Innovation der letzten 50 Jahre auf dem Gebiet des Managements von Universitäten und Fachhochschulen. 0.1 Die Autonomie in finanzieller und strategischer Hinsicht ist je nach Ländern unterschiedlich. 0.2 Das Führungsmodell, das auf Autonomie basiert, entspricht dem Prozess Wissenschaft, der sich durch substanzielle selbstorganisatorische Momente auszeichnet. 0.3 Das Ausmaß der Autonomie ist im Wesentlichen ein direkt ablesbarer, wenn auch nicht alleiniger Maßstab für Qualität. Dies ist insbesondere darauf zurückzuführen, dass die Freiheit zur Selbstorganisation ein Management erlaubt, das weitgehend durch die Kriterien der Wissenschaft geleitet ist, während sachfremde Einflüsse minimiert werden. 1 Autonomie bedeutet nicht, dass die Hochschulen keiner öffentlichen Kontrolle unterliegen. Sie bedeutet hingegen, dass die Kontrolle sich auf strategische Führung und Aufsicht beschränkt, während die Hochschulen in operativer Hinsicht selbständig sind. 1.1 Die Politik hat die strategische Führung und Aufsicht (je nach Länder in einem unterschiedlichen Ausmaß) an das Gremium des Hochschulrats übertragen. 1.2 Hochschulräte sollen nach den Kriterien des Sachverstands zusammengesetzt werden. Daraus folgt, dass die Hochschulleitungen in ihnen ein sachkompetentes Gegenüber haben. 1.3 Der Prozess der Übertragung von Zuständigkeiten von Ministerien an die Hochschulräte ist in diesem Zusammenhang von zentraler Bedeutung. 2 Im Blick auf das Qualitätsmanagement einer Hochschule ist strikt zu unterscheiden zwischen Akkreditierung und externer Evaluation. 2.1 Akkreditierung ist ein (meistens durch Agenturen und mit Hilfe von zuständigen Peers durchgeführtes) Verfahren, in welchem definierte Minimalstandards 1
2 überprüft werden sollen. Es soll sichergestellt werden, dass diese minimalen Standards durch keinen Beteiligten unterschritten werden. Kritische Feststellungen, dass eine akkreditierte Einheit mehr als den Standard verlangt, sind in diesem Rahmen nicht zulässig. Das Verfahren wird sinnvollerweise durch externe Organe durchgeführt. Die Akkreditierung liegt primär im Interesse der politischen Kontrolle. 2.2 Externe Evaluation ist ein (ebenfalls durch eine von der Hochschulleitung unabhängige Instanz mit Hilfe von zuständigen Peers durchgeführtes) Verfahren der Qualitätsbeurteilung mit dem Ziel, mit möglichst wenigen Ressourcen möglichst große Qualitätsverbesserungen zu erzielen. Die Evaluationen sind ein wichtiges Mittel der Hochschule zur Qualitätssteigerung und insofern zur Verbesserung ihrer Wettbewerbsposition. Die Evaluationen beziehen sich auf sämtliche Dimensionen der Leistungen einer Hochschule (Forschung, Lehre, Selbstorganisation, Nachwuchsförderung, Dienstleistungen, und so weiter). Die externe Evaluation liegt primär im Interesse der Qualitätssteigerung einer Hochschule. 3 Der Staat als weitaus größter Geldgeber hat ein Anrecht darauf, dass die Hochschulen über ihre finanziellen Aktivitäten und ihre Leistungen vorbehaltlos Rechenschaft ablegen. 3.1 Zur Rechenschaftslegung gehören die üblichen Jahresberichte. 3.2 Regelmäßige Akkreditierungen sind ein weiteres Instrument, mit welchem eine Hochschule über ihr Qualitätsmanagement Rechenschaft ablegen kann. 4 Die Akkreditierungsverfahren müssen der institutionellen Statur der Hochschulen entsprechen und die Instrumente und Mechanismen ihres Qualitätsmanagements in den Mittelpunkt der Begutachtung stellen. Die Universität hat seit Jahrhunderten gute Studienprogramme angeboten. Daraus folgt, dass sie durchaus in der Lage und willens sind, ihre Standards selbst zu überprüfen und wenn nötig anzuheben. 4.1 Die Autonomie der Hochschulen impliziert die Verpflichtung, ein hochschulweites Qualitätsmanagement aufzubauen, das alle Führungs- und Leistungsprozesse umfasst und dessen Regelkreise sich idealerweise zu einem einzigen Flussdiagramm vereinigen lassen. 4.2 Der öffentlichen Kontrolle unterliegt nicht die Qualität der erbrachten Leistungen als solche, sondern vielmehr das Qualitätsmanagement einer Hochschule. 4.3 In der Akkreditierung sollte durch regelmäßige Überprüfung sichergestellt werden, dass das Qualitätsmanagement der Hochschule die Mindeststandards erfüllt. 4.4 Überprüft (ebenfalls mit Hilfe geeigneter Gutachterinnen und Gutachter) werden sollte, ob eine Hochschule ein Konzept für das Management ihrer Qualität hat und ob die dort definierten Instrumente geeignet sind und angewandt werden. Überprüfungsgegenstand sollte ferner sein, ob die Hochschule die angemessenen Konsequenzen aus den Indikationen ihres Qualitätsmanagements zieht. Dies wird als Systemakkreditierung bezeichnet. 4.5 Ist das Qualitätssicherungssystem der Lehre akkreditiert, erübrigt sich die Akkreditierung von Studienprogrammen oder Fächern, da das effiziente und effektive Management der Qualität dieser Programme und Fächer akkreditiert ist. Dadurch können beträchtliche Ressourcen freigesetzt werden für die Kernauf- 2
3 gaben oder die Entwicklung des Qualitätsmanagements einer Hochschule. Ferner stünde eine große Zahl von Peers für wichtige Beurteilungsprozesse (wie Mitarbeit in Habilitations- oder Berufungskommissionen, beziehungsweise Evaluationen von Instituten oder Verwaltungseinheiten) zur Verfügung. 4.6 Sofern eine Akkreditierung des Qualitätsmanagements eine Beurteilung einzelner Prozesse oder Ergebnisse verlangt, kann diese im Rahmen der Akkreditierung des Qualitätssicherungssystems als Überprüfung einer Stichprobe geschehen, welche durch die Hochschule zu präsentieren und zu dokumentieren ist. Eine Verpflichtung, eine dem Akkreditierungsverfahren vorausgehende Akkreditierung von Programmen oder Fächern nachzuweisen, ist nicht sinnvoll und sollte entfallen. 4.7 Sollte eine Hochschule (zum Beispiel aufgrund ihrer Größe) nicht in der Lage oder nicht willens sein, die Qualität ihrer Programme selbst zu überprüfen, kann sie die Dienste von Akkreditierungsagenturen in Anspruch nehmen. Dies sollte jedoch ausschließlich auf Antrag der Hochschule geschehen (und selbstverständlich auch auf ihre Kosten). Auf diese Weise kann sichergestellt werden, dass nur für sinnvolle und zweckmäßige Programmakkreditierungen Ressourcen verbraucht werden. Eine allgemeine Verpflichtung zu Programmakkreditierungen ist abzulehnen, da sie sich kraft der Akkreditierung des Qualitätssicherungsverfahrens erübrigt. 4.8 Als Voraussetzung zur Systemakkreditierung muss das hochschulinterne Qualitätssicherungssystem, soweit es sich auf einzelne Studiengänge bezieht, auf folgende Aspekte ausgerichtet sein: Ausbildungsziele ausreichende Lehrkapazität Absicherung in der mittelfristigen Finanzplanung Abstimmung mit den Berufsfelderwartungen erwartete Nachfrage nach Studienplätzen Eine solche Überprüfung muss unabhängig von den Promotoren innerhalb der Hochschule durchgeführt werden, bevor Studierende in den Studiengang eingeschrieben werden. Dem Universitätsrat muss das entsprechende Verfahren zur Zustimmung vorgelegt werden. 5. Die Akkreditierung muss unabhängig von der Politik und von den Hochschulen durchgeführt werden. 5.1 Ihre Durchführung wird sinnvollerweise einer Agentur übertragen, welche ihre diesbezügliche Kompetenz nachgewiesen hat. 5.2 Durch geeignete Maßnahmen ist dafür zu sorgen, dass die Kräfte des Marktes dem Ziel einer strengen und sorgfältigen Sicherstellung von minimalen Standards nicht entgegenwirken. 3
4 Anlage Erfahrungsbericht des Rektorats der Friedrich-Schiller-Universität Jena zur Umstellung der Studiengänge auf das Bologna-Format und zum Akkreditierungsverfahren 1. Bei Akkreditierung eines neuen Studiengangs vor Aufnahme des Studienbetriebs ist abgesehen von der vorliegenden Personal- und Raumausstattung - nur eine Konzeptionsbeurteilung möglich. Dies gilt auch bei der Umstellung von Diplom- und Magisterstudiengängen auf Bachelor- und Masterstudiengänge. Die Unterscheidung in Konzeptionsbeurteilung bei der Akkreditierung neuer Studiengänge einerseits und Konzeptions- und Studienrealitätsbeurteilung bei der Akkreditierung und Re-Akkreditierung laufender Studiengänge andererseits sollte auch über den Akkreditierungsauftrag und Akkreditierungsbescheid transparent gemacht werden. 2. Die Entwicklung von einheitlichen Grundsätzen der Akkreditierung ist vordringlich. Derzeit mangelt es an verlässlichen und transparenten Begutachtungskriterien, an Leitlinien oder Mindeststandards für die Beurteilung von Studiengängen; und dies sowohl im Hinblick auf die Konzeption der Studiengänge als auch auf deren Umsetzung. Ergänzend treten Defizite im Verfahrensablauf hinzu (Federführung, Transparenz, Kenntnis, Qualitätssicherung, Troubleshooting). Die Beurteilungskriterien sind je nach Agentur und Gutachtergruppe verschieden und werden nicht kommuniziert. Dies führt zu widersprüchlichen Empfehlungen und Auflagen. 3. Die Akkreditierung von Studienprogrammen hat sich auf die Einhaltung von Mindeststandards und Mindestvoraussetzungen zu beschränken. Fallweise greift die Begutachtung mit restriktiven Empfehlungen und Auflagen in unzulässiger Weise in die universitätsautonome Gestaltungsfreiheit der Studiengänge ein. Sind die Mindeststandards erfüllt, liegt es im Ermessen der Hochschule, ein konkurrenzfähiges Studienprogramm zu konzipieren und anzubieten. Der Freiraum für Bildungsinnovationen und für an aktuellen Forschungserkenntnissen ausgerichtete Lehrinhalte darf nicht eingegrenzt werden. 4. Die Berufsrelevanz der universitären Bildung kann sich nicht einseitig an der Wirtschaftspraxis orientieren; sie hat sich insbesondere auch an der Befähigung zum wissenschaftlichen Denken auszurichten. Die Universitäten sind auch für die Bildung des wissenschaftlichen Nachwuchses verantwortlich. Auch der Wissenschafts- und Bildungsbereich ist ein expandierender Arbeitsmarkt. Employability in den verschiedenen beruflichen Feldern (Wissenschaft, Wirtschaft, Kultur) wird durch eine fundierte wissenschaftliche Bildung gewährleistet. In Einzelfällen mag eine berufsorientierte Ausbildung zweckmäßig sein. 4
5 Dies müsste in den zu überarbeitenden Beurteilungskriterien für universitäre Studiengänge direkt verankert werden. 5. Die Ziele einer Verbesserung der Studienbedingungen über die Einführung von Bachelor- und Masterstudiengängen lassen sich unter dem Postulat der Kostenneutralität nicht verwirklichen. Die neuen Formate erzeugen insbesondere über die Verlängerung der Regelstudienzeiten beim konsekutiven Bachelor- und Masterstudium (10 Semester), über die erhöhte Prüfungsbelastung sowie durch die notwendige Verbesserung der Betreuungsrelationen neben den Umstellungskosten dauerhaft Mehrkosten. 6. Derzeit behindert die unverändert gültige Kapazitätsverordnung eine Verbesserung der Betreuungssituation. Eine Personalverstärkung in den stark nachgefragten Fächern führt zwangsläufig zu einer Kapazitätsausweitung und damit im Regelfall zu keiner Verbesserung der Dozenten-Studenten-Relation. Eine Änderung der Kapazitätsverordnung ist dringend geboten. 7. Eine Erfolgsbeurteilung der Umstellung der Diplom- und Magisterstudiengänge auf das Bachelor- und Masterformat ist erst möglich, wenn die sichtbar gewordenen Umstellungsprobleme beseitigt wurden, wenn die hochschulinternen Evaluierungs-, Qualitätssicherungs- und Verbesserungsmechanismen greifen, wenn mehre Studierendengenerationen die Studiengänge abgeschlossen haben. Dies erfordert eine Verlängerung der Fristen bis zur Re- Akkreditierung um vier bis fünf Jahre. 5
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