Völkerrechtliche Verträge
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- Paulina Weiner
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1 Völkerrechtliche Verträge I. Begriff, Abschlussverfahren, Arten, Rechtswirkungen II. Vorbehalte III. Auslegung IV. Suspendierung, Beendigung und Ungültigkeit, Vertragssukzession V. Direkte Anwendbarkeit HS 2007/II/Folie 1/HK
2 Völkerrechtsquellen Art. 38 Abs. 1 IGH-Statut (1) Der Gerichtshof, dessen Aufgaben es ist, die ihm unterbreiteten Streitigkeiten nach Völkerrecht zu entscheiden, wendet an: a. die internationalen Übereinkünfte, allgemeiner oder besonderer Natur, in denen von den streitenden Parteien ausdrücklich anerkannte Normen aufgestellt worden sind; b. das internationale Gewohnheitsrecht als Ausdruck einer allgemeinen, als Recht anerkannten Übung; c. die allgemeinen, von den Kulturstaaten anerkannten Rechtsgrundsätze; d. unter Vorbehalt der Bestimmung des Artikels 59, die gerichtlichen Entscheide und die Lehren der anerkannten Autoren der verschiedenen Nationen als Hilfsmittel zur Feststellung der Rechtsnormen. HS 2007/II/Folie 2/HK
3 Begriff Eine dem Völkerrecht unterstehende Willenseinigung zwischen Staaten oder Staaten und/oder internationalen Organisationen über Verpflichtungen zu einem best. Verhalten oder über Statusentscheide; rechtsverbindlich Kein privatrechtlicher od. verwaltungsrechtlicher Vertrag (z.b. Kauf von Land für ein Botschaftsgebäude) ausdrücklich oder konkludent Nicht zwischen Privaten (z.b. zwischen transnationalen Unternehmungen). Art des Verhaltens (Leisten, Unterlassen, Dulden) irrelevant. Keine blosse Absichtserklärung HS 2007/II/Folie 3/HK
4 Wiener Vertragsrechtsübereinkommen Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969 (WÜV) (SR 0.111) in Kraft getreten am 27. Januar 1980, für CH am 6. Juni Regelungsbereich: Abschluss und Inkrafttreten von Verträgen Einhaltung, Anwendung und Auslegung von Verträgen Änderung von Verträgen Ungültigkeit, Beendigung und Suspendierung von Verträgen Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge zwischen Staaten und internationalen Organisationen oder zwischen Inter-nationalen Organisationen vom 21. März 1986 (noch nicht in Kraft) HS 2007/II/Folie 4/HK
5 Begriffsbestimmung laut Art. 2 Abs. 1 lit. a WÜV (1) Im Sinne dieses Übereinkommens a. bedeutet Vertrag eine in Schriftform geschlossene und vom Völkerrecht bestimmte internationale Übereinkunft zwischen Staaten, gleichviel ob sie in einer oder in mehreren zusammengehörigen Urkunden enthalten ist und welche besondere Bezeichnung sie hat; (vgl. Art. 3 WÜV) HS 2007/II/Folie 5/HK
6 Arten Zahl Inhalt Bilaterale Verträge Multilaterale Verträge rechtsgeschäftliche Verträge (z.b. zwei Staaten bauen gemeinsam eine Brücke über den Grenzfluss) rechtsetzende Verträge (z.b. Auslieferungsübereinkommen) HS 2007/II/Folie 6/HK
7 Vertragsabschluss Verhandlungen Annahme des Textes Bundesrat (Art. 184 Abs. 2 BV) Art. 7 Abs. 1 und Art. 9 Abs. 1 WÜV Unterzeichnung/Paraphierung Genehmigung ev. Referendum Ratifikation Inkrafttreten Publikation/Registrierung Bundesversammlung (Art. 166 Abs. 2 BV), Ausnahmen Art. 7a Abs. 2 RVOG - fakultatives Referendum: Volk (Art. 141 Abs. 1 lit. d BV) - obligatorisches Referendum: Volk und Stände (Art. 140 Abs. 1 lit. b BV) Bundesrat (Art. 184 Abs. 2 BV, Art. 14 Abs. 1 und Art. 16 WÜV) Art. 24 WÜK Bundeskanzlei / Sekretariat der UNO Art. 80 WÜV HS 2007/II/Folie 7/HK
8 Einfaches Vertragsabschlussverfahren: Vertragliche Bindung wird durch Unterzeichnung oder durch Austausch der Urkunde bewirkt (Art. 12 und 13 WÜV) [gilt für Verträge von geringerer Bedeutung]. Zusammengesetztes Verfahren: Vertragliche Bindung entsteht erst durch Ratifikation (Art. 14 Abs. 1 i.v.m. Art. 16 WÜV) [für wichtige Verträge] HS 2007/II/Folie 8/HK
9 Selbstständige Vertragsabschlusskompetenz des Bundesrates (Art. 7a RVOG) Art. 7a Selbständiger Abschluss völkerrechtlicher Verträge durch den Bundesrat 1 Der Bundesrat kann völkerrechtliche Verträge selbstständig abschliessen, soweit er durch ein Bundesgesetz oder einen von der Bundesversammlung genehmigten völkerrechtlichen Vertrag dazu ermächtigt ist. 2 Ebenfalls abschliessen kann er völkerrechtliche Verträge von beschränkter Tragweite. Als solche gelten namentlich Verträge, die: a. für die Schweiz keine neuen Pflichten begründen oder keinen Verzicht auf bestehende Rechte zur Folge haben; b. dem Vollzug von Verträgen dienen, die von der Bundesversammlung genehmigt worden sind; c. Gegenstände betreffen, die in den Zuständigkeitsbereich des Bundesrates fallen und für die eine neue Regelung in Form eines völkerrechtlichen Vertrags angezeigt ist; d. sich in erster Linie an die Behörden richten, administrativ-technische Fragen regeln oder die keine bedeutenden finanziellen Aufwendungen verursachen. HS 2007/II/Folie 9/HK
10 Art. 46 WÜV Innerstaatliche Bestimmungen über die Zuständigkeit zum Abschluss von Verträgen (1) Ein Staat kann sich nicht darauf berufen, dass seine Zustimmung, durch einen Vertrag gebunden zu sein, unter Verletzung einer Bestimmung seines innerstaatlichen Rechts über die Zuständigkeit zum Abschluss von Verträgen ausgedrückt wurde und daher ungültig sei, sofern nicht die Verletzung offenkundig war und eine innerstaatliche Rechtsvorschrift von grundlegender Bedeutung betraf. (2) Eine Verletzung ist offenkundig, wenn sie für jeden Staat, der sich hierbei im Einklang mit der allgemeinen Übung und nach Treu und Glauben verhält, objektiv erkennbar ist. HS 2007/II/Folie 10/HK
11 Rechtswirkungen Art. 26 WÜV: Art. 29 WÜV: Art. 30 WÜV: Art WÜV: Pacta sunt servanda. Räumlicher Geltungsbereich entspricht dem gesamten Hoheitsstaat. Bei Konkurrenz verschiedener Verträge geht letzterer vor. Ausnahme: Art. 103 UNO-Charta, bindende Resolutionen des Sicherheitsrates gehen in jedem Fall vor. Pacta tertiis nec nocent nec prosunt. HS 2007/II/Folie 11/HK
12 Vertragsschluss Schriftlich: in WÜV geregelt (Art. 2: eine in Schriftform geschlossene und vom Völkerrecht bestimmte internationale Übereinkunft zwischen Staaten ). Konkludent: möglich (Art. 3 WÜV: Tatsache, dass WÜV auf nicht schrift-lich vereinbarte Verträge keine Anwendung findet, beeinträchtigt die Gültigkeit solcher Abkommen nicht). HS 2007/II/Folie 12/HK
13 Vorbehalte der Schweiz zum UNO-Pakt II Artikel 12 Absatz 1: Das Recht, sich frei zu bewegen und seinen Wohnsitz frei zu wählen, steht unter dem Vorbehalt der Bundesgesetzgebung über die Ausländer, wonach Aufenthalts- und Niederlassungsbewilligungen nur für den Kanton gelten, der sie aufgestellt hat. Artikel 25 Buchstabe b: Die Bestimmungen des kantonalen und kommunalen Rechts, welche vorsehen oder zulassen, dass Wahlen an Versammlungen nicht geheim durchgeführt werden, bleiben vorbehalten. Artikel 26: Die Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz und ihr Anspruch ohne Diskriminierung auf gleichen Schutz durch das Gesetz werden nur in Verbindung mit anderen in diesem Pakt enthalten Rechten gewährleistet. HS 2007/II/Folie 13/HK
14 Vorbehalt Pakistans zur Kinderrechtskonvention Die Bestimmungen des Übereinkommens werden im Licht der Grundsätze des islamischen Rechts und der islamischen Werte ausgelegt. HS 2007/II/Folie 14/HK
15 Vorbehalte bei multilateralen Verträgen: IGH Gutachten zu den Vorbehalten bei der Völkermordkonvention, 1951 Grundproblem: Universalität Integrität des Vertrages Lösung: Ausgleich durch Beschränkung auf Verbot von Vorbehalten, die mit Gegenstand und Zweck des Vertrages (object and purpose) unvereinbar sind. HS 2007/II/Folie 15/HK
16 Vorbehalte im WÜV Art. 19 WÜV Art. 20 WÜV Grundsätzlich bis zum Beitritt zulässig, sofern nicht durch Vertrag verboten mit Ziel und Zweck vereinbar. Grundsätzlich innert 12 Monaten bei stillschweigender Annahme gültig. Ausnahmsweise Zustimmung erforderlich. Bei Vorbehalten zu Gründungsverträgen von intern. Organisationen ausdrückliche Annahme notwendig. HS 2007/II/Folie 16/HK
17 Ausdrücklich erlaubter Vorbehalt Europ. Übereinkommen zur Bekämpfung des Terrorismus, SR Art. 13: 1. Jeder Staat kann bei der Unterzeichnung oder bei der Hinterlegung seiner Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde erklären, dass er sich das Recht vorbehält, die Auslieferung in Bezug auf eine in Artikel 1 genannte Straftat abzulehnen, die er als politische Straftat... ansieht.... Griechenland erklärt in Anwendung von Artikel 13 des Europäischen Übereinkommens..., dass es sich das Recht vorbehält, gemäss Absatz 1 dieses Artikels die Auslieferung in Bezug auf irgendeine in Artikel 1 dieses Übereinkommens genannte Straftat abzulehnen, wenn die der Straftat verdächtigte Person wegen ihrer Handlung zugunsten der Freiheit verfolgt wird. HS 2007/II/Folie 17/HK
18 Teilweise verbotener Vorbehalt Art. 57 EMRK Vorbehalte (1) Jeder Staat kann bei der Unterzeichnung dieser Konvention oder bei der Hinterlegung seiner Ratifikationsurkunde einen Vorbehalt zu einzelnen Bestimmungen der Konvention anbringen, soweit ein zu dieser Zeit in seinem Hoheitsgebiet geltendes Gesetz mit der betreffenden Bestimmung nicht übereinstimmt. Vorbehalte allgemeiner Art sind auch nach diesem Artikel nicht zulässig. (2) Jeder nach diesem Artikel angebrachte Vorbehalt muss mit einer kurzen Darstellung des betreffenden Gesetzes verbunden sein. HS 2007/II/Folie 18/HK
19 Beispiel: Fall Belilos v. Schweiz (Serie A No.132) Vorbehalt der Schweiz zu Art. 6 EMRK: Es genügt bei Streitigkeiten über civil rights und strafrechtlichen Anklagen, wenn eine letztinstanzliche richterliche Prüfung stattfindet. EGMR: Dieser Vorbehalt ist so allgemein und unbestimmt, dass sein genauer Anwendungsbereich nicht erkennbar ist. Zudem hat die Schweiz keine kurze Inhaltsangabe des betreffenden Gesetzes gemacht. Rechtsfolge: Die Schweiz ist vollumfänglich an die EMRK gebunden (im Bereich der EMRK akzeptiert, auf internationaler Ebene umstritten). HS 2007/II/Folie 19/HK
20 Mit Ziel und Zweck vereinbar? Art. 6 Abs. 5 UNO-Pakt II: Die Todesstrafe darf für strafbare Handlungen, die von Jugendlichen unter 18 Jahren begannen worden sind, nicht verhängt und an schwangeren Frauen nicht vollstreckt werden. (Art. 4 Abs. 2 UNO-Pakt II erklärt Art. 6 für notstandfest). Vorbehalt der USA: Die Vereinigten Staaten behalten sich... das Recht vor, gegen eine aufgrund von die Todesstrafe zulassenden rechtskräftigen oder zukünftigen Gesetzen gebührend für schuldig befundene, auch noch nicht 18 Jahre alte Person (falls es sich nicht um eine schwangere Frau handelt) die Todesstrafe auszusprechen. HS 2007/II/Folie 20/HK
21 Vorbehalte zu Menschenrechtsverträgen Menschenrechtsausschuss, General Comment No. 24 International Law Commission, ILC Unzulässig sind Vorbehalte zu Normen des ius cogens und des Gewohnheitsrechts; zweckwidrige Vorbehalte. WÜV nicht anwendbar; Einspruchsystem wegen fehlender Reziprozität bei Menschenrechten nicht tauglich. Ausschuss darf Vorbehalte für unzulässig erklären (weil er seine Zuständigkeit klären muss). WÜV gemäss Entstehungsgeschichte und Staatenpraxis anwendbar. Ausschuss darf Unzulässigkeit feststellen, aber Staaten haben Konsequenz zu ziehen. HS 2007/II/Folie 21/HK
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