Pred Jes 43, 1-7, WH,

Transkript

1 1 Pred Jes 43, 1-7, WH, Vorlesen des Kinderbuches: Und außerdem sind Borsten schön! Schon für Kinder ist das eine relevante Frage: Wie wertvoll bin ich? Bin ich richtig, wie ich bin? Und später fragen wir dann: Bin ich wertlos, wenn ich krank bin? Bin ich nutzlos, wenn ich nichts mehr leiste? Was bin ich überhaupt wert, wenn ich nicht so bin, wie die Reichen und die Schönen, die in den Filmen und in der Werbung vorkommen? Ich bin einfach nicht so stark, so schnell, so schön, so gut proportioniert, nicht so skrupellos und nicht so schlau. Ich funktioniere nicht so, wie es andere von mir erwarten, in meiner Familie nicht und nicht bei der Arbeit, in der Schule oder im Freundeskreis, nicht einmal im Urlaub. Gott sieht uns anders. Deshalb erinnern wir uns heute an unsere Taufe. Das heißt, dass wir uns daran erinnern, wie Gott uns sieht. Denn er hat in der Taufe ja zu uns gesagt. Und dieses ja lesen wir auch in unserem Text aus Jesaja 43, 1-7 Und das heißt: Gott hat uns zu seiner Ehre geschaffen, so wie wir sind Wir brauchen keine Angst haben Wir sind in Gottes Augen was wert und er liebt uns Wir sind getauft und dadurch sagt er uns: Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein Unser Text von heute wurde dem Volk Israel in Babylon zugerufen. Sie hatten Angst. Und sie wussten nicht mehr wer sie waren. Sie hatten ihre Heimat verloren, waren nach Babylon verschleppt worden. Sie glaubten nicht mehr, dass es bald nach Hause gehen würde. Sie hatten genug von falschen Versprechungen.

2 2 Ich erinnere mich an Flüchtlinge, die ich kennengelernt habe. Ich erinnere mich an Flüchtlingslager, in denen verzweifelte Menschen zusammen gepfercht sind. Menschen, die nicht mehr in ihre Heimalt zurück können. Für Israel war das auch deshalb besonders schlimm, weil sie ein Volk mit Selbstbewusstsein gewesen waren. Mit dem Bewusstsein, dass Gott sie auserwählt hat und sie besonders begleitet. Und jetzt waren sie im Abseits und ohne Hoffnung. Und was das Schlimmste war: Ihr Glaube ging verloren. Und dann steht einer auf und spricht so, als wenn Gott selbst spricht. Jesaja macht nicht viele Worte. Aber es sind klare Worte ohne Wenn und Aber und ohne vielleicht. Gott spricht klar und deutlich zu seinem Volk. Und so ist es ein Text, der bis heute eine große Kraft entwickelt. Wenn wir genau hinhören, dann widersprechen diese Worte allen Selbstzweifeln und jedem Gedanken, der mir sagen will, dass ich so wie ich bin, nicht richtig bin. Und es ist ein Text, der uns zur Erinnerung an unsere Taufe sagt: Gott sagt ja zu dir. Gott hat mich so gemacht, wie ich bin und er hat mich so bei meinem Namen gerufen. Und daraus ist eine Berufung geworden, ihm zu folgen. Ich kann sagen: Herr, hier bin ich. Du hast mich gemacht. Und du weißt, wozu und was du mit mir vor hast. Angeblich wissen ja die Geheimdienste auch alles über uns. Sie greifen ja unsere Daten ab, um herauszufinden, was wir tun. Das tun viele Unternehmen übrigens auch. Sie wollen uns was verkaufen und werden deshalb Daten sammeln, die ihnen vermitteln, wann zu erwarten ist, dass wir ein neues Auto oder einen neuen Computer kaufen. Geheimdienste und Unternehmen gehen sehr eingeschränkt vor. Sie haben bestimmte Schemata, nach denen wir beurteilt werden. Also wenn wir Freunde in Afghanistan haben und in die Moschee gehen sind wir... Wenn wir ein hohes Einkommen haben und zwischen 30 und 40 mit 2 Kindern, kaufen wir mit Sicherheit bald ein Auto mit den

3 3 errechneten Eigenschaften, oder so. Wenn wir aber auf Gott hören, werden wir in den seltensten Fällen diesen Schemata entsprechen. Und wir werden nicht erwartungsgemäß handeln und alle Geheimdienste irritieren und die Wirtschaft auch. Zurück zum Bibeltext: Gott ist der Heilige, er ist der Schöpfer und seit Jesus wissen wir, dass er auch der Erlöser und auch Versöhner ist. Das heißt, dass auch die Dinge, die mich in der Vergangenheit gefangen gehalten haben, mich nicht mehr halten können. Ich habe dich erlöst Das ist auch das Zeichen der Taufe, dass mit Wasser abgewaschen wird, was vorher war. Er macht neu, was für mich nur noch Sackgasse war und wo ich dachte: Den Karren habe ich selbst in den Dreck gefahren und jetzt muss ich mit den Folgen leben. Da komm ich nicht mehr raus. Genau dieses Schema aber durchbricht unser Herr und Erlöser. Die Vergangenheit kann mich nicht halten. Und auch die Angst kann mich nicht mehr halten. Er sagt: Fürchte dich nicht! In einer Apothekenumschau stand neulich die Erkenntnis, herausgefunden von Forschern der Universität Turin, dass Schmerz, den man erwartet, sehr viel schmerzhafter ist als Schmerz, der plötzlich und ohne Vorwarnung auftritt. D.h. doch dass der Schmerz erst richtig schlimm wird, wenn ich dauernd daran denke, dass er kommen könnte. Bei der Angst scheint mir das genauso: Es ist die Furcht vor der Furcht oder die Angst vor der Angst, die uns das Leben schwer machen. Weil ich vor einer Situation schon vorher Angst habe, weil ich fürchte, dass die Angst kommen könnte oder eben der Schmerz. Wenn Gott sagt, Fürchte dich nicht, heißt das, die Gewissheit zu haben, dass ich alles durchstehen kann mit seiner Hilfe. Egal, was kommt. Dass ich alles auf mich zukommen lassen kann. Das ist kein Mittel gegen die Angst, aber Gottes Trost in der Angst. Angst ist ja zutiefst menschlich. Ich kann mir die Angst zum Beispiel wie einen Raum vorstellen, den ich betreten und dann auch bewohnen kann. Ich muss vor ihr nicht weglaufen. In dem Augenblick, in dem ich

4 4 die Angst nicht mehr als etwas verstehe, dem ich entfliehen muss, verliert sie ihren Schrecken. Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst, ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein! So sind wir geborgen, in unserer und trotz unserer Furcht und Unsicherheit. Denn Gott kennt uns und befreit uns von schrägen, schrecklichen Gedanken. Weil wir ihm gehören, müssen wir nicht fürchten und müssen wir den Gedanken der Angst nicht folgen. In Vers 2 wird das bestärkt: "Wenn du durch das Wasser gehst, will ich bei dir sein, dass dich die Ströme nicht ersäufen sollen; und wenn du ins Feuer gehst, sollst du nicht brennen, und die Flamme soll dich nicht versengen". Feuer und Wasser sind archetypische, beängstigende Begriffe. Sie stehen für alles, was einem Schreckliches passieren kann. Über die Ufer tretende Flüsse, das vom Sturm gepeitschte Meer, die Flammen eines Flächenbrandes oder das brennende Auto. Damals wie heute stehen Feuer und Wasser für Bedrohung. Auch wenn wir gleichzeitig wissen, dass wir ohne nicht leben können. Und die Aussage von Jesaja ist: Es ist alles da, aber es wird dir trotzdem nichts schaden. Nun hatten die Israeliten in Babylon schon einiges erlebt: Den Krieg, die Deportation. Über Hunderte von Kilometern waren sie zu Fuß geschleppt worden und dann kam die Zwangsarbeit. Und dazu immer die Zweifel, von denen wir schon gesprochen haben. Der Druck von außen war stark. Auch die andere quälende Frage war immer präsent: Sollen wir uns dem Druck beugen, sollen wir uns anpassen, sollen wir einfach mitmachen im reichen Babylon, um selbst auch eine Chance zu haben, zu was zu kommen? Anpassung oder Widerstand - diese Entscheidung ist sicher die Feuertaufe, auch heute noch. Wer sich nicht anpasst, und sei es um des Glaubens willen, hat es nicht leicht. Dumme Sprüche am Arbeitsplatz können brennen wie Feuer. Das moderne Wort Mobbing beschreibt solche verletzenden Verhaltensweisen, mit denen einzelne fertiggemacht werden. Und schließlich kann der Zweifel im Glauben einem schon mal wie das Wasser bis zum Hals stehen. Menschen, die im Krankenhaus nicht

5 5 mehr wissen, ob sie bald rauskommen und wenn ja, wie. Menschen, die eine Trennung verarbeiten müssen. Menschen, die meinen, dass sie nichts wert sind. Ich kenne viele Geschichten von Leiden, Schuld und Verzweiflung, die mit dem unsicheren Weg durchs Wasser oder den Gang durchs Feuer zu vergleichen sind. Manchmal sind die Menschen noch jung. Manche Jugendliche haben in kurzer Zeit schon Dinge erlebt, die ich in 50 Jahren nicht erleben möchte (die nächsten 50 werde ich ja sowieso nicht mehr erleben). Und Jesaja sagt: Gott führt uns hindurch, durch Wasser und Feuer und noch viel mehr. Die Juden haben sich damals, und sie tun es bis heute, die Geschichte vom Auszug aus Ägypten, als sie durch das Wasser gingen, immer wieder erzählt. Ebenso die Geschichte des Exils in Babylon, den Trost des Jesaja und von der Rückkehr in die Heimat. Das soll heute heißen, wenn die Zeiten schwierig sind: Denkt an die Erfahrungen, die ihr mit Gott gemacht habt, der euch beim Namen nennt. Er hat Euch berufen. Martin Luther hat sich das immer wieder selbst gesagt, mit den Worten: Ich bin getauft. Oder wie der katholische Priester Henri Lacordaire sagt: Was bedeutet mir der Schiffbruch, wenn Gott der Ozean ist. Amen