Rede von Innenminister Dr. Fritz Behrens. anlässlich der Fachtagung des NRW-Verfassungsschutzes Die Neue Rechte eine Gefahr für die Demokratie?

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1 Rede von Innenminister Dr. Fritz Behrens anlässlich der Fachtagung des NRW-Verfassungsschutzes Die Neue Rechte eine Gefahr für die Demokratie? in Düsseldorf, am Anrede,

2 - 2 - Mein Amtsvorgänger Herbert Schnoor sagte zu Beginn der 90er Jahre: Den intellektuellen Rechtsextremismus halte ich für gefährlicher als die rechtsextremistischen Gruppen alter Prägung. Meine Erfahrungen als Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen sagen mir: Herbert Schnoor hatte Recht. Heute, rund zehn Jahre später, ist die Diskussion um die Gefahren der sogenannten Neuen Rechten notwendiger denn je, soll sie nicht in den Hintergrund von Geschehnissen wie den jüngsten Sprengstoff-Funden in München rücken. Ich freue mich daher besonders, dass Sie sich die Zeit genommen haben, an der heutigen Tagung meines Hauses teil zu nehmen. Herzlich begrüße ich die Vertreterinnen und Vertreter aus Wissenschaft, Medien, Bildung und Verfassungsschutz, die sich heute hier zusammen gefunden haben, um Gedanken auszutauschen und neue Fragen aufzuwerfen. Innenminister Dr. Fritz Behrens eröffnet die Veranstaltung Die Neue Rechte damit meine ich eine Spielart des intellektuellen Rechtsextremismus, deren Gefährlichkeit für die Demokratie an ihren Zielen zu erkennen ist: Die Meinungsführerschaft in Deutschland zu erlangen und damit die politischen Koordinaten nach Rechtsaußen zu verschieben. Das heißt konkret: Den Pluralismus einer offenen Gesellschaft gegen zementierte Wertvorstellungen auszutauschen. Dazu gehört es, das Individuum ethnisch verstandenen Kollektiven wie Volk und Nation unter zu ordnen. Gefahren für die Demokratie drohen auch von gewaltbereiten, besonders neonazistischen Gruppen. Denen geht es um die direkte, körperliche Bedrohung von Anders-

3 - 3 - denkenden und von Migrantinnen und Migranten in Deutschland. Ganz anders dagegen die Gefahren von Seiten der Neuen Rechten: Hier steht der Angriff auf die politische Kultur im Vordergrund. Die unmittelbare Bedrohung mit Gewalt scheint greifbarer, konkreter. Das darf aber nicht dazu führen, die Gefahr schleichender intellektueller Infiltration durch die Neue Rechte zu unterschätzen. Wir müssen die Frage stellen, welche Breitenwirkung ihre Ideen entfalten können. Und wie sehr die Trennungslinie zwischen demokratischem und rechtsextremistischem Spektrum verwischt wird. Der Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen beobachtet besorgt eine Erosion der Abgrenzung, die maßgeblich von der Neuen Rechten betrieben wird. Zu Verschleirungstaktiken wie dieser zähle ich auch die Kampagne gegen unsere Fachtagung selbst. Solche durchsichtigen Manöver lenken uns nicht vom Thema ab! Drei Beispiele machen deutlich, in welche Richtung die Ideen der Neuen Rechten weisen: - die Forderung, Volk und Nation ins Zentrum der Politik zu stellen, - die Einwanderungsfrage und - das Verhältnis zur Geschichte des Nationalsozialismus. Erstes Beispiel: Die nationale Zugehörigkeit prägt den Menschen ist aber nur einer von vielen Faktoren wie etwa Bildung, Geschlecht, politische Grundauffassung und religiöse Bindung. Gerade in Nordrhein-Westfalen spielt die regionale Identität eine große Rolle die Rheinländer und Westfalen unter Ihnen wissen, was ich meine. Die Neue Rechte reduziert diese Vielzahl von Einflüssen auf einen Faktor, den Kernbegriff der nationalen Identität. Falsch ist das auch insofern, als zentrale Themen wie der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen, Verteilung von Ressourcen, Menschenrechte und die Frage nach Krieg und Frieden heute sinnvoll nur im internationalen, mindestens im europäischen Kontext zu behandeln sind. Für das Ziel der Neuen Rechten, die ethnische Homogenität der Bevölkerung, besteht weder Bedarf noch Bedürfnis. Zweites Beispiel: Das Ziel von Einwanderung ist unter Demokraten unumstritten: Ein verständiges Zusammenleben auf der Basis gemeinsamer Grundwerte, insbesondere der im Grundgesetz festgeschriebenen Menschenrechte. Willy Brandts berühmtes Wort vom Zu-

4 - 4 - sammenwachsen des Zusammengehörenden will ich gern übertragen auf das Verhältnis von ethnisch Deutschen und hier lebenden Menschen mit Migrationshintergrund. Das genaue Gegenteil beschwört die Neue Rechte mit ihrem sogenannten Ethnopluralismus : räumliche, wenigstens kulturelle Trennung ethnischer Gruppen. Also nichts anderes als eine Absage an ein verständiges Zusammenleben und wechselseitige kulturelle Bereicherung. Und zum dritten Beispiel: Richard von Weizsäcker hat in seiner berühmten Rede zum achten Mai gesagt: Es geht nicht darum, Vergangenheit zu bewältigen. Das kann man gar nicht. Sie lässt sich ja nicht nachträglich ändern oder ungeschehen machen. Wer aber vor der Vergangenheit die Augen verschließt, wird blind für die Gegenwart. Wer sich der Unmenschlichkeit nicht erinnern will, der wird wieder anfällig für neue Ansteckungsgefahren. Das kritische Erinnern an den Nationalsozialismus gehört zum Grundkonsens in der Bundesrepublik Deutschland. Es geht darum, ein für allemal auszuschließen, dass Vergleichbares geschieht. Wer diesen Grundkonsens als Political and Historical Correctness verspottet, ihn gar auf einen pathologischen Schuldkomplex reduziert, wer sich offen oder versteckt mit Holocaust-Leugnern solidarisiert, wie es in der Neuen Rechten immer wieder geschieht, der rüttelt an den Grundfesten der politischen Kultur. Hinter dem gemäßigten Duktus der Neuen Rechten verbergen sich vielfach antidemokratische und fremdenfeindliche Konzepte. Diese zu enttarnen ist eine der Kernaufgaben der Verfassungsschutzbehörden. Ohne eine gut informierte Öffentlichkeit ist ein effektiver Schutz der Verfassung undenkbar. Jeder hat daher ein gutes Recht auf diese Information.

5 - 5 - Rund 140 Gäste besuchten die Veranstaltung des Verfassungsschutzes Nordrhein-Westfalen Ebenso wie es das gute Recht eines jeden ist, sich gegen eine als ungerecht empfundene Behandlung durch Behörden zu wehren - auch auf dem Gerichtsweg. Die Wochenzeitung Junge Freiheit hat 1996 diesen Weg beschritten, um ihre Beobachtung durch den Verfassungsschutz des Landes Nordrhein-Westfalen zu stoppen. Die Verwaltungsgerichte haben schließlich bestätigt: Die Junge Freiheit steht zu Recht im Blickpunkt der Verfassungsschutzbehörden. Und das gilt auch für ihre Auseinandersetzung mit der Neuen Rechten. Das Bundesverfassungsgericht prüft nun, ob es die Beschwerde der Jungen Freiheit gegen die Entscheidung der Verwaltungsgerichte annimmt. Ich sehe einem möglichen Verfahren in Karlsruhe mit Gelassenheit entgegen. Diese Tagung ist für den Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen ein Premiere. Zum ersten Mal haben wir Sie, ein externes Fachpublikum, zu einer größeren Tagung eingeladen, um mit Ihnen ins Gespräch zu kommen, um unsere Erkenntnisse gegenseitig nutzbar zu machen. Die öffentliche Aufklärung hat sich im Verfassungsschutz NRW neben der herkömmlichen nachrichtendienstlichen Tätigkeit zu einem wesentlichen Bestandteil der Arbeit entwickelt. Umfangreiche Jahresberichte, zahlreiche Broschüren, Vorträge in Schulen, Akademien und Universitäten dokumentieren diesen Öffnungsprozess. Wissen-

6 - 6 - schaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sorgen nicht nur im Bereich des Rechtsextremismus, sondern auch in der Auseinandersetzung mit dem Islamismus für eine starke wissenschaftliche Fundierung der Analysen des Verfassungsschutzes. Der Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen bringt sich heute in die wissenschaftliche Diskussion ein, ist offen für Gedanken, Anregungen und Fragen von außen. Die heutige Fachtagung ist ein Meilenstein auf diesem Weg. Die abschließende Podiumsdiskussion mit (von links) Dr. Uwe Backes, Prof. Dr. Wolfgang Gessenharter, Wolfgang Kapust (Moderation), Prof. Dr. Christoph Butterwegge und Dr. Hartwig Möller fand reges Interesse. Die Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus ist eine Aufgabe, die Staat und Gesellschaft gemeinsam fordert. Daher ist der Verfassungsschutz in Nordrhein- Westfalen auch Ansprechpartner für Wissenschaft, Medien und politische Bildung. Wo wir Ihnen im Rahmen unserer gesetzlichen Möglichkeiten bei Ihrer Arbeit weiter helfen können, werden wir das nach Kräften tun. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Verfassungsschutzes NRW stehen Ihnen für Fragen gerne zur Verfügung und, wenn Sie mögen, auch als Referenten für Ihre Veranstaltungen. Ich würde mich freuen, wenn Sie über diesen Tag hinaus mit dem Verfassungsschutz NRW in Kontakt blieben. In diesem Sinne wünsche ich der Tagung einen guten Verlauf!