Gutachten zum Projekt Step by Step
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- Heini Albert
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1 Gutachten zum Projekt Step by Step und Vorschlag eines methodischen Designs zur empirischen Überprüfung der Projektziele sowie der Wirkungen auf die Schülerinnen und Schüler Prof. Dr. Reto Luder Kai Felkendorff Zürich, 15. März 2006
2 Inhaltsverzeichnis 1. Ausgangslage und Fragestellung Analyse des Projekts Step by Step Hintergrund und Entstehung des Projekts Zielgruppe Projektziele Pädagogische Methoden Aufnahme / Zuweisungsverfahren Schülerbeurteilung Zusammenfassende Beurteilung des Projekts Anregungen zur Optimierung des Projekts Evaluationsdesign Forschungsdesign Beispiel Forschungsdesign Beispiel Literatur phzh 2
3 1. Ausgangslage und Fragestellung Am 4. Juni 2003 bewilligte die Bildungsdirektion der Schulpflege Horgen eine altersheterogen zusammengesetzte Kleinklasse D Oberstufe unter dem Namen Step by Step. Das Projekt wurde als Probephase auf die Schuljahre 2003/04 und 2004/05 befristet. Aus der Sicht der Lehrerschaft verläuft das Projekt bis anhin erfolgreich. Aufgrund der Erfolge wurde beschlossen, das Projekt weiter zu führen und als Teil des Schulprogramms zu verankern. Die Sekundarschule Horgen wollte das Projekt Step by Step einer wissenschaftlichen Überprüfung unterziehen. Die vorliegende wissenschaftliche Überprüfung des Projekts verfolgt die folgenden Zielsetzungen: 1. Begutachtung des Projekts Step by Step aus wissenschaftlicher Sicht. 2. Formulierung von Vorschlägen zur Weiterentwicklung und Optimierung des Projekts. 3. Vorschlag eines wissenschaftlichen Forschungsdesigns inklusive Definition möglicher Kriterien und Variablen für eine empirische Evaluation der Wirkungen des Projekts "Step by Step". Zur Zielerreichung wurden folgende Schritte unternommen: 1. Dokumentenanalyse der vorliegenden Projektunterlagen 2. Informationsgespräch mit den verantwortlichen Personen der Sekundarschule Horgen (Schulleitung und Projektleiter) 3. Analyse des Projekts aus wissenschaftlicher Sicht 4. Formulierung von Vorschlägen zur Optimierung des Projekts auf der Grundlage der Dokumentenanalysen und Informationsgespräche 5. Erarbeitung eines wissenschaftlichen Forschungsdesigns für eine mögliche empirische Evaluation der Wirkungen des Projekts "Step by Step" 2. Analyse des Projekts Step by Step Als Grundlage der folgenden Analyse dienten die zur Verfügung gestellten Projetunterlagen sowie ein Informationsgespräch mit dem Projektleiter und dem Schulleiter der Oberstufe Horgen. 2.1 Hintergrund und Entstehung des Projekts Das Projekt Step by Step entstand im Sommer 2003 in Form einer probeweisen Führung einer altersheterogenen Kleinklasse D Oberstufe und wurde von der Bildungsdirektion des Kantons Zürich als Schulversuch bis ins Jahr 2007 bewilligt 1. Die pädagogische Konzeption und die Initiative zur Umsetzung in Horgen stammte dabei vom amtierenden Projektleiter und wurde von diesem zuvor bereits in einer anderen Gemeinde und in Form eines kleineren Projektes erprobt. Der Grund für die Einführung des Projekts liegt gemäss Projektbeschreibung in einer steigenden Anzahl von Schülerinnen und Schülern, welche in der Regelklasse nicht mehr geschult werden können: steigt die Anzahl von Schülerinnen und Schülern, die in einer Regelklasse nicht mehr oder zeitweilig nicht mehr sinnvoll geschult und in ihrer Entwicklung weiter gebracht werden können (Fischer 2003, 2). Neben diesem pädagogischen Argument der unzureichenden Fördermöglichkeit für die betroffenen Schülerinnen und Schüler wird ein zweites Argument, nämlich die Belastung Lehrperson und der übrigen Mitschülerinnen und Mitschüler in der Regelklasse angeführt: dies erschwert 1 vgl. Verfügung der Bildungsdirektion des Kantons Zürich vom 5. Februar 2005 phzh 3
4 den Unterricht massiv, beeinträchtigt das Arbeitsklima für die ganze Klasse und verhindert das Erreichen der geforderten Lernziele (Fischer 2003, 2). Diese doppelte Argumentation hat in der Sonderpädagogik eine lange Tradition und wurde in vielen verschiedenen Zusammenhängen für die Begründung zusätzlicher sonderpädagogischer Angebote, insbesondere von Klein- und Sonderklassen, eingesetzt. Im Zuge der zunehmend kritischen Beurteilung separierender sonderpädagogischer Angebote wurden die beiden Argumente dahingehend kritisiert, dass die auf ihrer Basis getroffenen (meist separativen) Massnahmen sich als nicht oder nur unzureichend geeignet erwiesen, die aufgezeigten Probleme zu lösen: Erstens zeigten die Ergebnisse der Integrationsforschung, dass die angenommene bessere Förderung von den getroffenen separativen Massnahmen nicht geleistet wurde; zweitens führten die zusätzlichen Angebote nicht zu der erwarteten Entlastung der Regelklassen, sondern nur zu einer Zunahme der Anzahl von der Regelklasse ausgeschlossener Schülerinnen und Schüler. Hier liegt unseres Erachtens eine der grössten Stärken des Projekts Step by Step : Indem es sich nicht als separative, parallele Schulform zur Regelklasse definiert, sondern als in den Regelklassenbetrieb integrierte und explizit zeitlich begrenzte Unterstützung, trägt es erstens dazu bei, betroffene Schülerinnen und Schüler innerhalb der Regelschulstrukturen (und damit ohne die negativen Effekte der Stigmatisierung und Senkung des Anspruchsniveaus) individuell zu fördern und zweitens als Teil dieser Regelschule einen Zuwachs an systeminternem Handlungsspielraum zu leisten und somit entlastend zu wirken. Durch den momentanen, provisorischen schulrechtlichen Status des Projekts erwachsen dagegen nachteilige Effekte. Zum einen ist die längerfristige Finanzierung durch die Schulgemeinde nicht gesichert. Zum andern wirkt der provisorische Status auf die Beteiligten verunsichernd und wenig unterstützend. Dies führt zu einer starken Abhängigkeit des Projekts von der Person und Eigeninitiative des Projektleiters, eine Situation die auf längere Sicht als problematisch erachtet werden muss. Es wäre nicht nur für das Projekt wesentlich, eine längerfristige Zukunftsperspektive zu haben, sonder auch für die gesamte Schule Horgen hilfreich, mit einem stabilen Partner in Form eines klar definierten Projekts rechnen zu können und ihre weitere pädagogische Entwicklung und Organisationsentwicklung auf diese Grundlage ausrichten zu können. 2.2 Zielgruppe Als Zielgruppen für das Projekt Step by Step werden drei unterschiedliche Gruppen von Schülerinnen und Schülern genannt 2 : Schülerinnen und Schüler mit schwachen Schulleistungen Schülerinnen und Schüler, die aufgrund ihres Verhaltens in der Regelklasse nicht mehr tragbar sind Schülerinnen und Schüler, die wegen einer persönlichen Krise für eine begrenzte Zeit nicht am normalen Unterricht teilnehmen können Besonders die erste Gruppe in dieser Aufstellung erscheint uns bezogen auf das Projekt Step by Step zu unscharf definiert. Wie die Hintergründe der Entstehung zeigen, wurde das Projekt zur schulinternen Bewältigung von schwierigen Unterrichtssituationen mit primär verhaltensauffälligen Schülerinnen und Schülern konzipiert (daher auch die schulorganisatorische Bezeichnung als Kleinklasse D, also Kleinklasse für verhaltensauffällige Schülerinnen und Schüler). Bei der Gruppe der Schulleistungsschwachen Schülerinnen und Schüler handelt es sich dagegen häufig um andere Problemkonstellationen, bei denen auffällige Verhaltensweisen allenfalls als Begleit- oder Sekundärsymptomatik auftreten oder deren Schulleistungsdefizite umgekehrt eine Folge auffälligen Lern-, Arbeits- oder Sozialverhaltens sind und damit eher Indikatorfunktion haben. In beiden Fällen sind jedoch nicht die mangelhaften Schulleistungen der Hauptansatz- phzh 4
5 punkt der Intervention im Projekt Step by Step, sondern die persönlichkeits- und verhaltensbezogenen Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler (siehe auch Punkt 2.3: Zielsetzungen). Diese sehr offene Definition der Zielgruppe des Projekts hat sowohl Vorteile als auch Nachteile. Auf der einen Seite ermöglicht es der Schule Horgen hohe Flexibilität, indem bezogen auf den jeweiligen Einzelfall entschieden werden kann, ob Step by Step als geeignete Massnahme in Frage kommen könnte oder nicht. Auf der anderen Seite besteht die Gefahr, in einen Zielkonflikt zu geraten, das das Projekt von seiner Anlage her klar auf die Förderung bestimmter, ausgewählter Kompetenzen ausgerichtet ist und damit nicht jedem Fall von Schwierigkeiten in der Schule angemessen begegnen kann. 2.3 Projektziele Gemäss Konzeptpapier 2 verfolgt das Schulprojekt Step by Step zwei unterschiedliche Zielsetzungen: Ermöglichung einer Wiedereingliederung in die Regelklasse Ermöglichung eines geordneten Abschlusses der Schulzeit Diese beiden Zielsetzungen bewegen sich auf einer formal-administrativen Ebene und scheinen verschiedene mögliche Funktionen des Projekts aufzuzeigen. Erstens eine Wiedereingliederung in die Regelklasse und der damit verbundene reguläre Schulabschluss oder zweitens die Erlangung eines regulären oder äquivalenten Schulabschlusses innerhalb des Projekts ohne vorgängige Wiedereingliederung in die Regelklasse. Der Begriff der Wiedereingliederung ist in diesem Zusammenhang allerdings etwas missverständlich, da es aus Schuladministrativer Sicht bei einer Teilnahme am Projekt Step by Step ja gar nicht zu einem offiziellen Ausschluss aus der Regelklasse kommt. Vielmehr wird in diesem Zusammenhang von Seiten der Schule der Begriff des Time out verwendet. Zugleich wird betont, dass es sich dabei nicht um eine disziplinarische Massnahme mit Strafcharakter handeln soll, sondern um eine Lernchance und individuelle Unterstützung für die betroffenen Schülerinnen und Schüler. Gemeint ist im Sinne des Projekts wahrscheinlich eher die Möglichkeit, nach dem Projekt den Regelklassenunterricht in der Stammklasse weiterführen zu können. Was unter einem geordneten Abschluss der Schulzeit genau verstanden wird, ist in den Projektpapieren ebenfalls nicht klar definiert. Aus den Gesprächen lässt sich schliessen, dass mit dieser Formulierung ein Übertritt in eine andere oder weiter führende Schule oder Berufsausbildung ohne Stigmatisierung der betroffenen Jugendlichen bezeichnet werden soll. Beide Zielsetzungen scheinen uns im Hinblick auf den Entstehungshintergrund und die Funktion des Projekts Step by Step sehr sinnvoll und pädagogisch legitim zu sein. Sie vermeiden einerseits einen Ausschluss der betroffenen Jugendlichen aus dem Regelschulsystem und die damit verbundenen Gefahren der Stigmatisierung und Minderung der beruflichen Zukunftschancen und knüpfen andererseits unter Nutzung der Schulinternen Ressourcen zukunftsgerichtet an die in der Oberstufe relevanten Übertrittsfragen an. Inwiefern die beiden genannten Zielsetzungen vom Projekt Step by Step erreicht werden, lässt sich anhand einer Analyse der Schülerzahlen relativ leicht überprüfen: Eine Betrachtung der Schülerstatistik des Projekts zeigt auf, dass 65% der Schülerinnen und Schüler, welche im Projekt Step by Step aufgenommen wurden, anschliessend wieder in die Regelklasse übertreten konnten (vgl. Grafik 1). 24% der Schülerinnen und Schüler traten in andere oder weiter führende Schulen resp. Berufswahlvorbereitungskurse oder in eine Anlehre ein. Für diese Gruppe dürfte wahrscheinlich die Zielsetzung des geordneten Abschlusses der Schulzeit ohne Reintegration in die Regelklasse zutreffen. 11% der Schülerinnen und Schüler schliesslich mussten 2 Fischer 2003, S. 2 phzh 5
6 das Projekt Step by Step abbrechen und wurden aus der Schule ausgeschlossen. Für diese Jugendlichen müssen die formalen Zielsetzungen des Projekts als nicht erreicht angesehen werden. Damit werden insgesamt in 89% der Fälle die formalen Zielsetzungen des Projekts erreicht. Diese Erfolgsquote bewerten wir als sehr hoch. Schülerstatistik % 11% 9% 9% 4% 65% Reintegration in Regelklasse Beginn einer Anlehre Übertritt in eine andere Schule Beginn eines Berufseinführungsjars Eintritt in eine Berufswahlschule Schulausschluss Grafik 1: Schülerstatistik nach Anschlusslösungen nach Projektaustritt. Quelle: Interne Statistik des Projekts Step by Step, Stand vom Februar Der Erfolg des Projekts lässt sich sinnvoll allerdings erst bewerten, wenn mitbedacht wird, welcher Teil der auffällig gewordenen Schülerinnen und Schüler überhaupt in das Projekt aufgenommen wurden, resp. welche alternativen Angebote zur Verfügung stehen und wie intensiv diese im Vergleich genutzt werden. Nach Angaben der Schulleitung werden in Horgen neben dem Projekt Step by Step die folgenden Massnahmen angewandt: Freistellung vom Unterricht (ca. ein bis zwei Fälle pro Jahr) Parallelversetzung in eine andere Klasse (ca. ein Fall pro Jahr) Ausschulung und Übertritt in ein Jugendheim (ca. ein bis zwei Fälle pro Jahr) Sind diese Zahlen korrekt, würden sie bedeuten, dass in den drei Jahren in Horgen 12 bis 15 Jugendliche mit den beschriebenen Auffälligkeiten nicht ins Projekt aufgenommen wurden. Total wurden dem gegenüber im gleichen Zeitraum 46 Jugendliche (10 Schülerinnen und 36 Schüler) in das Projekt Step by Step aufgenommen 3. Damit wurde der weit aus grösste Teil der auffälligen Schülerinnen und Schüler im Projekt aufgenommen und eine hohe Erfolgsquote könnte, bezogen auf die gesamte Schule, angenommen werden. In der Projektbeschreibung werden die folgenden zusätzlichen Ziele auf der inhaltlichpädagogischen Ebene formuliert: Erfahrungen sammeln in der Ausführung praktischer Arbeiten Aneignung von Sachwissen 3 Datenquelle: Interne Schülerstatistik des Projekts, Stand Februar 2006 phzh 6
7 Aufarbeiten des (schulischen) Basiswissens Aufbau von Kompetenzen im Bereich der Reflexion und der Meinungsbildung Diese inhaltlichen Zielsetzungen deuten auf eine Verlagerung der unterrichtlichen Schwerpunkte hin, weg von schulisch-kognitiv ausgerichteten und hin zu (berufs)praxis- und persönlichkeitsbezogenen Lernzielen und Inhalten. Bei dieser Gewichtung wird wiederum das Konfliktpotential in der anvisierten Zielgruppe des Projekts deutlich: Während für Jugendliche in einer persönlichen Kriesensituation oder mit untragbarem Verhalten im Unterricht eine stärkere Gewichtung persönlichkeits- und verhaltensbezogener Lernziele sehr begrüssenswert und sinnvoll ist, muss sie bei Schülerinnen und Schülern mit Leistungsdefiziten als kontraproduktiv angesehen werden. Wir vermuten jedoch aufgrund der geführten Gespräche, dass mit dieser Zielgruppe eher Jugendliche mit Schwierigkeiten im Bereich der Lern- und Leistungsmotivation in Betracht gezogen werden. Für diese wiederum sind die formulierten Zielsetzungen aus pädagogischer Sicht durchaus geeignet. So ist beispielsweise davon auszugehen, dass durch den bewusst praxisnah gestalteten Kontext, die ausserschulischen Arbeiten und Aktivitäten und die Möglichkeit des unmittelbaren Erlebens von Erfolg durch eigene Anstrengung ungünstige Attributionsmuster positiv verändert und die Lern- und Leistungsmotivation gesteigert werden kann. Die Überprüfung, inwiefern diese inhaltlichen Zielsetzungen erreicht werden können, gestaltet sich dagegen relativ aufwändig. Im Kapitel 4 des vorliegenden Gutachtens wird ein methodisches Design vorgeschlagen, welches eine empirisch fundierte Antwort auf diese Frage liefern könnte (Beispiel 4.1). Die geschilderten Eindrücke im Gespräch mit dem Projektleiter und der Schulleitung, die eingesehenen Schülerarbeiten aus dem Projekt sowie das reichhaltig zur Verfügung gestellte Bildund Dokumentationsmaterial haben in uns aber den Eindruck erweckt, dass die Jugendlichen im Projekt in der Tat einen grossen Step in Richtung Selbstverantwortung, Selbstvertrauen und Kompetenz machen konnten und im Rahmen der verschiedenen Projektaufträge beeindruckende Leistungen zu erbringen im Stande waren. 2.4 Pädagogische Methoden Die Teilnahme am Projekt ist als Chance, nicht als disziplinarische Massnahme zu verstehen. Durch die enge Betreuung in der praktischen Arbeit und der Befreiung vom Schuldruck ist die Möglichkeit gegeben, sich neu zu orientieren. Praktische Erfolgserlebnisse geben Mut und Selbstvertrauen. Das Projekt öffnet den Zugang zur Berufswelt. (Fischer 2003, 2) Für die Dauer der Teilnahme am Projekt wird folgerichtig bewusst ein deutlicher Abstand vom Kontext des schulischen Unterrichts gesucht. Die Arbeitsweisen lehnen sich stark an berufliche und betriebliche Abläufe und Interaktionsformen an, wobei aus pädagogischer Sicht Elemente des Projektlernens / des projektartigen Unterrichts sowie partiell aus dem erlebnispädagogischen Kontext eingesetzt werden. Im Modell entsprechen diese pädagogischen Methoden dem aktuellen Praxisstand im deutschsprachigen Raum im Bereich der Förderung von Jugendlichen in schwierigen Schulsituationen mit dem zusätzlichen, oberstufenspezifischen Aspekt der Berufsorientierung 4. Trotzdem werden Wissensinhalte auch während der Projektdauer vermittelt und dokumentiert. Sie sind als Weiterbildung deklariert und bestehen im Wesentlichen in der Dokumentation der gemachten Erfahrungen und des dazu gehörenden Wissens in Form eines Tagebuchs. Weitere Elemente sind der so genannte Theorieunterricht und Hausaufgaben. Diese Methoden scheinen vor allem für die Zielgruppe der Jugendlichen mit Schwierigkeiten im Bereich des Lern-, Arbeits- und Sozialverhaltens sowie der Lern- und Leistungsmotivation an- 4 vgl. z.b. Mathern 2003, Gertner 2005 oder die Auswahlbibliografie von Prüstel und Linten phzh 7
8 gemessen und richtig. Auch für diese Zielgruppe wäre es jedoch aus unserer Sicht wünschenswert, das erarbeitete, aber explizit nicht als solches definierte Schulwissen aus den Projekten nach Abschluss der Teilnahme an Step by Step zu explizieren und bei einer Reintegration in die Regelklasse als erfüllte Lehrplaninhalte aufzunehmen und zu dokumentieren. Erste Schritte dazu werden bereits jetzt in den individuellen Lernberichten geleistet. Ein Ausbau dieser Schritte mit Einbezug der Klassen- und Fachlehrpersonen könnte eine sinnvolle Weiterentwicklung sein. Dies könnte unter Umständen auch im Zusammenhang mit der Beurteilung der betroffenen Schülerinnen und Schüler sowie mit der Ausstellung von Zeugnissen entschärfend wirken. Ebenfalls könnte der verstärkte Einbezug des im Projekt erarbeiteten Wissens in den regulären anschliessenden Unterricht zu einer positiveren Konnotation schulischen Wissens bei den Jugendlichen beitragen. Für die Zielgruppe der schulleistungsschwachen Jugendlichen dagegen erachten wir diese pädagogischen Methoden als nur bedingt sinnvoll oder sogar als eher weniger geeignet. Für sie erscheint uns eine individuell abgestimmte Förderung und Unterstützung im Bereich des schulischen Lernens sinnvoller zu sein. 2.5 Aufnahme / Zuweisungsverfahren Besonders positiv am realisierten Zuweisungs- resp. Aufnahmeverfahren ist der Einbezug aller Beteiligten 5, besonders auch der Jugendlichen selber und der Eltern. Auch die getroffenen Vereinbarung mit den Jugendlichen 6 unterstützen durch die Partizipation, hohe Transparenz und Verbindlichkeit die positive Wirkung des Projekts. Ebenfalls als sehr positives Element fällt die regelmässige Überprüfung der Situation der Schülerin oder des Schülers auf. Sie stellt eine Möglichkeit der schnellen und situationsspezifischen Anpassung der Massnahmen an die Erfordernisse der jeweiligen Situation sicher. 2.6 Schülerbeurteilung Die vierteljährlichen Lernberichte 7 sind sehr aussagekräftig und detailliert. Sie geben insbesondere über die nichtfachlichen Kompetenzen der Jugendlichen in den angestrebten inhaltlichen Förderzielen praxisnah und konkret Auskunft. Ein sinnvoller Anknüpfungspunkt könnte hier auch mit den neuen Zeugnissen für die Oberstufe gesucht werden. Obschon die Aneignung schulischen Basiswissens während des Projekts bewusst nicht als zentraler Aspekt gewichtet wird, sind in den Projekttagebüchern der Schülerinnen und Schüler viele Lernnachweise zu unterrichts- und lehrplanrelevanten Inhalten vorhanden. Eine genauere Überprüfung der entsprechenden Inhalte wäre notwendig, allerdings darf angenommen werden, dass ein Teil des während der Projektzeit verpassten Unterrichtsstoffes durch diese Dokumentationen als erarbeitet nachgewiesen werden könnte. Eine bisher noch ungenutzte Möglichkeit des Projekts könnte in einer entsprechenden Anerkennung der spezifischen Lerninhalte nach dem Übertritt in die Regelklasse unter Zusammenarbeit mit den Klassen- und Fachlehrpersonen bestehen. Dies könnte auch dazu beitragen, die Beurteilungsproblematik an der Schnittstelle des Projekts mit dem Regelklassenunterricht zu entschärfen. Bestehende Modelle der Schülerbeurteilung mittels Lerntagebüchern und Schülerportfolios gehen in eine ähnliche Richtung und könnten (eventuell sogar im Rahmen eines gesamtschulischen Beurteilungskonzepts) mit den Projekttagebüchern aus Step by Step kombiniert werden. 5 vgl. Schritt 2 im Verlaufsplan zur Aufnahme, Fischer 2003, Beilage 1. 6 vgl. Fischer 2003, Beilage 3 7 vgl. Fischer 2003, Beilage 4 phzh 8
9 2.7 Zusammenfassende Beurteilung des Projekts Das Projekt Step by Step vereint verschiedene Elemente, die aus sonderpädagogischer Sicht als viel versprechend beurteilt werden können und besonders Chancen für eine auf Integration ausgerichtete Förderung von Jugendlichen in schwierigen schulischen Situationen beinhalten. Die bisher vorliegenden Auswertungen und Zahlen verdeutlichen, dass das Projekt gemessen an den definierten Zielen erfolgreich ist. Erfahrungen aus ähnlichen Projekten, vor allem in Deutschland, zeigen, dass verschiedentlich in eine ähnliche Richtung gearbeitet wird und dass die eingesetzten pädagogischen Methoden für diese Arbeit geeignet sind 8. Unklarheiten bestehen im Projekt Step by Step einerseits im Zusammenhang mit der institutionellen und personellen Verankerung des Projekts innerhalb der Schulgemeinde und der entsprechenden Strukturen, andererseits in Bezug auf die genaue Zielgruppe von Jugendlichen, welche als Klientel in Betracht gezogen wird. In der Tabelle 1 sind die Stärken und die Schwächen des Projektes aus der Sicht der Autoren einander gegenüber gestellt. Tabelle 1: Stärken und Schwächen des Projekts Stärken Weit reichende Integration in die Regelschulstruktur der Oberstufe Horgen Hohe Erfolgsquote hinsichtlich Rückübertritt resp. Schulabschluss der Schülerinnen und Schüler Schwächen Hohe Abhängigkeit von der Person des Projektleiters Unklarer Status des Projekts hinsichtlich langfristiger schulrechtlicher Verankerung und Finanzierung in der Schulgemeinde Horgen Sinnvolle und konsistente pädagogische Konzeption Hohe Akzeptanz bei Schülerinnen und Schülern Hohe Akzeptanz beim Kollegium Erfolgreiche (bis auf die Stelle des Projektleiters selbsttragende) Finanzierung und damit Sparpotential im Vergleich mit einer herkömmlichen KKD; hohe Kosten-Nutzen- Effizienz. 8 vgl. die angegebenen Webressourcen im Literaturverzeichnis phzh 9
10 3. Anregungen zur Optimierung des Projekts Aufgrund der vorangegangenen Analysen und der Beurteilung des Projekts hinsichtlich seiner Stärken und Schwächen können die folgenden Empfehlungen oder Anregungen zur Optimierung formuliert werden: Klärung der schulrechtlichen Verankerung und Sicherstellung der längerfristigen Finanzierung des Projekts durch die Schulgemeinde. Klare Definition des Pflichtenhefts und des Stellenprofils des Projektleiters resp. der Projektleiterin und möglichst weit gehende Abbildung / Dokumentation der verschiedenen projektbezogenen Abläufe und Tätigkeiten. Klarere Definition und ev. Einschränkung der Zielgruppe (Weglassen der Schülerinnen und Schüler mit schwachen Schulleistungen). Vermeindung des Begriffs Time out im Zusammenhang mit dem Projekt. Verstärkung und Explikation Unterrichts- und Lehrplanbezugs des projektintern erarbeiteten schulischen Basiswissens während oder im Anschluss an das Projekt in Zusammenarbeit mit den Klassen- und Fachlehrpersonen. phzh 10
11 4. Evaluationsdesign Zur empirischen Evaluation der Wirkungen des Projekts Step by Step ergeben sich unterschiedliche Fragestellungen. Je nach Fragestellung und Rahmenbedingungen wären für die empirische Beantwortung unterschiedliche methodische Zugänge und Forschungsdesigns notwendig. In Tabelle 2 sind die einzelnen möglichen Fragestellungen mit den entsprechenden Anforderungen an die Rahmenbedingungen (Dauer, Datenlage, Verfügbarkeit von Stichproben) und den entsprechenden methodischen Zugängen aufgelistet. Anschliessend werden als idealtypische Beispiele zwei verschiedene Forschungsdesigns vorgeschlagen, welche jeweils die kombinierte Beantwortung mehrerer Fragestellungen ermöglichen könnten. Tabelle 2: Fragestellungen, Anforderungen und methodische Zugänge Fragestellung Notwendige Rahmenbedingungen Methodische Zugänge Auswirkungen des Projekts in Bezug auf Kompetenzen im Einstellungs- und Verhaltensbereich Mehrere Messzeitpunkte. Ausreichend grosse Stichprobe mit vergleichbaren Parametern bei der Projektdurchführung. Messung von Verhaltensvariablen in einem Pre-Posttest- Design. Einsatz von Verhaltensbeobachtung / Verhaltensbeurteilung oder Testinstrumenten (Leistungsmotivation, Einstellungen zu Schule und Beruf). Auswirkungen des Projekts in Bezug auf die schulischen Kompetenzen und Leistungen Mehrere Messzeitpunkte. Verfügbarkeit einer geeigneten Kontrollgruppe. Möglichkeit der Durchführung von Schulleistungstests. Schulische Leistungstests, Vergleich mit einer parallelisierten Kontrollgruppe. Auswirkungen des Projekts auf das Begabungsselbstkonzept und die Selbstwahrnehmung der Jugendlichen Mehrere Messzeitpunkte. Ausreichend grosse Stichprobe mit vergleichbaren Parametern bei der Projektdurchführung. Erfassung des Begabungsselbstkonzepts und Selbsteinschätzung der Jugendlichen vor und nach der Projektteilnahme. Leitfadeninterviews mit qualitativ-inhaltsanalytischer Auswertung. Langfristige Folgen des Projekts für die Berufswahl und Lebenssituation der Jugendlichen Wirkungen des Projekts im Vergleich mit anderen Massnahmen für ähnliche Zielgruppen Durchführbarkeit einer Längsschnittuntersuchung über mehrere Jahre. Verfügbarkeit einer entsprechenden Stichprobe. Durchführbarkeit einer Längsschnittuntersuchung. Verfügbarkeit einer parallelisierten Kontrollgruppe von Jugendlichen, die anderen schulischen Massnahmen zugewiesen wurden. Tracking der Jugendlichen, welche am Projekt teilnahmen. Qualitative Befragungen (Leitfadeninterviews) und Erfassung von sozioökonomischen Variablen in regelmässigen Abständen. Befragungen von Jugendlichen, welche am Projekt teilnahmen und vergleichbaren Jugendlichen in anderen schulischen Massnahmen. Qualitative Vergleiche, ev. Einbezug quantitativer Variablen. phzh 11
12 4.1 Forschungsdesign Beispiel 1 Ziel dieser ein Schuljahr umfassenden Studie ist es herauszufinden, wie sich eine Teilnahme am Projekt Step by Step auf die Kompetenzen der Jugendlichen in verschiedenen Verhaltens- und Kompetenzbereichen sowie auf ihre Motivation, ihr Begabungsselbstkonzept und ihre Einstellungen zu Schule und Beruf auswirkt. Um die Einflüsse des Projekts detailliert untersuchen zu können, wird eine Studie mit zwei Messzeitpunkten (Pretest und Posttest) durchgeführt. Zu beiden Messzeitpunkten werden Schülerinnen und Schüler, die am Projekt Step by Step teilnehmen untersucht (Experimentalgruppe) sowie zusätzlich eine Gruppe von Klassenkameradinnen und Kameraden, die nicht am Projekt teilnehmen (Kontrollgruppe). Der erste Messzeitpunkt (T 1 ) muss dabei möglichst so gewählt werden, dass die betreffenden Jugendlichen noch nicht mit der Arbeit im Projekt begonnen haben. Deshalb wird eine möglichst grosse Schülergruppe zu Beginn eines Schuljahrs untersucht; die Zusammensetzung der Experimentalgruppe entscheidet sich im Verlauf des Schuljahres durch die Zuweisung der Jugendlichen zum Projekt. Als Kontrollgruppe dienen die übrigen untersuchten Schülerinnen und Schüler. Am Ende des Schuljahres erfolgt die zweite Datenerhebung (T 2 ). Zu den beiden Messzeitpunkten werden Daten zu den folgenden Variablen erhoben: Datenerhebung T 1 (Beginn Schuljahr) - Schulleistungstest Mathematik - Schulleistungstest Sprache - Verhaltensbeurteilung - Erfassung Motivation - Erfassung Selbstkonzept / Einstellungen Datenerhebung T 2 (Ende Schuljahr) Experimentalgruppe Kontrollgruppe - Schulleistungstest Mathematik - Schulleistungstest Mathematik - Schulleistungstest Sprache - Schulleistungstest Sprache - Verhaltensbeurteilung - Erfassung Selbstkonzept / Einstellungen - Erfassung Motivation - Erfassung Selbstkonzept / Einstellungen - Leitfadeninterviews: Projektwirkungen Die Auswertung der Daten erfolgt methodenkombiniert mittels quantitativ-statistischer und qualitativ-inhaltsanalytischer Verfahren. Durch einen Vergleich zwischen Pretest und Posttest lässt sich die individuelle Entwicklung in den überprüften Kompetenzen und Bereichen nachvollziehen und durch einen Vergleich dieser Entwicklungen der Jugendlichen aus der Kontrollgruppe mit denen der Jugendlichen aus der Experimentalgruppe lassen sich Rückschlüsse auf die Auswirkungen einer Teilnahme am Projekt Step by Step ziehen und empirisch überprüfen. phzh 12
13 4.2 Forschungsdesign Beispiel 2 Ziel dieser mehrjährigen Längsschnittstudie ist es herauszufinden, ob sich eine Teilnahme am Projekt Step by Step nachhaltig auf die Berufswahl und die Lebensgestaltung der geförderten Jugendlichen auswirkt. Zu diesem Zweck werden über einen Zeitraum von fünf Jahren halbjährliche mündliche Befragungen von Jugendlichen und jungen Erwachsenen durchgeführt, welche am Projekt Step by Step teilgenommen haben (Einzelfallanalysen). Die Befragungen werden in Form von Leitfadeninterviews durchgeführt und qulitativ-inhaltsanalytisch ausgewertet 9. Durch einen Vergleich mehrerer solcher Einzelfallanalysen können Gemeinsamkeiten und Unterschiede sowie allfällige Einflüsse des Projekts Step by Step bezogen auf die Situation einzelner Jugendlicher resp. Erwachsener analysiert werden. Über das Projekt Step by Step hinaus liefert diese Untersuchung äusserst wertvolle Daten zur beruflichen Situation und Entwicklung von ehemaligen Schülerinnen und Schülern in schwierigen Schulsituationen, welche wichtiges Steuerungswissen für die weitere Entwicklung des Projekts und weitere schulische Massnahmen bereitstellen. Durch eine Kooperation mit anderen Schulgemeinden könnte als Erweiterung ein Vergleich mit den Langzeitwirkungen anderer schulischer Massnahmen durch analoge Einzelfallanalysen und deren Vergleich (Cross-Case-Analysis) geleistet werden. 9 Zur Methodik vgl. auch Riedo phzh 13
14 Literatur Duismann, G. H. (2005). Praxisphasen in Betrieben Betriebspraktikum und Schülerfirmen: Didaktische Probleme und Qualitätssicherung. In: Felkendorff, K.; Lischer, E.: Barrierefreie Übergänge? Jugendliche mit Behinderungen und Lernschwierigkeiten zwischen Schule und Berufsleben. Zürich: Pestalozzianum, S Fischer, U. (2003). Step by Step. Ein Projekt macht Schule. Horgen: Unveröffentlichtes Konzeptpapier zum Schulprojekt. Gertner, C. (2005). Neue Wege zum Lernen: Förderung schulverweigernder Lernender. In: Berufsbildung (59), S Mathern, S. (2003). Benachteiligte Jugendliche an der Schnittstelle zwischen Schule und Beruf : Überlegungen zu einer strukturellen und inhaltlichen Reform präventiver Berufsbildungspraxis. Frankfurt: Lang. Meschenmoser, H. (2005). Schülerfirmen: Ein Lernarrangement zur Förderung arbeitsrelevanter Basiskompetenzen benachteiligter Jugendlicher. In: Felkendorff, K.; Lischer, E.: Barrierefreie Übergänge? Jugendliche mit Behinderungen und Lernschwierigkeiten zwischen Schule und Berufsleben. Zürich: Pestalozzianum, S Prüstel, S.; Linten, M. (2005). Auswahlbibliografie Benachteiligtenförderung. Bonn: Bundesinstitut für Berufsbildung BiBB. Riedo, D. (2000). Ich war früher ein sehr schlechter Schüler. Schule, Beruf und Ausbildungswege aus der Sicht ehemals schulleistungsschwacher junger Erwachsener. Analyse von Langzeitwirkungen schulischer Integration oder Separation. Bern: Haupt. Berücksichtigte Webressourcen: phzh 14
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