SWR2 Tandem Kommst Du?

Transkript

1 SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE SWR2 Tandem Kommst Du? Die Veröffentlichung eines Kinderbriefes als Buch Von Johannes Gelich Sendung: Donnerstag, 20. Oktober 2016 um Uhr Redaktion: Petra Mallwitz Produktion: SWR 2016 Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Service: SWR2 Tandem können Sie auch als Live-Stream hören im SWR2 Webradio unter oder als Podcast nachhören: Mitschnitte aller Sendungen der Redaktion SWR2 Tandem sind auf CD erhältlich beim SWR Mitschnittdienst in Baden-Baden zum Preis von 12,50 Euro. Bestellungen über Telefon: 07221/ Bestellungen per Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der kostenlosen SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2-Kulturpartner-Netz informiert. Jetzt anmelden unter 07221/ oder swr2.de

2 MANUSKRIPT Deutschland sucht den Superstar. Warte ganz kurz, da muss ich noch was ändern, ich bin zu faul, das einzugeben, Kids, Moment, nein, ja, Kids, genau, Kids, wir suchen die Kids-Version, Kids, so heißt das, gell? Deutschland sucht den Superstar, Kids. Was soll ich jetzt anklicken? Warte? Warte. Was soll ich jetzt anklicken. Ach, ich komm nicht hin. Es war ja gar nicht meine Idee, sondern ein Lektor kam auf die Idee und hat gesagt, warum geben wir nicht einmal einem Kind eine Stimme, weil so, wie sich die Welt entwickelt, sagen dauernd Erwachsene, wie kann man sie retten und Kinder hätten da vielleicht eine ganz andere Einstellung dazu und Vorschläge, die da auch interessant sind und gehört werden sollten. Und er hatte fso eine Idee, wie würde ein Kind die Welt retten. Ja, und dann bin ich zum Jonas gefahren und habe ihn gefragt, wie er die Welt retten würde. Ich wusste, Jonas und sein Verleger, der Herr Bernhard Salomon arbeiten, die haben wirklich ein ganzes Jahr daran gearbeitet, aber den wirklichen Inhalt habe ich erst gelesen, wies eigentlich schon schwarz auf weiß da war. Das war ja einer meiner stärksten Eindrücke, war, wie der dort überhaupt wohnt. Weil man hat ja Felder und Wiesen, die reichen in jede Richtung bis zum Horizont, und in der Mitte steht plötzlich so ein Haus, man hat das Gefühl, das ist irgendwie vom Himmel runter gefallen und da sind jetzt ein paar Außerirdische drinnen, ja, und so ist er mir auch ein bisschen vorgekommen. Meine Mutter hat mir gesagt, ja, so ein Verleger würde mit dir gerne ein Buch schreiben und dann habe ich mich halt mit ihm getroffen. Und dann haben wir uns getroffen, glaube ich, sehr oft, ohne zu wissen, was eigentlich der Plan ist, mindestens 10 oder 12 Treffen waren das, und irgendwann hat er dann gesagt, ja diese Idee von dir mit dem Welt-Retten finde ich ja ganz lustig, aber es gibt was, was ich wirklich gerne schreiben würde, und ich habe gesagt, was? Ja, seinem Vater einen Brief, und zu diesem Zeitpunkt haben sich viele unserer Gespräche schon um seinen Vater gedreht, und mir war natürlich sofort klar, das ist 2

3 es jetzt, und ihm offenbar auch, weil er hat dann gesagt, jetzt hast du eine story, stimmts? Eigentlich wärs ja über mein Leben, also über mein so alltägliches, totales Leben wie es ist, ein Kind zu sein, ja, und dann hat er mich nach meinem Vater gefragt, dann habe ich ihm gesagt, dass mein Vater mich nicht oft sieht und dann haben wir das ein bisschen umdisponiert. BUCHZITAT-JONAS KAUREK Wenn wir in der Schule über Väter reden, fühle ich mich ausgeschlossen als würde ich gar keinen Vater haben. Ich dachte, dass ich vielleicht doch etwas tun könnte, um dich öfter zu sehen, dir die Angst nehmen zum Beispiel. Ich dachte, vielleicht dass du weniger Angst hast, wenn du weißt, wer ich bin. Es war schon am Anfang so, der erste Impuls von mir, puhh, ich muss jetzt alle schützen, mein Kind, seinen Vater, uns, ja, und, das habe ich dann auch immer wieder wiederholt, die Sache, dass ich gesagt habe, nein, wenn das Jonas' Weg ist, dann stehe ich hinter ihm, ich glaube, dass er bereits ein Mensch ist, der sich sehr gut abgrenzen kann, beziehungsweise, und der auch weiß, hierher und nicht weiter. BUCHZITAT-JONAS KAUREK Da sind noch ein paar andere Dinge, meine Mutter hat einmal wegen dir geweint, weil du dich so lange nicht blicken lässt, ich habe sie getröstet, ich sagte ihr etwas Aufmunterndes, dass sie dich einfach anrufen und mit dir etwas ausmachen soll, oder so etwas Ähnliches. Ich glaube, das wirkte. Das Thema des Vaters ist ein Metathema, was macht mich zu dem, wenn mein Vater fehlt oder welche Qualitäten gäbe es in meinem Leben, wenn mein Vater da wäre, aber das ist jetzt nicht die Handlungsebene. Ich glaube auch deshalb hat Jonas mit mir nicht viel über dieses Thema gesprochen, weil es nichts ist, was ich für ihn oder mit ihm klären kann, sondern etwas, was er mit sich klärt. Vielleicht stellt er Fragen, die vielleicht andere erst mit 15 stellen. Ich konnte mir das sehr schnell vorstellen, dass ich ein Buch schreibe, ja, das konnte ich mir sehr schnell vorstellen. Hat so ca. 1 Stunde gedauert und dann hat ich mir das schon durchdacht, weil ich eigentlich dachte, dass ich so, naja, dass ich so zu 3

4 meinem Vater sage, dass er vielleicht mehr Kontakt mit mir aufnehmen sollte, vielleicht würde das ja gehen, habe ich mir gedacht. Es hat nichts mit der armen Opferrolle zu tun, überhaupt nicht, Jonas ist kein Opfer, ich bin kein Opfer, niemand hier ist das Oper, auch sein Vater ist kein Vater oder Täter oder sonst irgendwas, darum ging es auch gar nicht. Es ist natürlich am Anfang ein bisschen in dieses Eck reingedrängt worden, klar, stand vor Weihnachten die Veröffentlichung, das war natürlich ein super Package, armer kleiner Junge und Weihnachten steht vor der Tür. BUCHZITAT-JONAS KAUREK Der Verleger hilft mir dabei alles aufzuschreiben, es macht mir Spaß, ich stelle mir vor, dass du dann weißt, wie es in meinem Leben zugeht und wie ich mich fühle. Wenn es stimmt, dass du wissen willst, wie ich bin und wie es mir geht, dann erfährst du es jetzt. Wenn es stimmt, dass du Angst vor mir hast, geht dadurch vielleicht ein bisschen davon weg. In einem abwesenden Vater, der eigentlich da sein könnte, liegt ja das ganze Moment des Ignorierens und damit auch in gewisser Weise des Verachtens drinnen, während ein toter Vater, in den kann man ja hineininterpretieren, dass er so gerne da wäre, wenn er nur könnte, und darin liegt der ganze Schmerz, den ein Kind erlebt, dessen Vater sich nicht kümmert. BUCHZITAT-JONAS KAUREK Vor dem Vatertag bemalten wir heuer in der Schule Tontöpfe, die wir selbst getöpfert haben. Alles Gute schrieben wir drauf, denk positiv, solche Sprüche halt. Dann malten wir noch Muster und Zeichen drauf. Es war komisch, aber ich habe mitgemacht. Was sollte ich sonst tun? Einer meiner Mitschüler, der neu in der Klasse war, zeigte auf und fragte, ob er den Topf seinem Vater auch aufs Grab stellen kann. Dieser Mitschüler heißt Roman. Ich dachte davor, ich wäre der einzige in der Klasse, der keinen Vater hat. Romans Vater war bei einem Autounfall gestorben. Er selbst war damals vier. Sie saßen beide im Auto, aber Roman überlebte. Aus diesem Schmerz, wie der Jonas ja auch in seinem Buch toll beschreibt, kommen dann so viele andere Dinge wie Zorn, wie Wut, Zorn und Wut auch sich selbst gegenüber und mangelnde Selbstachtung, das alles liegt in dieser einen Blumentopfgeschichte. Mich hat das auch wahnsinnig berührt. 4

5 BUCHZITAT-JONAS KAUREK Natürlich kannst du das, sagte unsere Lehrerin zu ihm, mach einen schönen Topf und stell ihn deinem Vater aufs Grab. Ich machte auch einen schönen Topf, schrieb Sprüche drauf und verzierte ihn mit Mustern. Alles Gute, denk positiv, ich gab dir dann den Topf zum Vatertag. Nein, tat ich nicht, das weißt du, ich sah dich ja am Vatertag nicht. Ich gab dir den Topf ein anderes Mal, nein, tat ich auch nicht, das weißt du auch, ich hatte keine Gelegenheit. Der Topf steht bei mir im Zimmer. Ich konnte ihn dir nie geben. Roman hat seinen Topf seinem Vater aufs Grab gestellt. Er betrachtet den Tod, also seinen eigenen Tod, nicht als besondere Bedrohung. Er betrachtet den Tod von Menschen, die ihn umgeben als sehr starke Bedrohung, vor allem den Tod seiner Mutter, was für mich auch eine Erkenntnis ist, die vielleicht naheliegend wirkt, die mich aber trotzdem sehr stark beeindruckt hat, dass ja ein Kind, das nur einen Elternteil hat, eine viel größere Angst davor hat, auch noch diesen Elternteil zu verlieren, als ein Kind, das beide Elternteile hat, weil er sagt, wenn ich diese eine, meine Mutter auch noch verliere, dann bin ich ganz alleine, und das ist sicher ein Phänomen, das viele Kinder haben. BUCHZITAT-JONAS KAUREK Am wichtigsten in meiner Familie ist mir meine Mutter. Sie ist manchmal streng, aber gutmütig, sie lässt mich oft vergessen, dass du dich nicht blicken lässt. Das Wichtigste an meiner Mutter ist, dass sie überhaupt da ist, und dass sie viel Zeit mit mir verbringt. Wir unterhalten uns über alltägliche Dinge und manchmal über das Leben. Wenn ich unglücklich bin, versucht sie mich wieder glücklich zu machen. Wir haben eine Tendenz heutzutage, Kinder zum Beispiel bei Sachen rauszunehmen wie Begräbnisse, Krankheit, und diese Dinge. Auch das ist Leben, weil ohne Tod gibt s kein Leben, auch da kann ich ein Kind nicht rausnehmen. Ich kanns begleiten, das ist meine Aufgabe, aber ich kann es nicht rausnehmen aus dieser Geschichte. SCHULE EBREICHSDORF MUSIKSTÜCK über SCHULWERKSTATT Es wussten noch nicht alle, aber jetzt ist es klar, was in der Wiener Straße 24 A in Ebreichsdorf, Schulwerkstatt Ebreichsdorf. Eh wir sind happy LEHRERIN VON JONAS KAUREK Ich habe heute in der früh einen Mitschüler von Jonas gefragt, ob er gerne beim Interview dabei sein möchte, und der hat mir dann gesagt, nein, eigentlich nicht, weil er hat das Buch nicht fertig gelesen. Und ich habe ihm dann gesagt, ja, das macht jetzt nichts, du hast ja doch einen guten Eindruck vom Rest gehabt, da hat er gesagt, nein, weißt du, warum ich es nicht fertig gelesen hab, ich hab nämlich einen Freund, 5

6 von dem ist der Vater verstorben und ich habe ihm mein Buch geschenkt, weil ich glaube, dass es dem ganz viel hilft, wenn er das Buch hat und es lesen kann, ja, und das habe ich so schön gefunden, was daraus entsteht einfach, ja, es war gar nicht das Buch an sich so wichtig, sondern diese Message, die dahinter ist, ja, es geht eigentlich vielen Kindern ohne Väter ähnlich. Ich wollte es auch so sagen, mir gefällt sozusagen das ganze Buch, weil, man muss einfach weiterlesen, man findet es so spannend, so interessant, so lustig, alles ist einfach in diesem Buch drinnen, ja, es ist halt richtig cool. Ich bin ja eine, die nicht gerne Bücher liest, aber ich dachte mir, ok, schau jetzt mal 1, 2 Seiten in das Buch hinein, wie es herausgekommen ist, und dann habe ich die ersten zwei Seiten gelesen und mir hat das Buch so gut gefallen, dass ich es so schnell durchgelesen habe, dass ich es wieder und wieder, also ich habe keine Lieblingsstelle, ich finde alles super. MITSCHÜLER VON JONAS KAUREK Ich habe das Buch auch an zwei Tagen, Abenden, weil am Abend lese ich meistens ein Buch und da habe ich das an zwei gelesen, und dann war ich schon fertig, ich finde die Art, wie das Buch geschrieben ist, voll gut. Ich fand irgendwie, wenn man das Buch liest, weiß man sofort, dass es der Jonas geschrieben hat, manche Sachen stimmen zwar nicht, von meiner Sicht aus, weil er geschrieben hat, er durfte die Klasse überspringen, ja, das stimmt irgendwie nicht so ganz, er ist in eine Gruppe gekommen, sagen wir so, aber er durfte keine Klasse überspringen, aber ein paar Sachen sind doch richtig cool. MUSIK DSDS-KIDS Deutschland sucht den Superstar, warte kurz, da muss ich noch was ändern, ich bin zu faul das einzugeben, Kids, Moment, nein, Ja, Kids, genau, wir suchen die Kids- Version, Kids, so heißt das, gell? Deutschland sucht den Superstar, Kids, was soll ich jetzt anklicken. Wie findest du das? Ich finde es sehr mutig, von ihr aufzutreten. Und wir haben auch darüber gesprochen was ist das Risiko für die Kinder? Das Risiko für die Kinder, das sage ich dir jetzt, das Risiko ist, dass wenn sie sich blamieren, dass niemand sie mehr ernst nimmt, und, ja, und sie, wenn sie irgendwas wollen und niemand sie ernst nimmt, dann, ja, dann werden die Erwachsenen sagen, ja, das ist die, die sich beim Songcontest in die Hose gemacht hat oder so etwas. Also, du glaubst, man kann schon auch, ihr Leben ziemlich kaputt machen, mit so einer 6

7 Sendung? Ja, wenn sie zu viel Angst davor haben, sich zu blamieren, dann müssen sie ja nicht mitmachen, aber wenn sie das unbedingt wollen, dann können Sie. Es ist ihr Schicksal, sie können von mir aus mitmachen, ich würde da nie mitmachen. Warum nicht? Erstens, weil ich nicht singen kann, zweitens weil ich zu viel Angst habe. War bei dir nicht die Gefahr, dass du dich blamierst mit deinem Buch, hast du da nicht manchmal Angst gehabt? Neee. Warum nicht? Also, das habe ich ja auch schon meinem Verleger gesagt, egal, was ich im Buch sage, ich werde eh schon so genug gemobbt, also ist es egal, was da vorkommt. Oh, er hat sich schon nach dem Buch sehr verändert, er war davor eher, ja, lass mich in Ruhe oder schlägt schon wieder alle, und dann nach dem Buch, wie er es selbst geschrieben hat, dachte ich, der wird sich nie ändern, und dann hat er sich geändert und war er so nett. LEHRERIN VON JONAS KAUREK Ich könnte nicht sagen, dass sich in der Zeit, wo er wirklich viele Fernsehauftritte und Radiosendungen gemacht hat, dass er es in der Schule irgendwie merken ließ, also, er ist da souverän drübergestanden und hat das wie seine Mutter immer gesagt, sehr professionell gemacht. Es wäre nicht einmal in der Schule durchgekommen, he, ich war beim Fernsehen oder ich fahre nach Deutschland und mach das und jenes, also das hat er eigentlich ganz bei sich gehalten, was ich auch feststelle ist, dass er insgesamt viel ruhiger geworden ist und er viel souveräner über manchen Dingen steht. Also, ich finde auch, dass er viel ruhiger geworden ist und er hat ziemlich wenig darüber geredet, also fast gar nichts eigentlich und ja, aber ich glaube schon, dass es ihn halt fröhlich macht oder so. Wie ich das Buch gelesen habe, dachte ich mir halt, ich werde nicht vorkommen, weil ich nicht so eine wichtige Bedeutung für ihn bin, aber wie ich es dann selber gelesen habe, bin ich dann selber vorgekommen, und ich habe mich so glücklich gefühlt, dass ich auch vorkomme, dass er etwas über mich geschrieben hat, und das hat mir einfach so gefallen und das Buch, das ja, stimmen halt ein paar Sachen nicht, aber es ist eigentlich auch sehr witzig, es sind eigentlich schon sehr viele Sachen wahr. LEHRERIN VON JONAS KAUREK Ich habe das auch aus der Sicht als Mutter erlebt, ja, also, die Annabel ist meine Tochter und das war fast täglich Gespräch auch zuhause, glaubst du der Papa vom Jonas kommt, und glaubst du, das wird klappen und hoffentlich kommt er, sonst hat er das Buch ja fast umsonst geschrieben, also diese Vaterthematik hat sich schon 7

8 bei den Kindern sehr durchgesetzt, ja, weil es gibt ja verschiedenste Themen, die die Kinder beschäftigen, einerseits Scheidungen, andererseits Vaterverlust durch Tod oder eben wie beim Jonas, dass er beim Vater fast gar nicht kennt oder sieht. Die Vea Kaiser zum Beispiel hat mich geradezu beschimpft dafür, was ich da für ein respektloses Projekt starte und wie man das machen kann. ZITAT-ARTIKEL VON VEA KAISER Auf 112 Seiten erzählt der zehnjährige Jonas Kaurek von seinem Leben, seinen Sehnsüchten und seinen Hoffnungen, um den abwesenden Vater zu bewegen endlich für ihn dazusein. Wir erfahren alle Details aus Jonas Leben und Gedankenwelt, doch an keiner Stelle wird hinterfragt, ob das eigentlich in Ordnung ist. Ich war mir aber sowas von sicher, dass das einen guten Ausgang nehmen wird für den Jonas, dass ichs gar nicht sagen kann, ich meine, ich verstehe die Bedenken, die man da haben kann, aber ich schreibe ja Bücher schon mein ganzes Leben lang und ich habe immer die ganz intensive und ausschließlich diese Erfahrung gemacht, dass ein Mensch, der ein Buch schreibt, sei es alleine oder mit einem Ghostwriter, dass es immer gut für ihn ist. ZITAT-ARTIKEL VON VEA KAISER Kann man es verantworten, dass die intimsten Wünsche eines Zehnjährigen aufgeschrieben und der Öffentlichkeit gegen 16 Euro 99 feilgeboten werden? Nein, das kann man nicht verantworten. Ein Zehnjähriger kann die Folgen seiner Veröffentlichung unmöglich selbst abschätzen, die Mutter scheinbar auch nicht. O-TON-MUTTER JONAS KAUREK Ich denke, in dem Fall kams auch raus, dass sie eigentlich ihr Thema da reingebracht hat und sich selber reingebracht hat und ich habe das auch so gewertet, das ist ihr Thema, das sie hatte und das musste sie darstellen. Also ich glaub auch nicht, dass das was mit dem Buch von Jonas zu tun hatte, eigentlich. ZITAT-ARTIKEL VON VEA KAISER Natürlich, dem Zehnjährigen Jonas mag wichtig erscheinen, dieses Buch zu schreiben, aber wie wird er mit 14 darüber denken, mit 18, mit 30? Was bedeutet es, in einem so unmündigen Alter die eigene intime Gedankenwelt vor der Öffentlichkeit auszubreiten? 8

9 Ich versuche, ihn so zu erziehen, dass es, oder ihn nicht zu erziehen, das ist das falsche Wort, sondern ihm so das Leben zu vermitteln, steh ein für das, was du tust und nicht: überlege dann in 10 Jahren, hätte ich doch oder wäre ich doch; was weiß, was wissen Sie, was wissen wir, was in zehn Jahren ist und ich meine, darüber jetzt Gedanken zu machen, dann würde nichts passieren, überhaupt nichts, wenn meine Zukunft oder meine Vergangenheit meine Gegenwart bestimmen würde, das wäre eigentlich ein ganz armer Ansatz. ZITAT-ARTIKEL VON VEA KAISER Kinder dürfen nicht wählen und Verträge unterzeichnen, das ist jedoch keine Beschränkung, sondern eine Freiheit. Wir gestehen Kindern dadurch zu, irrational zu sein, ihre Äußerungen unbedacht zu treffen. Auf dem breiten Spektrum der Emotionen alles zu erleben ohne bleibende Konsequenzen. Lässt man Kinder jedoch ein Buch publizieren, nimmt man ihnen diese Freiheit. Mit zehn Jahren darf man noch nicht alleine im Aufzug fahren, aber etwas veröffentlichen, das für alle Ewigkeit Bestand hat? Und wir reden hier nicht über eine erfundene Geschichte, sondern höchst private, intime Gedanken. Ich kann mich nur an diesen Satz erinnern mit dem Aufzug, sie schreibt irgendetwas, Zehnjährige dürfen nicht alleine Aufzug fahren, das fand ich so süß hanebüchern, der ist hängengeblieben, das war wirklich das einzige, was hängengeblieben ist. Also es kann nicht sehr tief gegangen sein. O-TON-MITSCHÜLER VON JONAS KAUREK Ich glaube, der Jonas kann schon sehr viel abschätzen, weil er wohnt mit seiner Mutter, wo eigentlich nicht so viele Leute wohnen, eigentlich fast keiner und dass er dort doch oft mit seinen Hunden spazieren geht, und dass er einfach abschätzen kann, wie weit er geht, dass er nicht zu weit vom Haus entfernt. Also jeder kann das abschätzen, was er gut kann, und das sollte dann auch jeder probieren, wenn er sichs traut, sagen wir so. ZITAT-ARTIKEL VON VEA KAISER Der Verleger wäre in der Pflicht gewesen, dieses Kind davor zu behüten, all seine Intimitäten preis zu geben. Stattdessen betätigte er sich als Ghostwriter. Ich habe ja Bücher gemacht mit Mördern, mit Prostituierten, mit Zuhältern, mit Punks, mit Opfern, mit Tätern, und in jedem Fall war es gut für den Betroffenen, wenn er ehrlich sich mit einer Sache auseinandergesetzt hat, das ist natürlich die 9

10 Voraussetzung, dass man das auch wirklich ehrlich und sich öffnet und etwas von sich gibt, dann kommt etwas, dann entwickelt man sich, dann kommt etwas Positives dabei heraus und genauso wars ja dann auch beim Jonas. Was ich aber dann sehr wohl erlebt habe, ist, dass das in Österreich seine Eigendynamik bekommen hat, und er immer weiter in diese Opferrolle reingedrängt worden ist, der arme kleine Bub, der sich nichts sehnlicher wünscht als seinen Papa zu sehen, und das hat einfach nicht auf Jonas gepasst, das hat nicht auf uns gepasst. In Österreich war es halt gerade die Weihnachtszeit und da gings dann nurmehr: Und dein sehnlichster Wunsch, ist Papi zu sehen. Ich habe dann schlussendlich nicht mehr sehr viel aus Österreich auch angenommen im Namen meines Sohnes. Er hat ja damit auch experimentiert, da war ein Team von RTL da und die standen da um ihn und dann hat er gesagt, na, jetzt muss ich das Lego da fertig bauen. Dann hat er sich hingesetzt, hat sein Lego fertig gebaut, die sind herumgestanden, drei Leute oder so und als er fertig war, hat er gesagt, ok, jetzt geht s. Oder sie wollten in seinem Bett drehen, weil dort hat er, ich wills nicht verraten, aber da hat er halt persönliche Dinge gehabt und ich habe mir schon gedacht, hoppla, jetzt muss ich irgendwie einschreiten, und da hat er gesagt, nein, im Bett nicht. Also der hat genau gewusst, was er will und was nicht. Oder dann wollten sie ihn filmen mit einem Foto von seinem Vater, da haben wir sofort gesagt, nein, weil das klar ist, das kann er dann nicht einschätzen, in welche Richtung dann sowas läuft, aber da hat er auch irgendwie ein unbehagliches Gefühl gehabt, und wir haben dann gesagt, nein. Im Fall von Jonas war es unspektakulär, das waren zwei Wochen, die ein bisschen busy waren, und dann war unser normales Leben wieder da, wir haben die Tür unten öffnen können, ohne dass wir uns vor dem Massenansturm fürchten mussten. Ich glaube fast, dass das wieder ein bisschen zu überzeichnet ist. Ich glaube nicht, dass sich jetzt Jonas Leben in irgendeiner Weise negativ verändert hat dadurch. Ich denke, er wirkt nicht wie ein unglückliches Kind. Wo man so gehört hat, ja, jetzt schreibt er ein Buch, am Anfang haben da noch ein paar gesagt, ja, jetzt mag ich auch ein Buch schreiben. Also ich, ich bin sehr oft bei Pferden, ich reite auch sehr gerne und sehr oft und ich würde gern ein Buch darüber schreiben, wie man mit Pferden umgeht, was Pferde alles für einen Menschen machen können. 10

11 O-TON-MITSCHÜLER VON JONAS KAUREK Ich würde halt über mein Vorbild schreiben, das ist ein eigentlich sehr berühmter Eishockey-Spieler in Amerika. Ich möchte das einfach nicht, ihn da mit reinziehen. Eigentlich könnte er das Gefühl haben, er wird angeklagt, jetzt gar nicht vom Jonas, öffentlich oder so irgendetwas, und ich denke, das hat er sich nicht verdient, ich habe natürlich schon sehr wohl auch gehört, naja, das wäre schon klar, wenn er jetzt mal abtauchen würde und sich erst in zwei Monaten melden würde, nein, also hat er wirklich mit dem, dass ers bekommen hat, hat er wirklich darauf reagiert und auch mit Jonas reagiert, also Hut ab. LEHRERIN VON JONAS KAUREK Für mich hat sich wie bei vielen natürlich dann die große Frage gestellt, kommt Papa jetzt oder nicht. Dann habe ich seine Mutter mal getroffen, habe die gefragt, dann merkte ich, ich glaube, ich bin die Hundermillionste, die fragt, und die haben gar keine Lust mehr auf diese Frage. Es hat funktioniert. Das heißt, ihr habt jetzt ein bisschen mehr Ja, wir haben jetzt ein bisschen mehr Konakt als vorher. MUSIK SCHULE EBREICHSDORF Amadeus 11