Nanotechnologie - Alltag und Risiken
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- Benjamin Stieber
- vor 7 Jahren
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1 12. Umwelt- und Mobilfunksymposium 2013 Nebenwirkungen inbegriffen in Mainz Nanotechnologie - Alltag und Risiken Vortrag von Rolf Buschmann, BUND Bundesverband
2 Nanomaterialien erobern unseren Alltag 12. Umwelt- und Mobilfunksymposium 11. Mai 2013, Mainz Dr. Rolf Buschmann Referent Technischer Umweltschutz BUND Bundesgeschäftstelle Berlin 1 Die ultimative Miniaturisierung Ein Nanometer ist ein Milliardstel eines Meters (10-9 ) Nanomaterialien messen einige Hundert Nanometer oder weniger Ein Nanopartikel verhält sich in der Größe zu einem Fußball wie der Fußball zur Erde 2
3 Was macht Nanomaterialien so besonders? Nanomaterialien haben relativ betrachtet eine wesentlich größere Oberfläche als derselbe Stoff in Makroform Damit einher gehen: Völlige Veränderungen der chemisch-physikalischen Eigenschaften (z.b. Farbe, Leitfähigkeit, Löslichkeit ) Größere chemische und biologische Reaktivität 3 Kleine Teilchen neue Eigenschaften Ein typisches Beispiel: Gold Gold in normaler Größe : 3 nm: - gelb/gold - rot/violett - inert - katalytisch - toxisch 4
4 Kleine Teilchen neue Eigenschaften Eigenheiten der Nanowelt: Kohlenstoff-Nanoröhrchen: - röhrenförmige Gebilde aus wabenförmig angeordneten Kohlenstoffatomen - extrem stabil, gleichzeitig leicht und sehr leitfähig Kohlenstoff-Nanokugeln: - fußballförmige Kohlenstoffmoleküle - können Wirkstoffe zielgenau transportieren 5 Was ist Nanotechnologie? Verschiedenste Technologien, um Materie in der Größenordnung einiger weniger Atome und Moleküle zu manipulieren top down : Stoffe in größerer Form werden stark verkleinert bottom up : aus Atomen oder Molekülen werden Strukturen in Nanogröße zusammengesetzt Verschiedene Generationen von Nanotechnologien Passiv (Nanomaterialien) seit ca Aktiv (adaptive Strukturen, z.b. Drug Delivery) seit ca Nanosysteme (z.b. Nanocars ) Zukunftsmusik 6
5 Plattformtechnologie Verschiedenste Anwendungsfelder: Materialwissenschaft Lebensmittel/ Landwirtschaft Textilien Kosmetika Informationstechnologie/ Elektronik Energieerzeugung /-speicherung / Wärmedämmung Wasseraufbereitung / Altlastensanierung Medizin Militär 7 Die BUND-Nanoproduktdatenbank listet mehr als 1000 Produkte, die auf dem deutschen Markt erhältlich sind 8
6 Kleine Teilchen Großes Geld Die Schüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts Alle wichtigen Großkonzerne forschen an Nanoprodukten Marktschätzung 2015: bis zu 3 Billionen $ Umsatz/Jahr (LUX-Research) 9 Lebensmittel Lebensmittelzusatzstoffe: Rieselhilfen (Siliziumdioxid) Verkapselungen von Wirkstoffen wie Vitaminen oder Konservierungsstoffen in Nanokapseln Nahrungsergänzungsmittel: Präparate mit nanoskaligen Metallen, Mineralien Agro-Chemikalien: Wirksamere Pestizide 10
7 Lebensmittelverpackungen Funktionen: Barriere-Eigenschaften (Nano-Titandioxid, Nano-Siliziumdioxid) antibakterielle Eigenschaften (Nanosilber, Nano-Zinkoxid) aktive Verpackungen, Nano-Sensorik Schätzung: derzeit Anwendungen in Lebensmitteln, in Verpackungen (10 % Marktanteil) Prognose: innerhalb dieses Jahrzehnts werden 25% aller Verpackungen mit Nanomaterialien ausgestattet 11 Küchen-/Haushaltsartikel Wirkung und Einsatzbereiche: antibakterielle Wirkung: Schneidebretter, Frischhalteboxen, Kühlschränke, Waschmaschinen (Nanosilber) verbesserte Antihaftbeschichtung: Pfannen Versiegelung der Oberfläche: Reinigungsmittel selbstreinigende Oberflächen (Lotuseffekt) 12
8 Nanomaterialien in Kosmetika Einsatzgebiete: UV-Filter in Sonnenschutzmitteln (Nano- Titandioxid und Nano-Zinkoxid) Antibakterieller Wirkstoff in Zahnpasta, Shampoos und Seifen (Silber) Nano-Kapseln für den zielgerichteteren Einsatz der eingeschlossenen Wirkstoffe in Hautcremes in Anti-Aging-Produkten (Kohlenstoff- Nanokugeln als Radikalfänger ) 13 Nanomaterialien in Textilien Einsatz vor allem in Sport- und Wanderbekleidung: Nanosilber wg. geruchshemmender, antibakterieller Wirkung Nano-Titandioxid, Nano-Zinkoxid als Sonnenschutzausrüstung Nanoskalige Keramik-, Diamant-, Silber-, Glas- Partikel als schmutz-/ wasserabweisende Beschichtung Nano-Imprägniersprays für Schuhe und Kleidung 14
9 Umwelttechnologien Verstärkung von Rotorblättern durch Kohlenstoff- Nanoröhrchen Abwasserreinigung mit nanoporigen Filtern Nanomaterialien in Dünnschicht-Solarpaneelen Selbstreinigende Oberflächen z.b. mit Nano-Titandioxid angereicherte Farben Steigerung der Speicherkapazität und Lebensdauer von Batterien 15 Medizin Medikamente: Zielgerichteter Transport durch Nano- Verkapselung Krankenhaus-Hygiene durch Silberbeschichtung Neue Therapien, z.b. Krebstherapie mit Nano-Eisenoxid Verbesserte Implantate 16
10 Kleine Teilchen großes Risiko? Nanomaterialien Haben oft deutlich andere Eigenschaften, als sie von größeren Teilchen der gleichen chemischen Zusammensetzung bekannt sind Sind tendenziell reaktiver und toxischer als größere Teilchen des gleichen Stoffes Werden leichter vom Körper aufgenommen Können z.t. natürliche Schutzbarrieren, wie die Blut-Hirn- Schranke, die Plazentaschranke überwinden und in den Zellkern eindringen 17 Aufnahmewege in den Körper Orale Aufnahme (z.b. Lebensmittel, Zahnpasta) Inhalative Aufnahme (z.b. Sprays; für Arbeiter der kritischste Aufnahmepfad) Dermale Aufnahme (Nano-Kosmetik): vermutlich keine Aufnahme über gesunde Haut (Ausnahme: Kohlenstoff- Nanokugeln), mögliches Risiko bei geschädigter Haut Embryonale Übertragung (Im Tierversuch wurde Nano- Titandioxid von schwangeren Mäusen auf ihren Nachwuchs übertragen) Über Belastungswege und -mengen ist bisher wenig bekannt 18
11 Auswirkungen auf die Gesundheit Geringe Kenntnisse, aber Warnhinweise: Nano-Titandioxid: DNS-Schäden in Zellkulturen, löste nach Einatmen hoher Dosen im Tierversuch Lungenkrebs aus (WHO: möglicherweise krebserregend für Menschen ) Nano-Zinkoxid: In Fütterungsversuchen Organschäden bei Versuchstieren Nano-Siliziumdioxid: Störung von Funktionen des Zellkerns (in vitro) 19 Auswirkungen auf die Gesundheit Nano-Silber: Zellschäden (in vitro); Gefahr der Resistenzbildung durch übermäßigen Gebrauch Kohlenstoff-Nanokugeln: werden sehr leicht vom Körper aufgenommen, toxisch für menschliche Leberzellen, Schädigung des Gehirns von Fischen im Tierversuch bestimmte Typen von Kohlenstoff-Nanoröhrchen: Hinweise auf asbestähnliche Wirkung bei Inhalation Nano-Kapseln: erhöhen die Bioverfügbarkeit von Inhaltsstoffen, Gefahr der Überdosierung Freie also nicht in der Matrix eines Produkts fest gebundene Nanopartikel, Kohlenstoff-Nanokugeln und Kohlenstoff-Nanoröhrchen gelten als besonders bedenklich 20
12 Belastung der Umwelt Eintrag in die Umwelt durch: Unbeabsichtigter Abrieb bei Benutzung Freisetzung ins Abwasser (z.b. Nanosilber aus Kosmetik, Waschmaschinen, Textilien) Freisetzung aus Abfall (Mülldeponien, Verbrennungsanlagen) Direkte Ausbringung in die Umwelt (z.b. Agro- Chemikalien) 21 Auswirkungen auf die Umwelt Noch wenig Kenntnisse, aber Warnsignale: Schäden an Wasserflöhen und Algen durch verschiedene Nanomaterialien Entwicklungstörungen/ Missbildungen bei Zebrafisch-Embryonen Anreicherung von Nanopartikeln in Zellen und Geweben und in Wasserorganismen Anreicherung in der Nahrungskette noch unklar Antibakterielle Nanomaterialien können ganze Ökosysteme aus dem Gleichgewicht bringen (z. B. Stickstoffhaushalt) 22
13 Potenzielle Chancen Miniaturisierung: weniger Ressourcenverbrauch Werkstoffe: Substitution gefährlicher Stoffe, leichtere und dennoch stabile Materialien Selbstreinigende Oberflächen: weniger Reinigungsmittel Umwelttechnologien: z.b. verbesserte Wasseraufbereitung, Effizienzgewinne im Energiebereich Medizin: neue Trägersysteme für medizinische Wirkstoffe: gezieltere Anwendung, weniger Nebenwirkungen 23 Aber: Realitätscheck nötig! Realisierbarkeit? Lebenszyklus-Analysen fehlen fast völlig: - Ökologischer Fußabdruck der Herstellung u. U. sehr groß - Exposition während des Gebrauchs? - Eintrag in die Umwelt? - Abfallproblem Substitution gefährlicher Stoffe durch andere problematische Materialien? Werden Ressourcen wirklich eingespart? Negative Begleiterscheinungen? 24
14 Ethische und soziale Aspekte Wer profitiert davon? Machtkonzentration der Konzerne Ethische Fragen der Nanomedizin ( Human Enhancement ) Datenschutz (Nano-Sensorik) Militärische Anwendungen 25 Gesamtsituation: Kleine Teilchen gefährliche Ignoranz Keine standardisierten Testverfahren Keine einheitliche Definition Viel zu geringe Mittel für die Risikoforschung (Deutschland: < 4 %) Geringe Kenntnisse zu Gesundheitswirkungen vieler Materialien Fast keine Daten zu Umweltwirkungen Diskussion fokussiert einseitig auf Partikel Realisierbarkeit der Chancen unklar 26
15 UK Royal Society 2004: Vollständige Sicherheitsbewertung vor Vermarktung Kennzeichnung Vermeidung des Eintrags in die Umwelt Vorsorgliche Behandlung als Gefahrstoffe Rechtslage 2012: Arbeiten an Selbstverpflichtungsprogrammen der Industrie aber Verbraucher haben keine Wahlmöglichkeit Noch keinerlei nano-spezifische Regulierung weltweit in Kraft Nach wie vor: Regulierung hinkt Vermarktung hinterher Aber: Es tut sich etwas 27 Nano-Gesetzgebung Auf EU-Ebene ist Bewegung in die Sache gekommen: Kosmetikverordnung (ab 07/2013): Kennzeichnungspflicht Verpflichtende Sicherheitstests für bestimmte Nanomaterialien Lebensmittelinformations-Verordnung (ab 12/2014): Kennzeichnungspflicht für Nano-Zusätze 28
16 Forderungen des BUND Ausreichende und verpflichtende Sicherheitsbewertung vor Vermarktung Entwicklung von geeigneten Testverfahren Ausreichende Forschungsgelder Nano-spezifische Regulierung bzw. Anpassung bestehender Regulierungen (chemikalienrechtliche Behandlung als Neustoffe) Kennzeichnung von Verbraucherprodukten Öffentliches Register der auf dem Markt befindlichen Nanomaterialien und -produkte Keine Nanopartikel in umweltoffenen und verbrauchernahen Anwendungen 29 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! 30
17 Veröffentlichungen des BUND 31
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