Workshop 6 Praktische Umsetzung der Sprachbegleitung am Beispiel NuT

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1 Workshop 6 Praktische Umsetzung der Sprachbegleitung am Beispiel NuT Referentin: Birgit Hartung (Dante-Gymnasium München; seit Lehrstuhl für Didaktik des Deutschen und der Literatur sowie des Deutschen als Zweitsprache an der LMU München) Inhalt: Auf der Grundlage eines Unterrichtsmitschnitts aus der Sprachbegleitung werden verschiedene Methoden vorgestellt, mit denen Sprachförderung im naturwissenschaftlichen Unterricht im Sinne eines sprachsensiblen Fachunterrichts integriert werden kann. Je nach Interesse der Teilnehmer(innen) könnten weitere bewährte Beispiele aus dem Biologie-, Chemie- und Geographie-Unterricht sprachheterogener Klassen diskutiert werden. Hinführung zum Thema Auf Basis einer Folie (s. Abb. 1), die die Darstellungsebenen und Sprachen am Beispiel des Unterrichtsthemas Experimentelle Ermittlung der Dichte eines Hühnereies darlegt, wurde zunächst auf die Sprachenvielfalt im naturwissenschaftlichen Unterricht eingegangen. Es wurde darauf hingewiesen, dass in einem sprachsensiblen naturwissenschaftlichen Unterricht der Ebene der Verbalsprache eine deutlich größere Bedeutung zukommen muss als bislang. Die Verbalsprache ist ein wichtiges Instrument zur Durchdringung der Inhalte, besonders auf der mathematischen und symbolischen Ebene. In Anlehnung an J. Leisen erfolgt die Unterteilung der Sprachen in Alltagssprache, Unterrichtssprache und Fachsprache. Am vorliegenden Beispiel wurde dargelegt, wie mögliche Schüler(innen)äußerungen bei der Frage nach dem nächsten Arbeitsschritt aussehen könnten. Alltagssprache: Wir gucken, wie hoch das Wasser steigt. Unterrichtssprache: Man liest den Wasserstand ab. Fachsprache: Das Volumen wird ermittelt. Dabei stellt die Unterrichtssprache ein wichtiges Vehikel zwischen Alltagssprache und Fachsprache dar. 1

2 Abbildung 1: Darstellungsebenen und Sprachen am Beispiel des Unterrichtsthemas Experimentelle Ermittlung der Dichte eines Hühnereies (in Anlehnung an J. Leisen) mathematische Ebene ƍ= ƍ= mathematische Sprache 𝒎 𝑽 𝒎 𝑽 symbolische Ebene ΔV sprachliche Ebene Symbolsprache Verbalsprache: - Fachsprache -Unterrichtssprache - Alltagssprache bildliche Ebene Bildsprache gegenständliche Ebene nonverbale Sprache Im Anschluss an diese kurze Einführung wurden schrittweise Abschnitte aus der UnterrichtsMitschau* Fossilien- Zeugen der Vergangenheit Sprachbegleitung im naturwissenschaftlichen Unterricht (Ein Beispiel für die sprachsensible Förderung im naturwissenschaftlichen Unterricht der 5. Jahrgangsstufe am Dante-Gymnasium München) gezeigt und deren Inhalte mit den Teilnehmer(innen) diskutiert. Folgende Abschnitte wurden betrachtet: Hinführung zum Thema (7 min) Theoretische Einführung in die Arbeitstechniken (5 min) Praktische Einführung in die Arbeitstechniken (7 min) Verinnerlichung der Versuchsabläufe (6 min) Durchführung der Experimente individuelles Arbeiten (4 min) Kreative Textentwicklung (8 min) und Textpräsentation mit Selbst- und Fremdevaluation (11 min) 2

3 *Diese UnterrichtMitschau liegt der ISB Handreichung Gymnasium/Realschule; MitSprache fördern (Teil 2) (2013/2014) München; Brigg; Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung München bei oder ist zu beziehen über die Ludwig- Maximilians-Universität München; Unterrichtsmitschau und didaktische Forschung; Martiusstr. 4 in München (Tel. 089/ ). Im Anschluss werden hier nur exemplarisch Ausschnitte aus der Unterrichtsmitschau angesprochen, die die Einfachheit einer konkreten Umsetzung eines sprachbewussten Fachunterrichts im Schulalltag zeigen. Damit soll interessierten Lehrerinnen und Lehrern der Einstieg in einen sprachsensiblen Fachunterricht erleichtert werden. Differenzierung zwischen Alltags- und Unterrichtssprache Filmauszug 1 zeigt exemplarisch, wie während eines Unterrichtsgesprächs differenziert werden kann zwischen Alltags- und Fachsprache. Es geht hier um die Frage, was mit Lebewesen nach deren Tod geschieht. Zunächst wies ein Schüler daraufhin, dass er das Wort nicht kenne, nach einer Zeitverzögerung nennt er vergammeln. Der Beitrag ist inhaltlich gut, aber nicht fachsprachenangemessen, also werden die Schülerinnen und Schüler darauf hingewiesen, dass vergammeln aus dem Beriech der Alltagssprache stammt und aufgefordert, weiter zu suchen. Dann wurde das Verb verrotten vorgetragen. Die Lehrkraft weist auf die Richtigkeit der Antwort hin, verweist jedoch darauf, dass man diesen Begriff meist im Zusammenhang mit Pflanzen, bspw. bei den Prozessen auf dem Kompost, nutzt. Danach kam der Beitrag zersetzen, der durch verwesen ergänzt wurde, die in diesem Zusammenhang erwartet wurden. Konkrete Hilfen zur schriftlichen Formulierung der Versuchsdurchführung Filmausschnitt 1 zeigt weiterhin eine Methode auf, wie in der Unterrichtspraxis mögliche Satzanfänge für Vorgangsbeschreibungen vorab besprochen werden können. Hier geht es um eine Wiederholung bereits erarbeiteter Inhalte (s. Abb. 2). Abbildung 2: Beschreibung von Vorgängen in den Naturwissenschaften Textanfänge und Satzverbindungen Textanfänge: Zu Beginn, am Anfang, zuerst, als Erstes, zunächst Satzverbindungen: im Text: danach, anschließend, dann, im Anschluss daran, daraufhin, damit, um zu, so dass, und, sowie, bevor, nachdem, während am Ende des Textes: zum Schluss, abschließend, am Ende, zuletzt 3

4 Zwei konkrete Stellen aus dem Filmausschnitt wurden diskutiert, erstens die Anwendung des Wortes zunächst während eines Textes und zweitens der Unterschied zwischen anschließend und abschließend, der im Mitschnitt ausführlich mit den Lernenden besprochen wird. Stolperstein: Bedeutung vielfach verwendeter Begriffe In der Unterrichtspraxis geht man als Lehrkraft meist davon aus, dass den Schülerinnen und Schülern die Bedeutung bestimmter, scheinbar einfacher Begriffe selbstverständlich ist. In Filmausschnitt 2 wird an dem Wort je diese Annahme widerlegt. Die Lehrkraft fragt nach Verlesen der Aufgabenstellung (Fertige nun nach deiner Bilderfolge (s. Abb. 3) selbst je einen Abdruck und einen Steinkern einer beliebigen Muschel an.) durch die Schüler(innen) nach der konkreten Bedeutung des Wortes je, das vorab in einem Kurzmodul Aufgabenstellungen im Geometrieunterricht verstehen mutmaßlich bereits geklärt wurde. In dieser Unterrichtsphase sollte sichergestellt werden, dass allen Kindern klar ist, dass sie zwei Versuche (je einen Steinkern und einen Abdruck) durchführen, aber nur einen Text verfassen sollen. Schüler(innen)äußerungen: je bedeutet, dass jeder einen Sternkern und einen Abdruck machen muss; je bedeutet, dass jeder selber einen Sternkern und und einen Abdruck machen muss. Erst im dritten Beitrag wird erklärt, dass zwei Experimente durchgeführt werden sollen. Konkrete Unterrichtsmaterialien für einen sprachbewussten Fachunterricht Filmausschnitt 3 zeigt mögliche sprachliche Hilfen zur individuellen Förderung, die für die Schüler(innen) am Pult bereit liegen. Gezeigt wird der Einsatz von Bildern zur Verinnerlichung der Versuchsabläufe (s. Abb. 3). 4

5 Abbildung 3 In diesem Zusammenhang wurde auf eine mögliche Bedeutung der Bildsprache, die auf einem niedrigen Abstraktionsniveau liegt (s. Abb. 1), verwiesen, um das Verständnis von Inhalten auf einem höheren Abstraktionsniveau zu durchdringen. Sprachliche Hilfen erfolgten über eine (Fach-)Wortliste sowie eine Verbenliste, wie aus der Aufgabenstellung (Abb. 4) hervorgeht. Abbildung 4 Deutschaufgabe: Beschreibe die Anfertigung eines Muschelabdruckes oder eines Steinkerns einer Muschel in einem zusammenhängenden Text. Schreibe in der man-form und in der Gegenwart. Achte auf die richtige Reihenfolge und nutze verschiedene Satzanfänge! Tipps: Du kannst dir Hilfe am Pult holen, wenn du die Namen der Materialien nicht mehr kennst oder Ideen für abwechslungsreiche Verben benötigst 5

6 Hilfekärtchen Materialienliste zur Anfertigung eines Muschelabdruckes und eines Muschelsteinkerns der Spachtel der Gips das Wasser die Muschelschale der Pinsel der Glasstab das Becherglas die Knete die Vaseline Verbenliste: zur Anfertigung eines Muschelabdruckes und eines Muschelsteinkerns (um-)rühren - einfüllen glatt streichen - hinzugeben hineindrücken - bestreichen anrühren - hinzugeben (hinein-)schütten - auffüllen Stolperstein: Komposita Am Beispiel des Begriffes Becherglas veranschaulicht Filmausschnitt 3 ganz konkret, wie Sprache im Fachunterricht thematisiert werden kann. Das grammatische Geschlecht des Wortes Becherglas wurde vom Schüler selbst abgeleitet, weil die Lehrkraft den Hinweis der Becher - das Glas anbot. Der Schüler leitet das Becherglas daraus eigenständig ab. Die entsprechende Regel (s. Abb. 5) wurde im Deutschunterricht bereits behandelt und in der Sprachbegleitung wiederholt. Abbildung 5 Im Deutschen lassen sich zwei oder mehr Nomen zu Komposita verknüpfen. Das Bestimmungswort steht links und erklärt das Grundwort rechts genauer: Beispiel: Metermaß Bestimmungswort der Meter das Metermaß Grundwort das Maß Merke: Das Grundwort bestimmt den Begleiter (das grammatische Geschlecht)! 6

7 Dies sind Unterstützungen, die Schüler(innen) zum eigenen Nachdenken über Sprache anregt. Quellen: Leisen, Josef (2013). Handbuch Sprachförderung im Fach. Sprachsensibler Fachunterricht in der Praxis. Stuttgart: Klett Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung München: ISB Handreichung Gymnasium/Realschule; MitSprache fördern (Teil 2) (2013/2014) München; Brigg Ich bedanke mich bei allen Workshop-Teilnehmerinnen und Teilnehmern für den regen Austausch. OStR Birgit Hartung Landeskoordinatorin für das Projekt der Sprachbegleitung beim Ministerialbeauftragten für die Gymnasien in Mittelfranken Kontakt: 7