Fastenpredigt am 16. März in der Basilika Rankweil Kaplan Mag. Rainer Büchel, Götzis und Altach
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- Jonas Bruhn
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1 Fastenpredigt am 16. März in der Basilika Rankweil Kaplan Mag. Rainer Büchel, Götzis und Altach Liebe Schwestern, liebe Brüder! Das übergeordnete Thema für die Fastenpredigten in der Basilika Rankweil lautet: Wunden heilen. Und dabei gibt es ganz verschiedene Arten von Wunden und entsprechende Formen von Heilung. Da gibt es seelische Wunden und körperliche. Es gibt die Wunde, die nicht aufhört zu bluten und jene, die man von außen gar nicht sieht. Es gibt die Wunde, die den ganzen Körper befällt wie wir es beim Schmerzensmann hier in Rankweil sehen und es gibt die Wunden, die zu wuchern beginnen. Es gibt aber auch eine ganz andere Art von Verwundung, es gibt auch so etwas wie eine soziale Wunde. Lampedusa und die damit in Verbindung gebrachten Flüchtlingsdramen wurden in einem Zeitungsartikel als die Wunde Europas bezeichnet. Ich denke, die Situation in der Ukraine und früher jene am Balkan sind ebenso Wunden Europas. Wo es Krieg und Gewalt, Ungerechtigkeit und Ausgrenzung gibt, könnte man von einer sozialen Wunde sprechen. Im Kleinen sind es die Konflikte in der Familie, der Erbstreit. Bei der Arbeit ist es das Mobbing, in der Politik ist es die Bereicherung und die Korruption und auf der Ebene der Länder ist es der Krieg. Von sozialen Wunden spricht auch das Evangelium. Zachäus wird von den Leuten geächtet: Er ist ein Sünder sagen sie. Die Menschenmenge versperrt dem Zachäus die Sicht. Er dürfte auch im alltäglichen Leben ausgegrenzt worden sein. Schließlich kommt es zur Heilung dieser sozialen Wunde. Zachäus sagt: Wenn ich von jemandem zuviel gefordert habe, gebe ich das vierfache zurück Was ist die Ursache von sozialen Wunden? Ich denke, die Antwort steckt in einer kleinen Bemerkung, da heißt es von Zachäus: Er war klein.
2 Wir Menschen möchten doch viel lieber groß sein als klein, lieber reich als arm, lieber schön als hässlich. Klein sein könnte mehr bedeuten als nur die Körpergröße. Es könnte bedeuten, dass Zachäus in seiner Kindheit von de anderen ausgelacht wurde. Es könnte bedeuten, dass er sich minderwertig gefühlt hat. Und eine solche Minderwertigkeit führt nicht selten zum Größenwahn. Der kleine Zachäus wird zum obersten Zollpächter in Jericho. Bei den Diktatoren und Despoten in der Vergangenheit und Gegenwart beobachten wir, dass sie ganz oft kleine Männer waren. Julius Cäsar und Napoleon, Hitler und Stalin, usw. Die Psychologie hat den Zusammenhang von Kleinheit, Minderwertigkeit und Größenwahn schon früh entdeckt. Zahlreiche Kunstwerke sprechen davon. Viele Dramen der Weltliteratur verwenden dieses Motiv. So zum Beispiel Schillers Die Räuber. Da sind zwei Brüder, Karl und Franz. Der eine schön und groß, der andere hässlich und von der Natur benachteiligt. So sagt Franz in seinem berühmten Monolog: Ich habe große Rechte, über die Natur ungehalten zu sein. Warum bin ich nicht als Erster aus dem Mutterleib gekrochen? Warum nicht der einzige? Warum diese Nase? Ich glaube, sie hat aus allen Menschensorten das Scheußliche auf einen Haufen geworfen und mich daraus gebacken. Warum ging sie so parteilich zu Werke? (1) Und aus dem benachteiligten Franz wird ein Räuber und beinahe ein Mörder. Von der Minderwertigkeit zum Größenwahn. Auf eine besonders einfallsreiche Weise hat Eric-Emanuel Schmitt mit dem Titel Adolf H. Zwei Leben (2) 2001 einen Roman herausgebracht. Dabei wird die Frage gestellt, was wäre aus Hitler geworden, wenn er in seiner Kindheit und Jugend die Enttäuschungen nicht erlebt hätte. Was wäre aus Hitler geworden, wenn ihn die Kunstakademie in Wien 1908 aufgenommen hätte? Der Roman beginnt am 8. Oktober An diesem Tag bittet Adolf H um Aufnahme bei der Kunstakademie in Wien. Das erlösende Wort lautet Aufnahme bestanden. Adolf entwickelt sich, bei der Aktmalerei entdeckt er, dass sein
3 Verhältnis zu den Frauen schwierig ist. Er geht zu Sigmund Freud zur Psychotherapie und da wird die Kindheit aufgearbeitet. Schließlich wird Adolf ein erfolgreicher Maler und kann in der Kunstwelt reüssieren. Niemals denkt er, Politiker zu werden und das zwanzigste Jahrhundert hätte einen anderen Verlauf genommen so das Fazit des Romans. Aus Minderwertigkeit, aus Kleinheit wird Größenwahn. Aus dem abgewiesenen Kunststudenten wird ein Diktator. Aus dem kleinen Zachäus wird der oberste Zollpächter. Anders als in der Weltliteratur und anders als in der Geschichte des 20. Jahrhunderts hat sich Zachäus einen Rest an Sehnsucht erhalten, er interessiert sich für das Geschehen in der Welt, er kennt Jesus und er möchte Jesus sehen, als dieser in seine Heimatstadt Jericho kommt. Von der Menschenmenge lässt er sich nicht beeindrucken, er steigt einfach auf einen Baum. Jesus sieht ihn und es beginnt für Zachäus eine seelische Heilung. Jesus gibt dem Zachäus ein Ansehen, er nimmt ihn wie er ist. Er gibt ihm das Gefühl, angenommen zu sein. Jesus schaut weder auf die Kleinheit, Minderwertigkeit noch auf das große Vermögen des obersten Zollpächters. Auf einer urmenschlichen Ebene begegnet ihm Jesus und Zachäus berührt und so geschieht Heilung. Heute ist diesem Haus das heil geschenkt worden so lautet das Schlusswort. Heute das ist der 16. März 2014, Sonntag. Was damals geschah, kann immer wieder geschehen, auch heute.
4 Den Zachäus von damals gibt es so denke ich auch heute. Ein Zachäus steckt in jedem von uns. Eric-Emanuel Schmitt sagt in seinem Roman, dass in jedem von uns ein Künstler ebenso steckt wie ein Diktator. Heute muss ich bei dir zu Gast sein sagt Jesus. Auch in mir ist dieser Zachäus, auch in mir ist die Minderwertigkeit, auch in mir ist der Größenwahn. Heute ist diesem Haus das Heil geschenkt worden denn auch dieser ist ein Sohn Abrahams Es geht darum, wie Jesus in der Welt unterwegs zu sein, um jene hereinzuholen, die am Rand stehen. Papst Franziskus sagte zu den Bischöfen: Avanti, geht an die Ränder eurer Diözesen, geht an die Ränder menschlicher Existenz. Als Christen haben wir den Auftrag und die Vollmacht selber ein Christus in unserer heutigen Welt zu sein. Ich denke, es gibt in jeder Familie Menschen, die am Rand stehen, ebenso am Arbeitsplatz, in der Schule, in der Pfarre. Avanti - Geht zu den Menschen am Rand, begegnet ihnen wie Jesus den Menschen begegnet ist. So kann Heilung geschehen und die soziale Wunde hört auf zu bluten. So kann verhindert werden, dass eine soziale Wunde zu wuchern beginnt. (1) Friedrich Schiller, 1. Akt, 1. Szene, (2)
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