Meeresschutz und Schutz der Binnengewässer
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- Elvira Schwarz
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1 Ulrich Irmer, Stefanie Werner, Ulrich Claussen, Wera Leujak, Petra Ringeltaube und Jens Arle Meeresschutz und Schutz der Binnengewässer Gemeinsamkeiten und Unterschiede Die deutsche Wasserwirtschaftsverwaltung hat in den letzten 10 Jahren einen Systemwechsel vollzogen. Während bis dahin vorrangig die chemischen Belastungen der Gewässer im Vor der grund standen, erfolgt die Bewirtschaftung nun nach einem holistischen Ansatz, das heißt sie bezieht das gesamte Einzugsgebiet ein und betrachtet neben der Chemie alle Belastungen durch menschliche Nutzungen, insbesondere die Gewässerstruktur und die Öko logie der Gewässer. Diese Neuaus richtung durch die EG-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) kam aus Brüssel und setzt sich mit der EG-Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (MSRL) fort. Die MSRL erfordert eine kumulative Bewertung der landseitigen Belastungen, darüber hinaus aber auch die auf See stattfindenden Auswirkungen menschlicher Aktivitäten, wie Bestandsgefährdung, Beifang und Habitatschädigung durch die Fischerei, oder Verlärmung der Meere, beispielsweise durch die Schifffahrt oder Rammungen und Betrieb von Offshore-Windenergieanlagen. Nachfolgend werden der Stand der Umsetzung beider Richtlinien skizziert und Gemeinsamkeiten sowie Unterschiede diskutiert. 1 Regelungen der EG-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) Die am 22. Dezember 2000 in Kraft getretene EG-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) [2] verpflichtet die Mitgliedstaaten (MS) der Europäischen Gemeinschaft, bis zum Jahr 2015 einen Guten Zustand der Binnen- und Küstengewässer sowie des Grundwassers zu erreichen. Die Richtlinie konkretisiert die entsprechenden Anforderungen sowie die notwendigen fachlichen und organisatorischen Schritte. Der mehrstufige Umsetzungsprozess umfasst: die Charakterisierung und Typisierung der Gewässer, die Bestandsaufnahme der Belastungen, die Überprüfung der erhobenen Ergebnisse durch Messungen (Monitoringprogramme), die Einstufung der Gewässer in Zustandsklassen sowie das Planen und die Durchführung von Maßnahmen, um die Belastungen auf die Gewässer so weit zu verringern, dass der Gute Zustand erreicht wird. In Deutschland erfolgte die Unterteilung der Gewässer in 10 Flussgebietseinheiten und rund Wasserkörper (WK). Die Gewässertypen, die von der Richtlinie erfasst werden, sind: Fließgewässer ab einem Einzugsgebiet von 10 km2, Seen ab einer Größe von 0,5 km2, Übergangsgewässer und Küstengewässer bis 1 Seemeile jenseits der Basislinie (bzw. 12 Seemeilen für die Erfassung und Bewertung chemischer Qualitätskomponenten). Im Rahmen der Gewässertypisierung wurde eine Einteilung nach geologischen, geographischen und hydrologischen Eigenschaften vorgenommen und typenspezifische Referenzbedingungen festgelegt. Inzwischen haben Deutschland und die anderen MS der EU die entscheidenden Schritte zur Umsetzung der WRRL gemacht berichtete Deutschland die Ergebnisse der erstmaligen Einschätzung des Zustandes der Oberflächengewässer und des Grundwassers durch die Bundesländer nach Artikel 5 WRRL an die EU-Kommission. Diese Bestandsaufnahme der Belastungen der Gewässer ergab: Für 60 % der Oberflächengewässer- und 53 % der Grundwasserkörper sind weitere Maßnahmen erforderlich, um den angestrebten Guten Zustand zu erreichen (Bild 1). Die wichtigsten Ursachen für die Abweichungen vom gewünschten Zustand sind für die Flüsse zu hohe Nähr- und Schadstoffbelastungen sowie Veränderungen der Gewässermorphologie und eine eingeschränkte Längsdurchgängigkeit. Für Seen, Küstengewässer und das Grundwasser sind Nährstoffbelastungen hauptverantwortlich für das Verfehlen des Guten Zustands. Im Jahr 2006 folgte, basierend auf dem Ergebnis der Bestandsaufnahme der Belastungen, die Aufstellung der Programme zur Überwachung des Zustands der Gewässer nach Artikel 8 WRRL in Verbindung mit Anhang V der Richtlinie. Die WRRL unterscheidet bei Oberflächengewässern zwischen einem ökologischen und einem chemischen Zustand. Der Gesamtstatus der Oberflächengewässer bestimmt sich aus dem jeweils schlechteren Wert beider Zustände, d. h. der Gute Zustand ist dann gegeben, wenn der ökologische Zustand und der chemische Zustand mindestens gut sind. Die regelmäßig durchzuführenden Überwachungsprogramme dienen der Überprüfung des chemischen und ökologischen Zustands, damit ein zusammenhängender und um- WASSERWIRTSCHAFT
2 lich eines Maßnahmenprogramms (Artikel 11 WRRL), um die Ziele der WRRL zu erreichen. Damit startet der erste Bewirtschaftungszyklus 2009 bis Bis 2015 wird der gute Gewässerzustand wie in den anderen europäischen MS auch nur in einem Teil der in den Flussgebieten liegenden WK erreicht werden können, weitere zwei Bewirtschaftungszyklen von jeweils sechs Jahren sind daher in der Planung vorgesehen. Es zeigt sich einmal mehr, dass es Zeit braucht, um anspruchsvolle ökologische Verbesserungen zu realisieren. Die Einbindung der Öffentlichkeit spielt bei der Umsetzung der WRRL eine wichtige Rolle. Artikel 14 WRRL unterscheidet zwischen Information, Anhörung und aktiver Beteiligung. Die MS sind verpflichtet, eine aktive Beteiligung der Öffentlichkeit und aller interessierten Stellen an der Umsetzung der WRRL zu fördern. Das betrifft nicht nur die explizit geregelte Anhörung zum Bewirtschaftungsplan, sondern eine Einbindung bei allen Umsetzungsschritten der neuen Regelungen. Die Richtlinie regelt verbindlich die dreistufige Anhörung der Öffentlichkeit bei der Erarbeitung der Bewirtschaftungspläne für die Flussgebietseinheiten, wie nachfolgend dargestellt: Ende 2006 musste die Öffentlichkeit über den Zeitplan und das Arbeitsprogramm sowie die vorgesehenen Anhörungen zum Bewirtschaftungsplan informiert werden. Ende 2007 erfolgte eine Information über die wichtigsten Wasserbewirtschaftungsfragen im betreffenden Flusseinzugsgebiet. Ende 2008 erfolgte eine Bekanntmachung der Entwürfe der Bewirtschaftungspläne zur Information der Öffentlichkeit. Die von den Flussgebietsgemeinschaften vereinbarten Schwerpunkte der Bewirtschaftung sind Resultat der festgestellten Belastungssituation und der daraus resultierenden Ausrichtung der Gewässerüberwachung. Sie betreffen vor allem eine Reduzierung von Nährstoffeinträgen und die Verbesserungen der hydromorphologischen Bedingungen. Dies entspricht auch den Ergebnissen der Bestandsaufnahme. Bild 1: Ergebnisse der Bestandsaufnahme 2004 und wichtigste Belastungen für Oberflächengewässer und Grundwasser in Deutschland; die Kategorie Oberflächengewässer fasst Flüsse, Seen und Übergangs- sowie Küstengewässer zusammen fassender Überblick über den aktuellen Zustand der Gewässer in jeder Flussgebietseinheit gegeben werden kann. In Deutschland haben die Bundesländer die Überwachungsprogramme erstmalig Ende 2006 aufgestellt, so dass Deutschland der Kommission Art und Umfang der Monitoringprogramme zum 22.März 2007 berichten konnte. Dazu wurden der EU-Kommission nicht nur die schriftlichen Berichte über die Monitoringprogramme, sondern auch die Daten zu Art, Anzahl und Lage der Messstellen ( für die 10 Flussgebietseinheiten Eider, Elbe, Ems, Donau, Maas, Oder, Rhein, Schlei-Trave, Warnow-Peene, Weser und zu den Bearbeitungsgebieten Alpenrhein-Bodensee sowie Mosel/Saar zur Verfügung gestellt. Neuere Erkenntnisse durch Monitoring und verbesserte Bewertungsverfahren haben die seinerzeitigen Befunde im Wesentlichen bestätigt. Die MS waren verpflichtet, bis 2009 einen Bewirtschaftungsplan für jede Flussgebietseinheit aufzustellen (Artikel 13 WRRL), einschließ- 2 Regelungen der EG-Meeresstrategie- Rahmenrichtlinie (MSRL) Die am 15. Juli 2008 in Kraft getretene EG- Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (MSRL) [3] bildet die Umweltsäule der europäischen Meeresstrategie, mit deren Hilfe der maritime Sektor nachhaltig gestärkt und ausgebaut werden soll. Ihr Ziel ist es, die europäischen Meeresgebiete bis 2020 in einen Guten Umweltzustand zu versetzen oder diesen, wo vorhanden, zu erhalten. Dies soll auf der Grundlage des Ökosystemansatzes geschehen, d. h. alle wesentlichen Elemente der Meeresökosysteme sind ganzheitlich und in ihren Wechselwirkungen zu bewerten und zu schützen. Damit kommt erstmals eine holistische Betrachtungsweise zur Anwendung, die auch kumulative Effekte menschlicher Belastungen auf die Meere erfasst. 2.1 Zeitrahmen zur Umsetzung der MSRL Analog zur WRRL soll das Ziel des Guten Umweltzustands der MSRL über eine Reihe zeitlich festgelegter Schritte erfolgen, die u. a.: eine Anfangsbewertung, die Festlegung von Umweltzielen, 2 WASSERWIRTSCHAFT
3 die Erstellung und Durchführung von Überwachungsprogrammen sowie die Umsetzung von Maßnahmenprogrammen beinhalten. Bild 2 macht die Umsetzungsschritte der MSRL mit den zugehörigen Fristen deutlich. Nach Artikel 19 der MSRL hat die Öffentlichkeit die Möglichkeit, zur Anfangsbewertung, der Festlegung der Umweltziele und der Überwachungs- und Maßnahmenprogramme Stellung zu nehmen. 2.2 Bewertungsphilosophie Die Erfassung und Bewertung des gegenwärtigen Meereszustandes, in dem sich die einzelnen Meeresregionen befinden, und die Beschreibung sowie Festlegung des zu erreichenden Guten Umweltzustandes, erfolgt anhand von 11 Deskriptoren (MSRL Anhang I). Diese werden mit Hilfe der in Anhang III genannten Merkmale (MSRL Anhang III, Tabelle 1) und Belastungen/Auswirkungen (Anhang III, Tabelle 2) beschrieben und präziser definiert. Zwei Deskriptoren betreffen die marine Biologie, ein Deskriptor den Meeresbodenzustand (Habitat) sowie acht Deskriptoren die anthropogenen Belastungen aus spezifischen Nutzungen. Im Unterschied zur WRRL trennt die MSRL biologische, physikalische und chemische Qualitätskomponenten auf der einen Seite sowie Belastungen und Auswirkungen auf der anderen Seite in der Bewertungsphilosophie nicht klar ab. Die Komplexität, die dadurch entsteht, erschwert die Konzipierung eines logisch strukturierten Bewertungsverfahrens. Es bietet sich daher eine Gruppenbildung der Deskriptoren an, die hilft, die Bewertung des Umweltzustandes zu strukturieren, indem sie Ursachen (Deskriptoren der an- thropogenen Belastung) und Wirkungen (Ökosystemdeskriptoren) trennt (Bild 3). Dieses Vorgehen entspricht dem bewährten Vorgehen bei der WRRL und fördert somit eine grundsätzlich kohärente Umsetzung beider Richtlinien. Die Gruppierung in: Ökosystemdeskriptoren (3 Deskriptoren: Biodiversität, Nahrungsnetz und Habitat) und Belastungsdeskriptoren (8 Deskriptoren anthropogener Belastungen und deren Auswirkungen) ermöglicht eine differenzierte Betrachtung des Zustands der marinen Ökosysteme sowie eine detaillierte Analyse der Belastungen und Auswirkungen. Eine wechselseitige Betrachtung von Ursachen (Belastungen) und deren Wirkungen im Ökosystem ist Voraussetzung für die Ableitung geeigneter Verbesserungsmaßnahmen, um den Guten Umweltzustand zu erreichen oder zu erhalten. In Anlehnung an das Bewertungssystem der WRRL könnten vorrangig biologische Qualitätskomponenten zur Bewertung des Zustands des Ökosystems herangezogen werden. Hierfür lassen sich zwei der elf qualitativen Deskriptoren ( Biodiversitäts-Deskriptor D1 und Nahrungsnetz-Deskriptor D4) der MSRL direkt nutzen, welche die Charakteristika der Lebensgemeinschaften beschreiben. Neben diesen biologischen Deskriptoren sollte der Meeresgrund- Deskriptor (D6) mit in das Bewertungssystem der Meeresökosysteme aufgenommen werden, da er den Zustand des Lebensraumes des Benthos beschreibt. Die Erhebung des Ist- Zustands der drei genannten Deskriptoren mit den einschlägigen vorrangig biologischen und unterstützenden morphologischen und chemischen Komponenten ist Grundlage einer ökologischen Klassifikation der entsprechenden Meeresregionen. Diese Ausgangsbewertung sollte möglichst detailliert und feinskalig erfolgen, daher bietet sich ein mehrstufiges ökologisches Klassifikationssystem im Gleichklang mit dem fünfstufigen Bewertungssystem der WRRL an. Die acht Belastungsdeskriptoren beschreiben hingegen den Grad der anthropogenen Überformung der Meeresregionen. Während für einige Belastungen bereits ausgereifte Bewertungsverfahren vorliegen (wie bei Eutrophierung und Fischerei) und ihre Auswirkungen auf Organismen und Populationen bereits gut belegt sind, gibt es für andere neuere Störgrößen, wie die Lärmverschmutzung der Meere oder den Eintrag von Müll, derzeit zwar eine Reihe interessanter Bewertungsansätze, über ihre Eignung muss jedoch noch weiter diskutiert werden. Es bietet sich daher an, die Erfolge von Maßnahmen, die für die einzelnen Deskriptoren der anthropogenen Belastungen entworfen werden, anhand des Zustandes der weiter zu entwickelnden biologischen Qualitätskomponenten regelmäßig zu evaluieren. Für Makrozoobenthos, Fischfauna, Phytoplankton und Makrophyten hat die Wissenschaft bereits Bewertungsverfahren für die Umsetzung der WRRL entwickelt. Entsprechende Verfahren fehlen jedoch weitgehend für die Bewertung der Avifauna, des Zooplanktons, von Seevögeln und marinen Säugetieren. Das Umweltbundesamt empfiehlt daher, mit den zur Verfügung stehenden Verfahren der WRRL zu beginnen und diese sukzessiv soweit erforderlich mit Verfahren der FFH- und Vogelschutz-Richtlinie, von OSPAR und HELCOM u. a. zu ergänzen. Bild 2: Wesentliche Inhalte und Fristen der MSRL Bild 3: Strukturierung des Bewertungssystems der MSRL WASSERWIRTSCHAFT
4 3 Deskriptoren der MSRL: Entwicklungsstand der Bewertungsverfahren für biologische Qualitätskomponenten und anthropogene Belastungen Die WRRL nutzt bei der Feststellung des ökologischen Zustands vorrangig bestimmte biologische Qualitätskomponenten, wie Phytoplankton, Makrophyten, Makroinvertebraten und Fischfauna. Die MSRL erweitert diese um zusätzliche biologische Qualitätskomponenten, wie z. B. Zooplankton, Avifauna, Meeressäuger sowie um eine Erhebung des Einflusses prägnanter anthropogener Stressoren. Letztere beinhalten z. B. Fischerei, Lärm- und Mülleinträge. Die MSRL zeigt in ihrem Geltungsbereich auch gewisse Überschneidungen mit der EG-Fauna-Flora-Habitat- Richtlinie (FFH-RL), die die Erhaltung bestimmter Arten und Lebensräume regelt. Um einen guten Erhaltungszustands im Sinne der FFH-RL zu erreichen, sind die MS gehalten, auf nationaler Ebene Bewertungen für ausgewählte Arten und Habitate durchzuführen. Für alle weiteren Arten und Habitate sowie für die Gesamtbiodiversität und das Nahrungsnetz fehlen hingegen Bewertungsmaßstäbe, die eigentlich auch für die Umsetzung der MSRL erforderlich wären. Möglicherweise werden in diesem Segment die ökosystemaren Belange der MSRL durch die Verfahren der WRRL aber bereits teilweise abgedeckt. Ein erster notwendiger Schritt zur Konkretisierung der Bewertungsverfahren für die Umsetzung der MSRL besteht in der Spezifizierung der qualitativen Deskriptoren mit Hilfe der Merkmals- und Belastungstabellen (MSRL Anhang III) und darauf aufbauend der Auswahl relevanter qualitativer Deskriptoren für die Anfangsbewertung. 4 Gemeinsamkeiten und Unterschiede der MSRL und der WRRL 4.1 Übergreifender Ansatz Beide Richtlinien folgen einer ganzheitlichen Betrachtungsweise unter Zuhilfenahme des Ökosystemansatzes sowie des adaptiven Managements. Der Ökosystemansatz der WRRL fokussiert im guten Zustand auf nur geringfügige Abweichungen der Flora und Fauna von den naturraumtypischen Bedingungen. Die MSRL geht über die Anforderungen der WRRL hinaus, indem sie weitere biologische Qualitätskomponenten, wie die Avifauna und marine Säuger, als Bewertungskomponenten einbezieht. Darüber hinaus sieht die MSRL die Erfassung und Bewertung der Wirkungen menschlicher Nutzungen einzeln sowie in der Summe kumulativer und synergetischer Wirkungen auf die biologischen Qualitätskomponenten der Meere und ihre Wechselwirkungen untereinander vor. Die MSRL ist inhaltlich wesentlich umfassender als die WRRL. 4.2 Bewertungsphilosophie Beide Richtlinien erfordern eine Erfassung von Belastungen sowie deren Auswirkungen auf die Ökosysteme und definieren ein Umweltziel der Gute ökologische und chemische Zustand bei der WRRL und der Gute Umweltzustand bei der MSRL. Die Beschreibung des Guten ökologischen Zustands erfolgt in der WRRL auf der Grundlage normativer Definitionen und kann verallgemeinernd als geringfügige Abweichung von den natürlichen Referenzbedingungen (Abwesenheit störender anthropogener Einflüsse) beschrieben werden. Diese Referenzbedingungen können unter Zuhilfenahme historischer Daten, Referenzmessstellen, Modellen oder Expertenmeinungen abgeleitet werden. Die WRRL gibt auch beschreibende Definitionen für drei der fünf Zustandskategorien vor (sehr gut, gut, mäßig) und setzt damit einen weitaus stringenteren normativen Rahmen als die MSRL, die auf normative Vorgaben verzichtet. Die WRRL ist in ihren normativen Vorgaben wesentlich konkreter als die MSRL, die den MS ein hohes Maß an Flexibilität bei der Umsetzung der Richtlinie erlaubt. Die MSRL eröffnet im Vergleich zur WRRL mehr Handlungsspielräume bei der konzeptionellen Gestaltung der Bewertung und damit bei den zu ergreifenden Maßnahmen in Europa. Weitere internationale Vereinbarungen sind erforderlich, um eine kohärente Meeresschutzpolitik in Europa zu gewährleisten. 4.3 Bewertungsskalen Die WRRL schreibt eine fünfstufige Bewertung für den ökologischen Zustand und eine zweistufige Bewertung für den chemischen Zustand vor. Die MSRL sieht hingegen nur eine zweistufige Bewertung (Guter Zustand erreicht oder nicht) vor. Da sich die Richtlinien räumlich und zeitlich überschneiden, ist eine Kommunikation der Ergebnisse ohne eine Harmonisierung der Bewertungsskalen schwierig. Es spricht viel für die Einführung einer fünfstufigen Bewertungsskala für die MSRL, um eine kohärente Darstellung mit den Ergebnissen der WRRL zu ermöglichen. Ein Vorteil wäre zudem, dass die Teilerfolge hin zum Guten Umweltzustand besser darstellbar wären. Eine Aggregation durch Zusammenfassung der drei unzureichenden Klassen mäßig, unbefriedigend und schlecht führt zu der von der EU geforderten Zweistufigkeit der Bewertung, falls diese berichtet werden muss. 4.4 Räumliche und zeitliche Überschneidung von Bewertung und Monitoring Die beiden EG-Richtlinien weisen Unterschiede und Gemeinsamkeiten in der räumlichen und zeitlichen Skalierung auf. Die WRRL fordert die Bewertung von Wasserkörpern, verlangt also eine relativ kleinräumige Bewertung. Die MSRL bewertet hingegen zunächst größere Meeresgebiete, wobei es den MS frei steht, diese in Subregionen zu unterteilen. Zu beachten ist, dass sich die Geltungsbereiche von MSRL und WRRL teilweise räumlich und zeitlich überschneiden. So unterliegen die Küstengewässer nach WRRL auch dem Geltungsbereich der MSRL. Es sind somit weitere biologische Parameter, Merkmale und Belastungen über die von der WRRL hinaus verlangten Anforderungen zu erfassen. Ferner ist auf Bewertungskonsistenz innerhalb der 1-Seemeilen-Grenze (ökologischer Zustand) und 12-Seemeilen-Grenze (chemischer Zustand) der WRRL zu achten, um unterschiedliche Bewertungen auf der Grundlage der WRRL und der MSRL zu vermeiden. Das erfordert die Schaffung von Konsistenz in den Bewertungsstrukturen beider Richtlinien. Darüber hinaus sind auch die einschlägigen naturschutzfachlichen EG- Regelungen, wie FFH- und Vogelschutz-Richtlinie, zu beachten. Das Umweltbundesamt empfiehlt eine Integration und Weiterentwicklung bestehender Monitoring- und Bewertungsverfahren der WRRL und FFH-RL. Für die Bewertung der 11 Deskriptoren der MSRL sowie der erforderlichen ganzheitlichen Betrachtung der Meeresökosysteme sollten die Arbeiten des CIS-Prozesses (common implementation strategy) der WRRL genutzt werden, um 4 WASSERWIRTSCHAFT
5 eine kohärente Bewertungsstrategie und Umsetzung beider Richtlinien in Deutschland und Europa zu gewährleisten. 5 Ausblick 5.1 Schaffung einer effektiven organisatorischen Umsetzungsstruktur Während für die WRRL nach Erstellung der Bewirtschaftungspläne 2009 die Maßnahmenprogramme angelaufen sind, muss die MSRL zunächst bis 2010 von den MS in nationales Recht umgesetzt werden. Vorschläge für Kriterien, Umweltziele und Indikatoren für die Festlegung des Guten Umweltzustands werden gegenwärtig in EU- Arbeitsgruppen diskutiert. Danach folgt die Abstimmung im europäischen Parlament. Dieser Prozess soll bis zum 15. Juli 2012 mit der Anfangsbewertung abgeschlossen sein. Auf europäischer Ebene zeichnen sich gegenwärtig unterschiedliche Tendenzen hinsichtlich der Definition des Guten Umweltzustands ab. Während einige MS sehr ambitionierte Ziele für diesen Zustand ansetzen wollen, begnügen sich andere damit, den status quo dem Guten Umweltzustand gleichzusetzen. Da die MSRL hier breiten Interpretationsspielraum zulässt, ist der Ausgang dieser Auseinandersetzung offen. 5.2 Nächste fachliche Umsetzungsschritte In Deutschland erarbeiten Bund und Küstenländer gegenwärtig gemeinsam die Grundlagen für eine Anfangsbewertung. Diese beinhaltet eine Analyse des derzeitigen Umweltzustands und die Erfassung der wichtigsten Belastungen sowie deren Auswirkungen. Außerdem ist eine wirtschaftliche und gesellschaftliche Analyse Ulrich Irmer, Stefanie Werner, Ulrich Claussen, Wera Leujak, Petra Ringeltaube and Jens Arle Protection of Marine and Inland Waters Similarities and Differences The German water management administration has undergone a change of system during the last decade. While it was initially focussing on the chemical pollution of water bodies management has now shifted to a holistic approach. This approach considers the whole watershed and takes account not only of the chemical pollution but all pressures that arise from human use. In particular, it considers the structure of the water bodies as well as their ecology. This realignment took place through the Water Framework Directive (WFD) coming from Brussels and continues with the Marine Strategy Framework Directive (MSFD). The MSFD requires a cumulative assessment of shore-based pressures and in addition of impacts from human activities at sea such as threats to populations, bycatch and habitat destruction through fishing activities, noise pollution through shipping, ramming activities and the operation of offshore wind farms. In the following the current status of implementation of the two Directives is outlined and similarities and differences are discussed. der Nutzung der betreffenden Gewässer sowie der Kosten einer Verschlechterung erforderlich. Die Beschreibung des Guten Umweltzustandes und die Anfangsbeschreibung der Meeresregionen soll bis zum 15. Juli 2012 abgeschlossen sein, wobei diese mit einer ökosystemaren Gesamtbewertung der Meeresregionen gleichzusetzen ist, die ebenfalls alle Auswirkungen menschlicher Nutzungen und Belastungen integriert. Bund und Länder werden voraussichtlich ein Sekretariat Geschäftsstelle Meer zur Umsetzung der MSRL in Deutschland einsetzen, das den Umsetzungsprozess koordinierend begleitet. Das Umweltbundesamt unterstützt diese Arbeiten u. a. als Lead country auf europäischer Ebene, aber auch national durch Vorbereitung der Novelle des Wasserhaushaltsgesetzes sowie über Beiträge zur Qualitätssicherung und Berichterstattung. Es hat sich bei der Umsetzung der WRRL gezeigt, dass im internationalen Kontext die wesentlichen Weichenstellungen für normative Festlegungen erfolgen, die von der Richtlinie selbst nicht vorgegeben wurden. Deutschland sollte sich daher auch am beginnenden Prozess der Umsetzung der MSRL auf europäischer Ebene aktiv beteiligen. Autoren Dr. Ulrich Irmer Stefanie Werner Ulrich Claussen Dr. Wera Leujak Dr. Petra Ringeltaube Dr. Jens Arle Umweltbundesamt Abteilung Wasser & Boden Wörlitzer Platz Dessau-Roßlau ulrich.irmer@uba.de Hinweis für die Autoren: Die Übersetzung ins Russische wird verlagsseitig vorgenommen! Literatur [1] Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Hrsg.): Umweltpolitik. Die Wasserrahmenrichtlinie Ergebnisse der Bestandsaufnahme 2004 in Deutschland. Paderborn: Bonifatius, [2] Europäische Gemeinschaften: Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik. Nr. L 327/1, vom (Wasserrahmenrichtlinie). [3] Europäische Gemeinschaften: Richtlinie 2008/56/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich Meeresumwelt (Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie). WASSERWIRTSCHAFT
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