Gesunde Klauen tragen die Milch Mehr Wissen für Milchviehhalter

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1 Einzelpreis Euro 12,50 Gesunde Klauen tragen die Milch Mehr Wissen für Milchviehhalter

2 Einzelpreis Euro 12,50 Inhalt Mehr als zehn Prozent der Kühe verlassen die Herde aufgrund von Klauenproblemen. Damit gehören Klauen- und Gliedmaßenerkrankungen zu den wichtigsten Abgangsursachen. Im Gesunde Klauen Sonderheft tragen die Milch Gesunde Klauen tragen die Mehr Wissen für Milchviehhalter Milch des dlz agrarmagazins erhalten Milchviehhalter wertvolle Tipps, wie sich durch eine wiederkäuergerechte Fütterung, eine gute Haltung, ein entsprechendes Management und eine korrekte Pflege die Erkrankungsraten senken lassen. Ursachen und Symptome verschiedener Klauenleiden werden aufgezeigt und Behandlungsmöglichkeiten vorgestellt. 6 Das Klauenbein der Kuh ist im Hornschuh aufgehängt, sonst wäre der Druck für eine gute Durchblutung zu groß. Aber auch andere Mechanismen dämpfen den Auftritt. Foto: Diersing-Espenhorst VERLAG und HERAUSGEBER Deutscher Landwirtschaftsverlag GmbH Lothstraße 29, München Postfach , München Tel Fax Internet: ANSCHRIFT REDAKTION dlz agrarmagazin, Postfach München Besucheradresse: Lothstraße 29 Tel Fax: reddlz@dlv.de Internet: REDAKTION: Markus Pahlke (mp), Tel Maren Diersing-Espenhorst (de), Tel VERANTWORTLICH FÜR DEN ANZEIGENTEIL: Ute Kelm, Tel TITELFOTO: Pijl LAYOUT: Anton Walter, Gundelfingen SATZ: agentur walter, Gundelfingen LITHOS: GAV PrePress, Gerstetten DRUCK: Bosch-Druck GmbH, Landshut 1. Auflage September 2008 Das Sonderheft und alle in ihm enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Mit Ausnahme der gesetzlich zugelassenen Fälle ist eine Verwertung ohne Einwilligung des Verlags strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Alle Angaben und Berechnungen wurden nach bestem Wissen und Gewissen gemacht; eine Gewähr für die Richtigkeit kann nicht übernommen werden. Anatomie 6 Gedämpfter Auftritt 10 Aufrecht durchs Leben Ursachen 12 Klauengesunde Kühe sind kein Zufall 16 Haltungsschäden 20 Wenn die Fütterung auf die Klauen schlägt 24 In den Genen des Vaters Klauengesunde Kühe sind kein 12 Zufall. Haltung, Fütterung und Management spielen entscheidende Rollen. Erkennen 28 Das Leiden verstehen Vorbeugen 34 Haltung annehmen 38 Früh lohnt sich 39 Im Herbst pflegen 40 Auf die Vorderbeine stellen 42 Baden gehen 44 Klauenbäder: Der rechtliche Rahmen ist eng 48 Großputz senkt Keimdruck 50 Besser auf Gummi laufen 56 Mit Strohmehl Boden gut gemacht 60 Raus! 62 Mit dem Futter vorbeugen Rind Foto: Luft 4

3 Inhalt Zum Behandeln gehört neben dem 68 Know-how unter anderem der Pflegestand, Messer und Zangen. Behandeln 68 Das Zeug zum Schneiden 74 Die Messer wetzen 76 Den Tatort suchen 78 Saubere Arbeit 80 Weniger klotzen 85 In Stellung gehen 88 Verbandssache 90 An der Klaue ist Teamarbeit gefragt Anhang 94 Die Lage mit System erfassen 98 Leben schützen Die Kuh kann nur dann die 34 richtige Haltung annehmen, wenn ihre Klauen korrekt gepflegt werden. Dr. Andrea Fiedler ist als Tierärztin auf Klauengesundheit spezialisiert und engagiert sich für eine einheitliche Klauenpflegerausbildung. Prof. Dr. Manfred Hoffmann arbeitet auch im Ruhestand als Fütterungsberater für den Sächsischen Landeskontrollverband e.v. Jürgen Luft ist aktiver Milchviehhalter im hessischen Watzenborn-Steinberg. Er bewirtschaftet einen 160-Kuh- Betrieb. Privatdozent Dr. Johann Maierl lehrt am Institut für Tieranatomie der Ludwig-Maximilians- Universität in München. René Pijl ist praktischer Klauenpfleger aus Jever. Er arbeitet als Experte an verschiedenen wissenschaftlichen Studien mit. Dr. Harald Reubold ist im DLG-Testzentrum Groß-Umstadt für den Bereich Technik Rinderhaltung verantwortlich. Um das Leiden zu verstehen, muss 28 man die Ursachen, Symptome und Therapien der Krankheiten kennen. Um die Lage mit System zu erfassen, sind richtiges Dokumentie- 94 ren und Auswerten der Daten wichtig. Dr. Christof Rapp ist als Research Nutritionist beim Spurenelementunternehmen Zinpro beschäftigt. Dr. Olaf Steinhöfel ist für das Sächsische Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie in Köllitsch tätig. Prof. Dr. Hermann Swalve ist Professor für Tierzucht an der Martin-Luther- Universität Halle- Wittenberg tätig. 5

4 Anatomie und Biomechanik Gedämpfter Auftritt Die Kuh ist ein relativ schweres Tier. Ihr Bewegungsapparat und vor allem ihre Klauen sind hohen Belastungen ausgesetzt. Johann Maierl, München, erläutert den Aufbau, die Funktion und die Schwachpunkte der Rinderklaue. 6 Ist eine Kuh 500 kg schwer und setzt man eine gleichmäßige Belastung beider Füße der Hintergliedmaßen voraus, so muss ein Hinterfuß bereits im Stand rund 110 kg Last übernehmen (siehe auch Gewichtsverteilung zwischen den Gliedmaßen ). An der Schultergliedmaße fällt die entsprechende Belastung mit 140 kg pro Fuß deutlich höher aus. Während der Fortbewegung können je nach Geschwindigkeit noch größere Kräfte wirken. Druckempfindlich Die Lastübertragung innerhalb der Gliedmaßen erfolgt von oben nach unten über die Knochen und Gelenke. Eine kritische Stelle wird an der Zehenspitze erreicht. Hier muss die Last durch die Klaue auf den Boden übertragen werden. Allerdings steht das Rind nicht so in seiner Klauenhornkapsel wie der Mensch in seinen Schuhen. Ansonsten wäre der Druck auf die Klauenlederhaut zu groß für eine ordnungsgemäße Durchblutung. Ein einfacher Versuch zeigt, wie druckempfindlich die Durchblutung im Gebiet der Haargefäße ist: Übt man auf den Fingernagel nur einen mäßigen Druck aus, weicht die rosarote Blutfarbe zurück. Das Blut wird aus den feinen Haargefäßen herausgedrückt. Wird der Druck weggenommen, kehren die Blutfarbe und damit die Durchblutung sofort wieder zum Normalzustand zurück. Überträgt man diese Beobachtung

5 Anatomie und Biomechanik einen wirksamen Schutz gegen das Eindringen von Krankheitserregern sowie gegen chemische und physikalische Schäden. Allerdings ist die Oberhaut frei von Blutgefäßen. Sie ist daher auf die Nährstoffversorgung durch die darunterliegende Lederhaut angewiesen. Diese ist gut durchblutet und mit vielen Nerven durchzogen. Die Unterhaut bildet im Bereich der Klauen stellenweise dicke Polster aus Binde- und Fettgewebe, beispielsweise im Bereich des Ballens. An anderen Stellen fehlt sie. Dort ist eine feste Verbindung zwischen dem Klauenbein, der Lederhaut und dem Klauenhorn gefordert. Aufgehängt Neben der Versorgung hat die Lederhaut im Bereich der Wandfläche die schwierige Aufgabe, das Klauenbein mechanisch aufzuhängen. Die Lederhaut ist in diesem Bereich über Bindegewebsfasern fest im Klauenbein verankert. Es ist keine Unterhaut vorhanden. An der Oberfläche zum Horn bildet die Lederhaut dünne, lange Blättchen aus. Diese laufen an der Quelle: Maierl Längsschnitt durch die Klaue Die Bindegewebsfasern in der Wandlederhaut für die Aufhängung des Klauenbeins an der Kronhornplatte sind als weiße Striche eingezeichnet. Im eingesetzten Bild sind die Schichten der Haut gezeigt (ohne Haare). Klaue von oben nach unten zum Klauenrand. Dazwischen sind gegengleich dünne Blättchen aus Horn befestigt, die die Verbindung zur Hornplatte außen herstellen. Diese Art der Befestigung besteht nicht nur im Bereich des Klauenrückens, sondern auch an der Außenfläche bis zum Ballen und teilweise im Zwischenklauenspalt Die Kuh steht und läuft nicht in ihren Klauen vielmehr ist das Klauenbein im Hornschuh aufgehängt. Fotos: Diersing-Espenhorst Gewichtsverteilung zwischen den Gliedmaßen auf die Kuh, wird klar, dass sie nicht in ihren Klauen stehen kann: Sie würde sich mit ihrem Körpergewicht das Blut in den Klauen abdrücken. Deshalb ist das Klauenbein im Hornschuh aufgehängt (siehe auch Längsschnitt durch die Klaue ). Um diese Aufhängung zu verstehen, muss man sich die Schichten der Haut ansehen. Schichten der Klaue An der Klaue sind alle typischen Schichten der Haut in stark spezialisierter Form vorhanden: die Ober-, Leder- und Unterhaut. Die Oberhaut ist an der Klaue in stark verhornter Form vorhanden. Sie bildet eine stabile, mechanisch belastbare Grundlage für die Schutzschicht. Daneben bietet sie Quelle: Maierl Zu dem schematischen Skelett einer Kuh ist die Lastverteilung zwischen Vorder- und Hinterklauen im Stand bei einem Körpergewicht von 500 kg angegeben. Die kleine Abbildung links zeigt das Skelett des Fußes von vorne. Zwischen den Klauen ist hellblau das Zwischenzehenband eingezeichnet. 7

6 Anatomie und Biomechanik (Aus Maierl, J.: Die Aufhängung des Klauenbeins funktionelle Anatomie und Biomechanik. Tierärztl. Prax. 2004, 32 (G): (siehe auch Querschnitte durch die Klaue ). Hier ist sie allerdings nur im vorderen Bereich, zur Klauenspitze hin, ausgebildet. Unterstützung bitte Die beiden Zehen werden in Höhe der Klauen von einem derben bindegewebigen Band zusammengehalten (siehe auch Die Klauenspreizung und das Zwischenzehenband ). Dieses, äußerlich nicht sichtbare, Zwischenzehenband ist notwendig, damit das Auseinanderweichen der Zehen beim Fußen auf weichem oder rutschigem Untergrund begrenzt ist und die Zehengelenke keinen Schaden erleiden. Da das Band auf jeder Seite direkt am Klauenbein entspringt, kann hier die Lederhaut keine feste Verbindung zwischen dem Knochen und dem Kronhorn herstellen. Dies ist genau der Bereich, der an natürlich abgenutzten beziehungsweise korrekt gepflegten Klauen eine Hohlkehlung aufweist. Damit schwebt dieser Teil der Klaue und entlastet dadurch die Klauenlederhaut. Allerdings reicht die Entlastung nicht aus, um die Klauen langfristig vor Schäden zu schützen. Das Klauenbein muss am Ballen noch durch ein speziell geformtes Unterhautgewebe unterstützt werden. Die Ballenunterhaut zeigt drei typische Fettgewebspolster, die von einer derben Bindegewebskapsel umgeben sind (siehe auch Lage und Größe der Ballen-Fettgewebspolster ). Dadurch entsteht eine Stoßdämpfung in der Klaue so wie sie prinzipiell in den gekammerten Absätzen von Joggingschuhen eingebaut ist. Die Ballenpolster liegen direkt unter dem Beugeknorren des Klauenbeins, der auch als Ansatz der tiefen Beugesehne dient. Stoßdämpfer der Klaue Horizontalschnitte durch die Klaue in verschiedener Höhe Die Klauenspreizung und das Zwischenzehenband (hellblau). Während der Fortbewegung wirken auf die Gliedmaßen Kräfte, die ein Mehrfaches der normalen Standbelastung erreichen können. Um diese stoßartigen Belastungen abzudämpfen, sind zwei Mechanismen vorhanden: das Überstrecken im Fesselgelenk und das Spreizen der Klaue. Bei Ersterem steht das Fesselgelenk in überstreckter Stellung. Es wird durch Sehnen und Bänder in dieser Position gehalten, kann aber während des Schritts elastisch federnd noch stärker überstreckt werden. Auf diese Weise fungiert das Fesselgelenk Lage und Größe der Ballen- Fettgewebspolster (anhand Querschnitten durch die Klaue in verschiedener Höhe). als Stoßdämpfer für die erheblichen Kräfte beim Auffußen. Bei der zweiten Möglichkeit weichen die Klauen insbesondere im Bereich der Spitzen auseinander und tragen so ebenfalls zum Dämpfen der im Fuß auftretenden Kräfte bei. Im hinteren, ballenwärtigen Bereich verhindert das Zwischenzehenband ein allzu weites Auseinanderweichen der Zehen. Verformen und Ausweichen Beim Auftreten verformt sich die Klaue in folgender Weise: Der Klauenrücken wird durch die Aufhängung des Klauenbeins nach hinten und unten gezogen (siehe auch Mechanismus der Klaue ). Die Unterhautanteile am Ballen werden dabei auseinander gedrückt. Am Klauenrücken herrscht also eine Zugbelastung der Lederhaut vor, im Bereich des Ballens unter dem Beugeknorren des Klauenbeins dagegen eine Druckbelastung. Das Gewebe lässt sich jedoch nicht wie ein Schaumstoff zusammendrücken, sondern es weicht seitlich aus. Dadurch wird besonders die Weiße Linie im Bereich des Ballens außen durch Dehnung stark beansprucht. Kritische Punkte der Klaue Die Weiße Linie zählt zu den biomechanisch kritischen Punkten an der Klaue. Sie hat die schwierige Aufgabe, das Horn der Klauenplatte, die vom Kronrand bis zum Klauenrand reicht, mit dem Sohlenhorn zu verbinden. Dabei reicht es nicht, dass diese Verbindung einmal hergestellt wird. Da das Horn ständig abgenutzt wird, muss es an dieser anspruchsvollen Stelle immer wieder neu gebildet werden. Selbstverständlich muss auch in diesem Bereich die Versorgung mit Nährstoffen durch die Lederhaut Aus Maierl, J.: Die Aufhängung des Klauenbeins funktionelle Anatomie und Biomechanik. Tierärztl. Prax. 2004, 32 (G):

7 Anatomie und Biomechanik Aus Maierl, J.: Die Aufhängung des Klauenbeins funktionelle Anatomie und Biomechanik. Tierärztl. Prax. 2004, 32 (G): Mechanismus der Klaue: schematische Darstellung anhand der Bewegung des Klauenbeins. Beim Aufstehen des Tiers wirken entsprechend höhere Kräfte auf die einzelnen Gliedmaßen. ungestört sein. Im Laufe des Lebens eines Milchrinds kommt es aber leider immer wieder zu Störungen in der Lederhautdurchblutung. Dies ist vor allem im Zeitraum um die Geburt der Fall, wenn es zu subklinischen Klauenreheschüben kommt. Auch leichte Formen stören bereits die Durchblutung, müssen aber nicht zu einer äußerlich erkennbaren Lahmheit führen. Dadurch leidet die Hornqualität am gesamten Hornschuh. An der Weißen Linie machen sich solche Störungen unter Umständen früher bemerkbar als an anderen Stellen. Der äußere, ballenwärtige Abschnitt der Weißen Linie ist also besonders stark belastet. Bei verminderter Hornqualität kann es leicht zu feinen Rissen und Spalten kommen, in die Keime eindringen können. Auf diese Weise kann im schlimmsten Fall die gesamte Hornwand bis zum Kronrand von der Klauenlederhaut abgelöst sein. Es ist ein Sohlenwandgeschwür entstanden. Auch der Übergang zwischen weichem und hartem Ballenhorn ist ein kritischer Punkt. Im hinteren Bereich der Klauen besteht ein Übergang zwischen dem weichen, radiergummiartigen Horn des weichen Ballens und dem sehr widerstandsfähigen Horn des harten Ballens, das mit dem eigentlichen Sohlenhorn die Auftrittfläche bildet. Wie stets an Übergängen zwischen Materialien mit unterschiedlichen mechanischen Eigenschaften können sich auch hier feine Risse im Horn bilden, mit einer nachfolgenden Keimbesiedelung. Erschwerend für die biomechanische Situation kommt an dieser Stelle hinzu, dass im Inneren der Klaue der Beugeknorren des Klauenbeins bei jedem Schritt einen gewissen Druck ausübt. Wenn die Ballenfettpolster bei Tieren mit höherer Laktationszahl an Volumen und damit an Dämpfungsfähigkeit abnehmen, kann es an diesen Stellen zu Geschwüren kommen (Rusterholz - sches Klauensohlengeschwür). Auch die Lage des Klauenbeins am Ballen ist ein Schwachpunkt. Neben dieser Lage ist besonders zu berücksichtigen, dass an der Klauenspitze zwischen Knochen und Horn nur eine vergleichsweise dünne Lederhaut vorhanden ist. Das bedeutet, dass hier bei einer verletzten Hornsohle nur ein geringer Spielraum vorhanden ist. Eine Infektion der Klauenlederhaut kann sich schnell auch auf das Klauenbein ausbreiten. Sie muss unbedingt operativ behandelt werden, da sie sich sonst weiter ausbreiten wird. Fazit Da die Klaue durch das Gewicht der Kuh erheblichen Belastungen ausgesetzt ist, steht die Kuh nicht im Hornschuh, sondern das Klauenbein ist in diesem aufgehängt. Außerdem helfen verschiedene Mechanismen, den durch das Gewicht entstehenden Druck zu dämpfen. Darüber hinaus sind an der Klaue die verschiedenen Hautschichten in stark spezialisierter Form vorhanden, um den Schutz und die Versorgung mit Nährstoffen zu gewährleisten. Dennoch gibt es Schwachstellen, die besonderer Aufmerksamkeit bedürfen, damit die Kuh gesund durch s Leben gehen kann. (de) 9

8 Locomotion Score Aufrecht durchs Leben Wie es um die Klauengesundheit in einer Herde bestellt ist, lässt sich schnell mittels einer Lahmheitsbewertung (engl. Locomotion Score) feststellen. Dr. Christoph Rapp, Boxmeer, erläutert das System. Die Lahmheitsbewertung ist ein einfaches Instrument, um lahme Kühe frühzeitig zu erkennen. Durch das umgehende Behandeln (Pflegen) der Klauen einer Kuh mit der Note 3 kann die Lahmheit beseitigt oder wenigstens eine weitere Verschlechterung der Klauengesundheit verhindert werden. Ohne eine frühzeitige Behandlung verschlechtert sich die Klauengesundheit einer Kuh mit der Note 3 mit großer Wahrscheinlichkeit. Die Lahmheitsbewertung erfolgt anhand der Rückenhaltung im Stehen und Gehen. Eine Kuh, die nicht lahm ist, hat sowohl im Stehen als auch beim Gehen einen ungekrümmten Rücken. Diese Kuh erhält die Note 1. Ist die Kuh leicht lahm, so zeigt sie im Stehen noch einen ungekrümmten, im Gehen jedoch einen gekrümmten Rücken. Ein solches Tier erhält die Note 2. Eine Kuh, die einen gekrümmten Rücken sowohl im Stehen als auch im Gehen hat, jedoch noch auf allen Beinen auftritt, ist als mittelmäßig lahm einzustufen und erhält die Note 3. Normal Rücken im Stehen und beim Laufen ungekrümmt Tritt normal auf 1 Rücken im Stehen: Ungekrümmt Rücken beim Laufen: Ungekrümmt Leicht lahm Im Stehen ist der Rücken ungekrümmt, beim Gehen jedoch gekrümmt Gang ist leicht abnormal 2 Rücken im Stehen: Ungekrümmt Rücken beim Laufen: Gekrümmt Mittelmäßig lahm 3 Rücken im Stehen und beim Laufen gekrümmt Macht mit einem oder mehreren Beinen kürzere Schritte Rücken im Stehen: Gekrümmt Rücken beim Laufen: Gekrümmt 10

9 Locomotion Score Lahm 4 Rücken im Stehen und beim Laufen gekrümmt Tritt auf einem oder mehreren Beinen nur noch teilweise auf Rücken im Stehen: Gekrümmt Rücken beim Laufen: Gekrümmt Rücken im Stehen: Gekrümmt Rücken beim Laufen: Gekrümmt Schwer lahm 5 Gekrümmter Rücken Belastet ein Bein nicht mehr Steht nicht mehr oder nur unter großen Schwierigkeiten auf Eine lahme Kuh (Note 4) zeichnet sich ebenfalls durch einen gekrümmten Rücken im Stehen und beim Gehen aus, sie tritt aber auf einem oder mehreren Beinen nur noch teilweise auf. Auch die schwer lahmende Kuh (Note 5) zeigt einen gekrümmten Rücken sowohl im Gehen und im Stehen. Das Verhalten unterscheidet sich jedoch dadurch, dass sie ein Bein überhaupt nicht mehr belastet und nur unter großen Schwierigkeiten aufsteht. Immer nur eine Person Bei der Lahmheitsbewertung sollten folgende Punkte beachtet werden: Zum Beurteilen sollten die Kühe auf einem ebenen Untergrund laufen und nicht angetrieben werden. Am besten verteilt immer die gleiche Person am gleichen Ort die Noten. Um einen Überblick über die Klauengesundheit der gesamten Herde zu bekommen, ist es erforderlich, sowohl die trockenstehenden als auch die frisch- und altmelkenden Kühe zu beurteilen. Bei Herden mit bis zu 50 Kühen empfiehlt es sich, alle Kühe zu benoten, während in größeren Beständen 25 Prozent der Herde ausreichen. Außerdem ist es empfehlenswert, die Lahmheitsbewertung auch bei Färsen unmittelbar vor dem Eingliedern in die Herde vorzunehmen. (mp) Dr. Christof Rapp arbeitet als Nutritional Researcher beim Spurenelementunternehmen Zinpro. Das sagt der Klauenpfleger Fotos: Zinpro An der Körperhaltung festzustellen, ob die Kuh sich mit ihrem Gang wohlfühlt, ist eine sehr gute Sache. Ein schnelles, unkompliziertes Erkennen von Tieren, die sich schwer oder nur eingeschränkt bewegen können, ist bei den wachsenden Betriebsgrößen und den immer größeren Kuhzahlen pro Pfleger sinnvoll. Aber es scheint zweckmäßig zu sein, zwei Dinge zu unterscheiden: Die tatsächliche Lahmheit und die schwere Beweglichkeit des Körpers. Lahmheit ist das ungleichmäßige Belasten der verschiedenen Gliedmaßen. Das Tier tritt mit einem Bein weniger stark auf als mit den anderen Gliedmaßen. Dies muss nicht unbedingt mit einer verkrampften Muskulatur zusammenhängen. Eine schwere Beweglichkeit ist eine Verspannung und/oder Verkrampfung in der Muskulatur und/oder in den Gelenken. Dies wiederum muss nicht notwendigerweise etwas mit einer Lahmheit zu tun haben. Man kann also sagen, dass ein Tier, das nicht lahm ist, einen verkrampften Bewegungsablauf zeigen kann, und umgekehrt. Werden Kühen mit einem Locomotion Score von über 3 regelmäßig in halbjährigen Abständen korrekt die Klauen gepflegt, brauchen sie nicht lahm zu sein. Aber es ist möglich, dass sie dennoch den Score 3 behalten. Würden diesen Kühen die Klauen nicht regelmäßig gepflegt, hätten sie nach sechs Monaten wahrscheinlich einen Score von nur noch 4. Zusammengefasst kann gesagt werden: Der Locomotion Score kann mit gutem Erfolg eingesetzt werden. Ein gekrümmter Rücken muss nicht unbedingt auf eine Lahmheit hinweisen. Aber es kann sein, dass eine Kuh, die mit einem gekrümmten Rücken geht, zusätzlich lahm ist. Hier ist eine rasche Therapie erforderlich. Hält man sich zu sehr an dem Einstufungssystem fest, kann es passieren, dass ein Tier, das mit einem höheren Score als 3 eingestuft ist, auf Dauer kaputt gepflegt wird. Hier ist die Dokumentation gefragt, um die letzten Pflegetermine und die damals gestellten Befunde wieder aufrufen zu können. René Pijl 11