Solidarität mit Geflüchteten
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- August Bergmann
- vor 7 Jahren
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Transkript
1 Solidarität mit Geflüchteten Unbeirrt durch die jüngste Debatte zum Schutz der Rechte Geflüchteter fand in Baden-Württemberg am Dienstag, den , eine weitere Sammelabschiebung nach Serbien und Mazedonien statt. Die Maßnahme erfolgte damit kaum ein halbes Jahr nachdem die Grün-Rote Landesregierung im Bundesrat einer Reform des Asylrechts zugestimmt und damit Serbien, Mazedonien sowie Bosnien und Herzegowina zu sogenannten sicheren Herkunftsstaaten deklariert hatte. Nach dieser neuen Rechtslage können Asylanträge aus den betreffenden Staaten als offensichtlich unbegründet abgewiesen werden; Asylbewerber aus diesen Ländern können damit viel einfacher als bisher abgeschoben werden. Nach Einschätzung von Verbänden wie Flüchtlingsräten oder dem Zentralrat Deutscher Sinti und Roma jedoch sehen sich gerade Sinti und Roma in den drei Balkanstaaten massiver Diskriminierung ausgesetzt. Von sicheren Herkunftsstaaten kann für sie nicht die Rede sein; stattdessen zielt die Reform ganz offensichtlich auf eine Reduzierung der Asylbewerberzahlen aus den Balkanstaaten. Ministerpräsident Kretschmann löste mit seiner Zustimmung im Bundesrat, welche die Reform überhaupt erst ermöglichte, daher selbst in seiner eigenen Partei scharfe Kritik aus. Mit der nun erfolgten Abschiebung bekennt sich die Landesregierung erneut zu einer repressiven Abschiebepolitik und straft jegliche Empathiebekundungen mit Geflüchteten Lügen. Als Linksjugend Baden-Württemberg nehmen wir diese Haltung nicht hin: Wir setzen uns dafür ein, dass Solidarität an die Stelle der staatlichen Null-Toleranz tritt. Vielerorts beteiligen sich unsere Basisgruppen daher an friedlichem Protest gegen Abschiebungen sowie die grün-rote Asylpolitik im Allgemeinen und kämpfen für eine offene Gesellschaft, in der jeder Mensch seinen Platz hat: Kein Mensch ist illegal!
2 Polizeistaat Türkei Letzte Woche hat das türkische Parlament neue Gesetze erlassen, die der Polizei den schnelleren Schusswaffengebrauch erlaubt, Hausdurchsuchungen und Abhörmaßnahmen erleichtert sowie das Demonstrationsrecht verschärft. Viele prangern das als einen weiteren Schritt zum Polizeistaat an. Doch dieser ist in den kurdischen Gebieten der Türkei längst Realität. Militärfahrzeuge und bis an die Zähne bewaffnete Polizeieinheiten patrouillieren auf den Straßen der Städte und Dörfer. An fast jeder zweiten Straßenecke in Amed steht ein Wasserwerfer, vor allem am Rand der ärmeren Stadtviertel ist die Polizeipräsenz enorm hoch. Sogenannte Problemzonen sind mit Überwachungskameras gespickt und wenn man die Menschen in der Stadt genau beobachtet, erkennt man immer wieder Zivilpolizisten, die zuhauf unterwegs sind. Entschlossen und wie selbstverständlich fragen sie mit der Waffe in der Hand nach dem Ausweis oder sprechen heimlich in der Ecke etwas in ihr Funkgerät. Die ständige Polizeipräsenz schafft ein Klima der Angst, so dass es schon fast alltäglich scheint, wenn ein Panzerwagen am Straßenrand hält und Zivilpolizisten einen jungen Mann mitnehmen. Der Widerstand gegen diese Willkür manifestiert sich regelmäßig in Demonstrationen, bei denen viele Jugendliche ihre Enttäuschung und Wut gegenüber dem Regime zum Ausdruck bringen. Dabei kommt es meist zum massiven Einsatz von Tränengas, Gummigeschossen und Platzpatronen. Doch auch der Einsatz scharfer Munition kostete bereits vielen Demonstrierenden das Leben.
3 Vor allem das Jahr 2009 war ein sehr blutiges für die kurdische Bewegung. In diesem Jahr etablierte diese Parallelstrukturen wie Rätesysteme, doppelt quotierte Spitzen, den Volkskongress, diverse Akademien und Kulturzentren. Die Antwort des türkischen Staates folgte prompt: Zahlreiche Verletzte, mehr als 8000 Gefangene und 298 Tote. Und auch beim Protest gegen den Ilisu-Staudamm nahe Hasankeyf griff die Staatsgewalt hart durch. Ganze Dörfer wurden per Ausgangssperre kollektiv verurteilt. Der Widerstand der Bevölkerung bleibt aber bisher trotz dieses brutalen Vorgehens ungebrochen. Mit dem Projekt Rojava und der Schlacht um Kobane hat die Bewegung einen neuen Aufschwung erhalten, dem mit den neuen Polizeigesetzen Einhalt geboten werden soll. Vor allem nach und kurz vor den Wahlen rechnen die AktivistInnen mit einer erneuten Repressionswelle. Erneut wurden bereits RepräsentantInnen der linken Demokratischen Partei der Völker (HDP) verhaftet und im ganzen Land sind Twitter, Facebook und Google gesperrt. Als Begründung muss hier wieder die von Staaten so oft ausgegebene Terrorwarnung herhalten. Schon bei den letzten Wahlen gab es ominöse Stromausfälle in den Wahllokalen der Südost-Türkei (Nordkurdistan), es gab Stimmenkäufe und Bestechungen, Personen verschwanden aus den Wahlregistern und WählerInnen, die Sozialleistungen erhalten, wurden eingeschüchtert, damit sie für die Regierung stimmen. Aber auch die Arbeit anderer Oppositionsgruppen wird durch die neuen Polizeigsetze unter dem Regime Erdogans behindert. Journalistinnen, Gewerkschafter und linke Gruppen sind immer wieder Ziele von Hausdurchsuchungen und unbegründeten Festnahmen. Abzuwarten bleibt nun, wie viel Zustimmung die HDP bei den Wahlen im Juni gewinnt, ob ihr der Einzug ins Parlament gelingt und sie damit den Machtausbau Erdogans stoppen kann. Ansonsten stünden den AnhängerInnen der kurdischen Autonomiebestrebung extrem harte Zeiten ins Haus.
4 Heraus, heraus zum Ostermarsch! Bald jährt sich am 08. Mai das Ende des Zweiten Weltkriegs zum siebzigsten Mal. Der Kampf für den Frieden hingegen setzt sich fort: Anhaltende Bürgerkriege und Konflikte in zahlreichen Ländern sowie nicht zuletzt der Krieg im Osten der Ukraine machen deutlich, wie brüchig der Frieden in Europa und der Welt immer noch ist. Als einer der weltweit größten Rüstungsexporteure trägt auch Deutschland eine Verantwortung für diese Situation und profitiert tatschlich von Sterben und Gewalt. Dies darf nicht einfach hingenommen werden! Als Linksjugend stellen wir uns deshalb jeglicher Form von Kriegstreiberei entgegen. Jeder Mensch hat ein Recht auf Frieden, ohne Ansehen der Herkunft, der Hautfarbe oder des Geschlechts. Zu Ostern rufen wir daher dazu auf, bei den traditionellen Ostermärschen auf die Straße zu gehen und ein Zeichen der Hoffnung auf eine friedliche Welt zu setzen. Im Folgenden findet ihr eine kurze Übersicht über größere
5 angekündigte Veranstaltungen: Samstag, 04. April: Stuttgart: Landesweiter Ostermarsch, Auftakt: 12 Uhr vor dem US-EUCOM in Stuttgart-Vaihingen Mannheim: Ostermarschaktion, Auftakt: 12 Uhr, Paradeplatz Müllheim: Südbadischer Ostermarsch: Es ist an der Zeit: Eine Welt in Frieden!, vor der Kaserne der Deutsch-Französische Brigade vor den Toren des EUCOM in Stuttgart Ellwangen: Ellwanger Ostermarsch: Gemeinsam für eine Welt ohne Krieg, Militär und Gewalt Mit Waffen kann man Frieden nicht erzwingen!, Auftakt: 10 Uhr am Bahnhof Montag, 06. April: Bregenz: Bodensee-Ostermarsch (Friedensweg): Krieg ächten Frieden schaffen, Auftakt: 11 Uhr am Bahnhof in Bregenz, Foto: Bundesarchiv, Bild / Settnik, Bernd / CC-BY-SA
6 Kurdistan: Hasankeyf, Wiege der Menschheit Vier unserer Genoss*innen vom LAK Hêvî bereisen derzeit Kurdistan, um das Projekt der demokratischen Selbstverwaltung in und um Rojava aus nächster Nähe kennen zu lernen. Im Folgenden findet ihr ihren zweiten Reisebericht: Seit Jahrtausenden steht Hasankeyf für den Beginn der Zivilisation über 23 Kulturen haben hier ihre Einflüsse hinterlassen. Vor allem in der kurdischen Geschichte ist es eine der zentralen Kulturstätten. Dieser besinnliche und wunderschöne Ort soll aber nun nach dem Willen der türkischen Regierungspartei AKP Regierung nicht länger existieren. Vierzig Kilometer flussabwärts wird der Ilisu-Staudamm gebaut, der für die gesamte Region katastrophale Auswirkungen hat. Im Jahr 2008 begann man den Bau mithilfe staatlicher Unterstützung aus Österreich, Schweiz und Deutschland. Nach massiven Verstößen gegen internationale Vorgaben zum Schutz der Kulturgüter, der Umwelt und der betroffenen Anwohner_innen gab es massive Proteste in den jeweiligen Ländern und dem Projekt wurde die Kredite entzogen jedoch erklärte Staatspräsident Erdoğan die Finanzierung für gesichert und die Bauarbeiten wurden wieder aufgenommen.
7 Doch obwohl der Staudamm schon fast fertig gestellt ist, geben die Menschen aus der Umgebung nicht auf. An die Menschen sind durch Zwangsumsiedlung oder die Überschwemmung ihrer Felder betroffen. Der künstliche See soll eine Fläche von 313km² erreichen und zerstört auf einer Länge von 400km den normalen Verlauf des Tigris und seine Umgebung. Die türkische Regierung tut alles, um die Proteste vor Ort klein zu halten oder gleich im Keim zu ersticken. So wurden z.b. bei den letzten Kommunalwahlen 50 Personen aus dem Wahlregister entfernt und es kam zu ominösen Stromausfällen, um den Einzug der links-kurdischen Partei der Völker (HDP) ins Rathaus zu verhindern. Nicht zuletzt durch die Stimmabgabe der zahlreichen in der Region stationierten Sicherheitskräfte verpasste die HDP die absolute Mehrheit mit nur 8 Stimmen. Wie so oft in der Türkei werden Demonstrationen gegen diese rücksichtslose Staatspolitik von der Polizei hart attackiert. Wir haben ein Abo auf Tränengas, meint ein Genosse in Batman, der uns davon berichtet, dass vor kurzem auch die Newroz-Feierlichkeiten von der Polizei grundlos attackiert wurden. Erst seit sich im letzten Jahr türkische Prominente dem Protest anschlossen, gingen die Angriffe auf Proteste gegen den Staudämmen zurück. Mit zunehmender Fertigstellung des Staudamms radikalisieren sich
8 selbstverständlich auch einige verzweifelte Bewohner_innen des Tals. So kam es zu mehreren Anschlägen auf Bauffahrzeuge, woraufhin viele Arbeiter_innen aus Angst kündigten und die Errichtung somit ein paar Tage hinausgezögert werden konnte. Allerdings haben bereits viele Menschen eine staatliche Entschädigungszahlung von angenommen und sind freiwillig weggezogen. Diese vermeintlich hohe Summe reicht jedoch nicht, sich ein neues Zuhause aufzubauen. Die meisten Menschen zieht es in die Großstädte doch dort haben die sie keine Perspektive, wie uns Cihan aus Hasankeyf erzählt, als er uns im HDP Büro empfängt: Warum soll ich hier weg? Ich habe hier meine Tiere und ein Haus, für das ich keine Miete zahlen muss. Hier sind meine Familie und Freunde. In der Großstadt müsste ich mir eine völlig neue Lebensgrundlage aufbauen. Außerdem drehen die Leute dort durch, werden drogenabhängig oder kriminell. Als Alternative schlägt er vor, drei kleinere Staudämme zu bauen, statt einen großen, der sämtliche Kulturstätten überflutet. Die Vorsitzenden der HDP in Batman, Rojda Sûrûcû und Abdulbani Karaagag erzählen uns, dass der Staudamm weniger der Stromerzeugung dient, sondern eher dazu, einen Teil der kurdischen Geschichte (und letzten Endes auch eine Teil der Menschheitsgeschichte) zu zerstören. Denn ohne kurdische Geschichte können die Kurd_innen auch keinen Anspruch auf eine eigene Identität erheben. Mit dem entstehenden Stausee verspricht sich die türkische Regierung außerdem, die Mobilität der in diesem Gebiet fest verankerten PKK einzuschränken und damit einen militärischen Vorteil bei zukünftigen Auseinandersetzungen zu gewinnen. Doch außenpolitisch hat das Megaprojekt noch wesentlich mehr zu bieten: Mit den zahlreichen Staudämmen, die man mittlerweile auf der türkischen Seite errichtet hat, sind der Irak und Syrien davon abhängig, wie weit die Schleusen geöffnet werden. Der Sultan vom Bosporus versucht gar nicht zu verbergen, in welche Abhängigkeit er die
9 Nachbarstaaten damit bringt. Doch die beiden Regierungen können kaum etwas ausrichten. Der Irak ist seit Jahren destabilisiert und viel zu schwach, um sich gegen die türkischen Projekte erfolgreichen wehren zu können, was auch spätestens seit 2011 auf Syrien zutrifft. Nicht zu vergessen ist auch, dass die Türkei ein NATO-Staat mit großer strategischer Bedeutung ist, weshalb die anderen NATO-Länder durchaus mal beide Augen zudrücken. Durch die Staudämme wird nicht nur der Lebensraum der Flora und Fauna in der Türkei zerstört, sondern auch die an den Ufern des Tigris und dessen Nebenflüssen. Diese Ströme sind die Lebensadern der Menschen im Irak und Syrien, die ohnmächtig gegenüber imperialistischer Interventionen ohnehin in ärmlichen Verhältnissen leben. Sollte der Fluss noch weniger Wasser führen, drohen Hungerkatastrophen in unbekanntem Ausmaß. Gruppen wie der Islamische Staat, Al-Nusra und Co. werden es dann in Zukunft noch leichter haben, für ihren Feldzug gegen die Menschlichkeit Anhänger_innen zu finden. Neben den verheerenden Folgen für Mensch, Natur und Kultur stellt der Ilisu-Staudamm somit eine weitere, unnötige Provokation in einer ohnehin seit Jahren vom Krieg gezeichneten Region dar. Erneut ruht die Hoffnung der Menschen in Hasankeyf und allen anderen Betroffenen aus dem Irak, der Türkei und Syrien, auf internationaler Solidarität und dem
10 Widerstand der europäischen Genoss_innen. Denn die EU und vor allem Deutschland haben die Möglichkeit, Druck auf die Türkei auszuüben und die Fertigstellung des Staudamms zu verhindern. Sie wollen es nur nicht. Ein Beitrag von Yannik Hinzmann und Selin Gören. Fotos 1,2: Selin Gören. Foto 3: Yannik Hinzmann.
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