Auf der Jagd mit Pfeil und Bogen. Wilhelmsthaler Bogenschützen

Transkript

1 Auf der Jagd mit Wilhelmsthaler Bogenschützen 4

2 Pfeil und Bogen 5

3 6 Es ist kalt, als ich pünktlich um 11 Uhr in der Nähe des Wilhelmsthaler Schlossparkes ankomme. Hinter mir liegt eine Landstraße, vor mir ein Waldweg und links von mir kann man in den bekannten Schlosspark blicken. Rechts erstreckt sich ein großes Waldgebiet, welches vor herbstlicher Farbenvielfalt nur so leuchtet. Gespannt gehe ich auf eins der am Waldweg parkenden Autos zu und hoffe, dass es einem Mitglied der Wilhelmsthaler Bogenschützen gehört mit denen ich heute hier verabredet bin. Ich habe Glück, denn schon kommt mir lachend ein nett aussehender Mann entgegen, der sich als Marcel vorstellt. Wir machen uns bekannt und begeben uns sogleich auf den Weg zum Parcours (15 Stationen mit Zielen im Wald, auf die man schießt). Auf dem Weg erzählt er mir bereits etwas zur Geschichte der Wilhelmsthaler Bogenschützen : Obwohl sie kein eingetragener Verein sind, haben sich ihnen seit der Gründung vor ca. 2 Jahren viele Gleichgesinnte angeschlossen, so dass sie stolze 20 Mitglieder haben. Das etwa 5 ha große Gelände auf dem der Parcours aufgestellt ist, haben sie von einem hessischen Grafen, der dies bereits als Jagdgebiet nutzte, gepachtet. Interessiert nehme ich alle Informationen auf, als mir plötzlich ein Regentropfen in Auf der Jagd mit Pfeil und Bogen mein Gesicht platscht und ein leichter Nieselregen einsetzt. Dennoch lasse ich mir meine Vorfreude nicht nehmen und bin im wahrsten Sinne des Wortes gespannt wie ein Flitzebogen, als wir den Waldweg verlassen und über einen kleinen Pfad in den Wald eintauchen. Bald sehe ich vor uns zwei Zielscheiben, Marcel bleibt etwa 20 Meter vor ihnen stehen und erklärt mir was es mit ihnen auf sich hat: Die eigentlichen Ziele sind 3D Tiere aus Gummi, doch zum Aufwärmen (dem sogenannten Einschießen ) nutzen sie klassische Scheiben mit Ringen. Die sind auch gut, wenn man mal eine längere Trainingseinheit, beispielsweise vor einem Turnier, einlegen möchte, meint der Bogenschütze. Auf einmal höre ich es hinter uns rascheln und ein weiterer Mann kommt auf uns zu. Freundlich schüttelt Johannes mir zur Begrüßung die Hand und wir kommen sogleich ins Gespräch. Währenddessen hat Marcel einen Pfeil in die Sehne seines Bogens gelegt und schießt gekonnt auf die Scheibe. Dabei lerne ich, worauf es beim richtigen Schuss ankommt: Sammeln, Fokussieren, die Sehne bis zum Mundwinkel ausziehen, Lösen, den Pfeil fliegen lassen und weiterspazieren. Schließlich stellt Johannes sich parallel (es wird selbstverständlich immer darauf geachtet, dass niemand im Schussfeld steht)

4 neben den ersten Schützen und sie schießen sogar gleichzeitig. Begeistert sehe ich zu und kann bereits einige schöne Bilder schießen. Nebenbei erzählt Johannes mir was das besonders Faszinierende am Bogenschießen für ihn ist: Ich liebe das Bogenschießen als Alternative zum stressigen Berufsalltag. Beim Bogenschießen im Parcours spaziere ich mit allen Sinnen durch die Natur. Als die Schützen jeweils 3 Pfeile geschossen haben gehen sie zusammen zur Scheibe, um ihre Pfeile zu holen. Eigentlich schießt man immer bis zu drei Pfeile auf ein Ziel. Diese Wertung ist bei Turnieren besonders wichtig, da derjenige, der mit dem ersten Pfeil bereits trifft, mehr Punkte bekommt, als der, der erst mit seinem dritten Schuss das Tier erlegt. Dazu kommen Bonuspunkte, wenn man den Pfeil im sogenannten Kill versenkt. Das Kill ist eine kreisrunde Markierung, wo bei einem echten Tier das Herz wäre. Diesmal ist kein Pfeil daneben gegangen, obwohl das natürlich nicht immer der Fall ist. Wenn man einen Pfeil vorbeischießt, dann muss man auf die Suche gehen da niemand seinen Pfeil ungern einfach zurücklässt. Kein Wunder, denn im Durchschnitt bezahlt man für einen Pfeil rund acht bis zehn Euro. Nun gehen wir endlich zum ersten richtigen Ziel, ein lebensgroßer Hirsch aus Gummi. Etwa 35 Meter davor bleiben wir an einem kleinen blauen Holzpflock auf dem eine 1 steht, stehen. Vor jedem Ziel befindet sich ein solcher Pflock als Markierung, von wo man schießen soll. Marcel macht den Anfang. Er stellt sich konzentriert mit dem vorderen Fuß an den Pflock. Der andere steht parallel dahinter, so dass seine linke Schulter in Richtung des Tieres zeigt. Dann nimmt er in flüssiger Bewegung einen Pfeil aus dem Köcher und legt ihn in die Sehne seines Bogens. Er atmet entspannt ein und aus und fokussiert dabei genau das vor ihm liegende Ziel. Dann hebt er langsam seinen linken Arm mit dem Bogen und zieht mit rechts langsam und bedächtig die Sehne nach hinten, bis seine Hand den Mundwinkel erreicht. Dann wartet er noch einige Millisekunden bis er den Pfeil fliegen lässt. Die Sehne schnellt nach vorne und gibt den Pfeil frei, der sogleich seinen Weg Richtung Ziel findet. Mit einem satten Plopp dringt er in das weiche Material des Tieres 7

5 ein. Marcel lässt seinen Bogen sinken und sieht zufrieden aus. Nebenbei stelle ich immer wieder Fragen, die mir immer bereitwillig beantwortet werden. Auf meine Frage, ob man denn irgendwelche bestimmten Fähigkeiten zum Bogensport mitbringen muss, sind sich beide einig: Nein, nicht zwingend. Dennoch gewinne man mit dem Bogenschießen Vertrauen in seine Fähigkeiten, Ausdauer, Beharrlichkeit und Ausgeglichenheit. Über kleine Trampelpfade wandern wir durch den Wald von Ziel zu Ziel. Manchmal steht ein einzelnes kleines Tier halb versteckt, sodass man sich wild verrenken muss, um überhaupt einen Blick drauf werfen oder schießen zu können. Manchmal stehen mehrere Tiere zusammen und erzählen uns eine Geschichte. Als wir einen Hasen und eine Wildkatze passieren treffen wir auf René, Jutta und Nicole, die anderen drei Mitbegründer der Wilhelmsthaler Bogenschützen. Mittlerweile fühle ich mich durchaus zuhause auf dem Parcours und den vielen netten Menschen um mich herum. Jede meiner Fragen wird ausführlich und freundlich beantwortet und zwischendurch gibt es immer wieder etwas zu lachen. Auf meine Frage, ob der Sport irgendwelche negativen Auswirkungen auf die Natur haben könnte sind sich alle fünf erfahrenen Schützen einig: Definitiv nein. Eher hat das Bogenschießen einen positiven Effekt, meint René, da die Sportler beispielsweise Müllsammeln, Gehölzschnitt und die Pflege des Geländes vornehmen. Nicole ergänzt, dass die Störung und Beeinträchtigung von Flora und Fauna aber 8

6 grundsätzlich eher ganz vermieden wird. Als wir am letzten Ziel ankommen stockt mir der Atem: wir stehen auf einem kleinen Berg und alle schauen weit in die Ferne. Peinlich berührt versuche ich etwas zu erkennen, bis ich aufgeklärt werde. Etwa 50 Meter entfernt steht im Tal ein Wolf, den ich gerade so erkennen kann. Die anderen scheinen überhaupt kein Problem zu haben auch noch die richtige Entfernung und den Abschusswinkel abzuschätzen. Und als dann nach dem ersten Schuss auch noch ein weit entferntes, leises Plopp ertönt, kann ich meine Bewunderung nicht länger zurückhalten, denn nicht jeder würde ein so kleines Ziel auf diese Entfernung treffen und das ganz ohne Visier oder sonstige Technik. Nachdem wir abenteuerlich den Berg heruntergeklettert sind und alle Pfeile sich wieder in den Köchern befinden, nähert sich mein Besuch dem Ende zu. Doch als wir erneut an den runden Zielscheiben vorbeilaufen, haben die Schützen eine Überraschung für mich: Ich darf unter Anleitung auch ein paar Schüsse wagen! Ich bekomme einen leichten Trainingsbogen für den Anfang, mit dem ich mich sofort angefreunde. Unter den wachen Augen von René und Jutta wage ich meinen ersten Schuss, der kurz vor der Scheibe auf dem Boden auftrifft. Dennoch macht es unglaublich viel Spaß und ich bin sofort Feuer und Flamme. Nach einigen Fehlversuchen treffe ich dann plötzlich das erste Mal in einen der äußeren Ringe und Stolz erfüllt mich. Ungefähr 15 Minuten schieße ich immer von leicht verschiedenen Positionen, so dass es nie langweilig wird. Meine letzten drei Pfeile finden dann schon relativ sicher ihr Ziel und ich bin mit mir selbst zufrieden und überglücklich, aber auch erschöpft, da man die ganze Zeit sehr konzentriert ist. Gemeinsam gehen wir danach über den Waldweg zurück zur Straße. Hier muss ich noch eine meiner brennenden Fragen loswerden, nämlich was denn das Besondere an genau diesem Parcours ist. Jutta findet die Lage am besten, da man das Schießen mit einem netten Spaziergang im Park verknüpfen kann. Nicole und Johannes schätzen am meisten, dass man einfach mal entspannen kann, da er nicht so überlaufen ist. René und Marcel meinen, dass der Parcours einfach eine perfekte Größe hat. Eine Runde dauert zu zweit etwa 45 Minuten und man kann nach Belieben eine längere oder eine kürzere Runde drehen. Nun ist mein Besuch wirklich vorbei und ich werde freundlich verabschiedet, gleich darauf aber erneut eingeladen gerne wiederzukommen. Glücklich nehme ich das Angebot an und mir ist klar, dass dies nicht mein letzter Besuch gewesen sein wird! eine Reportage von Hannah Sophie Drewes 9