Psychisch kranke Straftäter: Therapie und Prognose 14. DGPPN-Hauptstadtsymposium - Berlin
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- Hella Beck
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1 Psychisch kranke Straftäter: Therapie und Prognose 14. DGPPN-Hauptstadtsymposium - Berlin Patienten im Maßregelvollzug: Unterschied MRV/Allgemeinpsychiatrie Dr. med. Nahlah Saimeh Ärztliche Direktorin LWL-Zentrum für Forensische Psychiatrie Lippstadt
2 Allgemeine Psychiatrie Forensische Psychiatrie Rechtsgrundlage Freiwillig (90%) PsychKG BtG 63, 64 StGB Vorläufig: 126 a StPO 67 h Aufnahmemodus Kostenträger Krankenhausträger Patient selbst Betreuer eue Ärzte (ggf. auf Geheiß von O-Amt) Selbstzahler Krankenkasse Kirchlich Kommunal Privat Gericht (LG, Amtsgericht bei Jugendlichen) Steuerzahler (Gesundheitsminister. der Länder) Kirchlich Kommunal Privat (beliehen)
3 Allgemeine Psychiatrie Forensische Psychiatrie Trend der Bettenzahl Sinkend Steigend Dauer des Aufent- Patient selbst Gericht haltes entscheidet Ggf. Rat des Arztes (Kostenträger KK) Aufnahmegrund Leidensdruck Suizidalität Selbst- o. Fremdgefährdung Straffälligkeit erheblich vermind. o. aufgehobene Schuldfähigk. ( 20,21 StGB) UND andauernde Gefährlichkeit Behandlungsdauer Unter 30 Tagen Durchschnittl. 6-8 Jahre im Durchschnitt Schizophrene: Tage 4 Jahre Behandlungsdauer insgesamt Unterschiedlich 63 StGB potentiell unbefristet 64 StGB: 2 Jahre + 2/3 Haftzeit, stets befristet
4 Allgemeine Psychiatrie Forensische Psychiatrie Behandlungsziel Leiden vermeiden Leiden heilen Beendigung der Be- Shared-decision making Gericht handlung zwischen Arzt und Patient Vorzeitig Entlassung auf eig. Wunsch Leiden so reduzieren, dass Gefährlichkeit sinkt 63: Beendigung bei Fehleinweisung 64: Beendigung wegen Aussichtslosigkeit Beendigung der Be- Konsentierte Gericht handlung Entlassungsentscheidung (nach positivem Gutachten Regelhaft zwischen Arzt und Patient oder Verhältnismäßigkeit) Entlassungsgründe Remission Fehlende Kostenerstattung Mangelnde Therapiefähigkeit Gute Legalprognose (Leiden hinreichend gebessert) Verhältnismäßigkeit
5 Allgemeine Psychiatrie Forensische Psychiatrie Räumliche Einschränkungen Begründete Ausnahmen Bei Unterbringung ärztliche Entscheidung Gesellschaftliche Niedrig Sehr hoch Befürchtungen Umgang mit Psychopathie Anteil dissozialer Persönlichkeits- störungen Pat. werden eher entlassen Wenig (meist keine Therapiefähigkeit) Arzt Benehmen mit StA oder Genehmigung durch StA Gutachterliche Prüfung Patienten können nicht entlassen werden Rund 50 %
6 Allgemeine Psychiatrie Forensische Psychiatrie Anteil Patientinnen Frauen überwiegen im psychiatrisch- psychotherapeutischen Hilfesystem (3-4 x häufiger) 5-8 % Kriminologischer keine Hoch Faktoren für Behandlung und Entlassung
7 Unterschiede der Patienten in der Allgemeinen Psychiatrie versus Forensik am Beispiel der Schizophrenie: Anstieg der Forensischen Behandlungsplätze Verändertes Sicherheitsbedürfnis und Risikobewusstsein in der Gesellschaft Gesteigerte Berichterstattung über Gewaltstraftaten erzeugt subjektiv höheres Bedrohungsgefühl und Schutzbedürfnis Gesellschaftlich veränderte Grundhaltung zur Sanktionierung von Gewalttätigkeit Verlängerte Verweildauer der Patienten in der Forensischen Psychiatrie
8 Unterschiede der Patienten in der Allgemeinen Psychiatrie versus Forensik am Beispiel der Schizophrenie: Mögliche gutachterliche Ängstlichkeit, aber auch verbesserte gutachterliche Sorgfaltspflicht und Professionalisierung der Risikobeurteilung Geringe Anzahl personell intensiv betreuter (geschlossener) Langzeitwohnheime Forensik als letzte Versorgungsstätte chronisch psychisch kranker und stark intelligenzgeminderter Patienten Speziell NRW: insgesamt restriktive Lockerungspraxis im MRV Vermehrte Zuweisung schizophrener Patienten
9 Unnötige Forensifizierung? LWL-Zentrum für Forensische Psychiatrie Lippstadt
10 Mögliche Ursachen dieser Entwicklung: Juristisch: Unnötige Forensifizierung von sozial lästigen, aber häufigen Bagatellstraftaten (Ladendiebstahl, Mundraub) Dauerhafte Medikationseinnahme beruht auf Freiwilligkeit. Keine Zwangsbehandlung. Regionale Schwankungen durch unterschiedliche Spruchpraxis der Gerichte (Einstellen des Verfahrens wie Fallbeispiel versus Unterbringung bei 20 StGB). Wenn ein Verfahren wegen 20 StGB eingestellt wurde, besteht Tendenz, weitere Verfahren auch einzustellen und Risiken zu unterschätzen (siehe Fallbeispiel) Daraus folgt: Aus der Unterschätzung des Deliktpotentials wird der g g p Patient nicht im Vorfeld wirksam an der Begehung schwerster Gewalttaten im Zustand der Schuldunfähigkeit gehindert.
11 Gesundheitspolitisch: Bettenabbau in der Allgemeinen Psychiatrie um 46 % (Leygraf, Kutscher 2006) Kostendruck in der stationären Behandlung (In FP werden Kosten durch Steuerzahler getragen) g (Zu) kurze stationäre Behandlung in der Allgemeinen Psychiatrie mit nachfolgender gravierend delinquenter Eskalation. Verweildauer zwischen Tagen. (vgl. Leygraf, Kutscher 2006)
12 In der Allgemeinen Psychiatrie: Gerade Patienten mit großem Hang zur Aggression benötigen langzeitige stationäre Behandlung. Verändertes Anzeigeverhalten der Kliniken bei aggressiven Übergriffen von akut psychotischen Patienten. Patienten mit ausgeprägter Dissozialität als Komorbidität schwer tragbar. Gefahr der raschen Entlassung aus disziplinarischen Gründen? Bagatellisierung des Gewalt-Risikos im Zusammenhang mit dem wichtigen Anliegen der Entstigmatisierung? Unterschätztes Gewaltrisiko weiblicher Patienten? Möglicherweise lückenhafte Anamneseerhebung in Bezug auf spezifische Gewaltanamnese bzw. diagnostisches Defizit in Bezug auf explizit antisoziale Verhaltensmuster, die sich nicht allein aus der Psychose heraus erklären lassen.
13 Patienten spezifisch: Problem der unzuverlässigen Medikationseinnahme (Jedoch kein Problem iatrogener medikamentöser Unterversorgung vgl. Seliger, Kröber 2008) Zunehmender Anteil Suchtmittel missbrauchender junger Schizophrener (60 bis 70%) (vgl. Kutscher et al. 2009, Habermeyer et al. 2010) 17 bis 20 % zusätzliche dissoziale Persönlichkeitsstörung
14 Andere Faktoren: Betreuung wird beendet, wenn der Patient sich beharrlich entzieht Betreuer im Einzelfall unzureichend informiert Zu große Intervalle bei ambulanter Betreuung
15 Typische Kennzeichen der Delinquenz schizophrener Straftäter/Delikttypen: Impulsive Taten infolge paranoid-halluzinatorischen i i h Erlebens (TCO) Systematisch geplante, gut vorbereitete Taten infolge chronischen Wahns Bagatellstraftaten oder Taten mit geringem Gewaltpotential infolge Persönlichkeitsveränderung und Verwahrlosung Äußerlich nicht nachvollziehbares Motiv, nicht nachvollziehbarer Anlass der Aggression Gewalttätigkeit als Reaktion auf subjektiv erlebte Distanzlosigkeit des Gegenübers Extreme Gewaltanwendung Bei chronifiziertem Wahnsystem durchaus trickreiche Planung und Umsetzung möglich
16 Besondere Merkmale schizophrener Patienten in der Forensischen Psychiatrie: 75 bis 85 % der Pat. vorher allgemeinpsychiatrisch stationär behandelt (Haller et al. 2001, Hodgins, R. Müller- Isberner 2004, Weithmann u. Traub 2008, Kutscher et al. 2009, Habermeyer et al. 2010, S., Müller- Isberner 2012 ) Hoher Anteil von Patienten mit früherer PsychKG Unterbringung Mehr als 25 % der untergebrachten Patienten delinquierten binnen eines Quartals nach stationärer Vorbehandlung Bereits deliktisches Verhalten vor der ersten stationären Behandlung (68 %, vgl. Weithmann u. Traub 2008)
17 In mehr als 20 % der Fälle deliktische Entwicklung im Krankheitsverlauf Gehäuft Gewalttätigkeit in der Vorgeschichte ist Prädiktor auch für innerklinische Gewalt!! Gehäufte Entlassungen gegen ausdrücklichen ärztlichen Rat in der Vorgeschichte ht Aufbau einer vertrauensvollen Arzt- Patientenbeziehung gelingt schlecht Höherer Anteil von Patienten mit ungünstiger Compliance (50 bis 75 % Non-Compliance bei AP-Patienten versus 60 bis über 80 % bei FP,vgl. Habermeyer 2010) 70 % der Patienten mit Comorbidität HCR-20 Werte ähnlich zu nicht schizophrenen Gewalttätern Häufig mehrere BZR-Einträge (prämorbid dissoziale Fehlentwicklung)
18 Bedeutung von Gefährlichkeitsprognosen: der Gefährlichkeitsprognose zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung (Einweisung in die FP oder Aussetzung zur Bewährung möglich?) der innerklinischen Prognose im gesicherten Bereich (einschl. Risikobeurteilung der Fluchtgefahr) der Prognose in Bezug auf Lockerungsgewährung bzw. in Bezug auf Flucht/Entweichung der Langzeitprognose bei Beurlaubung oder Entlassung aus der FP
19 Nichts als Prognosen Erste interne Gefährlichkeitsprognose nach 24 Stunden Aktualanpassung der Prognose je nach Psychopathologie Gefährlichkeitsprognostisches Profil im Rahmen des 1. Ausführlichen Behandlungsplans (nach 6 Wochen) Fortschreibung und Überprüfung des Risikoprofils je Behandlungsplan (alle 6 Monate) Risikoprofil im Rahmen der Stellungnahmen gem. 67 e StGB (jährlich) Risikoprofil im Rahmen externer Begutachtungen gem MRVG
20 Vielen Dank! Dr. med. Nahlah Saimeh Ärztliche Direktorin LWL-Zentrum für Forensische Psychiatrie Lippstadt Eickelbornstraße Lippstadt Telefon: 02945/ Telefax: 02945/
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