Diagnostik und Prävention von Bindungsstörungen durch Frühintervention
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- Fanny Siegel
- vor 7 Jahren
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1 Diagnostik und Prävention von Bindungsstörungen durch Frühintervention Karl Heinz Brisch Kinderklinik und Poliklinik im Dr. von Haunerschen Kinderspital Abteilung Pädiatrische Psychosomatik und Psychotherapie Ludwig-Maximilians-Universität München
2 Übersicht Bindungssicherheit Auswirkungen von Traumatisierungen Bindungsstörungen Prävention Videobeispiele
3 John Bowlby "Bindung ist das gefühlsgetragene Band, das eine Person zu einer anderen spezifischen Person anknüpft und das sie über Raum und Zeit miteinander verbindet."
4 Bindungstheorie John Bowlby Ein Säugling entwickelt im Laufe des ersten Lebensjahres eine spezifische emotionale Bindung an eine Hauptbindungsperson Die emotionale Bindung sichert das Überleben des Säuglings Die Bindungsperson ist der sichere emotionale Hafen für den Säugling
5 Bindungstheorie I Durch Angst und Trennung wird das Bindungsbedürfnis aktiviert Durch körperliche Nähe zur Bindungsperson wird das Bindungsbedürfnis wieder beruhigt
6 Bindungstheorie II Das Bindungsbedürfnis steht im Wechsel mit dem Erkundungsbedürfnis Wenn das Bindungsbedürfnis beruhigt ist, kann der Säugling die Umwelt erkunden
7 Feinfühligkeit Die Pflegeperson mit der größten Feinfühligkeit in der Interaktion wird die Hauptbindungsperson für den Säugling große Feinfühligkeit fördert eine sichere Bindungsentwicklung Die Bindungsperson muss nicht die leibliche Mutter sein
8 Feinfühligkeit II Verhalten Sprache Rhythmus Blickkontakt Berührung
9 Feinfühligkeit Die Pflegperson muss die Signale des Säuglings wahrnehmen richtig interpretieren angemessen reagieren prompt reagieren
10 Sprachliche Interaktion Förderung einer sicheren Bindung durch die Verbalisierung der inneren Welt der affektiven Zustände der Handlungszusammenhänge des Säuglings
11 Rhythmus der Interaktion in Handlung und Sprache Förderung einer sicheren Bindung durch Wechselseitige Abstimmung in der Mutter- Säuglings-Interaktion und Kommunikation Korrektur von Missverständnissen unsichere Bindung über-synchrone Interaktion und Kommunikation absolut asynchrone Interaktion
12 Blickkontakt Blickkontakt mit gelungener Affektabstimmung (Intersubjektivität) zwischen Säugling und Pflegeperson fördert die sichere Bindungsentwicklung
13 Berührung Feinfühlige Berührung und Körperkontakt zwischen Pflegeperson und Säugling fördert die sichere Bindungsentwicklung
14 Videobeispiel Mutter-Kind-Interaktion Spielen Wickeln Füttern Split-Screen-Technik
15 Bindungsqualitäten I sicher (ca. 65%) unsicher vermeidend (ca. 25%) ambivalent (ca. 10%)
16 Bindungsqualitäten II Organisierte vs. Desorganisierte Bindung Organisiert (sicher, unsicher) (ca. 80%) Desorganisiert (ca. 20%) Nach Trauma Eltern (ca % desorganisiert)
17 Video-Demonstration Bindungsqualität des 14 Monate alten Säuglings in der Fremden Situation Zweimalige Trennung von der Mutter Beobachtung der Trennungs- und Begrüßungsreaktion Wechsel von Bindung und Erkundung
18 Bindung und psychische Entwicklung Sichere Bindung SCHUTZ Un-sichere Bindung RISIKO
19 Folgen der Bindungsentwicklung (1) Sichere Bindung Schutzfaktor bei Belastungen Mehr Bewältigungsmöglichkeiten Sich Hilfe holen Mehr gemeinschaftliches Verhalten Empathie für emotionale Situation von anderen Menschen Mehr Beziehungen Mehr Kreativität Mehr Flexibilität und Ausdauer Mehr Gedächtnisleistungen und Lernen
20 Folgen der Bindungsentwicklung (2) Un-Sichere Bindung Risikofaktor bei Belastungen weniger Bewältigungsmöglichkeiten Lösungen von Problemen eher alleine Rückzug aus gemeinschaftlichen Aktivitäten weniger Beziehungen Mehr Rigidität im Denken und Handeln Weniger prosoziale Verhaltensweisen schlechtere Gedächtnisleistungen und Lernen
21 Bindung zwischen den Generationen Zusammenhang zwischen Bindung der Eltern und des Kindes sichere Eltern mit sicheren Kindern Mutter-Kind ca. 75% Vater-Kind ca. 65% unsichere Eltern mit unsicheren Kindern traumatisierte Eltern mit desorganisierten Kindern
22 Ursachen von Bindungsstörungen Multiple unverarbeitete Traumatisierungen von Kindern durch Bindungspersonen Massive Vernachlässigung Sexuelle Gewalt Körperliche Gewalt Emotionale Gewalt Häufig wechselnde Bezugssysteme Häufige Verluste von Bezugspersonen
23 Auslöser ( Trigger ) für Trauma-Erinnerung Bindungspersonen werden durch Verhalten der Kinder an eigenes Trauma erinnert Trigger im Verhalten des Säuglings, Kindes, Jugendlichen Bindungswünsche, Nähe Weinen, Kummer, Schmerz, Bedürftigkeit Ablösung, Abgrenzung Trigger in der affektiven Erregung unbewusste Vorgänge!!!
24 Re-Inszenierung des Traumas In der Interaktion mit dem Säugling Zurückweisung der Nähewünsche -Vermeidung Gewalt Abrupte Handlungsabbrüche Überstimulation (sexuell-sensorisch) In der affektiven Kommunikation Übertragung der Trauma-Affekte Wut, Scham, Erregung
25 Folgen von Bindungsstörungen I Zerstörung der sicheren emotionalen Basis Verlust von emotionaler Sicherheit und Vertrauen mangelnde Beziehungsfähigkeit Hochgradige Verhaltensstörung in bindungsrelevanten Situationen
26 Folgen von Bindungsstörungen II psychosomatische Störungen aggressives Verhalten im Konflikt Defizite in den kognitiven Möglichkeiten Störung in der Entwicklung des Gehirns Weitergabe an die nächste Generation
27 Neurobiologie Veränderungen nach Trauma 1. Stufe der Bewältigung Suche nach Bindungsperson Sicherheit, Beruhigung 2. Stufe der Bewältigung Aktivierung von archaischen Notfallreaktionen Flucht oder Kampf Erstarrung Ohnmacht und Hilflosigkeit Langanhaltende Stimulation der Hormonsysteme für Stresshormone
28 Neurobiologie Veränderungen nach Trauma Destabilisierung und Regression von Cortisol-sensitiven Neuronen im Hippocampus, limbischen System und präfrontalen Cortex Massive Erregung der Neuronen durch exzitatorische Reize (Glutamat) Degeneration von Neuronen
29 Störungen der Hirnentwicklung nach Trauma (Deprivationsforschung bei Tieren) Abbau von Nervenzellen im Gehirn Verringertes Hirnvolumen Erweiterte Hirninnenräume
30 Bindungsstörungen ohne Bindung Promiskuität Übererregung Hemmung Aggression Unfall-Risiko Rollenwechsel Psychosomatik
31 Bindungsstörungen und Psychopathologie Bindungsstörungen sind eine schwerwiegende frühe Psychopathologie Sie bedeuten immer eine erhebliche Gefährdung des Kindeswohls
32 Primäre Prävention von Bindungsstörungen Förderung der elterlichen Feinfühligkeit Schulung über Bedeutung der sicheren Bindung Verhinderung von unvorbereiteten Trennungen Vermeidung von Traumatisierung Behandlung nach Traumaerfahrung
33 SAFE SICHERE AUSBILDUNG FÜR ELTERN Ein Trainingsprogramm zur Förderung einer sicheren Bindung zwischen Eltern und Kind Karl Heinz Brisch Kinderklinik und Kinderpoliklinik im Dr. von Haunerschen Kinderspital Abteilung Pädiatrische Psychosomatik und Psychotherapie Ludwig-Maximilians-Universität München
34 Ziele der primären Prävention Förderung der psychischen Gesundheit von Eltern und Kindern Entwicklung von sicherem Bindungsverhalten Sensibilisierung der Eltern für die emotionalen Bedürfnisse ihrer Kinder Einübung von feinfühligem Interaktionsverhalten Verarbeitung von elterlichen Traumatisierungen Durchbrechung von Teufelskreisen
35 Zielgruppen Werdende Väter und Mütter Erstgebärende Mehrgebärende Paare und Alleinerziehende Motivation für emotionale Entwicklung ihres Kindes
36 Module von SAFE Pränatal Postnatal Hotline Traumatherapie
37 Modul Pränatal 4 Sonntage während der Schwangerschaft in der 20., 24., 28., 32. Schwangerschaftswoche Inhalte (Video-gestütztes Lernen) Phantasien und Ängste der Eltern Pränatale Bindung Kompetenzen des Säuglings und der Eltern Rollenerwartung und Elternmodell Eltern-Säuglings-Interaktion mit Video- Feedbacktraining Stabilisierungs- und Entspannungsverfahren
38 Modul Postnatal Elterngruppen an 6 Sonntagen nach der Geburt 1 Monat, 2 Monate 3 Monate, 6 Monate, 9 Monate, 12 Monate Inhalte Geburtsverarbeitung und Postpartale Depression elterliche Kompetenzen Mutter-Vater-Kind Triangulierung Entspannungstechniken, Impulskontrolle Bewältigung von interaktionellen Schwierigkeiten Entwicklung des Bindungs- und Explorationsverhaltens Video-Feedback-Training
39 Modul Hotline Individuelle Beratung der Eltern, wenn es brennt ( Schreianfall des Säuglings) Am Telefon In der psychosomatischen Beratungsstelle Emotionale Sicherheit für Eltern Eltern kennen BeraterIn aus der Elterngruppe - Vertrauensverhältnis Stärkung der elterlichen Kompetenzen
40 Fokale Traumatherapie Kinder triggern traumatische Erfahrungen der Eltern ( Geister im Kinderzimmer ) Individuelle fokale Psychotherapie für Vater / Mutter Prävention einer Wiederholung des erlebten Traumas mit eigenen Kindern
41 SAFE - Mentor- Multiplikatoren Weiterbildung in SAFE für Hebammen Schwangerschaftsberaterinnen Krankenschwestern Geburtshelfer Kinderärzte Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten Psychologen u. a.
42 Innovation Beginn in der Schwangerschaft Nutzung des Gruppeneffektes Fortführung bis Ende des 1. Lebensjahres Kombination von Gruppe und Einzelberatung Hotline bietet Sicherheit im Alltag Präventive individuelle Psychotherapie durchbricht Teufelskreis Keine Diskriminierung von High-Risk-Eltern
43 Sponsoring Aktion Mensch Bündnis für Kinder. Gegen Gewalt. Hauner Verein
44 Sekundäre Prävention durch frühzeitige Therapie von Störungen der Mutter-Kind-Interaktion Herstellung einer sicheren emotionalen therapeutischen Bindung Lebensgeschichte Erfahrungen von Trennung, Verlust, Trauma Bearbeitung der Realtraumata Wiederbelebung in der Übertragung Veränderung von Realbeziehungen Veränderung der Bindungshaltung
45 Videobeispiel Vor Therapie Depressive Mutter-Kind-Interaktion Nach Therapie Auf dem Weg zur sicheren Bindungsentwicklung
46 B.A.S.E. Babywatching B = Babywatching A = Against Aggression and Anxiety S = For Sensitivity E = For Empathy
47 Baby-Beobachtung im Kindergarten Vorbeugung von aggressiven und ängstlichen Verhaltensstörungen Karl-Heinz Brisch Kinderklinik und Kinderpoliklinik im Dr. von Haunerschen Kinderspital Abteilung Pädiatrische Psychosomatik und Psychotherapie Ludwig-Maximilians-Universität München
48 Präventionsprogramm Ziele Empathiefähigkeit Verhinderung von Feindseligkeit Abbau von Ängstlichkeit
49 Kindergarten-Programm Baby-Beobachtung I Kindergruppe beobachtet einen Säugling in der Interaktion mit seiner Mutter Beginn nach der Geburt bis ca. zum Ende des 1. Lebensjahres Bis zum freien Laufen und ersten Worten
50 Kindergarten-Programm Baby-Beobachtung II Anleitung der Beobachtung durch Erzieherinnen Eine Erzieherin führt die Gruppe, während eine Erzieherin die Beobachtung leitet Protokollführung Frequenz 1 x pro Woche Stuhlkreis Dauer ca Min.
51 Ergebnisse I Verhaltenseinschätzungen der Kinder (N=50, Alter M=50 Monate) durch Erzieherinnen Eltern Test am Beginn und Ende der Intervention Vergleich zwischen Kontrollgruppe ohne Intervention und Interventionsgruppe
52 Zusammenfassung Insgesamt positive Effekte bei Jungen und Mädchen in der Interventionsgruppe im Vergleich mit der Kontrollgruppe Positive Veränderungen bei externalisierenden Störungen (weniger Aggressivität, mehr Aufmerksamkeit) Positive Veränderungen bei internalisierenden Störungen (weniger Ängste, weniger Schlafstörungen) Ähnlich positive Einschätzungen bei Erzieherinnen und Eltern
53 Zusammenfassung II Für alle Beteiligten ein emotional positives Erlebnis Beobachtbare Generalisierung der Art der Baby-Beobachtung im Spiel miteinander Kostenneutrale präventive Intervention Ergebnisse sind vorläufig Weitere Evaluationen laufen
54 Zukunft größere Verbreitung und Erprobung Evaluation in sozialen Brennpunkten wird zur Zeit in München durchgeführt Erprobung in anderen Altersgruppen (Grundschule)
55 Vor-Konferenz 01. Dezember 2006 in München Entwicklungsneurologie und Pflege des Frühgeborenen Vom Protokoll zur Beziehung Prof. Heidelise Als Children`s Hospital Boston, Harvard Medical School INFO
56 Internationale Konferenz Dez München Der Säugling Bindung, Neurobiologie und Gene Grundlagen für Prävention, Beratung und Therapie Karl-Heinz.Brisch@med.uni-muenchen.de
57 Literatur Brisch, K. H. (1999) Bindungsstörungen. (6. Auflage, 2005), Stuttgart, Klett-Cotta Brisch, K.H., Grossmann, K.E., Grossmann, K., Köhler, L. (Hrsg.) (2002). Bindung und seelische Entwicklungswege. (2. Auflage, 2006) Stuttgart, Klett-Cotta Brisch, K. H., Hellbrügge, Th. (Hrsg.) (2003) Bindung und Trauma. Stuttgart, Klett-Cotta Brisch, K.H., Hellbrügge, Th. (Hrsg.) (2006) Kinder ohne Bindung. Stuttgart, Kett-Cotta Brisch, K.H., Hellbrügge, Th. (Hrsg.) (im Druck) Die Anfänge der Eltern-Kind-Bindung. Schwangerschaft, Geburt und Psychotherapie. Stuttgart, Kett-Cotta, Erscheinungstermin Dezember 2006
58 John Bowlby (1980) Emotionale Bindungen an andere Menschen sind der Angelpunkt, um das sich das Leben eines Menschen dreht, nicht nur in der Säuglingszeit oder im Kindergartenalter, sondern auch in der Schulzeit und Jugend sowie im Erwachsenleben bis ins hohe Alter. Aus diesen emotionalen Bindungen schöpft ein Mensch Kraft und Lebenszufriedenheit, und er kann hieraus auch wieder anderen Menschen Kraft und Lebensfreude schenken. Dies sind Themen, in denen sich die Erkenntnisse der modernen Wissenschaft und traditionaler Weisheit treffen und übereinstimmen.
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