Stand des Gesetzgebungsverfahrens zur Neuordnung des Gentechnikrechts
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- Reiner Krämer
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1 Stand des Gesetzgebungsverfahrens zur Neuordnung des Gentechnikrechts MinDirig Dr. Manfred Lückemeyer Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft Tagung Gentechnik in der Landwirtschaft Koexistenz verschiedener Anbauformen sichern, am 21. Juli 2004, Osterburg (Sachsen-Anhalt) I. Ausgangssituation Der Umgang mit Gentechnik wurde und wird insbesondere wegen seiner Relevanz für Wettbewerb und freien Warenverkehr in seiner wesentlichen Substanz auf der Ebene der Europäischen Union geregelt. Die 1990 verabschiedete Richtlinie 90/220/EWG ( Freisetzungsrichtlinie ) wurde 1992 mit dem Gentechnikgesetz in deutsches Recht umgesetzt. Alsbald wurde in Wirtschaft und Forschung der Ruf nach Liberalisierung der Schutz- und Vorsorgebestimmungen laut und auf EU-Ebene der Novellierungsprozess eingeleitet, der 2001 mit der Verabschiedung einer neuen Freisetzungsrichtlinie (Richtlinie 2001/18/EG) endete. Das Ergebnis dieser Novellierung spiegelt einen Umkehrprozess in der öffentlichen Meinung über Gentechnik im Lebensmittelbereich ( Grüne Gentechnik ) in der Europäischen Union wider. In der Zwischenzeit waren nämlich erhebliche Zweifel an der Legitimität, Zweckmäßigkeit und Sicherheit dieser Innovation gewachsen, deren Ausmaß sich am besten in der Ablehnung der Grünen Gentechnik durch 70 % der Bevölkerung bei Befragungen darstellt. Auf europäischer Ebene führten diese Bedenken 1998 zu einer Aussetzung der Genehmigung des Inverkehrbringens gentechnisch veränderter Pflanzen durch die EU-Kommission (sog. Moratorium ), die durch die Blockadehaltung einiger Mitgliedstaaten mit der Begründung zustande kam, es fehlten wesentliche Elemente des Verbraucherschutzes, so z.b. eine umfassende Regelung der Kennzeichnung von Lebens- und Futtermitteln, die unter Anwendung der Gentechnik erzeugt werden. Mit den Verordnungen EG Nr. 1829/2003 und EG Nr. 1830/2003 wurden die geforderten Regelungen inzwischen in Kraft gesetzt und das sog. Moratorium im Frühjahr 2004 beendet.
2 2 II. Stand des Gesetzgebungsverfahrens Die Bundesrepublik Deutschland ist ihrer Verpflichtung, die RL 2001/18/EG in deutsches Recht umzusetzen und das EU-Recht so anwendbar zu machen - übrigens wie fast alle anderen Mitgliedstaaten auch, bisher nicht nachgekommen. Dies ist auch darauf zurückzuführen, dass die Bundesregierung sich auf eine bloße Anpassung deutschen Rechts nicht beschränken, sondern weitere Sachverhalte regeln will, die sich als regelungsbedürftig herausgestellt haben. Bei Ablehnung der grünen Gentechnik durch 70 % der Bevölkerung stellt sich für eine im Verbraucherschutz ambitionierte Regierung um so mehr die Notwendigkeit, die Wahlfreiheit sicherzustellen für die Verbraucher zwischen Lebensmitteln, die mit Anwendung, und solchen, die ohne Einsatz der Gentechnik produziert werden. Die Wahlfreiheit ist prinzipiell gefährdet, da beide Bereiche der Agrarproduktion sich auf biologischem (z.b. Auskreuzung) als auch auf technischem Weg (Mischung in Verarbeitungsmaschinen etc.) beeinflussen. Das zu schaffende Gesetz war also mit einschlägigen Abwehr- und Ausgleichsregelungen zu Gunsten der Lebensmittelerzeugung ohne Gentechnik auszustatten. Die Bundesregierung legte einen entsprechenden Entwurf vor, zu dem der Bundesrat über 80 Änderungsbegehren formulierte, deren Essenz im Wesentlichen in der Ablehnung der Abwehrund Ausgleichsrechte bestand. Bei der gegebenen Pattsituation im Bundesrat sahen die Bundesregierung und die sie bildenden Fraktionen des deutschen Bundestages eine Realisierung der Abwehr- und Ausgleichsrechte als aussichtslos an. Die Koalitionsfraktionen entschlossen sich deshalb, den vorliegenden Gesetzentwurf der Bundesregierung in zwei Entwürfe aufzuspalten, wovon der eine die Regelungen enthält, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedürfte. Dieser wurde als Initiativgesetz am 18. Juni vom Deutschen Bundestag beschlossen und sodann vom Bundesrat an den Vermittlungsausschuss überwiesen. Dort wird mit großer Wahrscheinlichkeit eine Einigung nicht erreichbar sein und danach, den Erfahrungen aus vielen vergleichbaren Fällen entsprechend, das sich ergebende ablehnende Votum des Bundesrates durch Mehrheitsbeschluss des Bundestages zurückgewiesen. Damit würde der Weg vom Inkrafttreten des Gesetzes freigemacht werden. Der zustimmungsbedürftige Teil der gesamten Regelungsmaterie wird zu einem späteren Zeitpunkt erneut in den Deutschen Bundestag einzubringen und dann auf dem vom Grundgesetz bestimmten Wege zu verabschieden sein. Diese Prozedur ist unumgänglich, da mit dem beschlossenen Einspruchsgesetz noch nicht alle Vorschriften der Freisetzungsrichtlinie umgesetzt sein werden. Die Trennung der gesamten Regelungsmaterie in ein sog. Einspruchsgesetz und ein zustimmungsbedürftiges Gesetz ist mit dem Hinweis kritisiert worden, die Bundesregierung manövriere in rechtlich unzulässiger Weise den Bundesrat und damit die Länder aus. Zutreffend ist, dass die Regelung einer Materie durch ein Einspruchsgesetz im Rahmen der konkretisierenden Gesetzgebung mit dem Grundgesetz vereinbar ist, wenn damit nicht auch Verwaltungsverfahren der Län-
3 3 der geregelt werden, und dass es einer rechtmäßig zustande gekommenen Regierungsmehrheit zuzugestehen ist, ihre politischen Vorstellungen auf legalem Wege zu realisieren. III. Abwehr-, Ausgleichs- und Schutzregelungen des Gesetzes zur Neuordnung des Gentechnik-Rechts 1. Haftungsregelung Es war und ist Ziel der Bundesregierung, die gentechnikfreie Lebensmittelerzeugung wirksam zu schützen und dazu Schäden, die sie durch den Gentechnik-Einsatz (anderer Unternehmen) erleidet, angemessen auszugleichen. Ein vom Bundesrat vorgeschlagener, durch staatliche Finanzierung gespeister Haftungsfonds ist abzulehnen, weil dadurch das Verursacherprinzip grob missachtet würde. Einer spezifischen Haftungsregel bedarf es, da die bestehenden Haftungsvorschriften nicht auf das vorliegende Problem zugeschnitten sind und somit Unsicherheiten und Verzögerungen bei den allfälligen gerichtlichen Klärungen entstünden. Gewählt wurde der Weg, an den 906 BGB anzuknüpfen und zu bestimmen, dass - die Übertragung gentechnisch bedingter Eigenschaften auf andere Erzeugnisse eine wesentliche Beeinträchtigung im Sinne des 906 BGB darstellt, wenn entgegen der Absicht des Erzeugers die Erzeugnisse dadurch nicht, nicht ohne Erlös mindernde Kennzeichnung oder nicht als Produkt des Ökolandbaus oder mit der Kennzeichnung ohne Gentechnik in Verkehr gebracht werden dürfen; - der Anbau von gv-pflanzen nach den jetzt getroffenen Legaldefinitionen nicht ortsüblich und die Gute Fachliche Praxis dem Anbauer wirtschaftlich zuzumuten ist, so dass kein Haftungsausschuss nach 906 BGB in Betracht kommt; Ist unter mehreren möglichen Verursachern der wesentliche Verursacher nicht zu ermitteln, so kann der Geschädigte einen der Schädiger gesamtschuldnerisch in Anspruch nehmen. Diese Beweiserleichterung soll dem Geschädigten die Durchsetzung seiner Ansprüche erleichtern. 2. Verpflichtung des Anbauers zur Anwendung der Guten Fachlichen Praxis Jeder Anbauer hat Vorsorge zu treffen, dass die Ziele des Gentechnikgesetzes u. a. Schutz der Umwelt, der Gesundheit des Menschen und Erhaltung der Möglichkeit, Produkte ohne Anwendung der Gentechnik zu erzeugen erreicht werden. Sind Schäden unvermeidbar, so ist der Anbau von GVO unzulässig. Hauptfall der Beeinträchtigungen sind Auskreuzung durch Polleneintrag und Vermischung der Früchte. Der Anbauer von GVO-Pflanzen hat zur Vermeidung Mindestabstände mit seiner Kultur
4 4 zu anderen, gefährdeten zu halten, seine Sortenwahl ggf. entsprechend zu gestalten, den Durchwuchs zu bekämpfen. Auch natürliche Barrieren wie z.b. Hecken, Gehölze etc. können zum Schutz angelegt werden. Der Anbauer hat Aufzeichnungen zu führen. Der Betreiber (Inhaber der Genehmigung) hat dem Anbauer eine Produktinformation mit zu liefern, durch die dieser auf die ihn betreffenden gesetzlichen Vorgaben hingewiesen wird. Die Bundesregierung soll durch Gesetz ermächtigt werden, in Verordnungen, die der Zustimmung des Bundesrates bedürfen, Genaueres zur Guten Fachlichen Praxis und zur Produktinformation ebenso wie die Verpflichtung des Ausbauers zur Vorlage eines Befähigungsnachweises im Detail zu regeln. 3. Standortregister Die Richtlinie 2001/18/EG schreibt die Einrichtung eines Standortregisters vor. In Deutschland soll die Umsetzung dieser Vorschrift durch die Einrichtung eines Registers beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) erfolgen; die Länder sind frei, eigene Register aufzustellen. Wer GVO freisetzen oder anbauen will, muss dem BVL die vorgeschriebenen Daten mitteilen; beim Anbau sind dies: der Erkennungsmarker, die veränderte Eigenschaft (z.b. Herbizidresistenz), sein Name, seine Anschrift und die Grundstückskennung. Außer dem Namen des Anbauers sind alle im Register gespeicherten Daten öffentlich zugänglich. Jeder Landwirt kann sich also informieren, ob in seiner Nähe und wenn ja, welche GVO angebaut werden. Bei berechtigtem Interesse wird ihm auch der Name des Anbauers mitgeteilt. 4. Schutz ökologisch sensibler Gebiete Durch das Gesetz zur Neuordnung des Gentechnik-Rechts wird das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) um 34 a ergänzt. Danach ist der Anbau von GVO Projekten und Plänen gleichgestellt, die die Schutzwirkungen des 34 dann auslösen, wenn sie geeignet sind, ein Schutzgebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung oder ein europäisches Vogelschutzgebiet erheblich zu beeinträchtigen. In dem Falle kann die Behörde wie in 34 BNatSchG vorgesehen Verbote aussprechen oder Auflagen verfügen. 5. Beobachtung nach Zulassung (Monitoring) Zu den Pflichten eines Betreibers gehört es, in den Verkehr gebrachte GVO daraufhin zu beobachten, ob die bei der Zulassung durchgeführte Risikobewertung stichhaltig war und ob sich evtl. schädliche Auswirkungen ergeben, die in der Risikobewertung nicht geprüft wurden. Beim Anbau von GVO wird der Betreiber (in aller Regel das Saatzuchtunternehmen) häufig Beobachtungspflichten vertraglich auf den Anbauer delegieren müssen, da in erster Linie dieser die Möglichkeit der laufenden Beobachtung hat.
5 5 IV. Schlussbetrachtung Ob das Gesetz die beabsichtigte Schutzwirkung erreichen wird, muss sich alsbald nach seinem Inkrafttreten herausstellen. Bei der Neuartigkeit, Einmaligkeit und Komplexität der geregelten Materie können unbeabsichtigte Wirkungen nicht ausgeschlossen werden. Dieses liegt aber in der Natur von Gesetzen, die die Anwendung neuer Technologien regeln.
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