Beten gegen die Angst Predigt zu Joh 16,23-33 (Rogate, )

Transkript

1 Beten gegen die Angst Predigt zu Joh 16,23-33 (Rogate, ) Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen. Liebe Gemeinde, immer wieder hat Jesus mit seinen Jüngern übers Beten geredet: Wie sie beten können, um was sie beten können und vor allem: Wer derjenige ist, zu dem sie beten. So auch im Predigtabschnitt heute morgen. Ich lese Johannes 16, die Verse sowie den Vers 33: 23 Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn ihr den Vater um etwas bitten werdet in meinem Namen, wird er's euch geben. 24 Bisher habt ihr um nichts gebeten in meinem Namen. Bittet, so werdet ihr nehmen, dass eure Freude vollkommen sei. 25 Das habe ich euch in Bildern gesagt. Es kommt die Zeit, dass ich nicht mehr in Bildern mit euch reden werde, sondern euch frei heraus verkündigen von meinem Vater. 26 An jenem Tage werdet ihr bitten in meinem Namen. Und ich sage euch nicht, dass ich den Vater für euch bitten will; 27 denn er selbst, der Vater, hat euch lieb, weil ihr mich liebt und glaubt, dass ich von Gott ausgegangen bin. 28 Ich bin vom Vater ausgegangen und in die Welt gekommen; ich verlasse die Welt wieder und gehe zum Vater. 1

2 33 Das habe ich mit euch geredet, damit ihr in mir Frieden habt. In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden. (Gebet) Liebe Gemeinde, eine Aufforderung zum Beten, bei der Jesus am Ende ganz nüchtern feststellt, was denn die Situation ist, die zum Beten führt: Ihr habt Angst, sagt er. Ohne Vorwurf, ohne Beschönigung: In der Welt habt ihr Angst. Sicher, es folgt die Ermutigung: Seid getrost! Ähnlich wie die Aufforderung, die so oft in der Bibel steht: Fürchtet euch nicht! Aber zunächst einmal stellt Jesus fest: Ihr habt Angst. Gar nicht so einfach, wenn man das so ins Gesicht gesagt bekommt. Da kann man sich schon ertappt fühlen. Eigentlich versuchen wir doch, unsere Ängste von uns wegzuschieben, sie zu überdecken mit möglichst sicherem Auftreten, mit Parolen der Selbstversicherung: Wird schon alles gut werden. Hat ja bis jetzt noch immer geklappt. Oder wir lenken den Blick auf die Not anderer: Ja, der muss Schlimmes durchmachen. Bei dem sieht s wirklich schlimm aus. Und in Klammern denkt man sich: Dann kann s doch mit mir gar nicht so schlimm aussehen. Hauptsache, die Angst kommt nicht zum Vorschein. 2

3 Dabei ist sie ja da: Die Angst vor Krankheit, die Angst vor dem Älterwerden, die Angst davor zu versagen, die Angst andere zu enttäuschen, die Angst vor Einbrechern, die Angst etwas zu verlieren, und sei es den Hausschlüssel, die Angst, dass den Kindern etwas zustößt, die Angst vor der Dunkelheit, die Angst vor Armut, die Angst vor einer Spritze, die Angst vor dem Zahnarzt, die Angst vor der Mathearbeit, die Angst vor dem Referat, die Angst vor Veränderungen, die Angst, nicht mehr gebraucht zu werden, die Angst vor Flüchtlingen, die Angst vor Krieg, die Angst vor Menschen, vor Hunden, vor Spinnen und natürlich auch die Angst vor der Angst. Sicher, nicht hinter jeder Angst steckt eine große Gefahr. Und nicht jeder von uns hat dieselben Ängste. Aber die Angst ist da. Angst hat verschiedene Ursachen: Ein ängstliches Wesen ist genetisch bedingt, also vererbt. Manche Ängste werden uns beigebracht. Angst kann aufkommen, wenn wir erkennen, dass wir nicht alles so im Griff haben, wie wir es gerne hätten. Das macht die Angst so unangenehm. Sie erinnert uns daran, dass wir in bestimmten Situationen machtlos und hilflos sind. Deshalb schieben wir die Angst auch so gerne von uns weg, weil wir uns lieber in dem Gefühl der Sicherheit wiegen: Ich hab schon alles im Griff. Wenn ein Problem auftritt, muss ich nur den richtigen Hebel umlegen, und alles wird wieder 3

4 gut: den richtigen Arzt aufsuchen, die richtige Versicherung abschließen, den richtigen Tipp aus einem klugen Ratgeber befolgen. Und das kleine finanzielle Polster auf dem Konto kann ja auch für so manches herhalten. Also: Kein Grund zu Sorge, kein Grund zur Angst! Kein Grund zur Sorge das klingt eigentlich ganz biblisch. Hat Jesus nicht auch immer wieder gesagt: Macht euch keine Sorgen! Und eben: Fürchtet euch nicht! Doch, hat er. Aber nicht deshalb, weil er uns zutraut, dass wir schon alles selbst im Griff haben. Jesus kommt auf die Angst zu sprechen, weil er übers Beten spricht: Wenn ihr den Vater um etwas bitten werdet in meinem Namen, wird er's euch geben. Hier und immer wieder fordert Jesus seine Jünger zum Beten auf. Zum konkreten Beten, für konkrete Anliegen und mit der konkreten Erwartung: Gott hört und er erhört unser Gebet. Beten ist ja mehr als ein frommes Ritual mit den immergleichen Worten: Sicher, es gibt Gebete, die man auswendig kann, etwa das Vaterunser oder Psalm 23. Und es spricht nichts dagegen, wenn man sich beim Beten Worte ausleiht. Aber Beten ist eben auch das persönliche Gespräch mit Gott, bei dem ich mein Leben vor ihm ausbreite, mit Dank und Fürbitte, mit Lob und Klage alles vor ihn bringe. 4

5 Nicht, um ihn zu informieren. Er kennt mich ja ganz genau, und er weiß, was in meinem Leben passiert. Nein, nicht um zu informieren, sondern um deutlich zu machen: Ich vertraue mich dir an. Mein ganzes Leben soll von dir geleitet sein. Und deshalb sage ich dir auch, was mir Angst macht. Das Fatale an der Angst ist: Sie wirkt sich negativ aus, gerade dann wenn sie unterdrückt wird. Angst kann lähmen. Sie kann uns daran hindern, wichtige Aufgaben anzugehen. Weil wir befürchten, wir könnten es falsch machen. Oder weil wir die Folgen nicht abschätzen können. Angst kann Konflikte hervorrufen. Sie kann dazu führen, dass wir Menschen ablehnen oder Situation abwehren. Und weil wir nicht zugeben wollen, wovor wir Angst haben, suchen wir nach Ausreden. In der Diskussion um die Aufnahme von Flüchtlingen haben manche Menschen Angst. Angst vor Menschen, die fremd sind. Weil man das aber nicht zugeben will, sucht man nach Ausreden: Wir können nicht allen helfen, oder Die wollen nur unser Sozialsystem ausnutzen. Wer sich mit Latif, Jaqoob, Shermohamad oder Khan Wazeer unten im Wasserschloss unterhält, stellt schnell fest: Die möchten sich einbringen, die würden gerne arbeiten. Sie sehnen sich einfach nach einem Ort, wo sie mit anderen zusammen in Frieden leben können. 5

6 Und auch sie haben Angst: dass sie hier keine Chance bekommen, dass sie wieder zurück müssen in das Land, wo sie keine Lebensperspektive haben und wo ihr Leben bedroht ist. Jesus macht uns Mut, unsere Ängste nicht zu unterdrücken, sondern sie auszusprechen. Ja, es stimmt: Dieses macht mir Angst. Und jenes auch. Aussprechen nicht nur vor mir selbst oder vor anderen, sondern auch vor Gott: Hier ist das, was mir Angst macht. Was kannst du daraus machen? Und so kann die Angst zur Anfangssituation des Glaubens werden. In der Bibel ist das immer wieder so: Weihnachten beginnt mit der Angst der Hirten auf dem Feld von Bethlehem. Ostern beginnt mit der Angst der Frauen, weil der Stein weggerollt und das Grab leer ist. Glaube beginnt mit dem Erschrecken: über die eigene Ohnmacht, darüber, wie brüchig und unabwägbar mein Leben ist. Darüber, dass es das gibt, dieses unangenehme Gefühl der Angst. Glaube beginnt mit dem Erschrecken. Wer sich seiner Angst bewusst wird, der wird offen für die Einladung, die Jesus uns macht. Wir sollen unsere Angst nicht verdrängen, wir müssen uns aber auch nicht von ihr beherrschen lassen. Wer sich seiner Angst bewusst wird, der hört hin, wenn Jesus sagt: Seid getrost, ich habe die Welt überwunden. 6

7 Oder zuvor: Wenn ihr den Vater um etwas bitten werdet in meinem Namen, wird er's euch geben ( ), denn er selbst, der Vater hat euch lieb. Jesus lädt uns ein und fordert uns auf zu beten. Er gibt uns sozusagen eine Waffe gegen die Angst in die Hand. Jesus selbst hat von dieser Waffe Gebrauch gemacht. Auch er hatte Angst, als er kurz vor seinem Tod mit den Jüngern im Garten Gethsemane war. Die Jünger schlafen. Er weiß, dass er von ihnen nichts zu erwarten hat. Also betet er: Vater, wenn es möglich ist, dann lass diesen Leidenskelch an mir vorübergehen. Aber nicht wie ich will, sondern wie du willst. Äußerlich gesehen ändert sich nichts. Aber Jesus bekommt die Kraft, den Weg weiterzugehen und für uns bis ans Kreuz zu gehen. Das Gebet ist ja kein Wunschautomat. Das Gebet ist getragen vom Vertrauen: Gott hat den Überblick, den ich nicht habe. Deshalb gilt: Sein Wille soll geschehen. Wenn ihr bitten werdet in meinem Namen, sagt Jesus. Das bedeutet: - Beten, weil er uns dazu auffordert. - Beten, weil er uns mit dem Vaterunser selbst Worte zum Beten gegeben hat. 7

8 - Beten, weil er uns den Vater gezeigt hat, zu dem wir beten: Es ist der Vater, der uns liebt, und der gerne unsere Gebete erhört. Beten in Jesu Namen, das bedeutet schließlich: Den Zugang zu Gott nutzen, den Jesus uns eröffnet hat. Weil er am Kreuz unsere Sünde auf sich genommen hat, steht nichts mehr zwischen uns und Gott. Wir dürfen auf ihn zugehen, ihn mit unseren Bitten bestürmen, ihm unsere Sorgen, unsere Ängste, unsere Not anvertrauen. Wir dürfen in Jesu Namen. Wer in Jesu Namen betet, der weiß, dass er sich nicht an einen namenlosen Gott oder ein willkürliches Schicksal wendet, sondern an den Vater Jesu Christi: Das ist der Gott, der uns liebt und dem wir vertrauen können. Wer das erfährt, kann in den Wochenspruch aus Psalm 66 einstimmen: Gelobt sei Gott, der mein Gebet nicht verwirft noch seine Güte von mir wendet. Gelobt sei der, der meine Angst kennt und mir hilft, dennoch mutig nach vorne zu gehen. Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. G: Amen. 8