Philipp Heinz Rechtsanwalt

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1 RA Philipp Heinz * Grolmanstr. 39 * Berlin Europäische Kommission Generaldirektion Umwelt Direktion A, ENV.A.2 - Vertragsverletzung B-1049 Brüssel Philipp Heinz Rechtsanwalt Grolmanstraße Berlin TEL: 030/ FAX: 030/ FUNK: 0163/ kanzlei@philipp-heinz.de Freitag, 13. Januar 2006 PH/TL Beschwerdeverfahren Verstoß gegen EU-Naturschutzrecht durch die Bundesrepublik Deutschland, Land Nordrhein-Westfalen Unser Zeichen: H BI gg. Umweltgifte Duisburg Sehr geehrte Damen und Herren, hiermit zeige ich an, dass ich in oben genannter Angelegenheit die Bürgerinitiative gegen Umweltgifte Duisburg Nord e.v., vertreten durch den Vorstand, c/o Michael Lefknecht, Holtenerstraße 328, Duisburg vertrete. Die Bevollmächtigung wird anwaltlich versichert. Namens und in Vollmacht meiner Mandanten lege ich Beschwerde gegen die Bundesrepublik Deutschland, Land Nordrhein-Westfalen, wegen des Verstoßes gegen europäisches Naturschutzrecht ein. Die Firma STEAG plant, rund 300 bis 400 m südlich des gemeldeten Vogelschutzgebietes Unterer Niederrhein, DE in Duisburg-Walsum ein neues Steinkohlekraftwerk zu errichten. Weiter östlich und damit auch weiter entfernt vom besonderen Schutzgebiet bestehen bereits zwei Kraftwerksblöcke, die erheblich kleiner sind. Vor allem aber nutzen sie die Wärme-Kraft-Kopplung und kommen so ohne Kühlturm aus. Der jetzt bei der Bezirksregierung Düsseldorf beantragte Vorbescheid sieht einen rund 180 m hohen und 60 m breiten Kühlturm vor. Einen Überblick über die örtliche Situation gibt die folgende Abbildung:

2 - 2 - Bei dem beantragten immissionsschutzrechtlichen Vorbescheid verlangt die Firma STEAG die Klärung der Zulässigkeit des Standorts, aber auch die Frage des Vorliegens der Genehmigungsvoraussetzungen der 6, 5 Bundesimmissionsschutzgesetz (bis auf die Frage der E- nergieeffizienz). Mithin muss im Vorbescheidsverfahren auch die naturschutzrechtliche Zulässigkeit abschließend geklärt werden. Die nationale und europaweite Bedeutung des Vogelschutzgebietes Unterer Niederrhein, u.a. für arktische Gänse wie die Blässgans und Saatgans, ist zwischen allen Beteiligten unstreitig. Vom Land Nordrhein-Westfalen bzw. der Bundesrepublik Deutschland sind die Flächenvorschläge der RAMSAR-Liste bzw. der IBA-Liste nur teilweise umgesetzt worden. Die RAMSAR Referenznummer ist 7DE028. In der IBA-Liste wird das Gebiet unter der Nr. DE 160 geführt. Nicht als Vogelschutzgebiet gemeldet ist das Binsheimer Feld samt Vorland, dessen Größe mit rund 600 ha abgeschätzt wird. Soweit hier ersichtlich, ist das Binsheimer Feld aber in der RAMSAR-Liste und IBA-Liste enthalten. Seine örtliche Lage ist sowohl auf der oben eingefügten Übersichtskarte als auch auf der im Beschwerdeformular, - Anlage 2 -

3 - 3 - eingefügten Karte ersichtlich. Soweit hier bekannt, steht das Binsheimer Feld teilweise unter Naturschutz. Fachliche Kriterien, die es rechtfertigen würden, dieses Gebiet nicht in das Schutzregime der Vogelschutzrichtlinie einzufügen, sind nicht ersichtlich. Vielmehr handelt es sich unbestritten um eines der bedeutendsten Rast- und Überwinterungsgebiete u.a. für arktische Gänse. Zum Nachweis werden aktuelle Zählungen der biologischen Station westliches Ruhrgebiet ( als - Anlage 1 beigefügt. Hieraus ist ersichtlich, dass wie in den Jahren zuvor in der Zeit vom bis u.a. jeweils viele tausend Blässgänse auf dem Binsheimer Feld samt Vorland beobachtet werden konnten. Besonders hervorzuheben sind die Tage und mit jeweils über Blässgänsen. Die aktuellen Zahlen können der genannten Internetseite entnommen werden. Auffällig ist, dass die Vorkommen im nicht gemeldeten Binsheimer Feld jedenfalls in diesem Jahr häufig ein Vielfaches von den Vorkommen in der gemeldeten Walsumer Rheinaue ausmachen. Die naturschutzfachlichen Beziehungen zwischen dem Binsheimer Feld samt Vorland und dem sich nördlich anschließenden SPA Unterer Niederrhein sind offensichtlich, ergeben sich auch aus dem Standard-Datenbogen DE und werden wohl auch nicht bestritten. Zur Illustration wird der Ausschnitt eines Fotos eingefügt, welches der Internetseite der Firma STEAG entnommen werden konnte. Auf der (teilweise) begrünten Fläche im Vordergrund soll der Block 10 samt Kühlturm errichtet werden. Auf der gegenüberliegenden Seite des Rheins befindet sich das Binsheimer Feld samt Vorland. Mit der Beschwerde werden insbesondere folgende Gesichtspunkte gerügt: 1. Die Nichtmeldung des Binsheimer Feldes samt Vorlandes als Vogelschutzgebiet im Sinne der EU-Vogelschutzrichtlinie bzw. die fachlich fehlerhafte Abgrenzung des gemeldeten Vogelschutzgebietes Unterer Niederrhein. Hier ist bekannt, dass bei der Kommission mindestens ein Vertragsverletzungsverfahren wegen der nicht ausrei-

4 - 4 - chenden Ausweisung von Vogelschutzgebieten am Unteren Niederrhein bei der Kommission anhängig ist bzw. war. Ob hiervon das Binsheimer Feld betroffen ist/war, ist nicht bekannt. 2. Unabhängig hiervon ergibt sich aus der Vogelschutzrichtlinie und der hierzu ergangenen Rechtsprechung, dass das Schutzregime der Vogelschutzrichtlinie, welches im konkreten Fall u.a. explizit die arktischen Gänse schützen soll, nicht allein auf die konkreten örtlichen Flächen begrenzt ist, sondern auch die Beziehungen zu dem Nahrungs- und Überwinterungsplätzen einbezieht: Es ist nicht denkbar, den günstigen Erhaltungsstatus einer Art zu gewährleisten, wenn ein besonders geschütztes Gebiet von der Außenwelt abgegrenzt wird. Genau Letzteres ist aber durch die Errichtung des geplanten Kraftwerkes zu erwarten. Wie die oben eingefügte Übersichtskarte zeigt, soll das Kraftwerk samt Kühlturm an einem Nadelöhr zwischen den (potentiellen) Vogelschutzgebieten errichtet werden: Östlich des geplanten Kraftwerks befinden sich weitere Industrieanlagen, ein Zechengebiet und eine dichte Besiedlung. Westlich (linksrheinisch) befindet sich die Stadt Orsoy, weitere Besiedlung und Verkehrsinfrastruktur. Es liegt also auf der Hand, dass die Vögel mangels Alternativen den für die Errichtung des Kraftwerks vorgesehenen Bereich als Flugroute nutzen. Dies wird auch durch folgendes Gutachten bestätigt, welches eine Vogelzugroute - entsprechend der in der oben eingefügten Übersicht blau eingezeichneten Linie - bestätigt: Avifaunistische Begutachtung von Konzentrationszonen für Windernergieanlagen in der Rheinniederung des Kreises Wesel, Froelich u. Sporbeck, Bochum Das Gutachten liegt hier nicht vor, sondern wurde nur eingesehen. Es kann aber z.b. bei der unteren Landschaftsschutzbehörde in Wesel bestellt werden. Es ist festzuhalten, dass die festgestellte Vogelzugroute exakt über den für den Kühlturm vorgesehenen Standort führt. Angesichts seiner Höhe von rund 180 m und seinem Durchmesser von rund 60 m wird der Kühlturm als Barriere für die Vögel wirken. Diese Wirkung dürfte verstärkt werden durch die jedenfalls in den Abend- und Nachtstunden erforderliche Beleuchtung. Weiterhin ist unstreitig, dass die Abgasfahne des Kühlturmes je nach Wettersituation über mehrere Kilometer lang sein kann. Es existiert ein zweites Windmaximum aus östlicher Richtung, sodass die Abgasfahne witterungsabhängig ein dichtes Band über den Rhein und weit darüber hinaus bilden wird. Es ist zu befürchten, dass Letzteres die Barrierewirkung des Kühlturms extrem verstärken wird. 3. Trotz dieser Tatsachen lehnt die Bezirksregierung Düsseldorf als Genehmigungsbehörde bisher die Durchführung einer Verträglichkeitsuntersuchung ab. Es gibt lediglich eine Vorverträglichkeitsstudie. Dies ist aus folgenden Gründen völlig unzureichend: Der Gutachter hat auf dem Erörterungstermin einräumen müssen, dass er als Diplom-Geograf über keine ornithologischen Kenntnisse verfügt, er habe sich im Zusammenhang mit der Bearbeitung des Gutachtens einige Grundkenntnisse angelesen. Zweitens wird auf S. 34 der Untersuchung eingeräumt, dass der Kühlturm grundsätzlich geeignet ist, Störungen auf die Flugrouten anzuüben. Anschließend wird jedoch völlig ohne wissenschaftliche Begründung und wieder besseren Wissens mit wenigen Sätzen behauptet, dass es äußerst unwahrscheinlich sei, dass Flugrouten betroffen würden. Der Gutachter musste auf dem Erörterungstermin einräumen, dass er das oben aufgeführte Gutachten kennt, welches das Gegenteil seiner Mutmaßungen darstellt. Dennoch hat er das Gutachten in seiner Vorverträglichkeitsuntersuchung nicht erwähnt. Drittens erfolgt keinerlei sachgerechte (wissenschaftliche) Auseinandersetzung mit der Problematik der zu erwartenden Abgasfahne und der Beleuchtung der Anlage. Viertens wird das nach hiesiger Kenntnis jedenfalls teilweise unter Natur-

5 - 5 - schutz stehende Binsheimer Feld samt Vorland in der Untersuchung völlig unterschlagen. Fünftens beruft sich der Gutachter pauschal darauf, dass nach einer Verwaltungsvorschrift des Landes Nordrhein-Westfalen bei einem Abstand von mehr als 300 m nicht mit Beeinträchtigungen zu rechnen sei (der Abstand beträgt zwischen 300 und 400 m zum gemeldeten Vogelschutzgebiet). Nach alldem drängt es sich geradezu auf, dass hier europäisches Naturschutzrecht verletzt wird. Um dies zu verhindern ist die Beschwerde geboten und erforderlich. Ihr Beschwerdeformular erhalten Sie als - Anlage 2. Für Rückfragen stehe ich gern zur Verfügung. Mit freundlichen Grüßen Philipp Heinz Rechtsanwalt