Anforderungen an die Gewässerunterhaltung
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- Berthold Beck
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1 Anforderungen an die Gewässerunterhaltung Der Umfang und die Aufgaben zur Gewässerunterhaltung sowie die damit verbundenen Verpflichtungen und Ermächtigungen sind im Wasserhaushaltsgesetz (WHG 28 30) des Bundes und im Brandenburgischen Wassergesetz (BbgWG 78 86) geregelt. So muss sich die Gewässerunterhaltung an den Zielen der EU Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) ausrichten und darf die Erreichung dieser Ziele nicht gefährden. Die Gewässerunterhaltung ist nach Maßgabe der von der obersten Wasserbehörde eingeführten Richtlinie und unter Beachtung der Ergebnisse der Gewässerschauen durchzuführen. Zur Orientierung werden nachfolgend Auszüge aus dieser Richtlinie des Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Raumordnung des Landes Brandenburg (Okt.1997) wiedergegeben: Auszüge aus der Hinweis: Das Foto zeigt die Pulsnitz in der Gemarkung Kroppen im Bereich des Gewässerverband Kleine Elster Pulsnitz
2 1. Einführung Das Land Brandenburg ist gekennzeichnet von weiträumigen Niederungsgebieten des Oderbruchs, des Spreewaldes, des Rhinluches im Wechsel mit Hügellandschaften des Flämings, des Havellandes, des Barnims, der Uckermark und der Prignitz. Diese Landschaften, hervorgegangen aus pleistozänen Endmoränenzügen, Urstromtälern sowie sonstigen Schmelzwasserabflussbahnen und breiten fluvialen Niederungen, sind heute stark anthropogen geprägte Kulturräume mit nur noch vereinzelt naturbelassenen Refugien. Die ursprünglich mäandrierenden und mit Ufergehölzen bewachsenen Fließgewässer sind im Laufe der Zeit zum größten Teil begradigt, aufgestaut und eingetieft worden. Naturnahe Fließe sind nur noch vereinzelt vorhanden. Sie bilden überaus schützenswerte Lebensräume für viele bedrohte Tier- und Pflanzenarten und liefern wertvolle Hinweise für die Ableitung von Leitbildern und die Planung von Ausbauund Renaturierungsmaßnahmen. Brandenburg ist trotz der geringen Niederschläge und des in weiten Regionen defizitären Landschaftswasserhaushaltes ausgesprochen gewässerreich. Neben der Vielzahl von Seen (ca Seen mit über 1 ha Größe) besitzt Brandenburg ein über km langes Fließgewässernetz. Davon sind ca km Gewässer I. Ordnung (Landesgewässer). Die Unterhaltspflicht für diese Gewässer obliegt dem Landesumweltamt. Für die Unterhaltung der Gewässer II. Ordnung mit insgesamt ca km sind flächendeckend Wasser- und Bodenverbände zuständig. Die Unterhaltung und der Ausbau der Fließgewässer waren in der Vergangenheit meist einseitig auf den Hochwasserschutz von Ortslagen, die Gewährleistung der Schifffahrt und die Be- bzw. und Entwässerung landwirtschaftlicher Nutzflächen ausgerichtet. Das Landschaftsbild und die Sicherung der Artenvielfalt von Flora und Fauna fanden nur unzureichende Berücksichtigung. Hier fand in den letzten Jahren ein Umdenken statt. Viele Ausbaumaßnahmen (z. B. Stauhaltungen, Laufveränderungen, Begradigungen usw.) sind in absehbarer Zeit nicht mehr rückgängig zu machen. Wenn neben den Kostenfaktoren bestehende Eigentumsverhältnisse, Nutzungen und wasserrechtliche Aspekte berücksichtigt werden, wird deutlich, dass die Renaturierung von Fließgewässern mittels aktiver wasserbaulicher Maßnahmen nur in ausgewählten Gewässern möglich ist. Unter diesen Gesichtspunkten muss die ökologiegerechte Unterhaltung und die gezielte Förderung der Eigendynamik als der Hauptweg zu einem naturnahen Fließgewässersystem verstanden und akzeptiert werden. Der Unterhaltung kommt damit eine Schlüsselrolle beim Fließgewässerschutz und der Verbesserung der Wasserqualität zu.
3 4. Ökologische Grundlagen Fließgewässer haben als natürliche, die verschiedenen Naturräume miteinander verbindende Strukturen eine wesentliche ökologische Bedeutung und werden zu Recht als die Lebensadern der Natur bezeichnet. Kaum ein anderer Lebensraum besitzt eine so große strukturelle Vielgestaltigkeit und als Folge hiervon eine vergleichbar artenreiche Besiedlung durch Pflanzen und Tiere (vgl. hierzu Bild 6 12). Allerdings wird auch kaum ein anderer Lebensraum in gleichem Maße durch anthropogene Nutzungsinteressen beansprucht und z. B. durch Schadstoffbelastungen, Nährstoffeinträge sowie bauliche Veränderungen überprägt. Der Charakter unbeeinträchtigter Fließgewässerökosysteme wird durch ein komplexes und außerordentlich kompliziertes Gefüge zahlreicher abiotischer (unbelebter - z. B. Klima, Relief, Abfluss, Geologie, Hydrochemie) und biotischer (belebter - z. B. Pflanzen und Tiere) Faktoren geprägt. Jeder Eingriff in dieses System muss sich zwangsläufig auf dessen Naturhaushalt auswirken und das vorhandene (stabile) Gefüge verändern. Um die Folgen wasserbaulicher Maßnahmen für den Naturhaushalt (Ökologie) der Fließgewässer abschätzen zu können, ist die Kenntnis dieser Zusammenhänge wichtig. 4.3 Lebensraum Fließgewässer Jedes Fließgewässer ist limnologisch in drei Bereiche gegliedert: den Bereich des fließenden Freiwassers (Pelagial), den Bereich der Sohle (Benthal) und das wassergefüllte Lückensystem (hyporheische Interstitial) unter der Gewässersohle und im ufernahen Bereich (Bild 14). Hinzu kommt noch der terrestrische und amphibische Bereich der Niederung bzw. Aue, mit dem das Gewässer in vielfältiger Wechselbeziehung steht. - Den Freiwasserraum (Pelagial) besiedeln in erster Linie mobile Formen, z. B. Fische, Wasserpflanzen wie die Wasserlinse oder Schwebalgen. Die maßgebenden physikalischen und die Besiedlung beeinflussenden Faktoren werden durch die Strömung (Hauptfaktor), die Wasserbeschaffenheit (insb. Sauerstoffverhältnisse), die Wassertemperatur und die Lichtverhältnisse bestimmt. - Den bedeutendsten Lebensraum in einem Fließgewässer stellt die Sohle (Benthal) und das darunter liegende Lückensystem der Sohle und Ufer dar. Etwa 90 % der Organismen der aquatischen Biozöne eines Fließgewässers besiedeln die Sohle oder sind direkt auf sie angewiesen. Typische Besiedler der Sohle sind die Wirbellosen (Makroinvertebraten), wie Muscheln, Schnecken, Insektenlarven, Egel usw. Diese Tiergruppen sind wichtig für den Stoffhaushalt des Gewässers, u. a. auch für die Selbstreinigungsleistung. Die maßgebenden Einflussfaktoren sind die Strömung und insbesondere die vorhandenen Sohlensubstrate in Größe und Verteilung. Die Mehrzahl der fließgewässertypischen Organismen ist auf Hartsubstrate angewiesen, an denen sie sich anheften können oder von
4 denen sie den Aufwuchs abweiden. Hartsubstrate sind sowohl Steine und Kiese als auch Wurzelwerk und Totholz. In Flachlandgewässern stellen gerade diese Hartsubstrate Mangelhabitate dar, was seine Ursache einerseits in den geringen Strömungsgeschwindigkeiten und andererseits in den Ausbau- und Unterhaltungsmaßnahmen (Sohlenräumung, fehlende Ufergehölze, Beräumung von Totholz) hat. Wasserpflanzen können als wichtige Ersatzstrukturen dienen, wenn sonstige besiedelbare Hartsubstrate fehlen. Dies ist besonders in Entwässerungsgräben mit sehr geringen Strömungsgeschwindigkeiten von Bedeutung. - Dem Lückensystem unter der Sohle (Interstitial) kommt eine Schlüsselstellung im ökologischen System eines Fließgewässers zu. In dieses Lückensystem können sich die dort lebenden Tiere bei ungünstigen Umweltbedingungen (Hochwasser, Erwärmung bei NW) zurückziehen, so dass von hier aus eine ständige Wiederbesiedlung des Gewässers möglich ist. Des weiteren sind viele Arten in ihrer Fortpflanzung auf diesen Bereich z. B. zur Eiablage angewiesen oder verbringen im Schutze dieses Lückensystems ihre erste Lebensphase. Zum Beispiel verbringen die Larven ( Querder ) von Bach-, Fluss- und Meerneunauge (Lampetra planeri, Lampetra fluviatilis, Petromyzon marinus) mehrere Jahre eingegraben im Lückensystem und ernähren sich durch Filtration organischen Materials aus der fließenden Welle. Ein wesentlicher Bestandteil des Entwicklungszyklus aller Wirbellosen ist deren ständige stromaufwärts gerichtete Wanderung, die auf oder im Lückensystem der Sohle stattfindet. Der Durchgängigkeit der Sohle kommt somit eine entscheidende Bedeutung zu. Sensible Fließgewässer Im Land Brandenburg werden Fließgewässer bzw. einzelne Abschnitte aufgrund ihrer Naturnähe und Ausstattung mit besonders geschützten, vom Aussterben bedrohten, stark gefährdeten und gefährdeten Arten (nach Bundesartenschutzverordnung und Roter Liste Brandenburg) der Fließgewässerbiozönosen als sensible Fließgewässer erfasst und in einem Kataster im Landesumweltamt, Abteilung Naturschutz, zum überwiegenden Teil als geschützte Biotope geführt und laufend fortgeschrieben. Sie werden in die Schutzwertstufen 1 bis 5 unterteilt, wobei die kleinere Stufe den höheren Schutzwert ausdrückt. (vgl. auch Definition in Kap. 10). Die derzeit wertvollsten Fließgewässerabschnitte sind in die Schutzwertstufen 1 bis 3 eingeordnet. Diese Gewässer sollten in die Betrachtungen zur Förderung einer Eigendynamik und naturnahen Unterhaltung vorrangig einbezogen werden. Insbesondere in Hinblick auf einen Fließgewässerbiotopverbund kommt diesen sensiblen Fließgewässern eine besondere Bedeutung zu, die durch Unterhaltungsmaßnahmen gefördert werden kann. 4.4 Durchgängigkeit Der Wiederherstellung der biologischen Durchgängigkeit kommt in Fließgewässern eine herausragende Funktion bei der Revitalisierung aus Sicht des Artenschutzes zu.
5 Dies betrifft sowohl die Auf- und Abstiegsmöglichkeit für die Fischfauna an Migrationshindernissen (Wehre, Sohlenabstürze), die Durchgängigkeit des Sohlensubstrates als Voraussetzung für die Ausbreitung benthaler Invertebraten, als, auch einen durchgängigen Gewässerrandstreifen für die Ausbreitung terrestrischer, amphibischer und merolimnischer Arten. Mit technischen Fischaufstiegsanlagen kann zwar die Wandermöglichkeit der Fische und Rundmäuler wiederhergestellt werden, für andere Arten, insbesondere die Wirbellosen, sind jedoch Umgehungsgerinne oder Sohlengleiten die ökologisch günstigere Lösung im Rahmen der Unterhaltung können z. B. steile oder senkrechte Sohlenabstürze durch eine Sohlengleite ersetzt werden oder eine Vorschüttung mit einer Sohlenrampe / Sohlengleite, vgl. DVWK 232 / 1996, erhalten.
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