Forschungsstelle für Interkulturelle Studien an der Universität zu Köln im Auftrag des im Auftrag der Stadt Köln, Interkulturelles Referat

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1 Ergebnisse des Forschungsprojektes Zur gesellschaftlichen Relevanz des Rechtsradikalismus im türkischen Milieu allochthoner Jugendlicher und Heranwachsender Bericht über die erste Phase des Projektes von November 2009 bis Februar 2010 Rahmenbedingungen des Rechtsradikalismus im türkischen Milieu allochthoner Jugendlicher und Heranwachsender Köln, 28. Februar 2010 Forschungsstelle für Interkulturelle Studien an der Universität zu Köln im Auftrag des im Auftrag der Stadt Köln, Interkulturelles Referat Die Projektleitung: Prof. Dr. Wolf-D. Bukow Die AutorInnen der Studie: Dr. Uğur Tekin, Dipl. Päd. Daniela Lausberg

2 Vorwort Der vorliegende Bericht Rahmenbedingungen des Rechtsradikalismus im türkischen Milieu allochthoner Jugendlicher und Heranwachsender wurde als erster Teil des Projektes Zur gesellschaftlichen Relevanz des Rechtsradikalismus im türkischen Milieu allochthoner Jugendlicher und Heranwachsender verfasst, das im Auftrag der Stadt Köln, Interkulturelles Referat durchgeführt wird. Die vorgelegte Studie ist der Versuch, die Rahmenbedingungen des Rechtsradikalismus im türkischen Milieu allochthoner Jugendlicher und Heranwachsender zu skizzieren, und damit die Kölner Strukturen, Aktivitäten, Einflussnahmen und Mobilisierungsversuche und -effekte sowie deren Kontexte zur gesellschaftspolitischen Situation in der Türkei und Deutschland herauszuarbeiten. Allerdings liefert der Teil I noch kein vollständiges Bild der Lage, da der weitere empirische Teil fehlt, damit ist noch keine Einschätzung der aktuellen Situation möglich. Das Ziel der Analyse der Rahmenbedingungen war es, die für eine empirische Analyse erforderliche theoretische Fundierung vorzunehmen und eine zielgenaue empirische Operationalisierung der Thematik vorzubereiten. Danken möchten wir an dieser Stelle allen engagierten Personen, die uns unterstützt und sachkundig beigestanden haben. Insbesondere gilt der Dank den uns beratenden ExpertInnen Dr. Gerda Heck, Dr. Kemal Bozay, Dr. Emre Arslan und Hans-Peter Killguss. 1

3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung Fragestellung der ersten Phase Methoden Begriffsdefinitionen Untersuchungsrahmen Türkischer Rechtsradikalismus Ideologieelemente des türkischen Rechtsradikalismus Feindbilder: Kommunisten, Juden, Kurden, Armenier Pantürkismus/ Türkismus Der nationale Islam Verbindung mit dem Kemalismus Der Führer Türkes Der türkische Staatsmythos Die Lynch-Rhetorik der Ülkücü- Bewegung Organisationsstruktur Die Ülkücü-Mafia Neue Nationalistische Welle Die Kaderstruktur Entwicklung des türkischen Rechtsradikalismus (Zeittafel) Rechtsradikale türkische Organisationen in Köln Struktur der Ülkücü-Vereine und -Organisationen in Köln Aktivitäten der Vereine und Organisationen Einflussnahme der Vereine und Organisationen Verbreitung des rechtsradikalen türkischen Gedankengutes Schlussfolgerung...35 Literaturverzeichnis

4 1. Einleitung In vielen Studien zu Rechtsradikalismus und Rassismus unter Jugendlichen sowie in der antirassistischen Bildungsarbeit mit ihnen kommen rechtsradikale wie auch rassistische Einstellungen von Jugendlichen mit Migrationshintergrund zu kurz, obwohl kaum zu erwarten ist, dass sich die Situation hier anders darstellt als unter autochthonen Jugendlichen. Auf der anderen Seite sind rechtsradikale Einstellungen unter allochthonen Jugendlichen aus türkischem Milieu ein Thema, dass in den letzten Jahren vor allem unter PolitikerInnen, PädagogInnen, LehrerInnen und SozialarbeiterInnen mit Sorge verfolgt und diskutiert wird. In Diskussionen und Debatten wird allerdings relativ schnell deutlich, dass der Großteil der PädagogInnen einem unbekannten Feld gegenüber steht. Sie wissen hier weniger als bei den Autochthonen, welche Organisationen mit welchen Einstellungen überhaupt existieren, und auch nicht, wie sie ggf. versuchen Jugendliche zu rekrutieren, noch wissen sie Äußerungen von Jugendlichen, wie beispielsweise Ich bin stolz ein Türke zu sein adäquat einzuschätzen. Tatsächlich können vielfach auch nationalistische Äußerungen und Tendenzen Jugendlicher als eine zeitlich wie situativ bedingte Reaktion auf Ausgrenzungserfahrungen der Mehrheitsgesellschaft gedeutet werden ohne dass damit diskriminierende Einstellungen relativiert werden sollen. Gleichzeitig werden in der Debatte oft verschiedene Ebenen vorschnell mit einander vermischt: So wird die Tatsache, dass es religiöse Organisationen gibt, die nationale Tendenzen fördern, zu schnell zur Projektionsfläche für generelle Annahmen über rechtsradikale oder nationalistische Tendenzen hinsichtlich muslimisch türkischer Organisationen (oder Gemeinschaften). Die Studie nimmt die Lebensrealitäten von Jugendlichen mit türkischem Migrationshintergrund zum Ausgangspunkt und untersucht rechtsradikale Einstellungen. Sie soll in zwei Phasen durchgeführt werden. Hier präsentieren wir die Ergebnisse der ersten Phase, die der Vorbereitung für die Hauptuntersuchung in der zweiten Phase dienen. 3

5 In der ersten Phase wurde ein Gesamtbild von in Köln aktiven Organisationen Grauer Wölfe (Ülkücü-Gruppierungen) 1 erstellt und skizziert. Fokussiert wurden folgende Fragestellungen: Welche Organisationen existieren? Inwieweit sind sie in Kölner lokalen formellen und informellen Strukturen verankert? Inwieweit können die Vereine und Organisationen Einfluss ausüben und durchsetzen? Welche Aktivitäten kennzeichnen sie? In welchen Bereichen schaffen sie Mobilisierungseffekte? Welche Zusammenhänge gibt es zwischen den rechtsradikalen Organisationen und Bewegungen in der Türkei und Deutschland? In der zweiten Phase soll ein theoretisches Konzept entwickelt werden, um rechtsradikale, bzw. rassistische Einstellungen einzugrenzen und zu identifizieren. Dieser Vorgang orientiert sich an dem handlungsorientierten Deutungsmuster nach Mosse 2. Es beinhaltet den Aufbau einer labeling-strategie, eines entsprechenden Argumentationsmusters sowie die soziokulturelle Einbettung in eine Diskursgemeinschaft. Im Rahmen dieser theoretischen Grundlage und der Ergebnisse aus der ersten Phase werden weitere empirische Schritte entwickelt, um den Einfluss der lokalen rechtsradikalen Strukturen auf die Jugendlichen zu erörtern. Es soll ebenfalls analysiert werden, woher die Jugendlichen ihr rechtsradikales Gedankengut beziehen. Mögliche Quellen sind das Elternhaus, Jugendorganisationen, Jugendcliquen, Vereine im Stadtteil oder diverse Medien. Sind Elemente dieses Gedankengutes der Jugendlichen sichtbar? Und wie sind sie im Alltag und der Jugendkultur verankert? Welche Präsentationsformen werden entwickelt? 1 Siehe 1.3 Begriffsdefinitionen 2 Georg L. Mosse (2006): Die Geschichte des Rassismus in Europa, Frankfurt a.m. 4

6 1.1 Fragestellung der ersten Phase In dieser Phase wurde die Studie unter Einbeziehung und Fokussierung folgender Fragen durchgeführt: Organisationsform Welche strukturellen Einflüsse üben rechtsradikale Organisationen und Vereine in Köln aus? Verfügen die rechtsradikalen Vereine und Organisationen über eine Basis in Köln? Wie gestaltet sich diese? Einflüsse auf verschiedene Bereiche / Verankerung in Institutionen Durch welche konkreten Organisationen und Vereine üben sie diesen Einfluss aus? Mittels welcher Aktivitäten und in welchen Bereichen schaffen sie Mobilisierungseffekte? Mobilisierung Inwieweit hatten gesellschaftspolitische Veränderungen und Einschnitte in der Bundesrepublik Deutschland Einfluss auf die rechtsradikalen Aktivitäten? Inwieweit übertragen sich Geschehnisse in der Türkei auf die Bewegung in der BRD und inwieweit haben sie Einfluss auf Mobilisierungseffekte? Einstellungsformen Gibt es eine spezielle Form von rechtsradikalem Gedankengut? Wie stellt es sich dar und wie lässt es sich deuten? 1.2 Methoden In der ersten Phase wurden durch eine umfangreiche Literatur- und Dokumentenanalyse eine theoretische Grundlage sowie ein Konzept erarbeitet. Anschließend wurden unterschiedlich strukturierte Experteninterviews durchgeführt. Insgesamt wurden 15 ExpertInnen 3 interviewt: Fünf davon sind dem Ülkücü- 3 Bis auf zwei Interviewte hatten alle ExpertInnen einen türkischen oder kurdischen Migrationshintergrund 5

7 Vereinsspektrum zuzuordnen (zwei ehemalige aktive Mitglieder, drei führende Mitglieder), zwei Wissenschaftler, ein Jugendsozialarbeiter, ein Lehrer, ein deutscher Journalist, ein türkischer Journalist, drei LokalpolitikerInnen sowie ein ehemaliges AStA-Mitglied der Universität zu Köln. Die heterogene Zusammensetzung der Befragten wurde gewählt, um den pluralen Netzwerken, die mit dem Thema Türkischer Rechtsradikalismus im Kontakt stehen, gerecht zu werden. Eine Reduzierung auf ein wissenschaftliches Feld würde dem Untersuchungsrahmen nicht entsprechen, da der Absolutheitsanspruch von Wissenschaft und somit die bestehende Hierarchie zwischen Laien und ExpertInnen in postmodernen Verhältnissen nicht mehr gesichert werden kann. (vgl. Bogner/Littig /Menz 2005: 11) Die Kürze sowie die geringe Vorstrukturierung und Vernetzung des Forschungsprojektes legten aus forschungspraktischen Gründen diese Form der Informationsgewinnung nahe. Neben der Bedeutung von Expertenwissen für die Ermittlung, Wahrnehmung und Definition von Wissen und Problemen gibt es weitere Argumente. Gegenüber zeitlich und ökonomisch weit aufwendigeren Untersuchungsmethoden wie bspw. der teilnehmenden Beobachtung, ist hier der Zugang zum sozialen Feld relativ unproblematisch und bietet einige Vorteile. Durch die ExpertInnen in Schlüsselfunktionen können neue Verweisungszusammenhänge sowie ein besserer Zugang zum Untersuchungsfeld gewonnen werden. Das Forschungsinteresse sowie die Motivation kann durch die eigene Nähe zum Thema bei den Interviewten meist vorausgesetzt werden, hohe Zustimmungsquoten bestätigen dies. Neben der großen Kooperationsbereitschaft macht weiterhin die gegenüber anderen Interviewformen symmetrischere Kommunikationsbeziehung das Experteninterview unproblematischer. (vgl. Bogner/Littig/Menz 2005: 7ff.). Wir können zwei Gruppen von Interviewten unterscheiden. Die eine Gruppe ist oder war in die Strukturen der Ülkücü-Bewegung involviert. Ihre Aussagen ermöglichen uns, eine Innenansicht der Gruppierungen zu erkennen und zu analysieren. Die zweite Gruppe beobachtet diese Strukturen von außen, aus beruflichem, wissenschaftlichem oder politischem Interesse. Bei jedem Interview haben wir nach weiteren ExpertInnen gefragt und die wichtigsten Personen interviewt. Die Befragten, die sich in Ülkücü-Organisationen befinden oder befanden, wurden von uns darüber informiert, dass wir eine Untersuchung über türkische Vereine durchführen. Einer der Vereine lehnte ausdrücklich ab, mit uns zu sprechen - wir nehmen an - da er keine 6

8 Aufmerksamkeit in der deutschen Öffentlichkeit wünscht. Tendenziell war dies auch bei den anderen Befragten aus Ülkücü-Zusammenhängen der Fall. Daher gestaltete sich die Kontaktaufnahme zu ihnen teilweise schwierig. Die mangelnde Zugänglichkeit und Transparenz verweist bereits auf eines der Ergebnisse, die im letzten Teil vorgestellt werden. In der Regel wurden die Gespräche auf Tonband aufgezeichnet und anschließend transkribiert. Vier Interviews aus dem Ülkücü-Vereinsspektrum und drei weitere konnten auf Wunsch der Interviewten nicht aufgenommen werden, sie wurden durch Notizen und ein anschließendes Gedächtnisprotokoll dokumentiert. Die Interviews dauerten 1-2 Stunden. Alle Interviews werden in diesem Text anonymisiert genutzt. 1.3 Begriffsdefinitionen Um die unterschiedlichen Generationen der EinwanderInnen aus der Türkei nach Deutschland zusammenfassen zu können benutzen wir in der vorliegenden Arbeit die wissenschaftlich etablierte Bezeichnung mit türkischem Migrationshintergrund. Weiterhin verwenden wir die Ausdrücke Ülkücü-Bewegung, -Gruppen, -Vereine, da die in der Türkei in verschiedenen Parteien organisierten rechtsradikalen Gruppen sich selbst so bezeichnen. Für diese hat sich in Deutschland der Begriff Graue Wölfe 4 etabliert, der auch bei Mitgliedern/Sympathisanten der Bewegung weit verbreitet ist. Daher wird er im Text ebenfalls verwendet. In Anlehnung an die türkischen Rechtsextremismus-Experten Tanil Bora und Kemal Can (2007: 45) bevorzugen wir die Bezeichnung Ülkücü- Bewegung und nicht faschistische Bewegung, da sie nicht irgendeine faschistische Bewegung ist, sondern auf der theoretischen und begrifflichen Ebene eigene Strukturen und Eigenschaften besitzt, die man eigens untersuchen muss. So differenziert man ja auch den deutschen Faschismus als Nationalsozialismus oder den spanischen Faschismus als Francismus. 4 Nach einem erzählten Mythos soll der Graue Wolf entsprechend der turanistischen Ideologie die letzten türkischen Stämme aus dem Altai-Gebirge nach Zentralasien geführt und vor Feinden gerettet haben. Anführer des Rudels war der Wolf. Für die rechtsextreme Bewegung in der Türkei symbolisiert der Graue Wolf die Militanz der Bewegung. 7

9 Im deutschsprachigen Raum stehen die Bezeichnungen Ultranationalismus (Arslan 2009), ethnischer Nationalismus oder türkischer Rechtsextremismus (Bozay 2005), türkische Faschisten (Aslan/Bozay 2000) oder Graue Wölfe (mediale und politische Berichte) nebeneinander. 8

10 1.4 Untersuchungsrahmen Die von uns untersuchten Vereine und Strukturen gehören zur ursprünglich türkischen Ülkücü-Bewegung und benennen sich auch immer noch selbst danach. Um ein Gesamtbild von in Köln politisch und gesellschaftlich aktiven Ülkücü- Gruppierungen erstellen und skizzieren zu können, wurden folgende Aspekte fokussiert: Organisationsformen und Organisationsprinzipien der sich selbst zur Ülkücü- Bewegung zugehörig definierenden Vereine, deren Einflüsse auf verschiedene Bereiche, z.b. die Verankerung in Institutionen, Formen der Mobilisierung durch die Vereine, einflussnehmende Ereignisse für die Mobilisierung (politische Geschehnisse in der Türkei, Migrationspolitik in der Bundesrepublik Deutschland, weltweite politische Ereignisse), Ideologieelemente, Einstellungsformen (ideologische, symbolische und mythische Ebene). Die Ülkücü-Bewegung stützt sich auf folgende ideologische Kernelemente: Pantürkismus/Turanismus, türkischer Islam, Staats- und Führerkult, Nationalismus, Feindbilder und Rassismus. Wir untersuchen keine türkisch islamischfundamentalistischen Vereine. Sie grenzen sich von den Ülkücü-Vereinen in Entstehungsgeschichte, Organisationsstrukturen sowie Weltbild / Ideologie ab. Wie Werner Schiffauer im Zusammenhang mit der Kritik an der Studie Verlockender Fundamentalismus (Heitmeyer u.a. 1997) argumentiert, sind islamischfundamentalistische Gruppierungen grundsätzlich von denen auf rassistischer und pantürkistischer Ideologie basierenden Gruppierungen zu unterscheiden. Die Subsumierung unter die gleiche Kategorie ist, trotz zunehmender Grenzverschiebung, unzulässig. (vgl. Schiffauer 1999: 115f.) Die Grauen Wölfe agieren aus einem ethnischen Hintergrund heraus und vertreten im Ausland bestimmte türkische Parteien. ATIB vertritt heute keine Partei mehr in Deutschland. 9

11 2. Türkischer Rechtsradikalismus 2.1. Ideologieelemente und Strukturmerkmale des türkischen Rechtsradikalismus In diesem Kapitel werden die elementaren Grundzüge des türkischen Rechtsradikalismus mit ihren ideologischen und strukturellen Besonderheiten erläutert. In der (politik-) wissenschaftlichen Literatur (Bozay 2005; Arslan 2009; Bora/Can 2004, 2007) und den Verfassungsschutzberichten hat man diese ausführlich ausgearbeitet und dargestellt. In dieser Arbeit konzentrieren wir uns auf einige für den Kontext relevante Eckpunkte Feindbilder: Kommunismus, Juden, Kurden, Armenier Kommunismus Seit ihrer Gründung verschaffte der Antikommunismus der Ülkücü-Bewegung eine Massenbasis, bot einen ideologischen Hintergrund und vermittelte Identität. Eine ihrer Hauptziele bestand vor dem Zusammenbruch der Sowjetunion darin, die gefangenen Türken, d.h. die in der Sowjetunion lebenden Turkvölker, zu befreien. Der Kalte Krieg bildete dabei den Hintergrund einer antikommunistischen Haltung, die besonders in den amerikafreundlichen Ländern und in den Staaten an den Grenzen der Sowjetunion präsent war. Überall, wo die Grauen Wölfe auftraten - ob in der Türkei oder in Europa - waren ihre antikommunistischen Aktivitäten begleitet von handgreiflichen Auseinandersetzungen. Sie richteten sich nicht allein gegen Kommunisten und Sozialisten, sondern gegen alle, die sich gegen die Ülkücü-Bewegung stellten und damit in deren Augen zur Stärkung des Kommunismus beitrugen. In diesem Zusammenhang wurden auch die Sozialdemokraten als Feinde betrachtet. Die Ülkücü-Bewegung richtete sich nicht nur gegen politische, sondern auch gegen kulturelle und soziale Strukturen und Aktivitäten. Die Juden Ein starker Antisemitismus war schon immer ein Bestandteil ihrer Ideologie und alle Positionen des klassischen Antisemitismus finden sich darin wieder. Die Juden wurden für Kapitalismus, Kommunismus und alle erdenklichen Weltverschwörungen verantwortlich gemacht. Seit den 90er Jahren werden die Juden und konvertierten 10

12 Juden 5 für alle gegenwärtigen Entwicklungen wie Globalisierung, Europäische Union und Kosmopolitismus verantwortlich gemacht. Die Kurden und Armenier In den 60ern negierte die MHP die kurdische Identität, wie dies auch der offiziellen Auffassung des Staates entsprach (vgl. Yegen 1999: 109), der eine assimilatorische Politik verfolgte, die nur die türkische Identität anerkannte. Parallel dazu gab es die Auffassung, die die kurdische Ethnie nicht ignorierte, sie aber als Untervolk des türkischen und/oder als Feind ansah. Den Grund für den starken Zuwachs der Grauen Wölfe in den 90ern sah man von vielen Seiten in der militärischen Auseinandersetzung mit den Kurden in Ostanatolien. Die Ülkücü-Bewegung unterstellt, dass Kurden und PKK vom Westen unterstützt würden. Sie vergleichen die Rolle der christlichen Minderheiten am Ende des osmanischen Reiches mit der der Kurden in der Gegenwart. Die Kurden kämpfen, so propagieren sie, wie die Armenier im Dienste des Imperialismus, um den Türken zu schaden: Gestern Armenier - heute Kurden. Häufig stellen sie die PKK mit der ASALA 6 gleich. (vgl. Çiğdemoğlu 1997) Diese faschistische Gegenposition basiert historisch gesehen auf einem Reflex der Armenierfeindlichkeit. Sie zeigte sich im Jahre 2007 auf tragische Weise an dem Mord des armenischen Journalisten und Intellektuellen Hrant Dink, der auf offener Straße von einem Anhänger der Grauen Wölfe erschossen wurde. In den nationalistisch geprägten 90er Jahren spitzten die Grauen Wölfe die Propaganda gegen die Kurden zu, popularisierten und reproduzierten sie. Das Kriegsgeschrei erschien nicht mehr als extremistisch, sondern wurde gleichsam normal (vgl. Bora/Can 2007: S.90). Schon in den 80ern häuften sich wissenschaftliche Arbeiten, die die kurdische Kultur als Teilkultur der türkischen mit einigen sprachlichen Besonderheiten beschrieben. Die Kurden mit dem fälschlichen Bewusstsein einer eigenen Identität sollten für das Türkentum zurück gewonnen werden. (vgl. Ögel et. al. 1989: 5) Ein Beispiel für den Versuch, die kurdische Kultur unter die türkische zu subsumieren, ist das Neujahrsfest Newroz in die türkische Mythologie einzuordnen 7. Dies war die Antwort auf die 5 Die Geschichte der zum Islam konvertierten Juden geht auf das 17. Jahrhundert zurück. Man versucht in letzter Zeit, die Mitglieder dieser Gruppe auszumachen, um sie zu diskriminieren. 6 ASALA: armenische Organisation, die Attentate besonders in den 70er und 80er Jahren gegen türkische Auslandsvertretungen verübte. 7 Newroz geht aber tatsächlich auf das Sanskrit, zurück. 11

13 PKK, die das Newroz-Fest Anfang der 90er als kurdischen Kampftag für die Befreiung Kurdistans einführte. Jedes Jahr bot dieser Tag Anlass für starke Auseinandersetzung zwischen PKK und Staatsmacht (vgl. Imset 1993: 345). In diesen Jahren definierte man die Kurden als die Anderen. Mit der Entstehung des autonomen kurdischen Gebietes im Nordirak verschärfte sich dieses feindliche Klima. Im Krieg der türkischen Armee gegen die PKK in Ostanatolien setzte die Ülkücü-Bewegung Kurden mit der PKK gleich. Sie schuf eine Basis für den Wunsch nach Vernichtung der Kurden. Die Grauen Wölfe schritten in den 90er Jahren zur Lynchjustiz und riefen dazu auf, Kurden zu töten, wenn türkische Soldaten zu Tode kamen. Jede Beerdigung eines Soldaten wurde zur Demonstration gegen PKK und Kurden. Gegen Fußballmannschaften aus den Kurdengebieten wurden Protestaktionen organisiert. Das Männlichkeitsritual der Verabschiedung eines jungen Mannes, der zur Armee geht, wurde von den Ülkücüs dazu genutzt, in Konvois mit Anti-PKK-Parolen, mit Fahnen und faschistischen Symbolen durch die Straßen zu fahren (vgl. Bora/Can 2007:106f.). Militärdienst und Einzug an die Front wurden wie Freudenfeste gefeiert und die mörderische Realität des Krieges - wie in jeder faschistischen Bewegung - ausgeblendet. Das Ziel, zu siegen, ließ Gefahr und Tod vergessen. Beim Tod eines Soldaten agitierten die Grauen Wölfe vor Büros prokurdischer Parteien und Organisationen oder in Stadtteilen mit hohem Kurdenanteil. Als Abdullah Öcalan sich 1998 in Italien aufhielt, demonstrierten die Grauen Wölfe zehn Tage lang für dessen Auslieferung an die Türkei, initiiert von offiziellen Stellen des Staates. Als die Auslieferung sich verzögerte, riefen sie zum Boykott italienischer Waren auf. In Bonn demonstrierten die Grauen Wölfen mit Unterstützung des Konsulats. In Izmir und Kocaeli töteten sie zwei Kurden (vgl. Bora 1998b) Pantürkismus/Türkismus Ziel des Pantürkismus ist es, alle Türken in Europa und Asien in dem fiktiven Land Turan zu vereinigen (vgl. Bozay 2005; Arslan 2009: 94ff.). Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion schien diese Idee realisierbar zu werden. Die Grauen Wölfe propagierten die Idee, dass sich alle anderen Turkvölker unter Führung der Türkei zusammenschließen sollten. Damit wird die Idee offen imperialistisch, da die anderen Turkvölker die Kontrolle und Führung der Türkei akzeptieren sollten. Die Politik ge- 12

14 genüber den Außentürken wurde als Teil der Innenpolitik verstanden. Außerdem sollten alle anderen Völker im Lebensraum der Türken (Turan) türkisiert oder liquidiert werden. Seit 1990 ist der Türkismus wieder sichtbar populär, wozu die Anti-Kurden-Aktivitäten beitrugen, indem sie nationalistische und chauvinistische Ressentiments schürten. Wurde in den 80er Jahren von religiöser Seite das Symbol des Grauen Wolfes als totemistisch zurückgedrängt, so erlebte der Graue Wolf als Symbol der Vereinigung aller Turkvölker und der Welteroberung in den 90ern einen Boom. Seit 1992 werden Konferenzen für eine Türkenwelt unter der Führung der Grauen Wölfe mit staatlichen Geldern durchgeführt. Ziel ist die Freundschaftspflege und Zusammenarbeit der Turkstaaten, -völker und -gruppen. Sie dienen der Popularisierung des Pantürkismus in der Türkei und dazu diesen in der Staatsideologie zu verankern (Bozay 2005). Gleichzeitig sollte der Ülkücü-Nationalismus in den anderen Turkstaaten und -gruppen Einfluss finden nahm die Türk Federasyon Europas (MHP-Auslandsvertretung) an dieser Veranstaltung offiziell teil Der nationale Islam Die Grauen Wölfe gehen von einer Türkisch-Islamischen Synthese aus und behaupten damit, dass türkisch-nationale und islamische Aspekte in der türkischen Geschichte eng zusammen gehören. Sie wurde in einigen offiziell unterstützten rechtsradikalen und konservativen Zirkeln der Intellektuellen entwickelt 9. Diese Theorie ermöglicht ihnen, auf breite Teile der islamischen Bevölkerung Einfluss zu nehmen. Besonders in den 70er Jahren benutzte man den Islam als Werkzeug in ethnischen und konfessionellen Auseinandersetzungen, die bis hin zu Massakern eskalierten (vgl. Bozay 2005; Arslan 2009: 127ff.). Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion begann in der MHP und der Türk Föderation in Deutschland eine neue Türkisierungsphase. Der Islam wird neu bewertet und zwar so, wie zu den Gründungszeiten. Er spielt nicht mehr die zentrale Rolle für die nationale Identität, sondern ist auf den zweiten Platz verwiesen 10. Die Nation wird 8 Siehe 9 Vereinigung für die Verbreitung von Wissenschaft (İlim Yayma Cemiyeti), Heim für Intellektuelle (Aydnlar Ocağı) 10 Diese Ideologie führte Ende der 80er zur Öffnung der MHP gegenüber den Aleviten. Da außerdem angeblich alle islamisch geprägten Staaten sich gegen die Türkei und gegen die 13

15 höher bewertet als der Islam. Damit nähert man sich der offiziellen laizistischen Sichtweise und nimmt eine Gegenposition zu islamistischen Gruppierungen wie Milli Görüş ein. Auch Turkvölker, die den Islam nicht angenommen haben, sind willkommen, z.b. die türkischen Orthodoxen. Die Tochter des Patriarchen wurde Mitglied der MHP. In der Frage, ob Islam oder Nation stärker wögen, gab es aber immer Auseinandersetzungen, sie führten schließlich zur Spaltung der Bewegung. Die Abspaltungen der MHP, die Partei BBP sowie die Auslandsorganisationen ANF und ATIB nähern sich dem Islam weiter an Verbindung mit dem Kemalismus Der kemalistische Nationalismus hat ein eigenes ethnisches Verständnis, das allerdings nicht klar definiert ist. In einer staatlich und autoritär orientierten Lesart können sich daher auch die Rechten auf den Kemalismus berufen. Wenn die westlich elitären Züge des Kemalismus eliminiert werden, ist er mit dem Ülkücü-Gedanken kompatibel (vgl. Bora/Can 2007: 175f.). Bis 1944 gingen beide zusammen, danach wurde diese Form des faschistischen Nationalismus von den herrschenden Kemalisten ausgegrenzt und sogar bestraft. In den 60ern entwickelte sich eine kemalistisch geprägte Linke und Sozialdemokratie. Daher distanzierte sich die Ülkücü-Bewegung bis in die 90er Jahre vom Kemalismus. Vor allem während der Islamisierungsphase der 80er Jahre verstärkte sich die Distanz zum Kemalismus bis hin zur Feindschaft, wie dies auch beim fundamentalistischen Islam der Fall ist. Seit den 90ern nimmt die Ülkücü-Bewegung den Kemalismus für ihren ideologischen Aufbau in Dienst; das Symbol Atatürk ist bei ihr allgegenwärtig. Die Grauen Wölfe stellen Atatürk als türkischen Nationalisten und als Grauen Wolf dar. Als großer Staatsführer wird er in die Liste der hervorragenden Türkenführer aufgenommen, da er der türkischen Nation zu weltweiter Anerkennung verholfen habe. Der Ülkücü-Kemalismus lässt für die Feindschaft gegen Atatürk nur zwei Gründe gelten: nicht Türke zu sein oder die Religion zum Vorwand für eine staatsfeindliche Politik auszubeuten. Dies half der MHP bei der Teilnahme an der Regierung 1999, sich als zur Mitte der Gesellschaft gehörig zu präsentieren und aus der Isolation in den europäischen Ländern zu kommen. Türken gestellt hätten, müsse man gegen die Idee einer islamischen Einheit Stellung beziehen (Bora/Can 2007: 182f.). 14

16 Der Führer Türkeş Der Führerkult und Türkeş als Führer haben eine besondere Stellung in Partei und Bewegung, ein Aspekt, den sie mit den klassischen faschistischen Organisationen und Bewegungen teilen (vgl. Bozay 2005). In der Bewegung und in der türkischen Bevölkerung hat sich ein paternalistisches Bild von Türkeş entwickelt: Helfender Vater für die Normalen, die Patrioten und Staatstreuen, aber ein starker kompromissloser Staatsmann gegen die Bösen - einerseits also autoritär, andererseits gütig, was beim kleinen Mann (Wilhelm Reich) gut ankommt. Obwohl Türkeş ein schlechter Redner war und die Macht auf andere Weise als über die Bewegung anstrebte, wurde dieses Image gepflegt und blieb er über seinen Tod hinaus der einzige Führer. Er entwickelte die Neun-Lichter-Doktrin. Sie beinhaltet einen rassistischen türkischen Nationalismus, die Überwindung der Klassengegensätze durch die Gewalt eines starken Staates, eine planbare ökonomische Entwicklung, wie sie die Republikgründer anstrebten. Diese Doktrin zeigt Parallelen zur Ideologie der Republikgründer auf, spielte aber an der Basis keine Rolle. Sie diente lediglich dem Personenkult, um Türkeş auch als Theoretiker zu präsentieren Der türkische Staatsmythos Die Ülkücü-Bewegung vertritt als politische Richtung die im türkischen Nationalismus begründeten Positionen am deutlichsten und vehementesten. Die angeborene Eigenschaft des Türkentums ist seine Verbindung mit einem Staatswesen. Die türkische Nation ist eine Staatsnation. Der (türkische) Staat ist für die Türken heilig. Er ist in frühgeschichtlichen Legenden überliefert und hat sich später mit dem Islam verbunden. Der türkische Staat hat eine universelle Mission, die Eroberung der Welt. Sie bringt für alle Menschen Frieden und Wohlstand. Die Staatsmänner des türkischen Staates sollen die Träger dieser Idee sein. Ihre heilige Position legitimiert ihre pragmatische Haltung im Umgang mit gesellschaftlichen Problemen. Bei allem Aufeinanderfolgen der türkischen Staaten herrscht im Kern Kontinuität. Die seit der Frühgeschichte entstandenen türkischen Staaten sind Nationalstaaten, aber gleichzeitig demokratisch und sozial. Diese Charaktereigenschaften schufen alle türkischen Staaten als zentralistische und starke Staaten. Gleichzeitig ist der türkische Staat seit seiner Gründung ein Militärstaat, basierend auf einer Militärnation. 15

17 Die Lynch-Rhetorik der Ülkücü-Bewegung Die als Andere und Feinde definierten sind keine Menschen. Sie haben nicht nur keine Menschenrechte, sondern auch kein Lebensrecht. Dies wird offen und immer wieder propagiert. Die Bewegung unterstützt mit Begeisterung die Lynchjustiz als gesunden Impuls der Masse, die sich ihr Recht zurückholt. Mit dieser Ideologie mobilisierten sie in den 70er Jahren zu pogromartigen Exzessen gegen Linke und Aleviten, seit den 90er Jahren und bis heute gegen die Kurden. Hunderte von Todesopfern waren die Folge Organisationsstruktur Viele Autoren bezeichnen die MHP als zentralistisch organisierte Partei, wie es im Allgemeinen faschistischen Organisationen entspricht. Bei näherer Betrachtung, so stellen Bora und Can (2004) dagegen fest, existieren die Basisstrukturen meist unverbunden mit der Zentrale und orientieren sich mehr an lokalen Führungspersönlichkeiten. Die amorphen Strukturen an der Basis eignen sich nicht für eine Zentralisierung. Über Adhoc-Formen hinaus kann die Organisation die Massen nicht an sich binden. Im krassen Kontrast zu dieser Realität wird in der Theorie die Dreifaltigkeit von Organisation Führer Theorie hoch gehalten (vgl. Bora/Can 2004: 74). Die Ülkücü-Jugendvereine standen der Bevölkerung näher und bildeten paramilitärische Strukturen mit lokalen Führern ohne Bindung an eine Zentrale. Sie konzentrierten sich als lokal beschränkte Gruppen auf Ereignisse und Aktionen vor Ort, agierten nicht strategisch, sondern reagierten vor allem. Diese Organisationen kann man zum Teil als kriminelle Banden, zum Teil als disziplinierte faschistische Organisationen, zum Teil als homogene radikale politische Bewegung, zum Teil als traditionalistische Gegenreaktion auf die Moderne und den Kosmopolitismus, zum Teil als Gruppe reaktionärer Rechtspopulisten, zum Teil als lumpenproletarische Unterschichtskultur beschreiben. Sie hat von allem etwas. (vgl. Bora/Can 2004: 84) Die Ülkücü-Mafia Mitte der 80er, Mitte der 90er erschienen häufig Berichte über Aktivitäten der Ülkücü- Mafia. Die Verbindung der Grauen Wölfe zur Mafia begann Mitte der 70er, besonders von kleinen paramilitärischen Gruppen, die sich über die Mafia mit Waffen und Geld 16

18 versorgten und im Gegenzug für diese arbeiteten. Die Ausweitung der Basis führte - mangels eines vereinheitlichenden Programms - zur Verstärkung der Zusammenarbeit mit der Mafia. Die Ülkücü-Bewegung entwickelte eine mafiöse Struktur (vgl. Bora/Can 2004: 381ff.). Für die Mafia-Bosse war es günstig, sich solcher bewaffneter Gruppen bedienen zu können. Nach dem Militärputsch waren die offiziellen Strukturen zerschlagen, die Partei verboten, die Büros geschlossen und die mafiöse Struktur etablierte sich. Diejenigen, die über ihre Verbindungen zur Mafia in der Lage waren, kleine Unternehmen zu gründen, stellten die vielen arbeitslos gewordenen Grauen Wölfe ein. Die Gruppen der Ülkücü-Mafia waren nicht zentralisiert und bekämpften sich manchmal gegenseitig. Es begann mit gewaltsamer Schuldeneintreibung und Schutzgeld- Erpressung und reichte schließlich bis zur Bodenspekulation und größeren Unternehmen. Auch in Deutschland kam es zu Prozessen wegen gewaltsamer Schuldeneintreibung und Schutzgelderpressung. 11 Die etablierte Mafia drängte aber schließlich die neue Ülkücü-Mafia vom Markt, weil sie deren Regeln nicht eingehalten hatte. Die MHP distanzierte sich ihrerseits von der Mafia, um sich in der Türkei und in Europa als politische Bewegung zu legitimieren und ihr Image aufzubessern. Trotzdem existieren in Deutschland weiterhin Kontakte der Ülkücü-Vereine zur Türsteherszene und zu Drogenhändlern über ihre Mitglieder. Bei Besuchen von Parteigrößen in Deutschland organisieren sie aus dieser Szene den Security-Service Neue Nationalistische Welle In den 90er Jahren herrschte in den Medien und in der Werbung ein nationalistisches Klima. In den türkischen Eliten trat das Selbstbewusstsein hervor, dass die Türkei kein unterentwickeltes Land mehr war, sondern sich zu einem wirtschaftlich stark expandierenden Land entwickelt hatte. Tatsächlich verbreitete sich ein wilder Kapitalismus. Das Feindbild Sowjetunion existierte nicht mehr und die unabhängig werdenden Turkstaaten des Ostblocks bildeten für die Eliten ein Hinterland. In ihrer Vorstellung konnte die Türkei in diesen Gebieten Einfluss gewinnen und zur Zentralmacht werden. Von diesem nationalistischen Klima profitierten die Grauen Wölfe. 11 Beispiel aus Köln Verein Şeyh Şamil 12 Hier stützen wir uns auf die Interviews mit ausgetretenen Mitgliedern 17

19 Ihre Ideen verbreiteten sich und wurden populär. Gleichzeitig nahm dieser Prozess Einfluss auf ihr Selbstbewusstsein und ihr öffentliches Auftreten. In Fußballstadien wurden z.b. - bis dahin nicht üblich - ihre Fahnen mit Symbolen wie dem Grauen Wolf geschwenkt. Die unabhängig von der MHP entstandene nationalistische Welle war mit den Positionen der Ülkücü-Bewegung kompatibel, stärkte und unterstützte diese (vgl. Bora/Can 2007: 255). Daher hatte die Bewegung einen großen Sympathisantenkreis, der allerdings nur in lockerem Kontakt zur Organisation stand. Die jugendlichen Sympathisanten übernahmen Symbole der Ülkücüs, fühlten sich der Organisation zugehörig und übernahmen schließlich die Ülkücü-Identität. Eine ähnlich unkontrollierte Massenausweitung erlebte die Ülkücü-Bewegung in den 70er Jahren. In diesen Jahren herrschten bürgerkriegsähnliche Zustände, und die Sympathisanten konnten daher als militante Aktivisten in die Organisation eingebunden werden. Grauer Wolf zu sein bedeutete damals einen hohen Grad an ideologischer Identifikation und Risikobereitschaft. In den 90ern hingegen bedeutete die Anhängerschaft an die Ülkücü-Bewegung nicht nur keine Gefährdung der eigenen Person, sondern ein Mitschwimmen in einem breiten Strom. Die Bindung zwischen Organisation und Sympathisanten lockerte sich. Die Organisation akzeptierte die neuen Sympathisantenkreise mit ihrem Pop- Nationalismus. Bora und Can (2007: 256) stellen die These auf, dass sich die MHP in diesen Jahren dem Neofaschismus annäherte und damit die Merkmale einer klassisch faschistischen Organisation verlor. Sie konstatieren, dass die MHP keine politische Linie entwickelt, in dem Sinne, dass sie keine eigenen Antworten auf gesellschaftliche Fragen geben kann. Stattdessen beharre sie lediglich auf einer Anti- Position (2007: 549f.) Die Kaderstruktur Die MHP organisierte ihren Kader in Anatolien aus der Masse der Jugendlichen, die den staatlichen Nationalismus und die traditionellen Werte ernst nahmen, die gegen den Kommunismus und gegen die kosmopolitische Kultur in den Städten eingestellt waren. Sie übernehmen den Islam als Identitätsangebot, ohne die religiösen Werte zu verinnerlichen. Auch die gegen das Großkapital eingestellten kleinen Händler in den anatolischen Provinzstädten konnte die MHP rekrutieren. Menschen, die großen Wert auf die traditionellen Strukturen von Familie, Nachbarschaft, Freundschaft leg- 18

20 ten, waren offen für den Einfluss der MHP und reagierten empfindlich, wenn sie diese Werte bedroht glaubten. Der ideologische Einfluss der MHP reichte weiter, als sich dies in Wählerstimmen niederschlug. Der Antikommunismus der MHP beeindruckte die Sympathisanten zwar, doch bei den Wahlen entschieden sie sich für andere konservative Parteien. Wer als Jugendlicher MHP-Anhänger war, wechselte mit zunehmendem Alter häufig zur Adalet Partisi (AP), Partei der Gerechtigkeit. In den Großstädten setzte sich der Kader ebenfalls aus Traditionalisten/Konservativen zusammen, die aber ihre Bindung zum Islam gelockert hatten. Sie vertraten Positionen, die auf den ersten Blick denen der Linken glichen: Gegen gesellschaftliche Ungerechtigkeit und Armut. Sie traten aggressiv in Erscheinung. Als ehemalige Landbewohner setzten sie gegen die Anonymität des Stadtlebens die landsmannschaftliche Solidarität. Sie entwickelten eine männlich dominierte Unterschichtkultur, ein Alltagsleben, das von Gewalt und Abenteuerlust geprägt ist. 19

21 2.2. Entwicklung des türkischen Rechtsradikalismus (Zeittafel) 20

22 21

23 3. Rechtsradikale türkische Organisationen in Köln 22

24 3.1. Struktur der Ülkücü-Vereine und -Organisationen in Köln Wir konzentrieren uns hier hauptsächlich auf die Kölner Vereine der Ülkücü- Bewegung. Im Zuge dieser Übersicht ist es wichtig zu erwähnen, dass die Organisationen keine homogene Ideologie vertreten. Durch die jahrzehntelangen Auseinandersetzungen, welche sich teils in den Abspaltungen äußerten, entwickelten sich recht unterschiedliche Positionierungen zu den türkischen Parteien. Die unten aufgeführten Vereine treten auch auf kommunaler Ebene, z.b. bei der Wahl des Ausländerbeirates/Integrationsrates; auf hochschulpolitischer Ebene, z.b. als Studentenverband Türk UNID oder bei anderweitigen politischen Aktivitäten wie Unterschriftensammlungen oder Organisation von Demonstrationen auf. In diesem Zusammenhang kooperieren sie häufig mit islamorientierten und islamistischfundamentalistischen Vereinen. Diese Vermengung führt dazu, dass AußenbeobachterInnen oftmals die verschiedenen Richtungen der Vereine nicht genau identifizieren können. Für weitere Information über die bundesweiten Vereinsstrukturen empfehlen wir Kemal Bozays 2005 erschienenes Buch: ich bin stolz, Türke zu sein!": Ethnisierung gesellschaftlicher Konflikte im Zeichen der Globalisierung, Emre Arslans Der Mythos der Nation im Transnationalen Raum aus dem Jahr 2009 oder andere Berichte aus dem Literaturverzeichnis. a) Türk Kültür Derneği Köln Türkischer Kultur Verein Köln 13, bekannt als Yunus-Emre-Moschee: Der Verein wird 1976 in der Christophstraße gegründet, zieht 1980 nach Mülheim in die Schanzenstraße und kauft 2 Jahre später in demselben Stadtteil ein altes Kino am Clevischen Ring. Dort wird die Yunus-Emre-Moschee eingerichtet, ausgestattet mit großzügigen Räumlichkeiten. Der Verein hat eine stabile Struktur und solide Finanzen, da er keine Miete zahlt und einige Geschäfte, wie z.b. Imbisse, führt. 14 Als 1978 in Frankfurt die legitimierte Auslandsvertretung der MHP gegründet wird, die Föderation (Die Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland e.v., kurz ADÜTDF/ Türk Federasyon), ist der Kölner Verein beteiligt. Unter dem Namen Mevlana kandidieren Mitglieder 2010 zum Integrationsrat und 13 Im Rahmen dieser Untersuchung wollte der Vereinsverantwortliche nicht mit uns reden. 14 Diese Information stammt aus einem der Interviews mit einem der führenden Mitglieder des Ülkücü-Vereinsspektrums 23

25 erhalten 900 Stimmen. Im Jahre 1999 erhielten sie dagegen mit 3376 Stimmen wesentlich höhere Zustimmung, sie bildeten die größte Gruppe im Ausländerbeirat. Auf ihrer Liste befinden sich auch CDU-Mitglieder. Die Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland e.v., kurz ADÜTDF/ Türk Federasyon): Auf der Homepage der Föderation finden sich zwei Symbole. Die Figur des blaugrauen Wolfes geht auf die Türkische Mythologie zurück. Danach soll ein Grauer Wolf die Türken in Asien aus einer schwierigen Situation geführt haben. Die Moschee mit den Symbolen der türkischen Fahne (Halbmond und Stern) und blauem Hintergrund ist als religiöses Symbol vor allem in Europa wichtig, um Einfluss bei den türkischen MigrantInnen zu erlangen. Als die Auslandsvertretungen der politischen Parteien 1977 durch die Türkei verboten werden, wird die ADÜTDF als Europaorganisation der Türkischen Partei der Nationalistischen Bewegung (Milliyetçi Hareket Partisi, MHP) 1978 gegründet. Der damalige Parteivorsitzende der MHP in der Türkei, Alparslan Türkeş, beauftragt Enver Altaylı damit, die Anhängerschaft der MHP in Europa zu organisieren. Wie er selbst auf seiner aktuellen Internetseite ( berichtet, war er gleichzeitig Mitglied des türkischen Geheimdienstes. 15 Nach der Gründung der Türk Föderation in der Bundesrepublik folgt die Bildung neuer Vereine in anderen europäischen Ländern (Belgien, Dänemark, England, Frankreich, Holland, Norwegen, Österreich, Schweden, Schweiz) 16. Ihr gehören in Europa ca. 200 Mitgliedsvereine an. Wie ihre Mutterorganisation MHP tritt sie für ein Großtürkisches Reich ein, zu dem auch das Europäische Türkentum gehört. 15 Hier zeigt sich die enge Zusammenarbeit der MHP mit dem türkischen Geheimdienst. Später arbeitete in der Position eines ehrenamtlichen Konsulats in Usbekistan. 16 ( 24

26 Partei der Nationalistischen Bewegung (Milliyetçi Hareket Partisi, MHP): Sie geht 1969 aus der "Republikanischen Bauern-Volkspartei" (Cumhuriyetçi Köylü Millet Partisi, CKMP) hervor. Ihr Vorsitzender ist Alparslan Türkeş, Führer (Başbuğ) genannt. Die Fahne zeigt drei Monde, Symbol für Asien, Afrika und Europa ein Rückgriff und einer Verherrlichung des Osmanischen Reiches, verbunden mit einer imperialen Überlegenheitsideologie (vgl. Arslan 2008: 109ff.). Die Fahne der Jugendorganisation (Ülkücü-Verein) zeigt einen Grauen Wolf, der die Ülkücüs auch zur Namensgebung Graue Wölfe veranlasste. Die MHP ist mit 2 Sitzen an der Regierung beteiligt, Türkeş wird stellvertretender Ministerpräsident. Nach den Neuwahlen 1977 ist die MHP bis 1978 mit 5 Sitzen an der Regierung beteiligt. Der Militärputsch vom 12. September 1980 verbietet alle Parteien, auch die MHP und die mit ihr verbundenen Ülkücü-Vereine. Der Vorsitzende der MHP, Türkeş, wird inhaftiert, vor einem Militärtribunal zu 9 Jahren Haft verurteilt und nach 4,5 Jahren entlassen. Als Nachfolge-Partei entsteht 1983 zuerst die Konservative Partei (Muhafazakar Parti,MP)", die später umbenannt wird in Partei der Nationalistischen Arbeit" (Milliyetçi Çalışma Partisi, MÇP) wird das Parteienverbot aufgehoben und die MCP übernimmt den Namen MHP. Als Türkeş 1997 verstirbt, wird Devlet Bahçeli, politischer Führer des traditionellen Flügels der MHP, nach langer Auseinandersetzung Vorsitzender. Bei den Parlamentswahlen 1999 wird die MHP zweitstärkste Partei (18%). Sie ist bis 2002 mit 12 Sitzen an der Regierung beteiligt scheitert sie an der 10%-Hürde, erringt also keinen Sitz im Parlament. Bei den vorgezogenen Parlamentswahlen 2007 zieht sie mit 71 Mandaten ins Parlament ein. b) Türkisch-Islamische Union Europa e.v. (Avrupa Türk Islam Birliği, ATIB): Auf der Homepage der Union wird ein Symbol mit aufgeschlagenem Koran gezeigt, auf dem eine Moschee steht; auch hier tauchen wieder die Zeichen der türkischen Fahne, Halbmond und Stern, auf. Die Zentrale in Köln befindet sich auf dem Salierring und ist ebenfalls mit Gebetsräumen ausgestattet. Seit 1994 ist die ATIB aktives Mitglied des Zentralrats der Muslime in Deutschland (ZMD), mit anderen religiös orientierten Dachverbänden. 25

27 Die ATIB agiert in Deutschland ohne Bindung zu einer Partei in der Türkei. Sie orientiert sich am Islam. Gleichzeitig steht sie noch in der Tradition der Grauen Wölfe. So ist auf der türkischsprachigen Internetseite 17 ein Aufsatz von Celebi vom zu finden, in dem er den Verein der Ülkücü-Bewegung zuordnet. Bis 1999 ist Musa Serdar Celebi Vorsitzender der ATIB, danach und bis heute Ehrenvorsitzender. Der Verein wird 1987 als Abspaltung der Türk Föderation in Mainz gegründet, kurz danach findet der Umzug nach Köln statt. Türkeş entfernt 1987 bei seinem Besuch der Organisation in Europa die beiden Führer Ali Batman und Musa Serdar Celebi, der verdächtigt wird, in das Papst-Attentat verwickelt zu sein, aus ihren Positionen, um sich vom negativen Image zu distanzieren. Außerdem geht es ihm um die Intensivierung des Kontaktes zur CDU/CSU. Celebi ist als führender Vertreter der Islamisierung der Partei in Deutschland gegen die offizielle Politik der MHP bzw. von Türkeş. Im Laufe der sich zuspitzenden Auseinandersetzung zwischen nationalistischen und islamischen Gruppierungen hatten Celebi und Batman zuvor die Organisation gespalten und mit 70 Vereinen die neue Föderation ATIB gegründet. Dies war ein großer Verlust für die Gruppe um Türkeş in der MHP. Nur 50 Vereine waren ihr in Europa geblieben 18. c) Köln Turan-Altay Ülkü Ocağı: Kölner Turan-Altaiische Ülkücü-Verein Der Verein wird 1997 in Köln-Kalk gegründet. In seiner Gründungszeit nennt er sich Köln Nizam-i Alem Ülkü Ocağı, der deutschsprachige Name war Interkultureller Familienbildungsverein e.v.. Auf seine Vereinsräume wird 1999 ein Brandanschlag verübt. Dazu gibt es zwei unterschiedliche Erklärungen. Die einen behaupten, es handele sich um einen Anschlag der PKK, die anderen sprechen von einem Versi Mit großem Engagement gelang es der MHP in 2 Jahren in Deutschland 120 und in Europa insgesamt 200 Vereine in ihrer Föderation zu organisieren. So konnte Türkes auf der europäischen Jahresversammlung in Belgien 1989 mit seiner Organisation den Neuanfang feiern. 26

28 cherungsbetrug. Der Kölner Verein zieht 2001 von Kalk nach Ehrenfeld, Akazienweg, 2008 gibt er die Vereinsräume auf. Grund dafür sind zum einen finanzielle Probleme, zum anderen ideologische Auseinandersetzungen mit der Zentrale, da der Kölner Verein sich mehr an nationalen als an religiösen Inhalten orientiert. Als der Verein 1999 bei den Ausländerbeiratswahlen als Liste Die Rose Gül kandidiert, erhält er 930 Stimmen, bei der folgenden Wahl im Jahre 2004 kandidieren sie schon nicht mehr alleine und im Jahre 2010 gar nicht mehr. Die führenden Mitglieder schreiben ihre Beiträge auf der Internetseite ( Nationalisten ). Der Kopf der Internetseite zeigt Atatürk und den Grauen Wolf mit den Symbolen der türkischen Flagge, Halbmond und Stern; der blaue Hintergrund wurde in der Geschichte von den Turkvölkern auf ihren Fahnen als Symbol für die Unendlichkeit Gottes gezeigt. Der Kölner Verein gehörte dem Dachverband Avrupa Nizam-ı Alem Federasyonu (Föderation der Weltordnung in Europa) an, der 1994 gegründet wurde. Dieser heißt seit 2002: AVRUPA TÜRK KÜLTÜR DERNEKLERİ BİRLİĞİ, Kurz: Avrupa Türk Birliği - ATB (Verband der türkischen Kulturvereine in Europa) Das Zentrum befindet sich in Frankfurt. In seinem Internet-Auftritt spricht er von 23 Vereinen in Deutschland. Der Kölner Verein wird nicht erwähnt. Er vereint die islamische Komponente mit dem historischpolitischen Ursprung des türkischen Nationalismus. In seiner Bildungsarbeit für türkische Kinder und Jugendliche verfolgt er das Ziel, diese im nationalistischen und islamischen Sinne zu erziehen. Man findet den Verband vor allem in Form von Eltern-, Kultur- und Sportvereinen sowie als Moscheen vor. 27

29 Der Dachverband ist eine Auslandsorganisation der Partei BBP Büyük Birlik Partisi (Große Einheitspartei) in der Türkei, die eine Abspaltung der MHP im Jahre 1993 ist. Grund für diese Abspaltung war ebenfalls die Hinwendung zum Islam nach dem Militärputsch in den 1980er Jahren. Unter Führung von Muhsin Yazicioglu gründete sich die islamisch orientierte Abspaltung als neue Partei. Sie hatte bei den Wahlen wenig Erfolg. Die Jugendorganisation der BBP Alperen Ocakları war verwickelt in die Christenmorde in Malatya, den Mord an einem katholischen Priester in der türkischen Stadt Trabzon und an dem armenischen Journalisten Hrant Dink. Der Vorsitzende der BBP, Muhsin Yazıcıoğlu, stirbt 2007 beim Absturz eines Hubschraubers. Von der Partei wird er als Führer der Nation - an Stelle von Türkeş - verehrt. d) Almanya Genç Türkler Ocağı (Jungtürken Verein): ( 28

30 Der kleine Verein wird 2009 in Köln Ehrenfeld, Wöhlerstraße 24a, gegründet. Er vertritt als Organisation für Jugendliche dieselbe Linie wie die Türk Föderation. Wie man oben an der Menge der Bedeutungshinweise (10) sehen kann, nimmt der kleine Verein sich sehr wichtig. Jeder der zehn Kommentare bezieht sich auf eine Legende des Pantürkismus. Deutlich wird an diesem Beispiel, wie einige Jugendliche versuchen, durch Rückgriff auf Symbole der Macht und Expansion ihrem Leben Bedeutung zu geben. e) Şeyh Şamil Derneği: Der Verein wird 1996 in Köln-Nippes, Nordstraße, gegründet und 2000 geschlossen. Gründe für die Schließung waren kriminelle Aktivitäten der Vereinsmitglieder, 5 Mitglieder wurden am Landgericht Köln zu 4 Jahren Haftstrafe wegen gewalttätiger Eintreibung von Schulden, Körperverletzung, Nötigung, gemeinschaftlichen Diebstahls und Menschenhandels verurteilt. In den Vereinsräumen wurden Molotowcocktails und Patronen gefunden. Diese Vorgänge belegen die Verflechtung mit mafiösen Strukturen der Ülkücü-Bewegung. Auch hier gab es Gebetsräume. Der Verein orientierte sich stärker an nationalistisch-pantürkistischen Ideologien als an religiösen Leitbildern. Die aktiven Mitglieder traten nach der Schließung des Vereins der Organisation Köln Turan-Altay Ülkü Ocağı bei Aktivitäten der Vereine und Organisationen Mit Ausnahme des ATIB-Verantwortlichen konnten wir keine offiziellen Vertreter der Ülkücü-Vereine interviewen. Die in diesem Kapitel verwendeten Informationen über die Aktivitäten stammen von früheren und jetzigen Mitgliedern, AußenbeobachterInnen, Medien wie z.b. Internetseiten oder Zeitungsartikeln. Dies verdeutlicht die antidemokratische, Partizipationsprozessen entgegenwirkende Tendenz der Bewegung und einiger Vereine. Besonders die AußenbeobachterInnen betonen die Intransparenz der Strukturen und Netzwerke der Vereine. Dafür kann es 3 Gründe geben: Ein Teil der Vereine wird von staatlichen Organen beobachtet, die andere Ursache mag in den außerhalb der Legalität liegenden Aktivitäten begründet sein. Die mangelnde Transparenz und Offenheit einiger Vereine ist zudem Zeichen der in der letzten Zeit verbreiteten öffentli- 29