Magazin. Wer zum Teufel braucht noch Literatur? Ein Essay von Georg M. Oswald

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1 Magazin Wer zum Teufel braucht noch Literatur? Ein Essay von Georg M. Oswald

2 MN Editorial Quo vadis Anwaltschaft? Herbert P. Schons, Duisburg Rechtsanwalt und Notar, Herausgeber des Anwaltsblatts The end of lawyers?. So heißt ein bereits 2008 erschienenes Buch des britischen Professors Richard Susskind. Seine These: Der Anwaltschaft stehe weltweit ein radikaler Wandel bevor wenn er nicht bereits eingetreten und von vielen Anwälten ignoriert werde. Heutige anwaltliche Dienstleistungen entsprächen nicht den Herausforderungen der neuen Marktsituation. Anwälte hätten sich darauf einzustellen, dass ihr Rat einem höheren Nutzwert für den Mandanten bei deutlich günstigeren Honoraren haben müsse. Internationalen Großkanzleien empfiehlt er Outsourcing ins billigere Indien. Dem nicht unerheblichen Rest der Anwaltschaft sagt der Professor auf den Punkt gebracht eine Zukunft als angestellter Anwalt in einer Rechtschutzversicherung oder gar in einer Supermarktkette voraus. Die Sat 1-Fernsehanwältin Danni Lowinski soll also Wirklichkeit werden, allerdings mit der Variante, dass sie direkt zur Angestellten des Kaufhauses mutiert. Ein unrealistisches Horrorszenario? Nightmare in lawyers life? Darüber lässt sich sicherlich streiten. Anlass zum Nachdenken gibt die provokante Frage des Buches allemal. Dass sich der Markt für den freiberuflich tätigen Anwalt spürbar geändert hat, ist jedenfalls nicht zu leugnen. Allein zwischen 2004 und 2009 ging die Anzahl der Gerichtsverfahren im deutlich zweistelligen Bereich zurück. Das ist weniger auf das Harmoniebedürfnis der deutschen Bevölkerung als auf die wirtschaftliche Situation zurückzuführen. Immer weniger Bürger können oder wollen sich ein teures Gerichtsverfahren leisten. Der traditionell geführten Anwaltskanzlei bricht ihr Tätigkeitsfeld weg. Im Verbraucherbereich kann das mit konventionellen Beratungsleistungen kaum kompensiert werden. Welcher Privatmandant wird einen Gebrauchtwagenkaufvertrag vorab anwaltlich prüfen lassen? Zu umständlich und zu teuer würde Susskind diagnostizieren. Hält diese Entwicklung an, so ist eine radikale Marktveränderung, verbunden mit einem heute noch unvorstellbaren Kanzleisterben nicht auszuschließen am Ende könnte eine flächendeckende Rechtsversorgung nicht mehr gewährleistet sein. Das klingt unvorstellbar, ist bei Ärzten aber schon Realität. Und damit schuldet es die Anwaltschaft nicht nur sich und unserem Nachwuchs, sondern insbesondere dem rechtssuchenden Publikum, dass eine solche Entwicklung verhindert wird. Das kann gelingen und wird gelingen, wenn wir uns in Zukunft weniger an dem Bild orientieren, das wir von uns selbst haben, sondern daran, was das Klientel von uns erwartet. Nicht die Rechtsformen (Stichwort: Anwalts- GmbH & Co. KG) müssen wir von den Gewerbetreibenden abgucken, sondern deren Streben nach Kundenzufriedenheit. Ein sich ständig verbesserndes Leistungsangebot, die Sensibilisierung der Bevölkerung auch für alltägliche Rechtsprobleme und der schnelle, ja pragmatische Lösungstransfer über die neuen Kommunikationsmittel dürfte eine Antwort für viele Herausforderungen sein. AnwBl 12 / 2012 Mantel M 399

3 Anwaltsblatt Jahrgang 62, 12 / 2012 Im Auftrag des Deutschen Anwaltvereins herausgegeben von der Rechtsanwältin und den Rechtsanwälten: Edith Kindermann Ulrich Schellenberg Herbert P. Schons Prof. Dr. Heinz Josef Willemsen Redaktion: Dr. Nicolas Lührig (Leitung) Udo Henke Manfred Aranowski Rechtsanwälte Aufsätze Magazin Editorial Anwaltsrecht Essay M 399 Quo vadis Anwaltschaft? Rechtsanwalt und Notar Herbert P. Schons, Duisburg Herausgeber des Anwaltsblatts 932 Königin ohne Land: Wer schützt die Gerichtsorganisation? Prof. Dr. Herbert Roth, Regensburg 970 Wer zum Teufel braucht noch Literatur? Rechtsanwalt und Schriftsteller Georg M. Oswald, München M 402 M 404 M 406 M 415 M 422 M 428 Nachrichten Bericht aus Berlin: Verfahrensfehler Vor einem neuen Verbotsantrag gegen die NPD Peter Carstens, Berlin Bericht aus Brüssel: Bewölkung über Europa Sonnenschein für die Anwaltschaft? Rechtsanwalt Jonas Regenfuß, Brüssel Nachrichten Stellenmarkt des Deutschen Anwaltvereins Bücher & Internet Deutsche Anwaltakademie Seminarkalender Schlussplädoyer M 430 Nachgefragt, Comic, Mitglieder-Service 1010 Fotonachweis, Impressum 936 Die Anwaltschaften in den GUS-Staaten brauchen Hilfe Dr.JensDeppe,Eschborn 942 Anwaltliche Verschwiegenheit im chinesischen Recht Rechtsanwalt Dr. Marius E. Mann, MBA, M.Jur (Oxford), Stuttgart 947 Vom Syndikusanwalt zum Unternehmensjuristen dient das der Anwaltschaft? Rechtsanwalt Dr. Michael Kleine-Cosack, Freiburg i. Br. 956 Der Syndikusanwalt, das Postulationsrecht und der EuGH Rechtsanwalt Thomas Marx, Berlin Anwaltshaftung 957 Akzeptanz in der Anwaltschaft für eine PartG mbb Rechtsanwalt Dr. Matthias Kilian, Soldan Institut, Köln Anwaltspraxis 961 Anwälte sind der Medien Liebling nicht immer wird aber aus Zuneigung Liebe Prof. Dr. Joachim Jahn, Berlin Meinung & Kritik 964 Cutting Egde oder: Alles zurück auf Null Rechtsanwalt Michael Rosenthal, Karlsruhe Anwaltsblattgespräch 976 Im Schönfelder gibt s das Wort Gerechtigkeit nicht EinInterviewvonBennoHeussenmitdem Schriftsteller und ehemaligen Richter Herbert Rosendorfer, der im September 2012 verstorben ist Kommentar 978 DAV und Menschenrechte Rechtsanwalt Dr. Friedwald Lübbert, Bonn Gastkommentar 979 Externe Vorprüfung statt Abschreckungsgebühr Dr.ChristianRath,KölnerStadtanzeiger Report 980 AGB im B2B-Verkehr: Alles nur ein Schaulaufen? Dr. Helene Bubrowski, Berlin 982 Wieviel Wahrheit verträgt der Strafprozess? Rechtsanwalt Dr. Stefan König, Berlin Anwälte fragen nach Ethik 984 Diktierhemmung bei der Ethik? Rechtsanwalt Dr. Michael Streck, DAV-Ausschuss Anwaltliche Berufsethik, Köln Bücherschau 966 Anwaltsgeschichte und Soziologie Rechtsanwalt Dr. Matthias Kilian, Köln M 400 AnwBl 12 / 2012 Mantel

4 Anzeige MN Aus der Arbeit des DAV Rechtsprechung 986 Europäischer Parlamentarischer Abend in Brüssel 988 DAV-Stellungnahmen 988 Deutsche Anwälte kämpfen für verfolgte Kollegen in der Türkei 990 Amnesty International: Anwälte helfen verfolgten Anwälten 991 Wirtschaft für DAV-Vorschlag zu den Syndikusanwälten 991 DAV Stifung: Weiter auf Spenden angewiesen 991 Deutsche Anwaltakademie: Nachrichten 992 AG Verkehrsrecht: Homburger Tage 993 AG Mietrecht: Erfolgreiche Herbsttagung 994 Landesverband Baden-Württemberg: Parlmentarischer Abend 994 Landesverband Hessen: Landesanwaltstag 995 DAV-Förderverein: Veranstaltung in Prag 996 Baden-Württemberg: Börse für Kanzleinachfolge 996 DAV Griechenland: Deutschland als Vorbild? 997 AG Syndikusanwälte: Bonner Praxiskurs Kartellrecht 997 Oldtimerrechtstag 997 DAV-Wertung Berlin Marathon 997 Mitgliederversammlungen 998 Personalien Haftpflichtfragen 1000 Globalisierung und Haftung: Risiken beim grenzüberschreitenden Mandat Rechtsanwältin Antje Jungk, Allianz Versicherung, München Anwaltsrecht 1003 EuGH: Syndikusanwalt nicht vor EuGH postulationsfähig 1005 AGH: Vorsorgeanwalt ist zulässige Werbung Anwaltshaftung 1006 BGH: Anforderungen an Berufungsbegründung 1006 BGH: Vorbringen im ersten Termin niemals verspätet 1007 BGH: Zweitfax des Gerichts muss Anwalt heraussuchen 1007 BGH: Wieviel Überwachung bei Weisungen? 1007 BGH: Einzelanweisung muss wirklich umfassend sein 1007 BGH: Blankounterschrift nicht per se zulässig Anwaltsvergütung 1007 BGH: Rechtsmissbrauchs in der Kostenfestsetzung 1008 BGH: Getrennte Verfahren als Kosten-Rechtsmissbrauch 1009 BGH: Kosten des Zweitanwalts in der Kostenerstattung I 1010 BGH: Kosten des Zweitanwalts in der Kostenerstattung II

5 MN Bericht aus Berlin Verfahrensfehler Vor einem neuen Verbotsantrag gegen die NPD Gesetzgebung Berufshaftung Der NPD-Verbotsantrag nimmt Fahrt auf. Anfang Dezember treffen sich die Innenminister der Länder, um die Ergebnisse einer bundesweiten Materialsammlung zu bewerten. Am 6. Dezember wollen die Ministerpräsidenten entscheiden, ob ein Verbotsantrag beim Bundesverfassungsgericht gestellt wird. Das gilt als wahrscheinlich, weil der politische Wille, ein Zeichen zu setzen stärker ist, als die Bereitschaft, sich mit Fakten und Zusammenhängen zu befassen. Innenminister Hans-Peter Friedrich ist der Einzige, der noch öffentlich und deutlich seine Bedenken vorträgt. Die NPD ist eine widerliche, verfassungsfeindliche Partei. Aber gefährdet sie die verfassungsmäßige Ordnung? Die Partei hat in den vergangenen zwei Jahren bei Wahlen in Bundesländern jämmerliche Ergebnisse erzielt: 0,5 Prozent in Nordrhein-Westfalen, 0,7 Prozent in Schleswig-Holstein, ein Prozent in Baden-Württemberg. Nur in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen sitzt die NPD im Landtag. Die Partei verliert Mitglieder. Auch finanziell hat sie Schwierigkeiten. Sie ist, wie Friedrich sagt eine absterbende Partei. Anlass des Verbots-Bestrebens war die Aufdeckung des Nationalsozialistischen Untergrund (NSU). Gleich danach regte Bundeskanzlerin Merkel an, ein abermaliges NPD-Verbotsverfahren zu prüfen. Mit der Festnahme des mutmaßlichen Terrorhelfers und ehemaligen NPD-Funktionärs Wohlleben schien zudem eine innere Verbindung zwischen Partei und Terror hergestellt. Doch haben sich diese Verdachtsmomente nicht erhärten lassen. Trotzdem wurde ein Verfahrensantrag weiter betrieben. Die Risiken des Verfahrens sind, das sagen alle Experten, erheblich, insbesondere dann, wenn man in einer öffentlichen Verhandlung auf die V-Leute zu sprechen kommen wird. Wie soll bewiesen werden, dass nicht gerade die schlimmsten aggressiv-kämpferischen Aussagen aus dem Material gegen die NPD von Verfassungsschutz-Informanten stammen? Durch Aufdeckung aller V-Leute und ihrer Klarnamen? Was, wenn die NPD- Anwälte behaupten, das seien nicht alle? Wenn sich NPD-Funktionäre, beispielsweise, selbst bezichtigen würden, ebenfalls für den Verfassungsschutz zu arbeiten? Nach einem NPD-Verbot in Deutschland käme der Fall vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Dort muss man beweisen, dass die staatliche Ordnung durch eine Partei tatsächlich bedroht ist. In einem Fall aus der Türkei etwa hatte das Verbot gegen die Wohlfahrtspartei Bestand, weil die parlamentarisch starke islamistische Partei ernsthafte Chancen auf Machtübernahme hatte. Hier galt dass Verbot als ultima ratio. Gilt das für die NPD, die nicht im Bundestag vertreten ist? Unterdessen wird der politische Kampf gegen die NPD vernachlässigt. Die Bürgergesellschaft könnte dabei mehr Unterstützung gebrauchen, mehr staatliche Rückendeckung. Sucht man im Familienministerium, welche neuen Ideen und Vorhaben dort seit der Aufdeckung des NSU gefördert werden, findet man fast nichts. Und was tun die Fußballvereine gegen Hunderte von Neonazis in ihren Fan-Blocks? Ein NPD- Verbotsantrag wäre ein kläglicher Ersatz für die politische und gesellschaftliche Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus und Rassismus. Unterdessen entstehen neue, radikale Parteien wie etwa Die Rechte. Dorthin würden dann auch die NPD-Anhänger im Falle eines Parteiverbots ausweichen. Der Autor Peter Carstens, Berlin ist Parlamentskorrespondent und schreibt im Wechsel mit Prof. Dr. Joachim Jahn, beide von der F.A.Z. In einer öffentlichen Anhörung am hat sich der Rechtsausschuss des Bundestags mit dem Gesetzentwurf zur Einführung einer PartG mbb beschäftigt (siehe dazu die Meldung auf AnwBl 2012, M 406, in diesem Heft). Kostenrechtsmodernisierung Der Bundesrat hat am Stellung zu dem Regierungsentwurf für ein Zweites Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts (Mai-Heft, AnwBl 2012, M158) abgegeben. Unter anderem weist der Bundesrat auf die Notwendigkeit hin, die Vergütung für Rechtsanwälte an die wirtschaftliche Entwicklung der letzten Jahre anzupassen. Außerdem soll das Gesetzgebungsverfahren zur Kostenbegrenzung im Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferecht (Oktober-Heft, AnwBl 2012, M332) unbedingt parallel geführt werden. Auch zu diesem Entwurf nahm der Bundesrat am Stellung. Rechtsbehelfsbelehrung Der Gesetzentwurf zur Einführung einer Rechtsbehelfsbelehrung im Zivilprozess (BT-Drs. 17/10490; August-/September- Heft, AnwBl 2012, M282) war am Gegenstand der ersten Beratung im Bundestag. Die zuvor vom Bundesrat geforderte Beschränkung der Rechtsbehelfsbelehrung auf fristgebundene Rechtsbehelfe lehnte die Bundesregierung in einer Stellungnahme ab. Sie sei aber grundsätzlich bereit, einen befürchteten Ausgabenanstieg auf Grund von Verfahrensbeistandsbestellungen nach den 158, 174 FamFG zu überprüfen. Der Bundestag überwies den Gesetzentwurf an den Rechtsausschuss. Geldwäsche Das Geldwäschegesetz soll erneut ergänzt werden. Am fand im Finanzausschuss eine öffentliche Anhörung zu einem entsprechenden Gesetzentwurf der Bundesregierung statt (BT-Drs. 17/10745). Experten kritisierten, dass die Instrumentarien im deutschen Strafrecht zur Beschlagnahme von Vermögen nicht geeignet seien. Für Branchen, bei denen ein erhöhtes Risiko besteht, dass sie für Geldwäsche missbraucht werden, sieht der Gesetzentwurf besondere Sorgfaltspflichten vor. So müssen Anbieter von Glücksspielen im Internet einen Geldwäschebeauftragten bestellen. M 402 AnwBl 12 / 2012 Mantel

6 MN Bericht aus Brüssel Bewölkung über Europa Sonnenschein für die Anwaltschaft? Gesetzgebung Binnenmarktakte II Nein, die Leserinnen und Leser benötigen weder einen (Rettungs-)Schirm noch geht es um ein neues Austeritätsprogramm. Wachstum steht dennoch im Vordergrund: In fünf Jahren könnte das europäische Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 600 Milliarden Euro gesteigert und 2,5 Millionen zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden allein durch Speichern, Verarbeiten und Verwenden von Daten auf entfernten Rechnern und dem Zugriff darauf über das Internet. Mit anderen Worten: durch Cloud-Computing. So sieht es jedenfalls die EU-Kommission in ihrer Strategie Freisetzung des Cloud-Computing-Potenzials in Europa vor. Vertrauen in der Cloud Dem ungehemmten Cloud-Computing steht zunächst die Angst vor den Risiken im Weg. Daher will die Kommission eine Reihe von vertrauensbildenden Maßnahmen umsetzen. Um der unbedarften Wolkendeutung sowie der ungewollten Anbieterbindung abzuhelfen, will sie den Normendschungel lichten. Hierzu sollen zum Beispiel geeignete Standards geschaffen werden, deren Erfüllung seitens der Anbieter EU-weit zertifiziert werden kann. Durch aufsichtsbehördliche Anerkennung solcher Zertifizierungen können Nutzer wiederum die Einhaltung ihnen auferlegter rechtlicher Verpflichtungen nachweisen. Weil daneben die Standard-Vertragsbedingungen der Anbieter oft als unpräzise und unausgewogen empfunden werden, sollen Musterbedingungen zur Regelung der Leistungsbeziehungen (nebst Haftung) zwischen Anbietern und gewerblichen Cloud-Nutzern entwickelt werden. Durch von Experten noch zu erarbeitende AGB soll Verbrauchern und kleinen Unternehmen zudem der Datenumzug von einem Provider zum anderen ermöglicht werden. Schließlich sind für den Datenschutz Übergangslösungen bis zur Umsetzung der Datenschutzreform geplant. Anwaltsgeheimnis in der Cloud Bei der beruflichen Nutzung der Cloud befinden sich deutsche Anwälte allerdings noch immer in einer möglicherweise gefährlichen Grauzone auch wenn sich der Rat der Europäischen Anwaltschaften (CCBE) grundsätzlich für die Cloud ausgesprochen hat. Es ist nämlich unklar, wer außer dem Anwalt noch alles auf die Akten in der Cloud zugreifen kann und ob der Anwalt von der mutmaßlichen Einwilligung des Mandanten ausgehen darf, sinnvolle technische Möglichkeiten wie die Cloud auch zu nutzen. Ob und wie das Cloud-Computing als Teil des sogenannten Non-legal Outsourcings mit dem strafbewehrten Anwaltsgeheimnisses in Einklang gebracht werden kann, wird auch immer wieder im Anwaltsblatt lebhaft diskutiert. Der DAV hat mit einem Symposium alternative Wege in die Wolke aufgezeigt (siehe nur AnwBl 2012, 538). Eine Möglichkeit wäre, den einschlägigen 203 StGB zu reformieren. Damit nicht anstelle des Strafrechts das Unionsrecht verletzt wird, werden weitere Überlegungen zu einem Verhaltenskodex und zur gesetzlichen Sonderregelung in der BRAO oder BORA angestellt (siehe zuletzt Hellwig, AnwBl 2012, 590). Das Problem liegt jetzt in Deutschland bei der Satzungsversammlung. Dort will man 2013 einen konkreten Vorschlag für die BORA präsentieren und nicht abwarten, ob der deutsche Gesetzgeber noch eine Lösung entwickelt (siehe nur Leutheusser- Schnarrenberger, AnwBl 2012, 477). Der Autor Jonas Regenfuß, Brüssel ist Rechtsanwalt und Referent im Brüsseler Büro des Deutschen Anwaltvereins. Im zwanzigsten Jahr des Binnenmarktes hat die Kommission mit der Binnenmarktakte II (Mitteilung KOM(2012) 573) am 3. Oktober 2012 ein weiteres Maßnahmenpaket zur Fortentwicklung des Binnenmarkts vorgelegt. Aufbauend auf der Binnenmarktakte I (KOM(2011) 206) werden zwölf weitere vorrangige Maßnahmen vorgestellt. Neben vollständig integrierten Verkehrsnetzen wird etwa die Verbesserung der grenzüberschreitenden Mobilität von Bürgern und Unternehmen durch eine Modernisierung des Insolvenzrechts angestrebt. Auch werden Vorschläge zur Vollendung des digitalen Binnenmarktes bis 2015 in Aussicht gestellt. Unter Bezug auf den Aktionsplan der Kommission zur Dienstleistungsrichtlinie vom 8. Juni 2012 seien Kommission und Mitgliedstaaten aufgefordert, besondere Aufmerksamkeit der gegenseitigen Bewertung der Vorschriften für reglementierte Berufe zu widmen. Schließlich soll eine Stärkung des sozialen Zusammenhalts und des Verbrauchervertrauens erreicht werden. Alle legislativen Vorschläge sollen bis zum Frühjahr 2013 vorgelegt werden. Der Rat und das EU-Parlament sind aufgefordert, die legislativen Vorschläge vorrangig zu behandeln und bis zum Frühjahr 2014 anzunehmen. Online-Markt für Musik und Videos Das EU-Parlament fordert einen attraktiveren, flexibleren und rechtssicheren Online-Vertrieb audiovisueller Werke in der EU. Die bereits vorliegenden Vorschläge, unter anderem zur Vergabe von Mehrgebietslizenzen für die Online-Nutzung von Musikwerken (vgl. KOM(2012) 372), reichen nicht, wie sich aus dem vom Plenum nunmehr angenommenen Entschließungsantrag 2011/2313(INI) vom 25. Juli 2012 zum Online-Vertrieb audiovisueller Werke in der EU ergibt. Darin wird etwa die Förderung des grenzübergreifenden Zugangs zu Inhalten aus anderen Mitgliedstaaten gefordert. Dabei muss auch im europäischen digitalen Onlinemarkt die Einhaltung der Urheberrechte sichergestellt sein. Durch die Einführung eines internationalen Identifikationssystems könnte der Rechteerwerb weiter erleichtert werden. Der DAV hat sich bereits in seinen Stellungnahmen Nr. 5/2012 und Nr. 72/2012 aus der Perspektive der Rechteerwerber und ihrer Rechtsberater für einen einheitlichen digitalen Binnenmarkt ausgesprochen. M 404 AnwBl 12 / 2012 Mantel

7 MN Nachrichten Anwaltsrecht BGH: Eine Kanzlei- Anschrift auf dem Briefbogen genügt Ein Anwalt muss nur eine Kanzleianschrift verwenden. Er ist nicht verpflichtet, sämtliche Standorte seiner Niederlassung auf den Briefpapier zu nennen oder kenntlich zu machen, wo er eine Zweigstelle unterhält. Das hat der BGH jetzt entschieden (Urt. v I ZR 74/11). Der unter anderem für das Werberecht zuständige I. Zivilsenat des BGH zieht die Konsequenz aus einer früheren Entscheidung des Anwaltssenats des BGH. Dieser hatte der Satzungsversammlung der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) folgend betont, dass die Zweigstelle auch Kanzlei sei (BGH AnwBl 2010, 873). Der I. Zivilsenat folgert nun daraus, dass in 10 Abs. 1 Satz 1 der Berufsordnung der Rechtsanwälte (BORA) zum Briefpapier auch nur eine Kanzleianschrift anzugeben sei. Das gelte auch dann, wenn der Anwalt mehrere Zweigstellen unterhalte. Er sei nicht verpflichtet, seine Kanzlei im Sinne von 27 Abs. 1 BRAO auf dem Briefpapier zu bezeichnen. Die Entscheidung ist darüber hinaus für das anwaltliche Werberecht grundlegend. Der BGH stellt nämlich klar, dass die Pflicht zur Angabe aller Standorte auch nicht aus dem erst 2008 eingefügten 5 a Abs. 2 UWG folge. Nach dieser Vorschrift handelt unlauter, wer die Entscheidungsfähigkeit von Verbrauchern dadurch beeinflusst, dass er eine Information vorenthält, die im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände (einschließlich der Kommunikationsmittel) wesentlich ist. Das Bestehen weiterer Niederlassungen eines Anwalts ist nach Auffassung des BGH keine solche wesentliche Information. Eine Information sei noch nicht wesentlich, weil sie für den Verbraucher von Bedeutung sein könne. Genauso wenig müssten Anwälten über ihre Präsenz in der Kanzlei, eine Halbtagstätigkeit oder ihre Examensnoten informieren. Offengelegt müssten nur Informationen von erheblichem Gewicht. Mehrere Niederlassungen gehörten dazu nicht. Die Entscheidung des BGH ist im Volltext abrufbar unter (AnwBl Online 2012, 333). Anwaltsrecht PartGmbB: Zuspruch, aber auch Kritik bei Anhörung im Bundestag Bei einer öffentlichen Sachverständigenanhörung am 7. November 2012 hat der von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwurf zur Einführung der Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung (PartGmbB) Zustimmung aber auch Kritik erfahren. Zu den Sachverständigen gehörte auch Rechtsanwalt Markus Hartung. Der Vorsitzende des DAV-Berufsrechtsausschusses nannte die PartGmbB eine attraktive Alternative zur Limited Liability Partnership (LLP). Die Interessen der Mandanten wahre die hohe Mindestversicherungssumme von 2,5 Millionen Euro. Nachbesserungsbedarf sah Hartung im Hinblick auf die interprofessionelle Zusammenarbeit und regte eine einheitliche Mindestversicherung an. Die geplante neue Rechtsform für Freiberufler wurde allerdings auch als Systembruch im deutschen Recht kritisiert. Insbesondere der stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Richterbundes Lothar Jünemann sowie Prof. Dr. Barbara Grunewald von der Universität Köln äußerten Bedenken. Grunewald warb dafür, die Anwalts-GmbH durch die Absenkung der Mindestversicherungssumme von 2,5 Millionen Euro attraktiver zu machen oder über die Zulassung der GmbH & Co KG für Freiberufler nachzudenken. Die neue Gesellschaftsform geht auf eine Gesetzesinitiative des Deutschen Anwaltvereins zurück. Assessorin Jessika Kallenbach, Berlin Leserreaktion» Klare Meinung Zu dem Beitrag Der Zweck heiligt (nicht) die Mittel? von Rechtsanwalt Dr. Hubert W. van Bühren im November-Heft des Anwaltsblatts (AnwBl 2012, 906): Meinen herzlichen Dank für und Glückwunsch zu diesem Kommentar. Klar und knapp, ohne oberflächlich zu bleiben und mit klarer Position. Der gelungenste Text, den ich bisher zu diesem Thema finden konnte. Rechtsanwältin Simone Hiesgen, LL.M., Hattingen Hülfskasse Deutscher Rechtsanwälte Aufruf zur Weihnachtsspende 2012 Sehr geehrte Frau Kollegin, sehr geehrter Herr Kollege, aufgrund der großen Hilfsbereitschaft der Anwaltschaft im gesamten Bundesgebiet verlief unsere Spendenaktion 2011 sehr erfolgreich. Auch im Namen der Hilfeempfänger/innen danke ich allen Spendern hierfür sehr herzlich! Das Spendenergebnis stellt einen ganz besonderen Solidaritätsbeweis der Anwaltschaft in Deutschland dar. Im Jahr 2011 konnten wir einen Betrag von insgesamt EUR ,00 verteilen: 184 in Not geratene Kolleginnen und Kollegen und deren nächste Angehörige bzw. Hinterbliebene aus 26 Kammerbezirken erhielten Geldspenden von in der Regel je EUR 650,00, zusätzlich erhielten 37 Kinder Buchgutscheine im Wert von je EUR 20,00. Auch in diesem Jahr hoffen wir wieder auf Ihre Unterstützung, um Rechtsanwältinnen, Rechtsanwälten und ihren Angehörigen in unverschuldeten Notsituationen behilflich sein zu können. Diese Notlagen können verursacht sein durch Alter oder Krankheit, aber auch nach besonderen Schicksalsschlägen, wie früher Tod des Ehepartners. Daher unser Aufruf: Helfen Sie mit Ihrer Spende! Diesem Heft liegt auch ein Flyer der Hülfskasse bei. Zu Ihrer Information sei erwähnt, dass die Hülfskasse bei der Verteilung der Weihnachtsspende nicht auf Angehörige unserer Mitgliedskammern Braunschweig, Hamburg, Schleswig- Holstein sowie beim BGH beschränkt ist, sondern bundesweit notleidende Personen unseres Berufsstandes unterstützt. Sollte Ihnen im Kollegenkreis ein Notfall bekannt sein, nehmen Sie bitte Kontakt zu uns auf. Wir helfen gern! Bernd-Ludwig Holle, Vorstandsvorsitzender der Hülfskasse Deutscher Rechtsanwälte Bankverbindung der Hülfskasse: Deutsche Bank Hamburg, Konto (BLZ ) und Postbank Hamburg, Konto (BLZ ). Jede Spende ist steuerabzugsfähig. Für Spenden ab 200,00 Euro erhalten Sie unaufgefordert eine Spendenbescheinigung. Für Spenden bis einschließlich 200,00 Euro genügen als Nachweis der von Ihrem Kreditinstitut quittierte Beleg. M 406 AnwBl 12 / 2012 Mantel

8 MN Nachrichten 5. Satzungsversammlung Keine Gleichbehandlung des Syndikusanwalts bei den Fachanwaltschaften Die 5. Satzungsversammlung hat sich dagegen ausgesprochen, Syndikusanwälte bei den Fachanwaltschaften gleich zu behandeln. Der Vorschlag des für die Fachanwaltschaften zuständigen Ausschusses 1 der Satzungsversammlung wurde in der 3. Sitzung am 13. November 2012 in den Ausschuss zurückverwiesen. Der Ausschuss hatte dafür plädiert, zukünftig auch alle Fälle als Nachweis der praktischen Erfahrung zu zählen, die ein Syndikusanwalt außergerichtlich für sein Unternehmen bearbeitet hat. Außerdem sollte in 5 Abs. 1 FAO klargestellt werden, dass der zukünftige Fachanwalt im Mandat persönlich, nicht aber auch zwingend weisungsfrei tätig war. Davon hätten auch (angestellte) Anwälte in Kanzleien profitiert, die nach Anweisung ihres Arbeitgeberanwalts arbeiten. Deutliche Kritik gab es in der Diskussion an der Streichung des Wortes weisungsfrei. Gleich zwei Vizepräsidenten der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) schürten darüberhinaus Angst vor Wettbewerb mit dem Hinweis, dass den Syndikusanwälten der Weg zum Fachanwalt nicht zu leicht gemacht werden dürfe. Ohnehin wurde in der Diskussion deutlich, dass der Vorschlag des Deutschen Anwaltvereins für eine Gleichstellung der Syndikusanwälte wenig Unterstützung im Lager der Rechtsanwaltskammern findet. Was es sonst noch gab in der Satzungsversammlung? Nicht viel. Der 7 a BORA er regelt die werbliche Bezeichnung des Anwalts als Mediator wurde so angepasst, das er jetzt auf 5 Abs. 1 des im Sommer in Kraft getretenen Mediationsgesetzes verweist. Außerdem gab es in 34 Abs. 4 BORA einen Korrekturbeschluss, der aber nur die verkammerten Rechtsbeistände betrifft. Und die Satzungsversammlung hat nun eine moderne, geschlechtergerechte Fassung der Geschäftsordnung angesichts des heftigen Widerstands einiger Männer keine Selbstverständlichkeit. Rechtsanwalt Dr. Nicolas Lührig, Berlin Anwaltsrecht BGH prüft Fallquorum von 50 Gerichtsverfahren für Fachanwalt für Arbeitsrecht Der Anwaltssenat des Bundesgerichtshofs wird das Fallquorum von 50 gerichts- oder rechtsförmlichen Verfahren für den Fachanwalt für Arbeitsrecht auf den verfassungsrechtlichen Prüfstand stellen. Mit Beschluss vom 15. Oktober 2012 (AnwZ (Brfg) 29/11) hat er in einer verwaltungsrechtlichen Anwaltssache die Berufung zugelassen, in dem der Anwalt das nach 5 Abs. 1 Buchstabe c) FAO erforderliche Fallquorum nicht erreicht hat. Der gescheiterte Antragsteller hat so wurde in der 3. Sitzung der 5. Satzungsversammlung am 13. November 2012 in Berlin berichtet gerügt, dass es Anwälte heute deutlich schwerer hätten, das Quorum zu erreichen. Das sei eine nicht mehr annehmbare Ungleichbehandlung. Je nach Zählung konnte der Antragssteller nur 44 oder 45 Verfahren nachweisen. Leserrektion» Keine Nutzungspflicht für digitale Kommunikation Zu der Meldung zur DAV-Forderung Kein Flickenteppich beim elektronischen Rechtsverkehr im November-Heft des Anwaltsblatts (AnwBl 2012, 917): Der elektronische Rechtsverkehr mit der Justiz soll jetzt gesetzlich geregelt werden schön. Weniger schön ist, dass der Gesetzesentwurf auch eine Nutzungspflicht für Rechtsanwälte vorsieht (geregelt in jeweils einem neuen Paragraphen in ZPO, ArbGG, FamFG, VwGO, SGG und FGO). Zwanzig Jahre lang ging es gar nicht, und jetzt geht es plötzlich nicht mehr ohne? Seit zwei Jahrzehnten wartet die Anwaltschaft (und die Mandantschaft) darauf, dass die digitale Kommunikation endlich auch in der Justiz ankommt. Und jetzt, wo es soweit ist, wird gleich ein gesetzlicher Zwang zum Mitmachen angeordnet gerade so, als hätte die Justiz auf die Anwälte gewartet, und nicht umgekehrt. Das erinnert fatal an einen Satz des französischen Moralisten La Rochefoucauld: Niemand hetzt andere so wie die Faulen, wenn sie ausgefaulenzt haben, damit sie fleißig erscheinen. Selbstverständlich lassen sich für die elektronische Kommunikation gute Gründe ins Feld führen. Aber muss man deshalb gleich alle dazu zwingen? Sind die Gründe für dieses eine Verhalten so eindeutig überwiegend, dass jedes andere Verhalten verboten werden muss? Und wenn diese Gründe wirklich so eindeutig überwiegen, warum ist Zwang dann überhaupt nötig? Und ist er überhaupt verfassungsgemäß? Offenbar sollen ja nur die Anwälte zum Mitmachen gezwungen werden Den Anwälten kann man das ja vielleicht mit dem Argument abverlangen, dass sie sowieso eine Kanzlei betreiben müssen (wozu nach derzeit noch einhelliger Auffassung allerdings nicht mehr gehört als ein Schild und ein Telefon, keineswegs ein Computer und ganz bestimmt kein Internet-Anschluss). Aber was ist mit all den anderen, die ebenfalls als Parteivertreter vor Gericht agieren dürfen: der Arbeitgeberverbands- oder Gewerkschaftssekretär ( 11 Abs. 2 ArbGG), der Hochschullehrer (vgl. etwa 73 Abs. 2 SGG und 67 Abs. 2 VwGO), außerhalb von Anwaltsprozessen sogar der berühmte Jedermann sie alle dürfen sich weiterhin der guten alten Schneckenpost bedienen? (Ob sie es wollen, sei hier einmal dahingestellt jedenfalls dürfen sie sich frei entscheiden, der Anwalt nicht.) Wie auch schon bei der Robenpflicht sollte man zwei Fragen auseinanderhalten: 1.) Ist das Verhalten XY richtig? 2.) Soll jedes andere Verhalten außer XY gesetzlich verboten werden? Wenn man diese beiden Fragen nebeneinander betrachtet, dann wird schnell klar: solange es auf die erste Frage mehr als eine vertretbare Antwort gibt, kann man die zweite Frage vertretbarerweise nur mit Nein beantworten. Diese Überlegung hat wiederum ein Franzose vor dreihundert Jahren pointiert ausgedrückt, nämlich Monfesquieu: Wenn ein Gesetz nicht nötig ist, dann ist es nötig, das Gesetz nicht zu erlassen. Auch der glühendste Verfechter einer Technik kann sich nicht ernsthaft wünschen, zu ihrer Nutzung gesetzlich verpflichtet zu werden. Ich wünsche mir, dass die Mitgliedsvereine des DAV, aber auch möglichst viele Anwälte ihre Stimme erheben, damit die Nutzungspflicht für Rechtsanwälte nicht Gesetz wird. Rechtsanwalt Jochim C. Schiller, Berlin M 408 AnwBl 12 / 2012 Mantel

9 MN Aufsätze 932 Königin ohne Land: Wer schützt die Gerichtsorganisation? Prof. Dr. Herbert Roth, Regensburg Gerichtsschließungen werden immer wieder mit Sparzwängen begründet selten geht es um eine bessere Rechtsprechung. Doch die Gerichtsorganisation steht schon nach der Verfassung nicht zur freien Disposition des Gesetzgebers. Der sollte ohnehin umdenken und die Justiz mehr fördern. 936 Die Anwaltschaften in den GUS-Staaten brauchen deutsche Hilfe Dr. Jens Deppe, Eschborn Der deutsche Rechtsstaat ist eine mühsam erkämpfte und keineswegs selbstverständliche Errungenschaft. Den GUS-Staaten hat Deutschland in den vergangenen Jahren vor allem bei Justizreformen geholfen. Jetzt sollte es um die Anwaltschaften gehen. Denn der Rechtsstaat braucht gute Anwälte. 942 Anwaltliche Verschwiegenheit im chinesischen Recht Rechtsanwalt Dr. Marius E. Mann, Stuttgart Die GUS-Staaten sind geographisch näher als China. Doch im Marken-, Handelsoder Gesellschaftsrecht wird ein deutscher Anwalt eher mit China zu tun haben. Der Autor erläutert, warum die Verschwiegenheit des Anwalts in China Lücken hat und was das in der Anwaltspraxis bedeutet. 947 Vom Syndikusanwalt zum Unternehmensjuristen dient das der Anwaltschaft? Rechtsanwalt Dr. Michael Kleine-Cosack, Freiburg i. Br. DassUnterlassendemTungleichstehenkann,wissenJuristen.Dochfürdieberufsrechtliche Anerkennung der Syndikusanwälte kämpfen neben dem Deutschen Anwaltverein zu wenige. Die Steuerberater sind weiter: Gesetzgeber und Bundesfinanzhof haben den Syndikussteuerberater anerkannt.

10 MN Aufsätze Anwaltsrecht Königin ohne Land: Wer schützt die Gerichtsorganisation? Gerichtsorganisation als Gegenstand von Rechtspolitik und verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung * Prof. Dr. Herbert Roth, Regensburg Die Gerichtsorganisation ist ein Stiefkind von Rechtspolitik und verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung. Die Rechtspolitik behandelt die Dritte Gewalt in mancher Hinsicht sachwidrig als Teil der allgemeinen Behördenorganisation. Die (Landes-)Verfassungsgerichte schützen nur einen Mindeststandard und lassen daher den Abbau einer bestehenden qualitativ hochwertigeren Gerichtsorganisation durch den Gesetzgeber zum Beispiel aus fiskalischen Gründen weitgehend unbeanstandet. Der Autor tritt für eine strengere Kontrolle des Gesetzgebers durch die Verfassungsgerichte ein, weil gerichtsorganisatorische Maßnahmen von den Aufgaben der Dritten Gewalt abgeleitet sind und daher in Bezug auf sie dienende Funktion haben. Ferner fordert er ein Umdenken in der Rechtspolitik weg von fiskalischen Aspekten. Er mahnt die Abgeordneten, bei Fragen der Gerichtsorganisation die Leistungen der Dritten Gewalt zu optimieren. I. Befund Die rechtsprechende Gewalt kommt in mancher Beziehung wie eine Königin ohne Land daher. Zwar ist die Rechtsprechung in ihren traditionellen Kernbereichen 1 durch Art. 92 GG mit der Garantie der sachlichen Eigenständigkeit und Unabhängigkeit ausgestattet. Doch fehlt den Gerichten mit Ausnahme der Verfassungsgerichte die Befugnis zur Selbstverwaltung. Ihre Ausstattung mit Personal und Sachmitteln bestimmt der Haushaltsgesetzgeber und eine die Gerichte verwaltende Ministerialbürokratie als Exekutive. Allerdings gewährt der verfassungsrechtlich abgesicherte Justizgewährungsanspruch einen Mindeststandard funktionsfähiger Rechtspflege. 2 Deshalb muss die Ausstattung mit Personalund Sachmitteln wenigstens so beschaffen sein, dass die Aufgabe der rechtsprechenden Gewalt durch unabhängige Gerichte sachgerecht erfüllt werden kann. 3 Die rechtspolitischen Bestrebungen zur vermehrten Selbstverwaltung der Gerichte unter Beschneidung der Befugnisse der Justizministerien sollen hier nur erwähnt, aber nicht gewertet werden. 4 Alles, was in der bestehenden Gerichtsorganisation qualitativ über den genannten Kernbereich hinausgeht, wird in der Rechtspolitik als Luxus der dritten Gewalt angesehen, der auch verfassungsrechtlich keinen Schutz genießen soll (näher unten V). Mit dem Budgetrecht des Parlaments wurde die bloße Tatsache einer häufig zeitlich begrenzten schwierigen Haushaltslage zum juristisch tragfähigen Argument aufgewertet. Dadurch lassen sich dauerhafte tiefgreifende Organisationsänderungen der Rechtspflege bis hin zur ersatzlosen Aufhebung oberer Gerichte rechtfertigen 5. Die fehlende finanzielle Macht der Justiz wird in der Rechtsprechung der Landesverfassungsgerichte auf den Feldern der Gerichtsorganisation durch denkbar geringe Anforderungen an die Tätigkeit des Gesetzgebers zementiert. Gesetzgeberische Eingriffe in die bestehende Gerichtsstruktur sind erlaubt, wenn und weil rechtsprechungsexterne Gründe, wie vor allem die Einsparung von Haushaltmitteln in nicht vernachlässigbarem Umfang, einen sachlich vertretbaren Grund von einigem Gewicht abgeben. 6 II. Fälle Im Jahre 1995 blieb die Auslagerung von drei Senaten des bayerischen Verwaltungsgerichtshofes (VGH) nach Ansbach durch den bayerischen Verfassungsgerichtshof (VerfGH) unbeanstandet, obwohl in Ansbach nur 24 Arbeitsplätze geschaffen wurden. 7 In vergleichbarer Weise wurde die Auflösung des angesehenen und über 380 Jahre alten BayObLG mit Ablauf des 30. Juni 2006 gebilligt, obgleich eine behauptete Einsparung von höchstens 1,5 Millionen Euro jährlich ab dem Jahre 2019 im Raume stand. 8 Der Einsparungseffekt betraf 0,8 Promille des Justizhaushaltes. Die in Rheinland- Pfalz im Jahre 2011 durch den Koalitionsvertrag zwischen SPD und Bündnis 90/Die Grünen angestoßene Zusammenlegung des OLG Koblenz mit dem OLG Zweibrücken zu einem einzigen OLG mit Sitz in Zweibrücken beinhaltete ein behauptetes Sparpotential von jährlich etwa 1,7 Millionen Euro. 9 Vor Gericht von Erfolg gekrönt war als solitäre Erscheinung der Rechtsangriff gegen die in Nordrhein-Westfalen im Jahre 1998 durch den Ministerpräsidenten im Wege eines Organisationserlasses versuchte Zusammenlegung des Justizministeriums mit dem Innenministerium. Der im Wege der Organklage angerufene Verfassungsgerichtshof des Landes sah diese Maßnahme in einer hervorragend begründeten Entscheidung als wesentlich an, unterstellte sie dem Vorbehalt des Gesetzes und damit einer Entscheidung des Parlaments. 10 Der Ohnmacht der Gerichte gegenüber fiskalpolitisch motivierten Akten entsprechen in der Vergangenheit eine fehlende Lobby und das bedauerliche Desinteresse der breiten Öffentlichkeit. So hat die Auflösung des BayObLG die Bürger des Freistaates nicht auf die Barrikaden getrieben. Die versuchte Fusion von Justiz- und Innenministerium hat zu heftigen Protesten aus der Gerichtsbarkeit Nordrhein- Westfalens geführt, nicht zuletzt von Mitgliedern des Verfas- * Der Aufsatz gibt einen Vortrag wieder, den der Verfasser am 26. Juni 2012 vor dem Verein pro justiz in München gehalten hat. 1 Zur Reichweite H. Roth, ZRP 2010, 187 (Übertragung nachlassgerichtlicher Aufgaben auf Notare). 2 Für den Bereich des öffentlichen Rechts folgt das aus Art.19 Abs.4 S.1 GG, für den Bereich des Zivilrechts ist das Rechtsstaatsprinzip maßgebend, z. B. BVerfGE 107, 395, weitere Nachweise in Stein/Jonas/H. Roth, ZPO, 22. Aufl. 2008, vor 253 Rdnr BayVerfGH 58, 212, 242 (Auflösung des BayObLG). 4 Ausführlich aus jüngster Zeit Weber-Grellet, DRiZ 2012, 2 ff. 5 Das Budgetrecht dient durchgängig als Argument in BayVerfGH 58, 212 ff. 6 BayVerfGH 58, 212 ff. 7 BayVerfGH 48, BayVerfGH 58, 212, 244 (= NJW 2005, 3699); Nachruf von Demharter, FGPrax 2006, Tatsächliches Material aufgrund der Großen Anfrage der Fraktion der CDU, Drucksache 16/80, durch den Minister der Justiz und für Verbraucherschutz. 10 NRWVerfGH NJW 1999, Die an der Entscheidung geübte Kritik nahm hauptsächlich Anstoß an der Ausdehnung des Grundsatzes des Vorbehalts des Gesetzes auf den Organisationsbereich der Regierung mit der Folge der Schwächung der Eigenständigkeit der Verwaltung, etwa Böckenförde, NJW 1999, 1235; Brinktrine JURA 2000, 123; Isensee, JZ 1999, 1113; Sendler, NJW 1999, 1232; Wieland, DVBl 1999, 719; zur Lage in anderen Bundesländern Röper, RiA 1999, AnwBl 12 / 2012 Königin ohne Land: Wer schützt die Gerichtsorganisation?, Roth

11 MN Anwaltsrecht sungsgerichtshofes selbst. Diese haben sich gleichwohl nicht für befangen erklärt, sondern später über den Erlass entschieden. 11 Die sozusagen von Amts wegen bestehende Betroffenheit ( strukturelle Befangenheit ) 12 der den Landesverfassungsgerichten vor allem angehörenden Gerichtspräsidenten des Landes in den wichtigsten Fragen der Justizorganisation ist ein bislang noch ungelöstes Problem. Ein Umdenken der Öffentlichkeit und eine Sensibilisierung für Belange der Gerichtsorganisation ist erstmals sichtbar geworden, als die Fusionspläne in Rheinland-Pfalz bekannt wurden. Die Regierung hat ihre Pläne im März 2012 aufgegeben. 13 III. Verfassungsrecht und Rechtspolitik Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) tritt auf diesem Felde eher selten hervor. So blieb im Jahre 1999 eine Verfassungsbeschwerde (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG) von Rechtsanwälten gegen ein Umgliederungsgesetz erfolglos, das die OLG Bezirke Celle und Braunschweig neu gliederte. 14 Der Fortbestand eines Gerichtsbezirks berühre weder die Freiheit der Berufsausübung, noch sei er vom Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG umfasst. Auch die angerufene allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) wurde nicht als verletzt angesehen, weil das Gesetz dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspreche. Einigkeit besteht seit einer Entscheidung des BVerfG aus dem Jahre 1953 zur Änderung der Landgerichtsbezirke Bückeburg und Hannover in der Frage des Gesetzesvorbehalts: Die Errichtung und Aufhebung von Gerichten sowie die Änderung der Gerichtsbezirke dürfen dem Grundsatz nach nur durch formelles Gesetz angeordnet werden. 15 Derartige Maßnahmen gehörten zum Bereich der Gesetzgebung und nicht zum Hausgut der Verwaltung. Diese die Nichtigkeit der betreffenden Verordnung aussprechende Entscheidung war ergangen auf Antrag der niedersächsischen Landesregierung, gerichtet auf Vereinbarkeit der VO mit dem GG und sonstigem Bundesrecht. Beschritten wurde der Weg der abstrakten Normenkontrolle (Art. 93 Abs. 1 Nr.2 GG). 9 Bedauerlich ist nach meinem Urteil, dass die Landesgesetzgeber den Ball, der ihnen durch diese Entscheidung des BVerfG zugespielt wurde, nicht aufgenommen haben. Dem Gerichtsorganisationsrecht wird nämlich darin gegenüber der allgemeinen Behördenorganisation ein weitreichender Sonderstatus eingeräumt. So heisst es dort wörtlich: Die Maßnahmen, durch die Gerichte errichtet oder verändert werden, unterscheiden sich ihrem Wesen nach von allen anderen Maßnahmen der Behördenorganisation dadurch, dass sie die Wirkungsmöglichkeit der Rechtsprechung unmittelbar berühren und damit mittelbar in die vom Grundgesetz sorgfältig gehütete sachliche Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der rechtsprechenden Gewalt eingreifen Die erwähnten Ausführungen sollten zwar nur den Parlamentsvorbehalt begründen, sind aber von weit darüber hinausweisender Bedeutung. Der bayerische VerfGH hat die Ausführungen des BVerfG zwar zutreffend dahin gehend interpretiert, dass die für die jeweilige gerichtsorganisatorische Regelung sprechenden Gründe umso schwerer sein müssten, je mehr durch die Regelung in die Funktionswahrnehmung eines oberen Landesgerichts eingegriffen wird. 17 Letztlich ist es aber bei Lippenbekenntnissen geblieben. Die Prüfungspflicht des Gesetzgebers soll sich nämlich im Ergebnis doch darauf beschränken, dass er die Vor- und Nachteile der von ihm beabsichtigten Organisationsmaßnahme nach pflichtgemäßem Ermessen in seine Abwägung einbezieht. 18 Danach genügt es, wenn die Funktionen des aufgelösten oberen Gerichts von einem oder mehreren anderen Gerichten übernommen werden. Dauerhafte Qualitätseinbußen dürfen von Verfassungs wegen hingenommen werden, wenn der unabdingbare Mindeststandard an Justizgewährung gewahrt bleibt. 19 Auf diese Weise geht das Gerichtsorganisationsrecht im Recht der allgemeinen Verwaltungsorganisation auf und erscheint als deren Unterfall. Es darf bezweifelt werden, ob diese einengende Interpretation, die letztlich alles an Gesetzgebung hinnimmt, was nicht evident unrichtig ist, den Intentionen des BVerfG gerecht wird. IV. Gerichtsverwaltung als abgeleitetes Recht Als Gegenthese vor allem zur Rechtsprechung des bayerischen VerfGH 20 möchte ich für ein Verständnis des Gerichtsorganisationsrechts als einer von der dritten Gewalt abgeleiteten und ihr dienenden Befugnis des Gesetzgebers plädieren. Es handelt sich um fremdnützige, gleichsam gebundene, Gesetzgebung. Das bedeutet deren verstärkte finale und inhaltliche Ausrichtung auf die Belange der rechtsprechenden Gewalt. Die an sich den Gerichten zuzuordnenden Exekutivmaßnahmen werden von den Parlamenten wahrgenommen. Sogar noch deutlicher wird die Fremdnützigkeit der Maßnahmen, wenn man die Justizorganisation in erster Linie als Aufgabe der Exekutive begreifen wollte und das Parlament nur wegen der Wesentlichkeit der Entscheidung ins Spiel brächte. 21 Verwaltet wird nicht eine allgemeine Behördenorganisation, sondern die eigenständig aufgestellte Dritte Gewalt. In einem gewiss ganz untechnischen und zugegebenermaßen übertreibenden und polemischen Verständnis mögen die Stichwörter Auftragsverwaltung oder Organleihe in den Sinn kommen. Natürlich soll keiner Ewigkeitsgarantie der jeweils bestehenden Justizstrukturen eines Landes das Wort geredet werden. Aus Art. 97 Abs. 2 S.3 GG mit der Möglichkeit der Entfernung von Richtern aus dem Amt oder deren Versetzung geht mit Eindeutigkeit hervor, dass Gerichte bei entsprechender gesetzlicher Grundlage aufgelöst werden können. 22 Ernst 11 Das wurde vielfach beanstandet, etwa Sendler, NJW 1999, 1232; Wieland, DVBl 1999, So Wittrek, BayVBl. 2006, SZ vom BVerfG, NJW 2000, BVerfGE 2, 307, 316, 319; bestätigt in BVerfGE 24, 155, 166 (ergangen im Verfahren der konkreten Normenkontrolle nach Art. 100 Abs. 1 GG); BVerfG, LKV 2007, 79 ff. (Errichtung eines gemeinsamen Finanzgerichts der Länder Berlin und Brandenburg); BGH (Dienstgericht des Bundes) BeckRS 2012, Rdnr.22 (Versetzung vom aufgehobenen Arbeitsgericht an das Sozialgericht: 32 Abs. 1 S.1 DRiG). 16 BVerfGE 2, 307, 319; NRWVerfGH NJW 1999, 1243, BayVerfGH 48, 17, 23 (Verlagerung von Senaten des VGH München nach Ansbach). 18 BayVerfGH 58, 212, 240 (Auflösung des BayObLG). 19 BayVerfGH 58, 212, 246 f.; 38, 96, Dargestellt durch H. Roth, BayVBl. 2011, 97 ff.- Die Rechtsprechung der übrigen Landesverfassungsgerichte ist, soweit ersichtlich, weniger ergiebig, etwa VerGH- Rheinland-Pfalz OVG 10 (1970), Nr.21, S. 100 (zu Art. 130 LVerf: abstrakte Normenkontrolle und Antragsbefugnis von Kommunen wegen der Aufhebung von Amtsgerichten und Neuordnung von Gerichtsbezirken); das Gerichtsorganisationsrecht nicht problematisierend auch Bamberger, in: Grimm/Caesar (Hrsg.), Verfassung für Rheinland-Pfalz, 2001, Art. 121 Rdnr So der NRWVerfGH NJW 1999, BGH, NVwZ-RR 2004, 467 (Auflösung des Bundesdisziplinargerichts). Königin ohne Land: Wer schützt die Gerichtsorganisation?, Roth AnwBl 12 /

12 MN Anwaltsrecht gemacht werden muss aber mit der vorhin erwähnten Forderung (oben III) nach vorhandenen abgestuften Gründen, die der Gesetzgeber je nach der Eingriffsintensität seiner Maßnahme in die Funktionen des betreffenden oberen Gerichts zu beachten hat. Diese Gründe müssen schwerer wiegen als die etwa für die Auflösung einer Behörde streitenden Argumente im Rahmen der allgemeinen Behördenorganisation. Nur bei letzterer steht dem Gesetzgeber ein nur durch das Willkürverbot und das Prinzip der Verhältnismäßigkeit als stets zu beachtende Schranken der Gesetze begrenztes weites Ermessen zu. Im Rahmen des die Behördenorganisation betreffenden Art. 77 BV etwa ist das allgemeine Willkürverbot erst dann verletzt, wenn der getroffenen Maßnahme jeder sachlich einleuchtende Grund fehlt. Dieser Maßstab ist zum Beispiel für die Auflösung von Eich-, Forst- oder Vermessungsämtern oder auch für die Landesjustizkasse zutreffend, passt aber nicht für die Errichtung oder Aufhebung von Gerichten. Diese Maßnahmen fallen wegen ihrer Bedeutung für die Unabhängigkeit der Rechtspflege aus dem Rahmen der allgemeinen Behördenorganisation heraus. 23 Gegen die verfassungsrechtlich gebotene Sonderbehandlung der Justiz lässt sich nicht einwenden, mit gleichem Recht müsste dann auch der Finanzverwaltung ein besonderer Verfassungsstatus zugesprochen werden, weil sie das durch Art. 14 GG geschützte Eigentum vor übermäßiger Abgabenlast zu bewahren habe. 24 Die Finanzverwaltung genießt eben im Grundgesetz keinen vergleichbaren Schutz wie die gegenüber den anderen beiden Gewalten abgeschirmte Rechtsprechung (Art. 5 Abs. 3 BV; Art. 92 GG), auch wenn beide Institutionen letztlich Grundrechte schützen. Es ist daher schon zweifelhaft, ob bloße fiskalische Gründe abgesehen vom Extremfall einer Haushaltsnotlage geeignet sind, eine erwartete Absenkung der Rechtsprechungsqualität zu rechtfertigen, die mit der Auflösung eines oberen Gerichts einhergeht. Im Organisationsrecht ist allerdings nicht das klassische, sondern das allgemeine Willkürverbot berührt, da es wegen der singulären Stellung der betroffenen Gerichte häufiger an der Beurteilungsmöglichkeit konkreter Vergleichspaare fehlt. 25 Das Gesetz muss nach allgemeiner Lesart wenigstens den Prinzipien der Angemessenheit, Billigkeit und Zweckmäßigkeit gehorchen. 26 Das kann aber nicht dazu führen, dass die Berufung auf das Budgetrecht des Parlaments stets als Rechtfertigung gerichtsorganisatorischer Akte dienen kann. Im Bereich der allgemeinen Behördenorganisation mag das Einsparungsmotiv einen sachlich vertretbaren Grund von einigem Gewicht bedeuten. Im Gerichtsorganisationsrecht gilt das fiskalische Argument nicht mit gleicher Deutlichkeit. So ist im Bereich des Steuerrechts anerkannt, dass eine knappe Haushaltslage nicht ausreicht, um ungleiche Belastungen der Bürger zu rechtfertigen. In diesem Sinne hat das BVerfG in seinem Urteil zur Pendlerpauschale aus dem Jahre 2008 entschieden. 27 Auch wenn im Steuerrecht der Gleichheitssatz in seinem klassischen Gehalt gilt, kann daraus nicht der Umkehrschluss gezogen werden, eine bedrängende Haushaltslage rechtfertige unter dem Regime des allgemeinen Willkürverbotes nahezu grenzenlose Organisationsmaßnahmen. Im Vergleich mit nicht von der Verfassung begünstigten Empfängern von Haushaltsmitteln ist die Justiz vielmehr zu privilegieren. 28 Das Gesagte bedeutet einen Paradigmawechsel gegenüber den sonstigen Funktionen der Exekutive. V. Luxusjustiz? Man mag gegen die vorgetragene Sicht der Dinge das schon vorhin angedeutete Argument einwenden wollen, die von einem Land vorgehaltene Luxusjustiz sei verfassungsrechtlich eben nicht durch den Justizgewährungsanspruch des Bürgers geschützt; sie könne daher bis zum verfassungsrechtlich gebotenen Minimum durch das Parlament zurückgestutzt werden, wenn sich nur objektiv sachgerechte Gründe von einigem Gewicht finden ließen. Das betraf etwa den Erhalt des BayObLG neben den bestehenden drei Oberlandesgerichten in Bayern oder die Beibehaltung zweier Oberlandesgerichte statt einem in Rheinland-Pfalz mit seinen vier Millionen Einwohnern. Diese geringen Anforderungen werden vor allem in der Rechtsprechung des bayerischen VerfGH gleichermaßen den allgemeinen Schranken des Willkürverbotes aus Art. 118 Abs. 1 BV und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes aus dem in Art. 3 Abs. 1 S. 1 BV niedergelegten Rechtsstaatsprinzips entnommen. Demgegenüber lautet meine These, dass auch im Falle des Rückbaus einer hochentwickelten Justizstruktur auf den rechtsstaatlichen Mindeststandard justizexterne Gründe wie angestrebte Einsparungen den Gesetzgeber nur legitimieren können, wenn sie als schwerwiegend erscheinen. Auch im Bereich einer überschießenden Gewährung von gelebter Rechtskultur handelt der Gesetzgeber nach dem vorhin Ausgeführten abgeleitet und fremdnützig bezogen auf die Unabhängigkeit der rechtsprechenden Gewalt. Die Wirkungsmöglichkeiten der Rechtsprechung sind hier ebenso unmittelbar berührt wie im Bereich der durch den Justizgewährungsanspruch festgelegten Anforderungen, die nicht unterschritten werden dürfen. 29 Die nur bei isolierter Betrachtungsweise zutreffende Behauptung, der Rechtsuchende habe keinen Anspruch auf eine bestimmte Justizorganisation, geht daher am Kern der Sache vorbei. Wegen der unmittelbaren Bezogenheit der gerichtsorganisatorischen Gesetzgebung auf genuine Aufgaben der Rechtsprechung ergeben sich für das Parlament ausgeprägtere Bindungen an die ausdifferenzierten Gebote der Verhältnismäßigkeit als in sonstigen Materien. Auch in der Rechtsprechung des BVerfG ist die Möglichkeit einer deutlicheren Einschränkung des Gesetzgebers in Abhängigkeit von den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen anerkannt 30. Die stets hervorgehobene sachliche Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der rechtsprechenden Gewalt ist im Vergleich mit der allgemeinen Behördenorganisation sicherlich ein hervorgehobener Bereich. Damit ermöglicht und erfordert der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit mit der Prüfung eines legitimen Zwecks, der Geeignetheit und Erforderlichkeit des Eingriffs samt dem Gebot der Proportionalität (Zumutbarkeit) eine strengere Bindung des Gesetzgebers als sie aus dem unbestimmteren allgemeinen Willkürverbot herzuleiten wäre. Aus dieser Sicht der Dinge erhellt, dass der einer verfassungsrechtlichen Kontrolle unterliegende Bereich der Justizorganisation deutlich 23 BVerfGE 2, 307, In diese Richtung aber Isensee, JZ 1999, 1113, BayVerfGH 48, 17, Etwa BayVerfGH 58, 212, BVerfGE 122, 210, 233 ( Pendlerpauschale ). 28 Eingehende Überlegungen durch Stilz, DRiZ 2006, 320, BVerfGE 2, 307, BVerfGE 122, 210, 230 ( Pendlerpauschale ). 934 AnwBl 12 / 2012 Königin ohne Land: Wer schützt die Gerichtsorganisation?, Roth

13 MN Anwaltsrecht größer ist als der kontrollfreie Bereich rein politischer Überlegungen. Anders gewendet: Rechtspolitik schlägt hier schneller um in Verfassungsrecht. Der bayerische VerfGH sieht das allerdings anders und seine noble richterliche Zurückhaltung gerät bisweilen zur Selbstverleugnung. 31 Vom hier vorgestellten Ansatz weichen die unausgesprochenen Modellvorstellungen mancher Länderparlamente für deren Gesetzgebung auf dem Gebiet der Justizorganisation deutlich ab. Mit einiger Vereinfachung lässt sich sagen, dass Justizorganisation nach wie vor als legitimes Hausgut der Exekutive und namentlich der Regierung gedeutet und der unmittelbare Bezug zu den Aufgaben der dritten Gewalt als gering erachtet wird. Ein wenig rühmliches Beispiel bietet erneut die Auflösung des BayObLG. 32 Hier drängte sich die Frage auf, ob das Parlament seine mit dem Gesetzesvorbehalt gemeinte Kontrolle gegenüber der Regierung ausreichend ausgeübt hat. Der Verfassungsgerichtshof Nordrhein- Westfalen hat mit dem Parlamentsvorbehalt die Erwartung verknüpft, das Für und Wider von Entscheidungen mit großer Tragweite für die Justiz werde vor den Augen der Öffentlichkeit diskutiert. 33 Diese Blütenträume sind verdorrt. Bei den Andeutungen zum Problem einer nur noch symbolischen oder signalhaften Gesetzgebung mit nachgeschobenen Gründen soll es aus Zeitgründen sein Bewenden haben, da es sich allgemein und nicht nur spezifisch bezogen auf das Justizorganisationsrecht stellt. Vielleicht wird aus der Asche des untergegangenen BayObLG als Phönix ein gewandeltes Verständnis von der Bedeutung des Gerichtsorganisationsrechts steigen (sogleich unten VI). VI. Rechtliche Folgerungen Aus dem bis hierhin Gesagten lassen sich einige konkrete Folgerungen ziehen. Beruht die Gesetzgebung zum Gerichtsorganisationsrecht auf rechtsprechungsfremden Belangen, wie auf angestrebten Haushaltseinsparungen, so ergeben sich wenigstens für die Auflösung von oberen Gerichten wie Oberlandesgerichten oder Verwaltungsgerichtshöfen Schranken. Zu fordern sind schwerwiegende Gründe, die in erster Linie bei der Verhältnismäßigkeit im Rahmen der Erforderlichkeit zu prüfen sind. Soll eine strengere Prüfung überhaupt Sinn machen, so muss die angestrebte Einsparung in eine konkrete Beziehung zu dem von dem Organisationsakt betroffenen Gericht gesetzt werden. Es reicht nicht aus, dass die Auflösung oder Funktionsbeschneidung einen bloßen Mosaikstein eines gerichtsorganisatorischen Gesamtkunstwerks als Summe aller Teile bildet. Obere Gerichte müssen und dürfen nicht für ein Linsengericht sterben. Schließlich muss der Eingriff auch dem dritten Teilgebot der Verhältnismäßigkeit entsprechen und angemessen sein, nämlich verhältnismäßig im engeren Sinne. Allerdings betrifft dieses Erfordernis als Gebot der Proportionalität in 31 BayVerfGH 58, 212, Die vorparlamentarischen Ereignisse finden sich dargestellt in BayVerfGH 58, 212 ff. 33 NRWVerfGH NJW 1999, 1243; auch BVerfGE 120, 378, 408; 95, 257, 307 f.; 85, 386, Überblick über die Anforderungen an die Gesetzgebung durch Jarass/Pieroth, GG, 11. Aufl. 2011, Art. 20 Rdnr.87 ff. 35 BayVerfGH 58, 212, Etwa H. Roth, Das Spannungsverhältnis im deutschen Zivilprozeßrecht, in: Gottwald (Hrsg.), Recht und Gesellschaft in Deutschland und Japan (2009), S.149, Beifallswert Stilz, DRiZ 2006, 320, 323 Fn.37. erster Linie das Verhältnis Staat-Bürger und damit den Bereich der Grundrechtsausübung. Der allenfalls milde Eingriff gerichtsorganisatorischer Akte in Grundrechte einzelner wird jedoch wettgemacht durch den der Rechtsprechung zukommenden verfassungsrechtlichen Rang (oben I). Die gesteigerte Kontrolldichte hängt dann nicht von der Bedeutung des Grundrechts ab, sondern von der Eigenart des betroffenen Sachbereichs, nämlich der Eigenständigkeit der dritten Gewalt. 34 Einen entgegengesetzten Ansatz verfolgt wiederum die Rechtsprechung des bayerischen VerfGH. Danach darf dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ein geringeres Gewicht eingeräumt werden, weil Organisationsakte regelmäßig nicht unmittelbar in Grundrechte einzelner eingreifen. 35 Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Erforderlichkeit und Proportionalität als Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne streng im Lichte der hervorgehobenen Stellung der Dritten Gewalt auszulegen sind. Von daher stand wohl das Eingriffsmittel der Abschaffung des BayObLG in einem krassen Missverhältnis zu dem angestrebten Zweck einer dadurch erreichten jährlichen Einsparung von 1,5 Millionen Euro. VII. Rechtspolitische Folgerungen Bis hierhin war hauptsächlich die Rede von den rechtlichen Folgerungen. Wenig beachtete Besonderheiten weist aber auch die Rechtspolitik auf dem Feld der Gerichtsorganisation auf. Rechtspolitik lässt sich nicht in erster Linie als Fiskaloder Verwaltungsorganisationspolitk begreifen. Zwar kostet die Justiz Geld. Wer sie aber vornehmlich als einzudämmenden Kostenfaktor wahrnimmt, wird ihrer Rolle nicht gerecht, die sie als dritte Gewalt zu spielen hat. Da in Deutschland Selbsthilfe dem Grundsatz nach verboten ist, trägt die Justiz einen nicht in Geld zu beziffernden maßgeblichen Beitrag zur Sicherheit und zum inneren Frieden bei. Eine qualitativ herausragende, schnelle und berechenbare Justiz jenseits des gebotenen Minimums ist übrigens auch ein bedeutsamer Wettbewerbsfaktor für die Ansiedlung deutscher und ausländischer Unternehmen. 36 Rechtspolitisch gilt daher ein Optimierungsgebot zugunsten der dritten Gewalt. 37 Der Gesetzgeber sollte sich unter Absage an justizexterne Forderungen von der rechtspolitischen Maxime leiten lassen, nur gerichtsorganisatorische Regelungen zu erlassen, die einer Verbesserung und Förderung der Rechtsprechung dienen. Dann mag auch die eine oder andere Schließung eines Amtsgerichtes oder die Zusammenlegung anderer Instanzgerichte in einem anderen Lichte erscheinen. Prof. Dr. Herbert Roth, Regensburg Der Autor ist Professor an der Universität Regensburg (Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Deutsches, Europäisches und Internationales Verfahrensrecht). Sie erreichen den Autor unter der -Adresse Königin ohne Land: Wer schützt die Gerichtsorganisation?, Roth AnwBl 12 /

14 MN Aufsätze Anwaltsrecht Die Anwaltschaften in den GUS-Staaten brauchen Hilfe unterstützen wir sie Die Anwaltschaft als notwendiger Bestandteil von Rechts- und Justizreformen Dr. Jens Deppe, Eschborn Die internationale rechtliche Zusammenarbeit Deutschlands 1 mit Partnerländern in der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) konzentrierte sich lange Zeit auf die Gerichte, Staatsanwaltschaften und Justizministerien. Die Rechtsanwaltschaft wurde zwar auch gefördert. Im Mittelpunkt der Zusammenarbeit befanden sich jedoch eher die staatlichen Einrichtungen der Partnerländer. Gleichwohl ist die Rechtsanwaltschaft als Organ der Rechtspflege ein wesentlicher Faktor für den Aufbau einer rechtsstaatlichen und leistungsfähigen Justiz. Und ohne ein modernes und zuverlässiges Notariat lässt es sich zumindest aus unserer deutschen Sicht kaum noch vorstellen, dass im Rechtsverkehr Rechtssicherheit entsteht. 2 Es fragt sich also, ob nicht für die Zukunft eine intensivere Förderung von Rechtsanwaltschaft und Notariat geboten erscheint. Eine systematische, langjährige Förderung der Rechtsanwaltschaft ging bisher in erster Linie von den U.S.-amerikanischen Organisationen aus, von der USAID und insbesondere von der Central and Eastern European Law Initiative der American Bar Association (ABA-CEELI ), die den Ausbau des Berufs und die Weiterqualifikation der Rechtsanwälte in langjährigen Programmen in Russland, im Südkaukasus und in Zentralasien unterstützt hat. 3 In gewisser Hinsicht ist darin eine Arbeitsteilung im Bereich der internationalen rechtlichen Zusammenarbeit zu erkennen, die es erlaubte, mit den insgesamt vorhandenen Ressourcen zur Förderung von Rechtsstaat, Demokratie und Gewaltenteilung sparsam umzugehen. Allerdings war die Arbeitsteilung nicht der entscheidende Grund für die unterschiedliche Ausrichtung. Ein genauerer Blick auf die bisherigen deutschen, europäischen und U.S.-amerikanischen Förderprogramme zeigt, dass die U.S.-amerikanische Förderung in gleicher Weise den Gerichten wie den Rechtsanwaltschaften galt, während die deutschen Programme die Gerichte und staatlichen Justizeinrichtungen der Partnerländer in der Regel zuerst ins Visier nahmen. Inzwischen haben diese Unterschiede in der Ausrichtung der Entwicklungsprogramme zu einem unterschiedlichen Profil U.S.-amerikanischer und deutscher Organisationen geführt. Welche Gründe mag es dafür gegeben haben, und sind sie heute noch gültig? Der Rechtsstaat ist eine Errungenschaft. Den Rechtsstaat zeichnet mehr aus als rechtsstaatliche Grundsätze und unabhängige Gerichte: Eine staatsferne und leistungsfähige Anwaltschaft gehört dazu. Doch im internationalen Vergleich ist das keineswegs selbstverständlich. In den Transformationsstaaten der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) befinden sich die Rechtsanwaltschaften noch im Aufbau, insbesondere was ihre Selbstverwaltung betrifft. In diesen Staaten wie Armenien, Aserbaidschan, Belarus, Kasachstan, Kirgisistan, Russland, Tadschikistan, Turkmenistan oder Usbekistan hat Deutschland in den vergangenen Jahren Gesetzgebung und Justizreformen gefördert. Der Autor wirbt dafür, jetzt in den Transformationsstaaten, den Aufbau einer starken und unabhängigen Anwaltschaft noch intensiver zu unterstützen. Er verweist auf die USA, die diesen Ansatz schon länger verfolgt haben nicht aus Altruismus, sondern auch um damit wirtschaftliche Interessen zu fördern. I. Mehr Förderung der Rechtsanwaltschaft? II. Bisherige Schwerpunkte in der internationalen rechtlichen Zusammenarbeit Als Grund für die bisherige Schwerpunktsetzung ist zum einen die Konstruktion der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit (EZ) Deutschlands zu nennen, die sich in aller Regel durch eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den staatlichen Institutionen der Partnerländer auszeichnet. Diese hat zweifellos zu einem fruchtbaren Austausch zwischen deutschen Richtern und ihren Kollegen aus den Staaten der GUS geführt. In der Folge entstanden einige Partnerschaften zwischen der Justiz der Bundesländer und der Partnerländer. Diese Kontakte konzentrierten sich zumindest was die Arbeit der GIZ betrifft vorrangig auf die Gerichte und die Justizministerien. Lange Zeit stand die Gesetzgebungsberatung auf der Tagesordnung immer an erster Stelle. Juristische Fortbildungsprogramme und die Unterstützung bei der Implementierung des reformierten Rechts haben erst in den letzten Jahren einen größeren Stellenwert eingenommen. Ein weiterer Grund ist sicher nicht zuletzt auch in der unterschiedlichen finanziellen Ausstattung der Entwicklungszusammenarbeit zu sehen. Die U.S.-amerikanische Entwicklungszusammenarbeit verfügte in der Regel über größere Budgets als die deutsche oder andere europäische bilaterale Entwicklungszusammenarbeit. So wurde zum Beispiel auch die langjährige rule of law -Initiative Central European and Eurasian Law Initiative (CEELI) der American Bar Association (ABA) ermöglicht. Die U.S.-amerikanischen Vorhaben zur Unterstützung der Rechtsreformen waren oft mit doppelt so viel Personal ausgestattet wie die deutschen. Die Anwaltsvereinigungen der USA waren zudem in der internationalen rechtlichen Zusammenarbeit aktiver und auch aggressiver als diejenigen Deutschlands oder Europas. Das internationale Engagement der omnipräsenten U.S.-amerikanischen Rechtsanwälte war in den letzten fünfzehn 1 In dieser engagieren sich vor allem die Deutsche Stiftung für internationale rechtliche Zusammenarbeit e. V. (Bonn) und die Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH (Eschborn). Zudem engagieren sich auch die Konrad-Adenauer-Stiftung und die Friedrich-Ebert-Stiftung in der Rechtsstaats- Förderung. 2 Die GIZ unterstützt z. B. die Einführung des lateinischen Notariats in Serbien und Montenegro. 3 Siehe die Internetseite der Rule of Law Initiative der American Bar Association: AnwBl 12 / 2012 Die Anwaltschaften in den GUS-Staaten brauchen Hilfe unterstützen wir sie, Deppe

15 MN Anwaltsrecht Jahren kaum zu übersehen. Sie verfolgten zugleich wirtschaftliche Ziele, während die deutsche Entwicklungszusammenarbeit stets als ehrlicher Makler auftrat und die deutsche Rechtsanwaltschaft in der internationalen Zusammenarbeit nicht so auffällig war. III. Das Bündnis für das deutsche Recht Das Bündnis für das deutsche Recht ist erst im Jahr 2008 ausgerufen worden. 4 Für die deutsche Zusammenarbeit mit den Transformationsstaaten kam es spät, aber vielleicht nicht zu spät, um den internationalen Erfahrungsaustausch zusätzlich zu unterstützen. Da die Gesetzgebungsberatung im Vergleich zu Fragen der rechtsstaatlichen Anwendung des Rechts, der Implementierung von Reformgesetzen und der Stärkung der freien Justizberufe etwas an Bedeutung verloren hat, könnten mit seiner Hilfe neue Akzente für die weitergehende internationale rechtliche Zusammenarbeit gesetzt werden. Inzwischen hat sich in der Entwicklungszusammenarbeit die Einsicht durchgesetzt, dass es nicht um reinen Rechtsexport Made in Germany gehen kann. Im Bereich der Gesetzgebungsberatung der Transformationsstaaten geht es vielfach um die Konsolidierung und konsequente Fortentwicklung der nationalen Rechtssysteme. Auch hier ist Deutschland nach wie vor ein gefragter Partner. Die Frage nach der Zugehörigkeit ihres Staates zu einem Rechtskreis beantworten die meisten Juristen der GUS unumwunden mit einem eindeutigen Bekenntnis zu Europa und zum kontinental-europäischen Rechtskreis, zu dem übrigens auch der russische Rechtskreis zählt. 5 Letzterer ist überwiegend in Anlehnung an westeuropäisches Recht und in beträchtlichem Umfang modernisiert worden. 6 Die Ausstrahlungswirkung der Europäischen Union, insbesondere des Europarates, reicht bis nach Zentralasien. An europäischen Rechtsstandards sind alle interessiert, von Russland bis Kasachstan und Kirgisistan. Aber meines Erachtens liegen die jetzt noch wichtigeren Tätigkeitsfelder der internationalen rechtlichen Zusammenarbeit im Bereich der weitergehenden Justizreformen (einschließlich der Verwaltungsgerichtsbarkeit), der methodischen juristischen Fortbildung und der besonderen Unterstützung der freien Justizberufe. Russland bereitet zur Zeit eine grundlegendere Reform von Rechtsanwaltschaft und Notariat vor; 7 andere benachbarte Staaten werden dem folgen. 8 Es gilt die Zeichen der Zeit zu erkennen und in den Partnerländern, die Deutschland wichtig sind, deutsche und europäische Präsenz zu zeigen und nachhaltig rechtsstaatliche Reformen zu unterstützen. Wie der Fall der langjährigen rechtlichen Zusammenarbeit mit China zeigt, tritt mit der Zeit der Aspekt der Entwicklungshilfe in den Hintergrund, und immer wichtiger wird die Pflege der zwischenstaatlichen Beziehungen, wie sie zum Beispiel im regelmäßig stattfindenden chinesischdeutschen Rechtsstaatsdialog Ausdruck gefunden hat. Das Know-how, das sich inzwischen infolge unserer Zusammenarbeit mit den Transformationsstaaten angesammelt hat und gleichermaßen bei der Deutschen Stiftung für internationale rechtliche Zusammenarbeit (IRZ) wie bei der Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) vorhanden ist, 9 ließe sich künftig noch mehr als bisher zum Ausbau der internationalen Beziehungen und zur Verknüpfung der Rechtsreformen mit der Wirtschaftsförderung nutzen. IV. Rückblick auf neuere Entwicklungen: Revolutionen und die Rolle der Zivilgesellschaft Wer mehr mit der Rechtsanwaltschaft und dem Notariat zusammenarbeiten möchte, sollte sich auch mit der Entstehung der Zivilgesellschaften in den Transformationsstaaten beschäftigen. Auch hier ist ein Blick auf die U.S.-amerikanische Förderung von Good Governance und Zivilgesellschaft im Zeichen der Menschenrechte lehrreich: Im Vergleich mit der deutschen Rechtsstaatsförderung agierte die U.S.-amerikanische hier proaktiver, indem sie an die Eigenverantwortung der Zivilgesellschaft appellierte. So schaffte sie sich ihre Partner für die anstehenden Reformen durch die zielgerichtete Förderung von Nichtregierungsorganisationen (NRO) zum Teil selbst. 10 Die Fördermaßnahmen der USA brachten auf diese Weise in der GUS auch eine Anzahl von NRO hervor, deren Existenz und Fortentwicklung nicht ausschließlich auf der Eigeninitiative der Zivilgesellschaft, sondern auch auf der großzügigen finanziellen Unterstützung durch externe Geber beruhten. 11 In der Folge gerieten die U.S.-amerikanischen Förderprogramme sowie diejenigen internationaler Organisationen in den Staaten der GUS zusehends in den Verdacht, bevorzugt regierungsferne oder gar oppositionelle gesellschaftliche Strömungen zu unterstützen, was wiederum eine Gegenreaktion der GUS-Regierungen hervorrief. Diese Gegenreaktion stand sicher im Zusammenhang mit den politischen Veränderungsprozessen in Georgien (sog. Rosenrevolution im Jahr 2003), der Ukraine (sog. Organgene Revolution im Jahr 2005) und Kirgisien (sog. Tulpenrevolution 2005), 12 also mit Veränderungen, die andere Staaten der Region zum Anlass nahmen, die Zivilgesellschaft und ihre Vertreter genauer unter die Lupe zu nehmen. Angeführt von Russland, das im Jahr 2006 unter Präsident Wladimir Putin den Anfang machte, verabschiedeten auch einige andere Regierungen der GUS in rascher Folge ausgesprochen restriktive NRO-Gesetze. Inzwischen belegen Zahlen, dass das Überleben von NROs aufgrund der Gesetzeslage und politischen Situation 2007/2008 bedeutend 4 Auslöser war ein offener Brief von Triebel (abgedruckt in AnwBl 2008, 305). Vgl. dazu auch AnwBl 2012, 825, insbesondere zur Geschichte AnwBl 2012, Vgl. Zu diesem Aspekt R. Knieper, Pulls and Pushes of Legal Reform in Post- Communist States, S. 116, in: Hague Journal on the Rule of Law, 2: , Siehe vor allem R. Knieper/L. Chanturia, A. Schramm, Das Privatrecht im Kaukasus und in Zentralasien, Bestandsaufnahme und Entwicklung, Berlin Der Justizminister der RF A. Konowalow kündigte 2010/2011 mehrfach eine substantielle Reform der Rechtsanwaltschaft an; nach seiner Ansicht soll sie letztendlich nicht vom Justizministerium kontrolliert werden, sondern in die Selbstverwaltung entlassen werden. 8 In Kirgisien befindet sich ein neues Gesetz zur Rechtsanwaltschaft im Parlament. Auch der armenische Justizminister H. Tovmasyan sprach bei seinem Besuch in der GIZ vom 30. Januar von der Reform von Rechtsanwaltschaft und Notariat. 9 Die IRZ konzentrierte sich in dem ersten Jahrzehnt nach der deutschen Wiedervereinigung und dem Zerfall der Sowjetunion erklärtermaßen auf Osteuropa, Russland, Weißrussland und die Ukraine, während die GIZ im Südkaukasus (Kaukasusinitiative), in Zentralasien und in Südosteuropa langjährige Programme für die Unterstützung der Rechts- und Justizreformen unterhält (und bis heute fortsetzt). 10 Zum gezielten coalition building siehe den OECD DAC Synthesis report Evaluation of Programs Promoting Participatory Development and good Governance (1997), S A. Berg beschreibt für den Fall Usbekistans die Wirkung zunehmender Außenorientierung von NRÓs: Globale Konzepte versus lokale Realität, Baden-Baden 2004 (Diss. 2002), S. 200 ff. 12 Vgl. Spiegel 46 / 2005 ( ): Die Revolutions-GmbH. Wie macht man eine Revolution? Die Anwaltschaften in den GUS-Staaten brauchen Hilfe unterstützen wir sie, Deppe AnwBl 12 /

16 MN Anwaltsrecht schwieriger wurde. 13 In Russland und vermutlich nicht nur dort nahm die Zahl der NRO zunächst spürbar ab. 14 Erst langsam erholt sich die Community der NRO vom massenhaften Entzug von Registrierungen und Akkreditierungen, von der verdeckten oder offenen Diskriminierung ihrer Mitglieder bis hin zu Schließungen von Vereinigungen und Landesverweisen ausländischer Organisationen. Im Ergebnis sind in der GUS nur allmähliche Fortschritte bei der Entstehung von zivilgesellschaftlichen Strukturen zu verzeichnen. In mancher Hinsicht sind im Vergleich mit der Ausgangslage 1991 auch Rückschritte spürbar, namentlich hinsichtlich des problematischen Verhältnisses der staatlichen Stellen zu den NRO. 15 Die erwähnte NRO-Gesetzgebung, verbunden mit der zunehmenden Entmachtung oder auch Gleichschaltung einiger Parlamente in der GUS, 16 haben sich nicht zuletzt auf die Entwicklung von Freiräumen von staatlicher Bevormundung und auf den zunehmenden Schutz der bürgerlichen Freiheitsrechte verzögernd ausgewirkt. Und diese Entwicklung ist auch ein Faktor bei der Entstehung gesellschaftlich akzeptierter und rechtlich unabhängiger Rechtsanwaltschaften. Mittlerweile gibt es viele hervorragend neu ausgebildete Rechtsanwälte in den Transformationsstaaten. Es ist aber zugleich meines Erachtens nicht übertrieben zu behaupten, dass die nachhaltige rechtliche und gesellschaftliche Verankerung der Rechtsanwaltschaften in den meisten Transformationsstaaten nur zögerlich und in kleinen Schritten stattfindet. V. Zahlen und Fakten zur Rechtsanwaltschaft in einigen Transformationsstaaten Ein kurzer Blick auf die Zahlen der Rechtsanwälte in einzelnen Staaten des Südkaukasus und Zentralasiens belegt, dass dieser Berufsstand noch im Aufbau befindet. Die Zahl der Rechtsanwälte ist in der GUS allgemein gesprochen noch zu gering, in einigen Ländern sogar viel niedrig. 9 Georgien: Bei einer Bevölkerung von 4,6 Mio. Einwohnern kamen auf einen Rechtsanwalt Bürger In Armenien war das Verhältnis ein Anwalt auf Einwohner (Stand November 2011 bzw Rechtsanwälte) Kirgisistan hatte 2004 bei einer Bevölkerung von 4,8 Mio. genau lizensierte Rechtsanwälte 19 und damit ein ähnliches Verhältnis wie Armenien. Für 2011 wird bereits die Zahl von erteilten Rechtsanwalts-Lizenzen angegeben. 20 Von diesen sind 230 vorübergehend ausgesetzt und 35 dauerhaft entzogen aufgrund von disziplinarischen Maßnahmen. Nach Schätzungen von Experten sind lediglich rund Rechtsanwälte aktiv. 9 Kasachstan gibt die Zahl von Rechtsanwälten aktuell mit an (Stand Ende 2011). In Kasachstan leben rund 16,5 Mio. Einwohner. 9 Usbekistan hatte 2006 bei einer Bevölkerung von rund 27 Mio. Einwohnern etwa registrierte Rechtsanwälte. 21 Heute wird die Zahl der registrierten Rechtsanwälte mit angegeben (Stand 2011); hiervon sind in der Hauptstadt Taschkent registriert. 9 In Tadschikistan waren es im Mai 2005 bei einer Bevölkerung von 6,64 Mio. genau 423 lizensierte Rechtsanwälte wurde die Zahl von 800 unterschiedlich organisierten Rechtsanwälten genannt, bei einer Bevölkerung von ungefähr 7,2 Mio. 9 Russland hatte im Jahr 2011 rund aktive Rechtsanwälte (Relation Rechtsanwalt zu Bürger 1:2.149). 9 Zum Vergleich hierzu die vom European Commission for the Efficiency of Justice (CEPEJ) des Europarats ermittelten Durchschnittswerte in Europa (Report 2010): Ein Rechtsanwalt kommt auf 833 Bürger (arithmetisches Mittel average) oder Bürger (Mittelwert). Ein wiederkehrendes Phänomen in vielen Transformationsstaaten (und auch in vielen Entwicklungsländern) ist die Konzentration der Rechtsanwälte in der Hauptstadt, während die Provinzen regelmäßig unterversorgt sind. Die Rechtsanwälte in der Provinz leben in Zentralasien ohne größere Einkünfte, werden nicht selten in Naturalien bezahlt und können sich Fortbildungen kaum leisten. Zugleich sind die erforderlichen Honorare von Hauptstadtanwälten viel zu hoch, um der Mehrheit der Bevölkerung rechtlichen Beistand vor Gericht zu gewährleisten. In den meisten Staaten der GUS gibt es konsequenterweise auch keinen Anwaltszwang vor Gericht, was sich wiederum nachteilhaft auf die Weiterentwicklung und Festigung der Rechtsanwaltschaft auswirkt. Die staatlich organisierte Prozesskostenhilfe ist teils versprochen, teils kaum vorhanden, für gewöhnlich jedoch nur für strafrechtliche Verfahren vorgesehen. Die beruflichen Standesvertretungen der Rechtsanwälte basieren zum Teil auf den alten Anwaltskollegien mit beschränkter Mitgliederzahl, zum Teil sind sie abhängig von registrierenden Justizministerien (vgl. Tadschikistan und Kirgisien). In den meisten Ländern gibt es demzufolge keine einheitliche Standesvertretung für alle Rechtsanwälte. Der Entzug der Lizenz ist keine Seltenheit, wie die eindrucksvollen Zahlen der Russischen Föderation belegen. 23 Eine echte Selbstverwaltung erscheint in vielen Staaten der GUS, vor allem in Zentralasien, noch in weiter Ferne. 24 Von lokalen, eigenständigen Rechtsanwaltskammern mit zahlreichen Service-Funktionen und einem reichhaltigen Fortbildungsangebot oder gar freien Anwaltvereinen können die Rechtsanwälte in den meisten Staaten der GUS nur träumen. Der Bildungsstand der Rechtsanwälte ist dem- 13 Vgl. die gut dokumentierte Entwicklung in Russland: Russlandanalysen Nr. 138 ( ), Nr. 181 ( ), Nr. 208 ( ), sowie die jährlichen Berichte seit 2006 des Public Chamber der RF: 14 Siehe Public Chamber der RF: Report on the State of Civil Society in the Russian Federation 2008, S. 81 Tendency 5. Development of NPO professionalism combined with decrease of their total number. 15 H. H. Schröder sprach 2009 von vorsichtigen Signalen Medwedjews an die Zivilgesellschaft, die man nicht überbewerten sollte. Vgl. Russlandanalysen Nr. 181 ( ): Kein Tauwetter, sondern langsame Enteisung. 16 Vgl. zu Russland D. Sager, Pulverfass Russland, Berlin 2008, S. 125 ff. 17 Vgl. den Legal Profession Reform Index für Georgien November 2007, ABA- CEELI. 18 Vgl. LRPI for Armenia, Dec LRPI, Oct Register des Justizministeriums Kirgisistan, Stand Anfang Uzbekistan Today, LRPI for Tajikistan, Sept Siehe S des Berichts der Europäischen Kommission zur Effizienz der Justiz (CEPEJ) von 2010 ( European judicial systems, Edition 2010 (data 2008): Efficiency and quality of justice ), unter: 24 Die Reform der usbekischen Rechtsanwaltschaft, die im Jahr 2009 eingeleitet wurde, begann bezeichnender Weise mit einem Ukas des Präsidenten über die Selbstverwaltung der Rechtsanwaltschaft und die staatlich vorgegebene Einführung einer zentralisierten nationalen Rechtsanwaltskammer. vgl. auch allgemein hierzu UNDP 2009: Analysis of the Legislation Regulating Legal Profession in Central Asian States, Kapitel H Organe der anwaltlichen Selbstverwaltung, S Zu finden unter: (scroll down). 938 AnwBl 12 / 2012 Die Anwaltschaften in den GUS-Staaten brauchen Hilfe unterstützen wir sie, Deppe

17 MN Anwaltsrecht entsprechend noch nicht zufriedenstellend. Viele Rechtsanwälte sehen sich zudem staatlichem Einfluss ausgesetzt und können ihre Lizenz verlieren, wenn sie es wagen, gegen den Staat oder vermögende Interessen aufzutreten. Der Beitrag vertritt daher die Ansicht, dass nachhaltige Rechts- und Justizreformen ohne den Ausbau der Rechtsanwaltschaft und die Fortentwicklung freier beruflicher Standesvertretungen undenkbar sind. In Anbetracht der langjährigen internationalen rechtlichen Zusammenarbeit, die nachträglich gesehen mehr den staatlichen Einrichtungen der Justiz als den freien Justizberufen zugutekam, stellt sich die Frage für die Zukunft, ob die Unterstützung der Rechtsanwaltschaft nicht intensiver betrieben werden sollte. Hiervon würden schließlich nicht nur die Rechtsanwälte selbst profitieren, sondern auch die Gerichte, die es angesichts steigender Klagezahlen in den meisten der Transformationsstaaten weiter zu entlasten gilt. VI. Zur rechtsstaatlichen Entwicklung der Transformationsstaaten Die staatliche Gerichtsbarkeit hat in vielen Staaten der GUS inzwischen an Reputation hinzugewonnen. Zugleich steht aber in vielen Staaten auch weiterhin zu bezweifeln, ob die Mehrheit der Bevölkerung ihnen inzwischen vertraut. 25 Dem Zuwachs an Autorität entspricht nur ein allmählich wachsendes Vertrauen der Bevölkerung, das sich vor allem darin ausdrückt, dass die Klagezahlen allgemein Jahr um Jahr zunehmen 26 und die jüngere Generation die Gerichte anscheinend positiver sieht als die ältere. Den meisten Umfragen ist zu entnehmen, dass nach wie vor Bestechlichkeit und Anfälligkeit für politischen oder staatlichen Druck als die hauptsächlichen Defizite der Justiz angesehen werden, erst danach kommen die Überlastung der Gerichte und die zum Teil nicht verlässliche Gesetzgebung. 27 Hinzu kommen auffällige politische Prozesse. Diese sind vielleicht nicht das Maß aller Dinge, aber sie prägen das Bild der Justiz in der internationalen Öffentlichkeit, vor allem, wenn bei ihnen die Regeln des fairen Verfahrens außer Acht gelassen werden (vgl. zum Beispiel für Russland die Kritik am berühmtesten, aber nicht einzigen Fall Chodorkowski 28 ). Aus internationaler Sicht sind auch die vergleichenden Indizes zu Demokratie, Rechtstaat und Good Governance zu berücksichtigen, die den meisten Staaten der GUS noch immer größere Defizite im Bereich der Justiz bescheinigen. Bei der Rechtsstaatlichkeit als Kriterium der politischen Transformation (zusammengesetzt aus erstens Gewaltenteilung, zweitens Unabhängigkeit derjustiz, drittens Verfolgung von Amtsmissbrauch und viertens Bürgerliche Rechte) erreichen die Staaten der GUS beim Bertelsmann Transformationsindex (BTI) nur niedrige Werte (je höher desto besser): Usbekistan und Turkmenistan 2,3, Tadschikistan 2,8, Belarus 3,0, Kasachstan 3,8, Aserbaidschan und Kirgisistan 4,0, Russland 4,3, Armenien 4,5, Georgien 5,5, Moldawien und Mongolei 5,8, Ukraine 6,3. Zum Vergleich: Indien und Ghana erreichen 7,5, die Türkei 7,3, Lettland 8,5, Litauen 9,0 und Estland 9,8. Vom Democracy Index 2011 der Economist Intelligence Unit (EIU) wurde Russland gar im Zuge der Parlamentswahlen von 2011 und der angekündigten erneuten Präsidentschaft von V. Putin von einem hybriden Regime zu einem autoritären Regime herabgestuft (Platz 117). 29 Zur Illustration ein Auszug aus dem letzten Länderbericht des Bertelsmann Transformationsindex 2010 zu Russland: Politische Einmischung sowie Korruption führen zu Manipulationen bei der Anwendung des Rechts. In Umfragen behaupten Geschäftsleute regelmäßig, dass Gerichtsverfahren gegen staatliche Behörden eher in Gefahr geraten, unfair zu werden, als Verfahren gegen andere Geschäftsleute. In seiner ersten Ansprache an die Nation nannte Präsident Medwedjew selbst korrupte und ineffiziente Gerichte als einen Haupthinderungsgrund für Russlands Fortschritt in Richtung auf eine moderne Gesellschaft. Die Tatsache, dass ein Fünftel der Fälle vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte aus Russland stammen, könnte auch ein Hinweis darauf sein, dass russische Bürger ihre eigenen Gerichte nicht als neutrale Instanzen anerkennen. 30 Vor diesem Hintergrund erfahren Rechtsanwaltschaft und Notariat eine besondere Bedeutung für den Fortgang der Rechts- und Justizreformen. Die Rechtsanwälte kontrollieren die Gerichte wirkungsvoll, indem sie Klage- und Beweisanträge stellen, Berufungen und Revisionen einlegen, rechtliche Standards überprüfen, Ungleichbehandlungen feststellen und die Entscheidungen der Gerichte aus fachlicher Sicht kommentieren. Die Rechtsanwälte steigern hierdurch ganz konkret die Qualität der Rechtsprechung, und sie entlasten zudem die Gerichte. Hinsichtlich der vielfältigen Erscheinungsformen der Korruption an Gerichten sei an dieser Stelle billiger Weise auch auf die Beteiligung der Rechtsanwälte hingewiesen. Im Zeichen der Korruptionsbekämpfung stellen Fortbildungen und Seminare für Rechtsanwälte mit dem Ziel der Stärkung der rechtsanwaltlichen Ethik einen sinnvollen Reformbeitrag dar. Insgesamt gesehen aber lautet die These: Die Judikative als dritte Gewalt im Staat kann ihren verfassungsmäßigen Auftrag, die Rechtmäßigkeit des Handelns der anderen Staatsgewalten zu überprüfen, nur dann optimal erfüllen, wenn sie selbst von unabhängigen, externen Kräften überwacht wird. Die historische Lösung der Sowjetunion, ausgerechnet die Staatsanwaltschaft hierzu als unabhängige Kontrollinstanz zu bestimmen, sollte endlich ganz und überall zugunsten einer effektiven externen (und d. h. justiz- und staatsfernen) Kontrolle überwunden werden. Neben einer freien Fernseh- und Presseberichterstattung kommt der Rechtsanwaltschaft daher eine Schlüsselfunktion zu. VII. Zur Unabdingbarkeit rechtlicher Vertretung vor Gericht Über die genannten Erwägungen hinaus treffen auf die Transformationsstaaten der GUS noch einige weitere, zum Teil ganz technische Umstände zu, die das Vorhandensein eines Rechtsanwaltes im Gerichtsverfahren unerlässlich erscheinen lassen. Hiervon seien lediglich sieben exemplarisch aufgezählt: 25 Vgl. die Umfrageergebnisse Stand 2007/2008 in: Russlandanalysen Nr. 179, , S Vgl. für Russland die Untersuchung von Kathryn Hendley und ihre vorsichtigen, nicht vorbehaltlosen Schlussfolgerungen: Telephone Law and the Rule of Law: The Russian Case, in: Hague Journal on the Rule of Law, 1: , Siehe S. 2 der Russlandanalysen Nr. 205 ( ): R. Krumm: Ist die russische Gesellschaft zur Modernisierung bereit? Ergebnisse einer soziologischen Untersuchung. Vgl. auch zu den Erwartungen auf S. 3: Die Bürger erwarten von der Modernisierung Gleichheit vor dem Gesetz (41 %), Kampf gegen die Korruption (38%) und soziale Gerechtigkeit (31 %). Die Wiedergeburt russischer Werte oder die Demokratisierung der Gesellschaft spielen nur eine untergeordnete Rolle. 28 Vgl. hierzu Russlandanalysen Nr. 214, : Luchterhandt: Der zweite JU- KOS-Strafprozess gegen Michail Chodorkowskij und Platon Lebedew. Vgl. auch Russlandanalysen Nr. 179, : Nußberger / Safoklov: Keine Schuld und keine Sühne. Zum Ende des Prozesses im»mordfall Anna Politkowskaja«. 29 Abrufbar unter 30 Übersetzung des Verfassers aus dem Englischen, BTI Russia Country Report 2010, S. 7, zu finden unter: Die Anwaltschaften in den GUS-Staaten brauchen Hilfe unterstützen wir sie, Deppe AnwBl 12 /

18 MN Anwaltsrecht 9 Zugang zum Recht/Informationen über das Recht: Die professionelle Vertretung vor Gericht erscheint erstens unumgänglich, weil anders als in Westeuropa in viel geringerem Maße aktualisierte Rechtstexte zu haben sind, zudem viel zu wenige Gesetzeskommentierungen veröffentlicht werden. Außerdem werden noch immer viel zu wenige Gerichtsentscheidungen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. 9 Formalismen und Schrifterfordernisse: Zweitens werden viele Klagen gar nicht erst angenommen, wenn sie nicht den formalen Anforderungen entsprechen. In den meisten Prozessordnungen gibt es noch die prozessuale Voraussetzung der Annahme der Klage durch das Gericht. Die Gerichte des russischen Rechtskreises verlangen zusätzlich oft umfangreiche schriftliche Beweise. Sie sind dem Zeugenbeweis gegenüber nicht aufgeschlossen, so dass eine Klage häufig mit Hinweis auf fehlende schriftliche Unterlagen gar nicht erst angenommen wird. Die formellen und materiellen Voraussetzungen einer Klage kann in der Regel nur ein Rechtsanwalt zutreffend beurteilen. 9 Kurze Fristen: Drittens gelten ausgesprochen kurze Klageund vor allem Entscheidungsfristen, so dass weder zur Vorbereitung eines Verfahrens noch zu seiner Führung ausreichend Zeit zur Verfügung steht. Standard in der GUS ist eine ein- oder zweimonatige Entscheidungsfrist, die für das Gericht ab Klageeingang zu laufen beginnt. Es versteht sich von selbst, dass diese engen zeitlichen Vorgaben eine professionelle Organisation des Prozesses und treffsichere Beweisanträge voraussetzen. Der auf sich gestellte Kläger und der unverteidigte Beklagte haben hier kein leichtes Spiel. Hinzu kommt die wachsende Arbeitsauslastung der Richter, die oft nicht genügend Zeit für eine sorgfältige Fallbearbeitung lässt. 9 Überraschungsentscheidungen: Viertens ist die Besorgnis der Befangenheit ein Grund für die Richter, während des Prozesses wenig bis gar nichts über seinen Stand, die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der Beweiserhebung oder andere wichtige Gesichtspunkte zu äußern. Es gilt nach wie vor die Regel, dass sich der Richter nach der Hauptverhandlung in ein Beratungszimmerchen zurückzieht und dort für sich in aller Abgeschiedenheit eine Entscheidung trifft, die nicht selten für beide Parteien überraschend ist. Es gibt daher auch keine Vergleichskultur an den Gerichten der GUS. 9 Schwache Rechtshilfe: Die vielerorts noch nicht abgeschaffte Beratungsstunde im Gericht (Empfang der Bürger) bietet in Ermangelung von Rechtsanwälten häufig den billigsten Zugang zu rechtlicher Beratung. Diese Rechtshilfe, häufig von genervten Richterassistenten erteilt, erfolgt sicher nicht in jedem Fall unter Ausschöpfung aller in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkte. Nicht selten wird überhaupt von Klagen abgeraten, weil sie auf den ersten Blick aussichtslos erscheinen, oder auch weil es schlichtweg kein Interesse seitens des Gerichts gibt, mit Klagen überhäuft zu werden. Abgesehen hiervon ist das System der staatlichen Rechtshilfe in der GUS häufig mangelhaft. 9 Richterliche Umgangsformen: Viele Richter gerieren sich aufgrund ihrer Bildung, ihres sozialen Status und ihres Amtes eher als richtende denn als schlichtende Entscheider. Ihnen ist gerade der Bürger in aller Regel schutzlos ausgeliefert. Das Recht auf rechtliches Gehör wird außerdem allzu leicht missachtet, wenn kein rechtlicher Beistand hierfür sorgt. 9 Reformiertes Prozessrecht: Im Zivilverfahren wenden die meisten Gerichte aufgrund der Prozessrechtsreformen den Beibringungsgrundsatz an. Die Parteien sollen den Tatsachenstoff beibringen und Beweis anbieten. Hierdurch entstehen erhöhte Anforderungen an die professionelle Vorbereitung des Prozesses. Es wird Erfahrung im Umgang sowohl mit Beweisermittlungen als auch mit Beweisanträgen voraussetzt. Zwar tragen die Gerichte dem Umstand fehlender anwaltlicher Vertretung in der Regel Rechnung. Aber die Hinweis- und Aufklärungspflichten des Richters haben lange nicht die Bedeutung wie z. B. im deutschen Prozess. VIII. Der Gedanke der Selbstverwaltung der freien Justizberufe Wie ließe sich demnach die Situation der Bürger in den Staaten der GUS zugunsten der Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes vor Gericht verbessern? Welche Empfehlungen gibt es für die Rechts- und Justizreformen im Allgemeinen und den Ausbau der Rechtsanwaltschaften der GUS im Besonderen? Neben der rechtlichen Aufklärung der Bevölkerung erscheint der Gedanke der Selbstverwaltung der Rechtsanwaltschaft zur institutionellen Absicherung eines freien und unabhängigen Berufsstandes ebenso sinnvoll, wie es die Einrichtung eines unabhängigen Hohen Rates der Justiz (Higher Council of the Judiciary) für die Richterschaft ist. Die Selbstverwaltung würde voraussetzen: 9 Die dezentrale Organisation der Rechtsanwaltschaft, verbunden mit dem Privileg, sich eine eigene Berufsordnung und Kammersatzungen zu geben, 9 die eigenverantwortliche Verwaltung der Finanzmittel, 9 darüber hinaus die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft durch die Kammern selbst, 9 die selbständige Durchführung disziplinarischer Verfahren, Berufsgerichte usw. Der freie Berufsstand ermöglicht am besten die qualifizierte Aufgabenerfüllung im privaten Interesse der Mandanten und im öffentlichen Interesse einer geordneten Rechtspflege. 31 Die Rechtsanwaltschaft sollte schließlich auch vom Staat als verantwortliches Organ der Rechtspflege anerkannt werden. Die Interessenvertretungen der Rechtsanwälte sollten die Probleme der lokalen Rechtsanwaltschaften genauso im Blick haben wie die nationalen Reformaufgaben. Die deutsche Rechtsanwaltschaft hat aufgrund der frühzeitigen historischen Entwicklung einer staatlich anerkannten Selbstverwaltung (z. B. kommunale, universitäre, berufsständische Selbstverwaltung) inzwischen für die Rechtsanwaltschaft die Form der Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Pflichtmitgliedschaft und Pflichtbeiträgen gewählt. Dieses Modell ist sicher nicht für alle Transformationsstaaten in gleicher Weise geeignet. Die wesentlichen Garantien für die Unabhängigkeit der Rechtsanwaltschaft vom Staat sollten jedoch eine geeignete institutionelle Absicherung finden. 31 Vgl. die Thesen der deutschen Rechtsanwaltskammern zur anwaltlichen Selbstverwaltung, AnwBl 12 / 2012 Die Anwaltschaften in den GUS-Staaten brauchen Hilfe unterstützen wir sie, Deppe

19 MN Anwaltsrecht IX. Gegenstände der internationalen rechtlichen Zusammenarbeit zugunsten von Rechtsanwaltschaft und Notariat Die andauernden Justizreformen vieler Transformationsstaaten führen angesichts der gegenwärtigen Situation der Rechtsanwaltschaften zum Erfordernis, ein breites Spektrum von Reformaufgaben zu ihrer Unterstützung anzugehen. Mögliche Gegenstände sind unter anderem: 9 Das Berufsrecht der Rechtsanwälte einschließlich der ethischen Standards, des Zulassungsrechts, der Pflichtversicherung, der geregelten Vergütung usw. 9 das Berufsorganisationsrecht der Kammern und freien Verbände, die Interessenvertretung bei politischen Entscheidungen und bei relevanten Vorhaben der Gesetzgebung, 9 die Berufsaufsicht, 9 die eigene Qualitätssicherung, insbes. durch regelmäßige Fortbildungen, 9 die Einrichtung von Fachanwaltschaften, 9 die Reform der Juristenaus- und -fortbildung unter besonderer Berücksichtigung der Vorbereitung auf den Anwaltsberuf, 9 die weitergehende Reform der Prozessordnungen, nicht zuletzt hinsichtlich der prozessualen Rechte der Rechtsanwälte, 9 die Verbesserung der Prozesskostenhilfe und der Beratungshilfe, einschl. der Legal Clinics, 9 die rechtliche Aufklärung der Bevölkerung über ihre Rechte. der Staatsanwaltschaft im Bereich des Strafrechts begonnen. Die intensivere Unterstützung der Rechtsanwaltschaft wird jedoch bereits im Bericht der International Crisis Group von 2008 zur Gerichtsreform in Kirgisistan empfohlen. 34 Hier werden vor allem die Unzulänglichkeit der staatlichen Rechtshilfe und die Abhängigkeit der Rechtsanwälte vom Justizministerium als Argumente genannt. Eine konkrete Empfehlung lautet, die Zulassung und Lizensierung der Rechtsanwälte einer selbstverwaltenden Assoziation zu übertragen. Der Gedanke der Selbstverwaltung erscheint auch für die Rechtsanwaltschaften in weiteren Transformationsstaaten im Südkaukasus und in Zentralasien von großem Interesse. Russland und Armenien haben bereits ihre Reformabsichten bekundet. Dieses Thema sollte daher auch von deutscher Seite intensiver verfolgt werden, selbst wenn es realistisch betrachtet und zwar nicht nur aus politischen, sondern auch aus wirtschaftlichen Gründen noch ein langer Weg bis zur vollständigen Selbstverwaltung ist. Aufgrund der faktischen Vorrangstellung der Exekutive gegenüber der Judikative könnte man zu dem Fazit gelangen, dass checks and balances auch im Justizsektor stärker zu betonen sind: Erst wenn unabhängige Richter, freie Rechtsanwälte, aktive Einrichtungen der Zivilgesellschaft und freie Medien zusammen wirken, erscheinen die Rechts- und Justizreformen in den Transformationsstaaten gesichert. X. Schlussfolgerungen Der georgische Juraprofessor und ehemalige Justizminister L. Chanturia schreibt zusammenfassend, dass die juristische Zusammenarbeit die Einbeziehung ganz unterschiedlicher lokaler Institute und Personen vorsehen sollte, damit die Reformideen auch breite fachliche und öffentliche Unterstützung gewinnen können. 32 Es versteht sich beinahe von selbst, dass eine nachhaltige juristische Zusammenarbeit mit den Transformationsstaaten auch die intensive Zusammenarbeit mit der Rechtsanwaltschaft erfordert. Ebenso ist es eine naheliegende These, dass die Unabhängigkeit der Justiz durch eine freie Rechtsanwaltschaft nachhaltig abgesichert wird. Diesem Ansatz wird jedoch längst nicht immer Rechnung getragen. Defizite bestehen nicht nur auf Seiten der Partnerländer. Das Programm der Europäischen Kommission für Zentralasien enthält zum Beispiel nur für Kasachstan die kurze ausdrückliche Erwähnung, dass die Rechtsanwaltschaft gestärkt werden soll; ansonsten ist das Engagement in Kasachstan, Kirgisistan und Usbekistan eindeutig auf die Justizreform fokussiert. Für Tadschikistan und Turkmenistan ist in diesem Dokument keine gezielte Förderung der Justiz vorgesehen. Für Usbekistan hat ein langjähriges Programm der EU zur Unterstützung der Gerichte und 32 L. Chanturia, Voraussetzungen einer erfolgreichen juristischen Zusammenarbeit aus der Sicht der Transformationsgesellschaften, in: Rechtstransfer und internationale rechtliche Zusammenarbeit, Frankfurt am Main 2010, S. 117 (132). 33 Central Asia Development and Co-operation Instrument (DCI) Indicative Programme : _ca_mtr_en.pdf. 34 KYRGYZSTAN: THE CHALLENGE OF JUDICIAL REFORM, Asia Report No. 150, 10. April 2008, siehe die Empfehlungen und S. 5, the_challenge_of_judicial_reform.ashx. Dr. Jens Deppe, Eschborn Dr. Jens Deppe, Eschborn Der Autor ist Mitarbeiter der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), die 2011 aus der Verschmelzung der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) und dem Deutschen Entwicklungsdienst (DED) sowie InWent hervorgegangen ist. Er war ab 2007 Projektleiter des GIZ-Vorhabens Unterstützung der Rechts- und Justizreformen in Zentralasien. Seit 2009 ist er Fachplaner für Recht und Justiz. Der Beitrag gibt die persönliche Ansicht des Autors wieder. Die Anwaltschaften in den GUS-Staaten brauchen Hilfe unterstützen wir sie, Deppe AnwBl 12 /

20 MN Aufsätze Anwaltsrecht Anwaltliche Verschwiegenheit im chinesischen Recht Unterschiede zwischen Deutschland und China und die Folgen im grenzüberschreitenden Mandat Rechtsanwalt Dr. Marius E. Mann, MBA, M.Jur (Oxford), Stuttgart (RG) und die chinesischen Verhaltensregeln für Rechtsanwälte (VfRA) beleuchtet (Punkt II). Weiterhin wird untersucht, ob und inwieweit das chinesische Recht einen prozessrechtlichen Vertraulichkeitsschutz für Anwälte bereithält (Punkt III). Ferner wird analysiert inwieweit nicht-chinesische Rechtsanwälte dem Regime des chinesischen (Anwalts)Rechts unterfallen (Punkt V). Unter Punkt VI werden die Ursachen und Gründe für die Unterschiede im anwaltlichen Vertraulichkeitsschutz im deutschen und chinesischen Recht analysiert. Ferner wird beleuchtet, welche Auswirkungen diese Unterschiede für den grenzüberschreitenden Wirtschafts- und Rechtsverkehr haben können (Punkt VII). China ist für Deutsche weit weg und doch sehr nahe. Wirtschaftlich ist China der wichtigste Handelspartner Deutschlands in Asien. Das Handelsvolumen lag im Jahr 2010 nach Angaben des Auswärtigen Amtes bei 130 Milliarden Euro. Eine Schlüsselrolle in der Abwicklung der chinesisch-deutschen Geschäfte kommt den beratenden Anwälten zu. Grundlage erfolgreicher anwaltlicher Tätigkeit ist Vertrauen zwischen Anwalt und Mandant. Vertrauen lässt sich nur erreichen, wenn der Mandant seinen Anwalt um Rechtsrat ersuchen kann, ohne befürchten zu müssen, dass die den Anwälten überlassenen Informationen später gegen sie verwendet werden könnten. Auch für deutsche Rechtsanwälte, die mit in der Volksrepublik China (VR China) zugelassenen Anwälten grenzüberschreitend zusammenarbeiten, stellt sich die Frage, inwieweit die ausgetauschten Informationen vor allem in behördlichen Verfahren und in möglichen Prozessen vor chinesischen Gerichten vor einer Offenlegung geschützt sind. Dieser Aufsatz gibt einen Überblick über den Vertraulichkeitsschutz zwischen Anwalt und Mandant in der VR China. Er kann damit auch als ein Beitrag zum Deutsch-Chinesischen Rechtsstaatdialog gelesen werden. I. Einleitung Anwaltliche Verschwiegenheit gilt als Basis qualitativ hochwertiger Rechtsberatung. 1 Nur wenn sich der Mandant mit allen ihm verfügbaren Informationen an seinen Anwalt wenden kann, ohne befürchten zu müssen, dass diese Informationen im Rahmen einer gerichtlichen Beweisaufnahme oder Beschlagnahmeanordnung gegen ihn verwendet werden, ist es dem Anwalt möglich, umfassend und bestmöglich Rechtsrat zu erteilen. Das Anwaltsgeheimnis oder auch legal privilege ist dem Juristen aus westlichen Rechtsordnungen bekannt als ein Rechtsinstitut mit materiell-rechtlicher und prozess- oder verfahrensrechtlicher Ausprägung. 2 Umfassender Vertraulichkeitsschutz im Anwalt-Mandantenverhältnis ist nämlich nur dann gewährleistet, wenn in allen Verfahrenslagen und zu jeder Zeit das Recht des Anwalts oder dessen Pflicht zu schweigen besteht. Ausgehend von diesem Grundsatz untersucht nachfolgender Beitrag zunächst, inwieweit für den Anwalt im chinesischen Recht die materiell-rechtliche Pflicht besteht, über mandatsbezogene Inhalte zu schweigen. Hier werden insbesondere das chinesische Rechtsanwaltsgesetz II. Materiell-rechtliche Schweigepflicht des Rechtsanwalts in der VR China Im materiellen Recht der VR China enthalten das RG und die VfRA Vorgaben im Hinblick auf die anwaltliche Pflicht, mandatsbezogene Informationen vertraulich zu behandeln. Die entsprechenden Bestimmungen im RG und VfRA werden nachfolgend erläutert. 1. Das chinesische Rechtsanwaltsgesetz Mit dem zum überarbeiten RG zielt der chinesische Gesetzgeber darauf ab, die Qualität der Rechtsberatung zu verbessern und die Einhaltung von rechtlichen Vorgaben gegenüber Rechtsanwälten sicherzustellen. 3 Das Gesetz enthält, vergleichbar der BRAO in Deutschland, Vorgaben hinsichtlich der Rechte und Pflichten von Rechtsanwälten (Kapitel IV), der Zusammenarbeit von Rechtsanwälten (Kapitel V), der Rechtsanwaltshaftung (Kapitel VI) oder auch Fragen zur Anwaltszulassung (Kapitel II). 4 a) Vorgaben zur Verschwiegenheitspflicht im RG Artikel 38 RG regelt die Verschwiegenheitspflicht von Rechtsanwälten. Danach sind Anwälte verpflichtet, nationale Geheimnisse beziehungsweise Staatsgeheimnisse, Geschäftsgeheimnisse des Mandanten sowie dessen private Informationen geheim zu halten. Absatz 2 des Artikels 38 sieht vor, dass der Rechtsanwalt Informationen geheim zu halten hat, die er im Rahmen seiner Tätigkeit erlangt, und die entweder der Mandant oder andere Personen nicht bereit sind, preiszugeben. Von diesem Grundsatz ausgenommen sind 1 Vgl. Upjohn Co v. US, 449 US 383, 389 (1981); Mann, AnwBl 2010, 87 m.w.n. 2 So ist im deutschen Recht die Vertraulichkeit materiell-rechtlich durch 43a Abs. 2 BRAO abgesichert. Im Zivilprozess durch das anwaltliche Zeugnisverweigerungsrecht ( 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO), strafprozessual durch 53 Abs. 1 Nr. 3 StPO und den Beschlagnahmeschutz gemäß 97 Abs. 1 Nr. 1 StPO in Verbindung mit 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO. Vergleichbares gilt etwa im US-amerikanischen Recht mit attorney confidentiality und der prozessualen Absicherung durch attorney-client privilege und attorney work product (Mann, Anwaltliche Verschwiegenheit und Corporate Governance, S. 89 ff. m.w.n.). Zum englischen Recht, Thanki, The Law of Privilege, 2006, 3.11 ff. (S. 117 ff.) und (S ). 3 Art. 1 RG. 4 Im Überblick auch Peerenboom, China s Long March Toward Rule of Law, 2002, S. 368 allerdings noch zum Vorgängergesetz. Aufschlussreich zu der Regulierung der Anwaltschaft in der VR China auch Gelatt, 23 N.Y.U.J. Int l L. & Pol. 751 ff. (1991). Aus historischer Perspektive Arnold, AnwBl 1984, 329 ff. 942 AnwBl 12 / 2012 Anwaltliche Verschwiegenheit im chinesischen Recht, Mann

21 MN Anwaltsrecht Informationen und Hinweise, die darauf hindeuten, dass eine Straftat durch den Mandanten oder eine andere Person begangen wird, welche die nationale oder öffentliche Sicherheit gefährdet oder eine ernsthafte Gefahr für die körperliche Unversehrtheit oder das Eigentum einer Person darstellt. Die Vorschrift zeigt ein vergleichsweise ausbalanciertes Werteverhältnis zwischen anwaltlichem Vertraulichkeitsschutz und dem Schutz hoher Rechtsgüter, wie er dem deutschen Juristen aus dem Zusammenspiel von 43a Abs. 2 BRAO und 139 Abs. 3 StGB bekannt ist. b) Sanktionen Verstöße gegen die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht haben in der VR China nicht dieselben Konsequenzen wie etwa in Deutschland, wo weitreichende Disziplinarmaßnahmen bis hin zum Ausschluss aus der Rechtsanwaltskammer, vor allem aber auch strafrechtliche Folgen (vgl. 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB) drohen. 5 Lediglich die Enthüllung von Staatsgeheimnissen beziehungsweise von nationalen Geheimnissen werden in Art. 49 Nr. 9 RG sanktioniert, nicht hingegen die bloße Offenlegung mandatsbezogener Informationen. Die Offenlegung mandatsbezogener Informationen kann nach dem RG (Art. 48 Nr. 4) nur dann disziplinarrechtliche Folgen nach sich ziehen, wenn es sich hierbei zugleich um Geschäftsgeheimnisse oder Informationen aus dem Privatbereich (des Mandanten) handelt. Die Justizverwaltung kann entsprechend der Schwere des Verstoßes die Anwaltszulassung vorübergehend entziehen, eine Verwarnung aussprechen oder ein Verwarnungsgeld bis zu Renmimbi (ca Euro) beziehungsweise Renmimbi (bei Verstößen gegen Art. 49 Nr. 9 RG) verhängen. 2. Verhaltensregeln für Rechtsanwälte (Code of Conduct) Die von der Chinesischen Rechtsanwaltskammer (All China Lawyers Association) 6 am verabschiedeten und in Kraft getretenen Verhaltensregeln für Rechtsanwälte (VfRA) beinhalten vergleichbar mit dem Ethic Code im US-amerikanischen Recht 7 Direktiven für die anwaltliche Berufsausübung. Die Verhaltensregeln sind von allen Kanzleien und Rechtsanwälten, die bei der Chinesischen Rechtsanwaltskammer zugelassen sind, zu beachten. 8 Die Chinesische Rechtsanwaltskammer, die auch für die standesrechtliche Aufsicht der Rechtsanwälte zuständig ist, setzt die Verhaltensregeln mittels Disziplinarmaßnahmen gegenüber den Anwälten durch (Art VfRA). 9 Die Verhaltensregeln für Rechtsanwälte wiederholen an vielen Stellen die bereits durch das RG auferlegten Pflichten, 10 konkretisieren und ergänzen diese aber auch. Hinsichtlich der anwaltlichen Vertraulichkeit statuiert Art. 9 VfRA die Pflicht, Staatsgeheimnisse, Geschäftsgeheimnisse des Mandanten und die Privatsphäre von Jedermann geheim zu halten. Art. 56 VfRA ist noch weitergehend und erstreckt diese Pflicht zum einen auch auf das Hilfspersonal des Rechtsanwaltes. Zum anderen erweitert Art. 56 VfRA die Geheimhaltungspflicht auf jegliche mandatsbezogenen Information, die dem Rechtsanwalt im Rahmen seiner Mandatsausübung bekannt werden. Diese umfassende Vertraulichkeitszusage an den Mandanten erscheint dem deutschen Recht 43a Abs. 2 S. 1 BRAO vertraut. Sie besteht, ebenso wie im deutschen Recht, über die Beendigung des Mandats hinaus, fort. 11 Ausnahmen von diesem anwaltlichen Geheimhaltungsgrundsatz bestehen für den Fall, dass nationale Interessen gefährdet sind. Keine Geheimhaltungspflicht besteht auch dann, wenn der Rechtsanwalt davon ausgeht bzw. ausgehen muss, dass durch die Geheimhaltung der Informationen erhebliche Gefahren für Leib oder Leben drohen oder eine Geheimhaltung dazu führt, dass schwerwiegende Straftaten nicht rechtzeitig verhindert werden können Zwischenergebnis Sowohl Art. 38 Abs. 2 RG als auch Art. 56 VfRA verpflichten die in der VR China zugelassenen Rechtsanwälte zu umfassender Verschwiegenheit bezüglich mandatsbezogener Informationen. Die rechtliche Absicherung dieser Verschwiegenheitspflicht ist jedoch nicht hinreichend gewährleistet. Verstöße gegen die anwaltliche Schweigepflicht werden nach dem RG nur sanktioniert, wenn die mandatsbezogenen Informationen zugleich auch nationale Geheimhaltungsinteressen berühren oder aus dem höchstpersönlichen Bereich stammen. Lediglich die VfRA sehen ein abgestuftes Sanktionssystem gegenüber Rechtsanwälten vor, das von der Verwarnung bis zum Ausschluss aus der Rechtsanwaltskammer reicht, wenn der Rechtsanwalt mandatsbezogene Informationen welcher Art auch immer offenlegt. Die VfRA sind allerdings nur Regelungen standesrechtlicher Natur. Ihre Durchsetzung erfolgt durch die Chinesische Rechtsanwaltskammer selbst und hat nur disziplinarrechtlichen Charakter. Ihr kommt nur eine eingeschränkte Sanktionswirkung zu, die dem Schutz des Anwalt-Mandantenverhältnisses gemessen am Maßstab westlicher Rechtsordnungen nicht in ausreichendem Maße genügt. 5 Berufsrechtliche Sanktionen reichen im deutschen Recht von der Warnung in 114 Abs. 1 Nr. 1 BRAO bis hin zu der Ausschließung aus der Rechtsanwaltschaft in 114 Abs. 1 Nr. 5 BRAO, vgl. hierzu Henssler/Prütting/Dittmann, BRAO3.Aufl. 2010, 117 Rn. 7-14; im Überblick auch Mann, (Fn.2),S Zur Rolle der Chinesischen Anwaltskammer und deren Entstehung siehe auch Basat/Nihill 31 Int l Law. 245, (1997). Im Überblick Arnold, AnwBl 1984, 329, Hierzu und auch zu Problemen mit den Ethic Codes Bainbridge, 1 U.St.Thomas L.J. 34, 40 (2004); Eslick, 53 Drake L.Rev. 133, 158 (2004); Knöfel, Grundfragen, S. 68 f.; Henssler, RIW 2001, 572, 573 ff.; überblickartig Mann, (Fn.2),S.148ff. 8 Art. 4 VfRA. Näheres zur Zulassung unten, vgl. Punkt VI. 9 Diese können bis hin zum Ausschluss aus der Rechtsanwaltskammer führen, vgl. Art. 181 VfRA. 10 So beispielsweise das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen, vgl. Art. 81 VfRA und Art. 39 RG. 11 Vgl. zum deutschen Recht 2 Abs. 2 BORA sowie Henssler/Prütting,(Fn.5) 43a Rn. 57. Für das chinesische Recht Art. 59 VfRA. 12 Siehe Art. 56 VfRA. Anwaltliche Verschwiegenheit im chinesischen Recht, Mann AnwBl 12 /

22 MN Anwaltsrecht III. Zivilprozessuales Zeugnisverweigerungsrecht des Anwalts Gemäß Art. 70 Chinesisches Zivilprozessgesetz (ZPG) obliegt allen Personen, die Kenntnisse über einen streitigen Sachverhalt haben, die Pflicht, vor Gericht auszusagen. Die beweisbelastete Partei ist gehalten, den Zeugen zu benennen und zur Aussage vor Gericht zu bewegen. Von der Pflicht zur Aussage werden nur in engen Grenzen Ausnahmen zugelassen. Ein Beispiel ist, wenn es für den Zeugen unzumutbar ist, vor Gericht zu erscheinen. 13 In einem solchen Fall kann im Einvernehmen mit dem Gericht eine schriftliche Zeugenaussage eingereicht werden. 14 Grundsätzlich sieht Art. 66 ZPG vor, dass die Vernehmung von Zeugen im Gerichtssaal und im Wege des Kreuzverhörs stattfindet. Anderes soll nur dann gelten, wenn das Beweismittel Staatsgeheimnisse, Geschäftsgeheimnisse oder private Informationen beinhaltet. Aber selbst dann besteht kein Recht des Zeugen zu schweigen. Die Vernehmung wird in diesem Fall in nicht-öffentlicher Sitzung durchgeführt. 15 Das ZPG sieht ein Zeugnisverweigerungsrecht des Anwalts nicht vor. 16 Das hat zur Folge, dass auch ein Anwalt als Zeuge über mandatsbezogene Informationen vor Gericht vernommen werden kann. Die oben beleuchtete Vertraulichkeitsverpflichtung aus RG und VfRA erfährt durch die Zeugenstellung des Anwalts eine Durchbrechung, die den anwaltlichen Vertraulichkeitsschutz unterhöhlt mit allen sich daraus ergebenden negativen Folgen (Vertrauensverlust und Qualitätsverlust der Rechtsberatung). Wie sich zeigt, wird dem Interesse an Wahrheitsfindung und Publizität im (Prozess)Recht der VR China ein weit höherer Schutz beigemessen als dem Vertraulichkeitsschutz des Anwalt-Mandantenverhältnisses. 17 IV. Zwischenergebnis: Keine prozessuale Ergänzung zur anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht Dem Bedürfnis nach anwaltlicher Vertraulichkeit im chinesischen Recht wollen das RG und die VfRA Rechnung tragen. Die sich aus diesen Bestimmungen ergebende anwaltliche Verschwiegenheitspflicht ist jedoch unzureichend und bietet nicht ausreichend Schutz. Denn anders als das deutsche oder auch US-amerikanische Recht kennt das chinesische Recht keine dem anwaltlichen Zeugnisverweigerungsrecht vergleichbare prozessuale Berechtigung des Anwalts zu schweigen. 18 Dementsprechend findet die materiell-rechtliche Verpflichtung des Anwalts letztlich keine prozessuale Ergänzung und läuft insoweit leer. Der Rechtsanwalt hat behördlichen beziehungsweise richterlichen Aufforderungen zur Preisgabe von Informationen oder zur Abgabe eines Zeugnisses Folge zu leisten. V. Gründe für die Unterschiede Die über lange Zeit fehlende Akzeptanz des Schutzes privater Geheimnisse in der VR China ist in erster Linie ideologisch begründet. In einem vom Kollektiv geprägten Staat war bzw. ist nur unzureichend Raum für individuelle Interessen und damit auch für den effektiven Schutz mandatsbezogener Informationen. Chinesische Machthaber beziehungsweise Regierungen haben mit ihrem Absolutheitsanspruch lange Zeit keinen Raum für den Schutz subjektiver Rechte gelassen. 19 Dies dürfte auch auf die Vorstellung der vom Konfuzianismus geprägten Gesellschaft des alten China zurückzuführen sein, der subjektive Rechte des Einzelnen fremd waren. 20 Insofern konnte es auch keine Informationen geben, die Exekutive, Judikative oder Legislative vorenthalten werden durften. 21 Entsprechende Regelungen, die den Vertraulichkeitsschutz zwischen Anwalt und Mandant schützen, finden sich daher nur sporadisch und wie oben aufgezeigt erst in neueren Gesetzen. Der fehlende Schutz des Anwaltsgeheimnisses im Prozessrecht geht ebenfalls zurück auf den absolutistischen Einschlag, dem die VR China und insbesondere auch das chinesische Recht lange Zeit verhaftet waren und teilweise auch noch sind. Loyalität gegenüber der Obrigkeit und damit einhergehende nahezu grenzenlose Zugriffs- und Ermittlungsbefugnisse staatlicher Behörden haben über lange Zeit das chinesische Recht geprägt und bestimmen es zum Teil auch heute noch. Diese Grundhaltung hat auch Einzug in das Zivil(prozess)recht gehalten, wo staatliche Zu- und Eingriffsbefugnisse an sich nur eine untergeordnete Rolle spielen und die Privatautonomie den Parteien zumindest nach deutschem Rechtsverständnis die Verfügungsgewalt über den Streitstoff und das gesamte Verfahren zubilligt. Zu einer dem Kollektiv verhafteten, streng obrigkeitsbezogenen Denkweise passt auch die im chinesischen Anwaltsrecht verankerte Erwartung an den Rechtsanwalt, das chinesische System und die sozialistische Ideologie zu fördern. 22 Diese Erwartung steht beispielsweise mit der Stellung deutscher Rechtsanwälte als einem unabhängigen Organ der Rechtspflege im Gegensatz. 23 Zwar ergreift die wirtschaftliche Öffnung der VR China zunehmend auch die Gesetzgebung und führt schrittweise zu der Übernahme westlich geprägter Regelungsmodelle. 24 Noch hat der chinesische Gesetzgeber aber offenbar große Mühe, einen umfassenden Vertraulichkeitsschutz für das Anwalt-Mandantenverhältnis zu schaffen. 13 Die Aussagepflicht wird häufig umgangen, weshalb Zeugenaussagen oft verlesen werden, Bu, Einführung in das Recht Chinas, 25 Rn Art. 70 ZPG. 15 Art. 66 ZPG. 16 Bu, (Fn. 13), 25 Rn. 37; Ning/Huawei, Legal Privilege and Confidentiality in China, in: Koehnen/Russenberger/Cowling, 2006, S Auch im Strafverfahren und im Strafprozess ist das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt (Verteidiger) und Mandant (Angeklagtem) nicht hinreichend durch prozessuale Aussage- und Zeugnisverweigerungsrechte des Verteidigers abgesichert. Den staatlichen Zugriffs- und Ausforschungsbefugnissen wird in der VR China ein weit höheres Gewicht beigemessen als etwa dem Schutz des Anwalt-Mandantenverhältnisses. 18 Siehe Ye, in: Oh/Hobson/Lally, Confidentiality of Communications between Lawyers and their Clients, 2008, S Vgl. auch Mann, MMR 2011, 155 f. 20 Vgl. Arnold, AnwBl 1984, So auch Pratt, 20 Nw. J. Int l L. & Bus. 145, (1999). 22 Vgl. hierzu Gelatt, 23 N.Y.U.J. Int l L. & Pol. 751, (1991). Siehe auch Art. 1 RG. 23 Vgl. RG JW 1926, 2756; zum ganzen Koch, in: Henssler/Prütting (Fn. 5) 1 Rn. 8, 66 ff. 24 So ist das chinesische Recht wesentlich vom japanischen und dadurch auch vom deutschen Recht beeinflusst, vgl. Wolff, Das internationale Wirtschaftsrecht der VR China, 2. Aufl. 2005, S. 19. Zunehmend übernimmt es gerade im Bereich des Wirtschaftsrechts nunmehr auch anglo-amerikanische Rechtskonzeptionen, vgl. Bu, (Fn. 13), 1 Rn AnwBl 12 / 2012 Anwaltliche Verschwiegenheit im chinesischen Recht, Mann

23 MN Anwaltsrecht VI. Nicht-chinesische (deutsche) Anwälte in China Für ausländische Rechtsanwälte stellt sich die Frage, inwieweit sie den Regelungen, insbesondere der standesrechtlichen Aufsicht, in der VR China unterfallen. Die oben genannten Bestimmungen (RG und VfRG) gelten für chinesische Rechtsanwälte, die bei der Chinesischen Rechtsanwaltskammer registriert sind. 25 Ausländische Anwälte unterliegen den Bestimmungen des RG und der VfRA nicht direkt, denn ihnen ist die Zulassung in China in der Regel versagt. Selbst chinesische Anwälte müssen ihre Anwaltslizenz zurückgeben, wenn sie in einer internationalen Anwaltssozietät arbeiten. 26 Nicht im chinesischen Recht ausgebildete Anwälte dürfen nicht im chinesischen Recht beraten. 27 Sie unterliegen daher auch nicht unmittelbar dem Regime der VfRA. Um ausländische Anwälte dem Regime der chinesischen Justizverwaltung aber nicht gänzlich zu entziehen, bestimmt Art. 3 Verordnung über Niederlassungen ausländischer Kanzleien allerdings, dass nicht-chinesische Sozietäten mit Niederlassung in der VR China und deren Angestellte bei der Ausübung ihrer Dienste ebenso an die Gesetze und Ausübungsbestimmungen (namentlich das RG und die VfRA) gebunden sein sollen, wie chinesische Anwälte. Für die Frage der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht ergeben sich für nicht-chinesische insbesondere deutsche Anwälte damit jedoch keine Neuerungen. Sie unterliegen nach 43a Abs. 2 S. 1 BRAO ohnehin einer umfassenden Schweigepflicht hinsichtlich aller Informationen aus dem Anwalt-Mandantenverhältnis. 28 Die Frage, inwieweit die Vertraulichkeit zwischen nichtchinesischen Anwälten und deren Mandanten vor chinesischen Gerichten und Behörden geschützt ist, bestimmt sich allerdings nicht nach chinesischem Standesrecht. Maßgeblich für die Frage eines anwaltlichen Zeugnisverweigerungsrechts kann zumindest in zivilrechtlichen Streitigkeiten nur das internationale Privatrecht bzw. das internationale Zivilprozessrecht der VR China sein, welches dem international anerkannten 29 lex fori Grundsatz folgt. 30 Dies hat zur Konsequenz, dass sich zivilverfahrensrechtliche Fragen, auch diejenigen des Beweisrechts und der Frage des Umfangs von Zeugnis- und Aussagepflicht, nach chinesischem (Prozess)Recht bestimmen. Demnach trifft auch einen deutschen Anwalt, sofern er beispielsweise vor chinesischen Gerichten als Zeuge vernommen wird, die volle Zeugnis- und Aussagepflicht. Eine Berufung auf ein nach deutschem Recht bestehendes Zeugnisverweigerungsrecht dürfte daher vor chinesischen Gerichten keine Erfolgsaussichten haben. Daraus können sich teils erhebliche Inkongruenzen zwischen deutschem und chinesischem Recht ergeben. Denn nach deutschem Recht trifft den Anwalt eine umfassende Verschwiegenheitspflicht, die auch vor Gerichten und in behördlichen Verfahren Bestand hat und strafrechtlich durch 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB abgesichert ist. 31 Zumindest in der Theorie sind daher für einen deutschen Anwalt, der von chinesischen Gerichten oder Behörden zur Aussage oder Herausgabe von Dokumenten gezwungen wird, standes- bzw. strafrechtliche Konsequenzen nicht auszuschließen. Erfahrungswerte darüber, inwieweit sich derartige Risiken tatsächlich realisieren, liegen bislang jedoch nicht vor. VII. Bedeutung der Unterschiede für den grenzüberschreitenden Wirtschafts- und Rechtsverkehr Die Auswirkungen und die praktische Bedeutung der aufgezeigten Inkongruenzen im anwaltlichen Vertraulichkeitsschutz der VR China und Deutschlands dürften geringer sein, als es der Umfang der Unterschiede vermuten lässt. Dies hängt erstens damit zusammen, dass das chinesische Prozessrecht dem Civil Law verhaftet ist 32 und daher keinen Ausforschungsbeweis kennt, wie er mit der pre-trial Discovery in den USA 33 oder der Disclosure in Großbritannien 34 existiert. Die Möglichkeit, von der Gegenpartei Beweismittel heraus zu verlangen, um damit der eigenen Beweislast genügen zu können, wie es die pre-trial Discovery teilweise erlaubt, besteht nicht. Chinesische Gerichte dürfen im Zivilprozess nur in Ausnahmefällen von Amts wegen Beweis erheben, etwa wenn die zu beweisende Tatsache das Interesse des Staates, der Öffentlichkeit oder eines Dritten betrifft. 35 Aus diesen Gründen kommt es im Zivilprozess vor chinesischen Gerichten kaum oder erheblich seltener zu Situationen, in denen der Anwalt überhaupt als Zeuge oder sonst als Informationsquelle in Betracht kommt. Zweitens werden internationale Transaktionen zumindest bislang noch überwiegend von nicht-chinesischen Anwälten und unter Derogation chinesischen Rechts abgewickelt. Entsprechend gering sind die Berührungspunkte mit chinesischen Behörden und Gerichten. Dies gilt drittens erst recht vor dem Hintergrund, dass die Vertragsparteien Streitigkeiten in der Regel vor Schiedsgerichten und stets unter Anwendung prozessualer Vorschriften austragen, welche die anwaltliche Verschwiegenheit innerhalb und außerhalb des Schiedsverfahrens respektieren. 36 Selbst für den Fall, dass die Parteien eine Schiedsordnung und Schiedsrich- 25 Art.4VfRA,Art.2und4RG. 26 Vgl. Bu, (Fn. 13), 2 Rn Vgl. hierzu die engen Ausnahmetatbestände in Art. 15 Verordnung über Niederlassungen ausländischer Kanzleien, in Kraft seit dem Zu den vergleichsweise engen Ausnahmetatbeständen im deutschen Recht, vgl. Henssler/Prütting, (Fn. 5) 43a Rn Schütze, Rechtsverfolgung im Ausland, 3. Auflage 2002, S. 161, Rn. 179; Geimer, IZPR 6. Auflage 2009, Rn ; Schack, IZVR, 4. Auflage 2006, Rn. 40, 656. Vgl. zu diesem Grundsatz für die USA Babcock v. Jackson, 191 N.E. 2d 279 (N.Y. 1963); Arthur Anderson Co. v. Finesilver 429 US 1096 (1977) ( Foreign law may not control local law). Für England, vgl. Lawrence v. Campbell (1859) 4 Drew 485; Bourns Inc. v. Raychem Corp. (1999) All ER 154, CA.; Thanki, (Fn.2), 4.79(S. 205). 30 Münzel, IPRax 1988, 46, Vgl. hierzu Mann, (Fn.2),S Zu Einflüssen ausländischer Rechtsordnungen auf das Recht der VR China siehe Wolff, (Fn.24),S.19f.;Bu, (Fn. 13), 1 Rn. 13 ff. Grundlegend auch Weggel, in: Ranft/Schewe, Chinesisches Wirtschaftsrecht, S. 11 ff. 33 Vgl. Schack, Einführung in das U.S.-amerikanische Zivilprozessrecht, 3. Auflage 2003, S. 45; Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, S. 97 ff.; Prütting, AnwBl 2008, 153, ; Mentz, RIW 1981, 73 ff.; Rempp/Lienemeyer, ZVglRWiss 94 (1995) 396 ff.; Stiefel, RIW 1979, 509 ff. 34 Hierzu Thanki, (Fn. 2), 4.85, 4.89 (S ) Beweisbestimmungen. Zu weiteren Ausnahmen vgl. Bu, (Fn.13) 25Rn Zur Schiedsgerichtsbarkeit als dem Mittel der Wahl für Streitigkeiten in der VR China, vgl. Moser, in: Business Disputes in China, 2007, S. 1; Peerenboom, (Fn.4), 2002, S Kritisch diesbezüglich Binding, ZVglRWiss 109 (2010), 153, 154. Anwaltliche Verschwiegenheit im chinesischen Recht, Mann AnwBl 12 /

24 MN Anwaltsrecht ter aus dem Common Law Rechtskreis wählen und damit ein Verfahrensrecht ausersehen, welches eine Discovery oder Disclosure vorsieht, ist der Vertraulichkeitsschutz im Anwalt-Mandantenverhältnis ausreichend und umfassend durch das legal privilege oder attorney-client privilege abgesichert. 37 Die aus den Inkongruenzen zwischen deutschem und chinesischem Recht resultierenden praktischen Probleme für den deutschen Juristen bleiben daher überschaubar. Anderes mag freilich für Fälle gelten, in denen Berührungen welcher Art auch immer mit chinesischen Gerichten oder auch Ermittlungsbehörden (in Kartell- oder Strafverfahren) bestehen. Das Recht zur anwaltlichen Verschwiegenheit ist, sofern man den Maßstab westlicher Rechtsordnungen anlegt, im Recht der VR China nicht ausreichend abgesichert. Zwar besteht nach dem RG und der VfRA die Pflicht für Rechtsanwälte, über mandatsbezogene Informationen zu schweigen. Anders als aus westlichen Rechtsordnungen bekannt, fehlt im chinesischen Recht aber eine effektive Absicherung der anwaltlichen Schweigepflicht im Prozessrecht, wie er etwa im deutschen Recht in 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO oder im Strafprozess in 53 Abs. 1 Nr. 3 StPO verankert und auch in anderen Rechtsordnungen zum Teil hochentwickelt ist. 38 Umfassende Zeugnis- und Aussageverweigerungsrechte oder auch Beschlagnahmebeschränkungen existieren im chinesischen Recht nicht beziehungsweise nicht in dem Umfang, in welchem sie Juristen aus westlichen Rechtsordnungen bekannt sind. Der begrüßenswerte Versuch der Chinesischen Rechtsanwaltskammer, die chinesischen Rechtsanwälte einer umfassenden Verschwiegenheitspflicht zu unterwerfen, findet in der chinesischen Rechtsordnung, insbesondere dem Verfassungsrecht und dem einfachgesetzlichen chinesischen Recht, bisher keinen Widerhall. Widersprüche und Konflikte, die sich aus der fehlenden Kongruenz der Normen ergeben, sind zu Lasten der VfRA aufzulösen. 39 Dadurch besteht kein Recht des Anwalts im Prozess zu schweigen, wodurch ein effektiver Vertraulichkeitsschutz im Anwalt-Mandantenverhältnis in der VR China nicht existiert. Für nicht-chinesische, insbesondere deutsche, Rechtsanwälte bleiben diese grundlegenden Unterschiede jedoch weitgehend ohne praktische Auswirkungen, da eine Prozessvertretung vor chinesischen Gerichten wegen der sprachlichen Barrieren und berufsrechtlichen Hürden ausgeschlossen ist. Freilich bleibt denkbar, dass auch ein deutscher Anwalt vor chinesischen Gerichten und Behörden als Zeuge herangezogen wird und in diesem Zusammenhang über vertrauliche Kommunikation mit seinem Mandanten (der jetzt Partei ist) auszusagen hat. Die praktische Bedeutung derart gelagerter Fälle dürfte jedoch gering sein, insbesondere die Durchsetzung einer solchen gerichtlichen Vernehmungsanordnung gegenüber in Deutschland ansässigen Anwälten. VIII. Zusammenfassung 37 Vgl. hierzu Nacimiento, ZUM 2004, 785, 790. Demeyere, SchiedsVZ 2003, 247, 249. Zum Ganzen auch Schäffler, Zulässigkeit und Zweckmäßigkeit der Anwendung anglo-amerikanischer Beweismethoden im deutschen und internationalen Schiedsverfahren, Siehe auch Art. 9 (2) (b) IBA Rules on the Taking of Evidence in International Arbitration. 38 So etwa im US-amerikanischen Recht, vgl. Richmond, 110 Penn.St.L.Rev. 381 ff. (2005); Snyder, 50 Loy.L.Rev. 439 ff. (2004); oder im englischen Recht, eingehend hierzu Thanki, (Fn.2), (S ). 39 Denn hierbei handelt es sich lediglich um untergesetzliches Recht, das von der ohne originäre Gesetzgebungsbefugnis ausgestatteten chinesischen Rechtsanwaltskammer erlassen wurde. Grundsätzlich zu Normenhierarchie und Normkonflikten im chinesischen Recht Bu, (Fn. 13), 6 Rn Dr.MariusE.Mann,MBA,M.Jur(Oxford), Stuttgart Der Autor ist Rechtsanwalt bei Gleiss Lutz in Stuttgart und dort im Bereich Dispute Resolution tätig. Der Beitrag ist während eines mehrmonatigen Aufenthalts in einer internationalen Rechtsanwaltskanzlei in Shanghai (China) entstanden. Sie erreichen den Autor unter der -Adresse autor@anwaltsblatt.de. 946 AnwBl 12 / 2012 Anwaltliche Verschwiegenheit im chinesischen Recht, Mann

25 MN Aufsätze Anwaltsrecht Vom Syndikusanwalt zum Unternehmensjuristen dient das der Anwaltschaft? Brisante Probleme der in berufspolitischer Agonie verharrenden Anwaltschaft Rechtsanwalt Dr. Michael Kleine-Cosack, Freiburg i.br. Abwehrkämpfe haben das berufspolitische Verständnis der deutschen Anwaltschaft schon immer stärker geprägt als die Gestaltung der Zukunft. Der Beruf des Steuerberaters konnte sich zum eigenständigen Konkurrenzberuf zum Anwalt entwickeln, weil die Anwaltschaft am Ende des 19. Jahrhunderts Fachanwaltschaften ablehnte. Bei den Syndikusanwälten droht nunmehr eine vergleichbare Entwicklung. Der unter der Fahne der Doppelberufstheorie seit Jahrzehnten geführte Kampf der Rechtsanwaltskammern und der Anwaltsgerichte gegen ihre Anerkennung und die bis heute andauernde Diskriminierung der Syndikusanwälte haben zur Folge, dass sich die Entwicklung zum eigenständigen Beruf des Unternehmensjuristen abzeichnet. Die Folgen wären für die Anwaltschaft weitreichend. Setzt sich der rigide Kurs der Deutschen Rentenversicherung Bund durch, dann könnten selbst die Anstellungsverhältnisse in Rechtsanwaltskanzleien unter Legitimationsdruck geraten. Der Autor plädiert dafür, dass ein tragfähiger Gesetzesvorschlag für die Anerkennung des Syndikusanwalts entwickelt wird, um die Einheit der Anwaltschaft zu bewahren. Die Ausformung des Berufsbilds sollten die Rechtsanwälte nicht wieder einmal den Gerichten überlassen. Den Vorschlag des Deutschen Anwaltvereins zu 46 BRAO hält er für nicht ausreichend. I. Berufspolitischer Stillstand Mittlerweile wird auch von den hartnäckigsten Gegnern der Syndikusanwälte anerkannt, dass akuter rechtspolitischer Handlungsbedarf besteht. Das gilt auch für die Rechtsanwaltskammern. Mit ihrem Beharren auf der Doppelberufstheorie tragen sie die Hauptverantwortung für die bis heute in der Praxis ihrer Entscheidungen erfolgende Diskriminierung derjenigen Kammermitglieder, die anwaltlich in Verbänden und Unternehmen tätig sind. Einen rechtspolitischen Vorschlag zur Abkehr vom bisherigen Kurs haben die Rechtsanwaltskammern jedoch bisher nicht gemacht. Die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) als ihre Spitzenorganisation, welche sich auch mit dem Etikett starke Interessenvertretung 1 schmückt, kann entsprechende Taten nicht vorweisen. Immerhin aktiv geworden ist die freie Organisation der Anwaltschaft, der Deutsche Anwaltverein (DAV). Allerdings kommt er im Jahre 2012 mit weitgehend dem gleichen Vorschlag, mit dem er schon Anfang der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts im Deutschen Bundestag gescheitert ist. Danach sollen alle bisherigen speziell für Syndikusanwälte geltenden Beschränkungen wie zum Beispiel das Auftrittsrecht vor Gerichten in 46 Abs. 1 BRAO aufrechterhalten bleiben. In manifestem Widerspruch zu dieser Diskriminierung soll jedoch in einem neuen Absatz 4 des 46 BRAO einfach klargestellt werden, dass der Syndikusanwalt ein ganz normaler Rechtsanwalt sei. 2 Mit simpler Sprachkosmetik unter Beibehaltung von Restriktionen, welche zudem wie die allein dem Konkurrenzschutz der niedergelassenen Rechtsanwaltschaft dienende Bestimmung des 46 Abs. 1 BRAO noch verfassungswidrig sind, kann man aber nicht überzeugend für eine Gleichstellung beider Varianten des Anwaltsberufs plädieren. Sie setzt schließlich einen weitgehenden Abbau der bestehenden freiheitsbeschränkenden Sonderregelungen zu Lasten der Syndikusanwälte voraus, soweit sie politisch und verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen sind. Angesichts der Schwierigkeiten der Anwaltschaft, einen fundierten rechtspolitischen Vorschlag zur Lösung der Syndikusproblematik zu unterbreiten, muss es nicht verwundern, wenn auch aus der Politik keine Impulse in dieser Richtung zu erwarten sind. Sie verhält sich konsequent so, wie sie es im Regelfall im anwaltlichen Berufsrecht getan hat: Abwarten bis man durch Gerichtsentscheidungen zum Handeln gezwungen wird. So hat auch die derzeitige Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sich dahin geäußert, dass aktuell nicht mit einer rechtspolitischen Initiative zum Syndikusanwalt zu rechnen sei und man erst am Anfang der Diskussion stehe. 3 Ihr von Thomas Dehler entlehnter Leitspruch Recht ist, was der Freiheit dient wird daher auch im Hinblick auf die Syndikusanwaltsproblematik im Berufsrecht weiterhin eine Leerformel bleiben. II. Abschied von der Doppelberufstheorie Ein Durchbruch bei der Anerkennung des Syndikusanwalts kann nur dann erreicht werden, wenn sich die Kammerpraxis, die berufsrechtliche Judikatur und die Satzungsversammlung der BRAK von der tatsächlich wie rechtlich unhaltbaren Doppelberufstheorie verabschiedet Inhalt Nach dieser Theorie üben Syndikusanwälte den Rechtsanwaltsberuf nur in einer eigenen Praxis aus. Hingegen wird dies bei einer vergleichbaren Tätigkeit für einen nichtanwaltlichen Arbeitgeber oder Verband verneint, weil es vor allem an der Unabhängigkeit fehle. Untersucht wird folglich bei der Rechtsanwaltszulassung am Maßstab der 7 Nr. 8 und 14 Abs. 2 Nr. 8 BRAO allein, ob sie mit der (behaupteten) Funktion als niedergelassener Anwalt vereinbar ist. Die Syndikusanwälte erlangen die Zulassung als Rechtsanwalt 1 Vgl. nur die Website der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK). 2 Vgl. nur AnwBl 2012, 426. Der Vorschlag sieht vor, dass die Überschrift des 46 BRAO neu gefasst wird 46 Rechtsanwälte in ständigen Dienst- oder Beschäftigungsverhältnissen. Abs.1 soll wie folgt neu gefasst werden: (1) Der Rechtsanwalt, der seinen Beruf in einem ständigen Dienst- oder ähnlichen Beschäftigungsverhältnis ausübt, darf vor Gerichten für seinen Arbeitgeber nicht in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt tätig werden. Nach Abs. 3 soll folgender Abs. 4 eingefügt werden: (4) Wer in einem ständigen Dienst- oder ähnlichen Beschäftigungsverhältnis nach Abs. 1 steht, übt in ihm seinen anwaltlichen Beruf auch dann aus, wenn er Berater oder Vertreter seines Dienstherren ist oder wenn sein Dienstherr Rechtsanwalt ist. Den Thesen des Verfassers zum Syndikusanwalt (vgl. ausf. bereits Kleine-Cosack AnwBl 2011, 467ff.) folgt nunmehr auch Offermann-Burckart (AnwBl 2012, 778). Die Kritik an der DAV-Position, an der FAO-Diskriminierung oder der Verweis auf die Regelung des Syndikussteuerberaters wird immerhin wenn auch halbherzig, partiell inkonsequent und ohne wesentliche neue Erkenntnisse aufgegriffen. 3 Leutheusser-Schnarrenberger, AnwBl 2012, 581, Siehe nur dazu auch unten BGH AnwBl. 2011, 494 ff: Die Tätigkeit als Syndikus ist keine Tätigkeit als niedergelassener europäischer Rechtsanwalt im Sinne von 11Abs.1SatzNr.1EuRAGi.V.m. 2IEuRAG. (abl.kleine-cosack, AnwBl 2011, 467). Vom Syndikusanwalt zum Unternehmensjuristen dient das der Anwaltschaft?, Kleine-Cosack AnwBl 12 /

26 MN Anwaltsrecht somit nur auf einem Umweg. Sie müssen behaupten, neben der Tätigkeit im Anstellungsverhältnis auch noch als niedergelassener Rechtsanwalt zu arbeiten Kritik Diese Doppelberufstheorie ist tatsächlich wie rechtlich falsch. a) Problematik des Unabhängigkeitstopos Soweit sie zentral auf das Argument der angeblich fehlenden Unabhängigkeit der Syndikusanwälte gestützt wird, haben die intensiven Diskussionen der letzten hundert Jahre gezeigt, dass dieses Merkmal allein nicht tragfähig ist. Der Begriff der Unabhängigkeit ist viel zu unbestimmt und ihm kommt das sollte unstreitig seien vorrangige Bedeutung nur im Hinblick auf den Staat zu. 6 (aa) Rechtsanwälte wie Syndikusanwälte können schließlich in völlig vergleichbarem Umfang für sich Unabhängigkeit beanspruchen und sie sind gleichfalls diversen Abhängigkeiten ausgesetzt. Dies ist beim Syndikusanwalt im Hinblick auf das Anstellungsverhältnis bei dem Arbeitgeber und dessen Weisungsrecht der Fall. Abhängigkeiten vergleichbarer Art bestehen aber auch und erst recht beim niedergelassenen Rechtsanwalt im Hinblick auf den Mandanten, dessen Weisungsrecht sowie weit verbreitet und in jeder Hinsicht syndikusanwaltsähnlich bei Anstellungsverhältnissen in (nicht selten Groß-)Kanzleien von anwaltlichen Arbeitgebern. (bb) Wenn auch dem Unabhängigkeitstopos als Allzweckwaffe gegen den Syndikusanwalt eine klare Absage zu erteilen ist, so kann ihm eine partielle rechtliche Relevanz bei einzelnen konkreten Problemen des Status des Syndikusanwalts nicht abgesprochen werden. So bestehen keine Bedenken, wenn der EuGH 7 in der Entscheidung Akzo Nobel auch diesen Aspekt mit heranzog, um den Syndikusanwälten das legal privilege abzusprechen. 8 (cc) Entscheidend ist aber, dass allein wegen den partiellen Differenzen zwischen niedergelassenem Rechtsanwalt und Syndikusanwalt das Unabhängigkeitstopos nicht dazu ausreicht, um beim Syndikusanwalt pauschal das Vorliegen einer Rechtsanwaltstätigkeit für alle Rechtsgebiete zu verneinen. Schließlich überwiegen die Gemeinsamkeiten, soweit rechtsberatende und -vertretende Funktionen wahrgenommen werden. Gegenteiliges kann nur behaupten, wer jenseits der realen Wirklichkeit von einem verengten anwaltlichen Berufsbild ausgeht und die Abhängigkeiten der niedergelassenen Rechtsanwälte erst recht in Anstellungsverhältnissen leugnet. b) 46 BRAO Die Berufsbildtheorie mit der pauschalen Verneinung des Vorliegens einer anwaltsähnlichen Tätigkeit der Syndici kann auch nicht aus 46 BRAO hergeleitet werden. Insoweit sei nur verwiesen auf die Argumentation des SG Köln, 9 das zutreffend darauf aufmerksam macht, dass das Vertretungsverbot des Abs. 1 seiner Formulierung nach sogar voraussetzt, dass auch die Tätigkeit des Syndikusanwalts für seinen Arbeitgeber grundsätzlich eine solche anwaltlicher Natur ist. Gegen eine Auslegung des 46 BRAO hin zu einer den Begriff der anwaltlichen Tätigkeit begrenzenden Norm spricht neben dem Wortlaut auch die systematische Stellung der Bestimmung im dritten Teil der BRAO, welcher die Rechte und Pflichten des Rechtsanwaltes und die berufliche Zusammenarbeit der Rechtsanwälte regelt. Eine entsprechende berufsdefinierende Regelung hätte systematisch in den ersten Teil Der Rechtsanwalt, zumindest aber in den die Zulassung des Rechtsanwaltes regelnden zweiten Teil gehört. Schließlich führt auch die historische Auslegung der Norm, welche die Vorstellungen der an der Gesetzgebung beteiligten Personen berücksichtigt, zu keinem anderen Ergebnis. 10 c) Wirklichkeitsfremdheit Auch und erst recht spricht gegen die Doppelberufstheorie, dass sie auf Fiktionen beruht und schlicht die Wirklichkeit negiert. Schließlich üben Syndikusanwälte im Regelfall überhaupt keinen Doppelberuf aus. Sie werden nicht als niedergelassener Rechtsanwalt sondern nur für ihren Arbeitgeber in Vollzeit tätig, so dass ihnen schon die Zeit für eine Tätigkeit in eigener Praxis fehlen. Die Doppelberufstheorie beruht daher auf einer schlichten Mogelpackung: Der Bewerber muss entgegen dem angeblichen Lügenverbot 11 für Rechtsanwälte bei der Zulassung behaupten, sich als niedergelassener Rechtsanwalt in eigener Kanzlei zu betätigen. Das ist aber überwiegend nicht der Fall, da die meisten Syndici nur für den Arbeitgeber tätig werden. 12 III. Zulassungsregelung Die Anwaltschaft sollte dem Gesetzgeber Vorschläge für die Regelung des Syndikusanwalts machen unter Aufgabe der Doppelberufstheorie. 1. Inhalt Der Rechtswirklichkeit entsprechend sollte in den 4 ff. BRAO eine Regelung aufgenommen werden, nach der auch ein Antrag unmittelbar und ausschließlich nur auf Zulassung als Syndikusanwalt bei einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber gestellt werden. 13 Als Rechtsanwalt in Syndikusanwalts- 5 Vgl. zum Ganzen: Kleine-Cosack, BRAO, 6. Aufl. 2009, 7 Rn. 70 f. 6 So Kleine-Cosack, BRAO, 6. Aufl. 2009, 1 Rn. 11 ff. 7 EuGH, Urt. v. 14. September 2010 C-550/07 P, AnwBl 2010, Siehe ausführlich Kleine-Cosack, AnwBl 2011, 467, SG Köln, Urt. v , S 31 R 865/10, AnwBl 2012, 379 (Volltext AnwBl Online 2012, 124). 10 Das SG (ebenda) argumentiert: Der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Rechtsausschusses zum Entwurf des Gesetzes zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und der Patentanwälte, mit welchem 46 BRAO seine heutige Form erhielt, lässt sich auf Seite 49, BT-Drucksache 12/7656, entnehmen, dass der Rechtsausschuss seinerzeit den von Vertretern der Syndikusanwälte im Deutschen Anwaltverein vorgebrachten Vorschlag, durch eine Änderung des 46 BRAO dem Syndikusanwalt einzuräumen, dass er auch im Angestelltenverhältnis als Anwalt tätig werde, nicht aufgegriffen habe. Zwar spricht die vorgenannte Fundstelle dafür, dass die im Rechtsausschuss an der Beratung beteiligten Abgeordneten mehrheitlich die Auffassung vertreten haben, dass der Syndikusanwalt im Angestelltenverhältnis keine anwaltliche Tätigkeit ausübe. Diese Auffassung hat jedoch wie bereits ausgeführt in Wortlaut und Systematik des Gesetzes keinen Niederschlag gefunden. Im Übrigen ist nicht der Rechtsausschuss, sondern der Bundestag als Ganzes das zuständige Gesetzgebungsorgan und die Motive der Mitglieder des Rechtsausschusses sind nicht repräsentativ für die Motive der Gesamtheit der Bundestagsabgeordneten (zu den Grenzen der historischen Auslegungsmethode vgl. deshalb auch Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 1. Auflage 1960, S. 247 ff.). 11 Vgl. dazu Kleine-Cosack, BRAO (aao. Fn. 8) 43 a Rn.65 ff. m.w.n. 12 Siehe dazu Kleine-Cosack, AnwBl 2011, 467, Wären Syndikusanwälte ehrlich und couragiert, dann hätten sie längst versucht, durch einen auf die Anwaltstätigkeit beim nichtanwaltlichen Arbeitgeber beschränkten Antrag die Zulassung als Rechtsanwalt zu erlangen und im Ablehnungsfall gerichtlich zu erstreiten (vgl. Kleine-Cosack, BRAO, 6. Aufl. 2009, 7 Rn. 75). Das Bestehen eines Zulassungsanspruchs nur für die juristische Tätigkeit beim Arbeitgeber ergibt sich derzeit schließlich bereits aus der gebotenen verfassungskonformen Auslegung der BRAO am Maßstab der Art. 12, 3 GG angesichts der bisherigen Zulassungspraxis. Auch einem ehrlichen Bewerber, der offen einräumen würde, dass er nur für den anwaltlichen Arbeitgeber und nicht auch noch als niedergelassener Anwalt juristisch tätig werden will, könnte die Zulassung nicht versagt werden. 948 AnwBl 12 / 2012 Vom Syndikusanwalt zum Unternehmensjuristen dient das der Anwaltschaft?, Kleine-Cosack

27 MN Anwaltsrecht funktion kann demnach zugelassen werden, wer eine anwaltliche Tätigkeit rechtsberatender und rechtsvertretender Art (ausschließlich bzw. zumindest schwerpunktmäßig) ausübt. 2. Regelung im StBerG und Grundsatzentscheidung des BFH Anwaltschaft wie Gesetzgeber sollten sich ein Beispiel an den Steuerberatern nehmen. Hier haben die berufsständischen Organisationen den Gesetzgeber im Achten Gesetz zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes vom 8. April zu einer Änderung des StBerG veranlasst, welche letztlich die Anerkennung des Syndikussteuerberaters als eigenen Beruf impliziert. Mit der Neuregelung ist erstmals explizit eine Tätigkeit als Syndikussteuerberater erlaubt. Nach 58 IV Nr. 5 a StBerG gilt u.a., dass Steuerberater tätig sein dürfen, als Angestellte, wenn sie im Rahmen des Angestelltenverhältnisses Tätigkeiten im Sinne des 33 wahrnehmen... Die Steuerberaterkammern unterlagen dem Irrtum, auch bei Anwendung dieser Syndikusregelung müsse die anwaltliche Doppelberufstheorie Anwendung finden. Neben der Tätigkeit bei einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber habe der Bewerber auch in eigener Praxis tätig zu sein. Daher forderten sie von Bewerbern auch eine uneingeschränkte Freistellungserklärung. Der BFH 15 ist jedoch der Ansicht des Verfassers 16 in einer Grundsatzentscheidung gefolgt. Er entlarvt ganz nüchtern und mit offenen Augen für die Rechtswirklichkeit sowie den schlichten Gesetzestext samt Historie die Unhaltbarkeit des Versuchs der Übertragung der anwaltlichen Doppelberufstheorie auf das Steuerberatungsrecht. Eine nennenswerte steuerberatende Tätigkeit in eigener Praxis könne nicht verlangt werden; sie sei meist schon wegen der Vollzeittätigkeit für den Arbeitgeber gar nicht möglich. Daher sei es auch nicht zumutbar, eine uneingeschränkte Freistellungserklärung zu verlangen. Der BFH führt u.a. aus: Durch die Tätigkeit des Klägers als Angestellter der X-AG wird seine Pflicht zur unabhängigen und eigenverantwortlichen Berufsausübung ( 58 Satz 2 Nr. 5a Satz 2 StBerG) nicht beeinträchtigt. Das FG hat dieser Regelung zu Unrecht entnommen, dass ein Syndikus tatsächlich und rechtlich in der Lage sein muss, eine Tätigkeit als selbständiger Steuerberater nicht nur gelegentlich als Feierabend- Steuerberater auszuüben. Ein Angestellter ist typischerweise an feste Arbeitszeiten gebunden und wird seinem Arbeitgeber auch den Großteil seiner Arbeitskraft (bei Vollzeit zwischen 38 bis 40 Stunden pro Woche) zur Verfügung stellen müssen. Jegliche weitere Tätigkeit kann der Syndikus-Steuerberater daher nur außerhalb dieser zumindest dem Umfang nach feststehenden Arbeitszeiten ausüben, so dass er zwangsläufig nicht in gleichem Umfang selbständig als Steuerberater tätig sein kann wie ein hauptberuflicher Steuerberater. Aber auch ein hauptberuflicher Steuerberater ist nicht an Mindestarbeitszeiten gebunden und kann die Anzahl und den Umfang seiner Mandate frei bestimmen. Da nichts anderes für einen nebenberuflichen Steuerberater gelten kann, kann von einem Syndikus-Steuerberater auch nicht eine selbständige Steuerberatertätigkeit in nennenswertem Umfang gefordert werden. Er ist vielmehr berechtigt, den Umfang seiner selbständigen Steuerberatertätigkeit der ihm neben dem Angestelltenberuf verbleibenden Zeit anzupassen. Die Steuerberaterkammer war daher nicht berechtigt, vom Kläger die Vorlage einer umfassenden Freistellungsbescheinigung der X-AG zu verlangen. Die Ansicht des FG, der Gesetzgeber habe einen Feierabend-Steuerberater nicht gewollt, findet weder im Gesetzeswortlaut noch in der Gesetzesbegründung (BTDrucks 16/7077, Seite 33) einen Anhaltspunkt. Der Gesetzgeber hat vielmehr die Angestelltentätigkeit des Syndikus-Steuerberaters ohne irgendeine Vorgabe zu ihrem Umfang als mit dem Beruf des Steuerberaters vereinbar angesehen, weshalb sie sowohl haupt- als auch nebenberuflich ausgeübt werden kann (so auch Gehre/Koslowski, Steuerberatungsgesetz, 6. Aufl., 58 Rz 20, m.w.n.). Daher vermag der Senat nicht der Rechtsauffassung des FG zu folgen, die Pflicht zur unabhängigen und eigenverantwortlichen Berufsausübung sei beeinträchtigt, weil der Kläger Pflichtenkollisionen zwischen seinem Hauptberuf und der Steuerberatertätigkeit nicht eigenverantwortlich regeln könne, nicht stets für seine Mandanten erreichbar sei und auch nicht zur Wahrnehmung von Terminen seinen Arbeitsplatz bei der X-AG jederzeit verlassen dürfe. Im Übrigen gibt es vielfältige technische Möglichkeiten (z. B. , Handy etc.), derer sich auch ein Syndikus-Steuerberater an seinem Arbeitsplatz bei seinem Arbeitgeber bedienen und mittels derer er seine Erreichbarkeit für Mandanten sicherstellen kann... Dass allein eine sich aus der Angestelltentätigkeit ergebende zeitliche Beschränkung der selbständigen Steuerberatertätigkeit geeignet ist, die Pflicht des Steuerberaters zur unabhängigen und eigenverantwortlichen Berufsausübung ( 58 Satz 2 Nr. 5a Satz 2 StBerG) zu beeinträchtigen, ist nicht anzunehmen. 3. Bedeutung für das Anwaltsrecht Die zentralen Erwägungen des BFH gelten wie oben dargelegt uneingeschränkt auch für Rechtsanwälte. Die vom BFH nur am Rande und ergänzend betonte Unterschiedlichkeit der Berufsbilder von Rechtsanwalt und Steuerberater überzeugt schon in der Sache weitgehend nicht. Auch die Syndikusanwälte sind im Regelfall nur für den nichtanwaltlichen Arbeitgeber tätig, ohne dass sie noch in einer eigenen Kanzlei arbeiten. Die Frage der Unmöglichkeit der Ausübung einer Tätigkeit in eigener Kanzlei neben der Vollzeitaufgabe beim Arbeitgeber stellt sich bei beiden Varianten einer Syndikustätigkeit gleich. Zum anderen unterscheiden sich auch die freiberuflichen Tätigkeiten von Rechtsanwälten einschließlich der großen Zahl von Fachanwälten im Steuerrecht nicht nennenswert von der Steuerberatertätigkeit. Die Bundesministerin der Justiz hat in einem Interview 17 immerhin angedeutet, dass die Entscheidung des BFH zu den Syndikussteuerberatern vielleicht... auch Auswirkungen auf die Diskussionen zum anwaltlichen Berufsrecht haben könnte. Dieser Satz ist bei allem Respekt viel zu zögerlich. Schließlich bestätigt die Entscheidung des BFH nur das, was bei den Rechtsanwälten bereits praktiziert wird. Auch Syndikusanwälte sind außerhalb ihrer anwaltlichen Tätigkeit im Unternehmen allenfalls Feierabendanwälte, zumal kein Rechtsanwalt zur tatsächlichen Berufsausübung verpflichtet ist und noch weniger einer entsprechenden Aufsicht der Kammern unterliegt. Daher kann man von ihnen auch am Maßstab der Art. 12, 3 Abs. 1 GG ebenfalls keine uneingeschränkte Freistellungserklärung verlangen. Nur wollen 14 BGBl I 2008, BFH, AnwBl 2011, 955; dazu ausführlich Kleine-Cosack, DB 2011, Der Verfasser war Prozessbevollmächtigter des Klägers. 17 Vgl. Unternehmensjurist 2012, 42 ff. (Heft Nr. 1). Vom Syndikusanwalt zum Unternehmensjuristen dient das der Anwaltschaft?, Kleine-Cosack AnwBl 12 /

28 MN Anwaltsrecht Rechtsanwaltskammern und Anwaltsgerichtsbarkeit leider wohl auch noch das Ministerium die Rechtswirklichkeit nicht zur Kenntnis nehmen. IV. Berufsrechte und Pflichten Neben der Regelung der Zulassung unmittelbar und ausschließlich als Syndikusanwalt sind auch seine Pflichten und Rechte einer Regelung zuzuführen bei gleichzeitigem Abbau überflüssiger oder verfassungswidriger Diskriminierungen der Syndikusanwälte. 1. Norm Bestimmt werden sollte zum Beispiel in einer besonderen Bestimmung wie einem neuen 46 BRAO, dass die Syndikusanwälte den Berufspflichten der Rechtsanwälte unterliegen, soweit nicht angesichts der Tätigkeit für den Arbeitgeber Abweichungen geboten sind. Wenn in die BRAO eine besondere Regelung für Syndikusanwälte bei der Zulassung wie auch den Berufspflichten aufgenommen wird, dann stellt sich für den Gesetzgeber auch nicht die Frage, ob nicht die Anerkennung der Syndikusanwälte zu weitreichende Folgen hat. Sonst müsste zum Beispiel erst in der StPO gesondert geregelt werden, ob und in welchem Umfang dem Syndikusanwalt das Zeugnisverweigerungsrecht und Beschlagnahmeprivileg zuzubilligen sind. 2. Differenzierung Eine schematische Gleichstellung beider Anwaltsformen, wie sie im DAV-Vorschlag vorgesehen ist, verbietet sich angesichts der zumindest partiell zu recht auch vom EuGH im Fall Akzo Nobel betonter Unterschiede. 18 Schließlich bestehen unabhängig vom Unabhängigkeitsproblem beschränkt bedeutsame Unterschiede zwischen beiden Formen anwaltlicher Berufsausübung. Eine uneingeschränkte Anwendung verbietet sich auf Grund der vertraglichen Dauerbindung an den nicht dem Berufsrecht unterliegenden Arbeitgeber wie auch der Einordnung des Syndikus in seinen Betrieb. Zahlreiche Berufsregeln wie zum Beispiel zur Werbung, zur Vergütung etc. sind zudem irrelevant bei Arbeitgeberanwälten. Letztere sind darüber hinaus in vielen Ländern der EU und der Welt überhaupt nicht bekannt oder anerkannt. Auch ist zu vermeiden, dass bei einer schematischen Gleichbehandlung der bei niedergelassenen Rechtsanwälten bestehende freiberufliche Sonderstatus über die Gleichstellung der Syndikusanwälte noch mehr als ohnehin schon ausgehöhlt wird. Deren Berufsausübung für einen nichtanwaltlichen Arbeitgeber auf Grund eines Anstellungsvertrags weist nicht das Maß an Schutzbedürftigkeit auf, wie dies bei einem niedergelassenen Rechtsanwalt im Hinblick auf die Vertretung von verschiedenen Mandanten in Rechtsfällen unterschiedlichster Art oftmals besteht. Nicht selten vertrauen sie dem Anwalt wie zum Beispiel in Straf- und Familienrechtssachen höchstpersönliche, nur ihre engste Privatsphäre betreffende Umstände an. Das ist bei Unternehmensanwälten anders. Daher war und ist es vertretbar, dass EuG und EuGH den Syndikusanwälten im Verfahren Akzo/Nobel für Syndikusanwälte das Beschlagnahmeprivileg abgesprochen haben. 19 Der mühsame Kampf der deutschen Rechtsanwälte um die Rettung ihrer besonderen Stellung im Vergleich zu Wirtschaftsprüfern oder Steuerberatern bei der Geldwäscherichtlinie und die schon innerhalb der niedergelassenen Rechtsanwälte in der Rechtsprechung und Gesetzgebung zum Teil praktizierte partiell wieder beseitigte Differenzierung zwischen Strafverteidigern und sonstigen Rechtsanwälten 20 sollte alle Anhänger einer vollständigen Gleichstellung nachdenklich stimmen. Syndikusanwälte hätten hier von vornherein keine Aussicht auf Anwaltsprivilegien. Sie können ihnen nur in einzelnen Rechtsgebieten durch den Gesetzgeber in einer Spezialregelung zugesprochen werden. 3. Ersatzlose Abschaffung von Restriktionen Die Anerkennung des Syndikusanwalts als einer Variante des Rechtsanwaltsberufs setzt neben einer Zulassungsregelung weiter voraus, dass Restriktionen aufgehoben werden, welche politisch wie auch verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt werden können. a) 46 BRAO Dies gilt vor allem auch insoweit entgegen dem DAV-Vorschlag für die Diskriminierung der Syndikusanwälte in 46 BRAO. Die Beschränkung des Auftrittsrechts vor Gerichten ist verfassungswidrig, da sie in unverhältnismäßiger Weise die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit des Rechtsanwalts wie auch das Recht der Mandanten gem. Art. 2 Abs. 1 GG auf freie Anwaltswahl beschränkt. Sie ist zugleich europarechtswidrig wegen Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit, da sie nicht wie geboten durch zwingende Gemeinwohlgründe gerechtfertigt werden kann. Wenn man Syndikusanwälte als Rechtsanwälte zulässt, dann gibt es auch keinen Grund, ihnen das Recht abzusprechen, den Arbeitgeber entgegen 46 Abs. 1 BRAO vor Gericht zu vertreten. Mit einer solchen Argumentation unterliegen Kammern und Gerichte nur der Fixierung auf das tradierte Negativbild des Syndikusanwalts. 21 Verkannt wird zudem, dass 46 Abs. 1 BRAO legal umgangen werden kann, wenn ein Outsourcing vorgenommen wurde, sodass Auftraggeber und Vertretener personenverschieden wenn auch gesellschaftsrechtlich (ganz oder mehrheitlich) in gleicher Hand sind; dann kann ein Verstoß ohnehin nicht entdeckt werden. Das Bestehen von Berufsausübungsverboten würde sonst abhängen von zufälligen Gesellschaftsverhältnissen, welche für die eigentliche Berufsausübung auch nach den Grundsätzen der Optikerentscheidung des EuGH eindeutig unter Gemeinwohlaspekten sie betreffen nur die unabhängige Erbringung der Rechtsdienstleistung irrelevant sind. Letztlich handelt es sich bei 46 um eine allein verfassungswidrigen Konkurrenzschutzinteressen dienende Regelung, welche noch stark vom antiquierten Bild des schwerpunktmäßig forensisch tätigen Rechtsanwalts geprägt wird. b) Satzungsrecht Wenn die Anwaltschaft der Diskriminierung der Syndikusanwälte ein Ende bereiten will, dann muss auch die Satzungsversammlung ihre Hausaufgaben machen. So sollte vor allem in der FAO klargestellt werden, dass auch die Fallbearbeitung der Unternehmens- und Verbandsjuristen 18 Vgl. Kleine-Cosack, BRAO, (aao. Fn. 8), 7 Rn EuG, EWS 2007, 455; EuGH, Urt. v. 14. September 2010 C-550/07 P, AnwBl 2010, 796; nicht überzeugend Eichler/Peukert, AnwBl. 2002, 189; Roxin, NJW 1992, So BVerfG, AnwBl 2004, 309 = NJW 2004, 1305 Geldwäsche. 21 NichtüberzeugenddaherauchAGHHamm,Beschl.v ZU76/ AnwBl 12 / 2012 Vom Syndikusanwalt zum Unternehmensjuristen dient das der Anwaltschaft?, Kleine-Cosack

29 MN Anwaltsrecht einschließlich der Beschäftigen in den eigenen Organisationen wie den Kammern samt BRAK und den Vereinen wie dem DAV bei der Fachanwaltsverleihung uneingeschränkt zu berücksichtigen ist. Nach der bisher maßgeblichen Judikatur des BGH 22 soll eine weisungsfreie Fallbearbeitung als Rechtsanwalt im Sinne des 5 FAO bei einem Syndikusanwalt konform der auch hier grassierenden Doppelberufstheorie nur vorliegen, wenn er Fälle im Rahmen seiner selbständigen anwaltlichen Tätigkeit bearbeitet. 23 Es ist bedauerlich, dass die 5. Satzungsversammlung in ihrer 3. Sitzung am 13. November 2012 nicht die Kraft hatte, die Gleichbehandlung des Syndikusanwalts in 5 FAO sicherzustellen. c) EuRAG Auch im EuRAG empfiehlt sich nach der Entscheidung des BGH aus dem Jahre eine Klarstellung, dass selbstverständlich auch die Fallbearbeitung als Syndikus zur Anerkennung als europäischer Rechtsanwalt am Maßstab des 11 EuRAG ausreicht. Der BGH bemühte auch hier seine Doppelberufsbildtheorie, um die Erfüllung der Voraussetzungen für eine Zulassung zu verneinen. Eine Berufsausübung in Syndikusanwaltsfunktion genüge angesichts der fehlenden Unabhängigkeit im Sinne des 1, 3 BRAO nicht den Anforderungen des EuRAG. Der BGH verkannte jedoch nicht nur die Vorgaben des europäischen Rechts sondern auch hier das Gebot einer funktionalen Interpretation der Unabhängigkeitsbestimmungen der BRAO. 25 Würde man von den Zuwanderern völlig selbständiges Handeln fordern, wie dies der BGH auch unter Berufung auf seine fragwürdige Fachanwaltsjudikatur fordert, dann wären sie eine Gefahr für das rechtsuchende Publikum und drohte eine Massenproduktion von Haftungsfällen. d) Rechtdienstleistungsrecht Die Legalisierung des Status des Syndikusanwalts kann weiter nur dann überzeugend umgesetzt werden, wenn endlich auch mit der Diskriminierung dieser Anwälte und ihrer Arbeitgeber im Rechtsdienstleistungsrecht durch Kammern wie auch Verbänden Schluss gemacht wird. (aa) Auch hier hat der Virus der Doppelberufstheorie die Gerichte partiell rechts- und verfassungsblind gemacht. Mit Verve wird seit eh und je die syndikusanwaltsfeindliche Vertretertheorie 26 verfochten. Danach soll trotz Tätigwerden von Syndikusanwälten die externe Rechtsberatung der Unternehmen wie zum Beispiel Banken unzulässig sein, da die angestellten Rechtsanwälte bei ihrer Tätigkeit für den Arbeitgeber eben nicht anwaltlich tätig würden. Diese Ansicht ist bereits am Maßstab des Gebots einer teleologischen Auslegung nicht haltbar. Wenn nämlich angestellte Anwälte weisungsfrei Rechtsrat erteilen können, dann wird damit dem in 1 Abs. 1 Satz 2 RDG formulierten Gesetzesziel in vollem Umfang Rechnung getragen. Auch ist es am Maßstab der Art. 12, 3 Abs. 1 GG nicht zu rechtfertigen, in diesem Fall noch einen Erlaubnisvorbehalt anzunehmen. Die Diskriminierung der Syndikustätigkeit ist letztlich nur einem vordergründigen Konkurrenzschutzdenken verhaftet. (bb) Das Umdenken im Rechtsdienstleistungsrecht sollte allen Beteiligten deshalb umso leichter fallen, weil sie nur die Augen öffnen müssen: Die Verbotszäune sind bereits durchbrochen worden. Schließlich ist es Syndikusanwälten erlaubt, nicht nur bei ihrer Tätigkeit für den nichtanwaltlichen Arbeitgeber die Bezeichnung Rechtsanwalt zu benutzen. 27 Sie können ihre potemkinsche Privatkanzlei auch in den Räumen des Arbeitgebers einzurichten, ohne ein Praxisschild anbringen zu müssen. 28 Da lag es natürlich nahe, dass sie sich auch zu Rechtsanwaltsgesellschaften in Absprache mit den Unternehmen zusammenschließen. Diese Möglichkeit, auf die der Verfasser immer wieder hingewiesen hat, haben sich zwischenzeitlich viele Unternehmen, Steuerberatungs-, Wirtschaftsprüfer- oder Inkassogesellschaften zu Nutze gemacht, um auch zwecks Einhaltung des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG) uneingeschränkt rechtsanwaltlich tätig sein zu können. Wenn aber Syndikusanwälte beim Arbeitgeber rechtsanwaltlich tätig werden können, der Unterschied zum niedergelassenen Rechtsanwalt nur noch im Briefpapier sowie im äußeren Auftreten besteht, dann muss diesem Umstand auch rechtlich Bedeutung zukommen mit der Folge der Aufgabe der syndikusanwaltsfeindlichen Vertretertheorie. (cc) Geradezu absurd ist es in diesem Zusammenhang, den Rechtsanwälten in Steuerberatungs- oder Wirtschaftsprüfungsgesellschaften die erforderliche Unabhängigkeit abzusprechen. Schließlich werden die entsprechenden Berufe nach dem StBerG und der WPO in einer gesetzlich verbrieften Unabhängigkeit und Freiheit ausgeübt, welche sich in nichts vom Status der Rechtsanwälte unterscheiden. Es gibt hier am Maßstab des Art. 12 und des Art. 3 Abs. 1 GG nicht den geringsten Grund, sie anders zu behandeln als angestellte Rechtsanwälte in Rechtsanwaltsgesellschaften. 29 Man stelle sich nur den Fall vor, dass in einer Steuerberatungsgesellschaft die Gesellschafter und Geschäftsführer jeweils Steuerberater und Rechtsanwälte in einer Person sind. Es bedarf keiner ernsthaften verfassungsrechtlichen Prüfung, dass das Recht zur allgemeinen also über das Steuerrecht hinausgehenden anwaltlichen Tätigkeit am Maßstab des RDG nicht mit der Begründung versagt werden kann, dass es sich um ( nur ) um eine Steuerberatungsgesellschaft handele. V. Versorgungsrechtliche Problematik Die größte Bedrohung erwächst der Anwaltschaft und ihren Einrichtungen im Hinblick auf die ungeklärte Rechtslage beim Syndikus aber aus dem rigiden Kurs der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV) gegen eine Befreiung von der Versicherungspflicht. Er betrifft nicht nur die anwaltlichen Versorgungswerke sondern alle Anstellungsverhältnisse mit Freiberuflern wie zum Beispiel Steuerberater oder die Pharmabranche mit angestellten Ärzten und Apothekern BGH, AnwBl 2010, 64 = NJW 2010, : Danach muss der Syndikus im Hinblick auf die nach der FAO erforderlichen Fallzahlen wie jeder Rechtsanwalt einmal nachweisen, dass er die Fälle, die er für den Arbeitgeber bearbeitet hat, persönlich und weisungsfrei erledigt hat. Möglich ist dazu auch ein Nachweis durch Vorlage einer Bescheinigung des Arbeit- oder Auftraggebers, Der Arbeitoder Auftraggeber kann zwar auf die Fallliste des Rechtsanwalts Bezug nehmen, wenn er erkennen lässt, dass die mit Namen und Funktionsbezeichnung kenntlich zu machende Leitung der Arbeitseinheit, in der die Fälle bearbeitet worden sind, die Liste geprüft hat und dem Rechtsanwalt für alle oder bestimmte in der Liste aufgeführten Fälle eine persönliche Bearbeitung bescheinigen will. 23 Siehe Kleine-Cosack, AnwBl 2011, 467, BGH, AnwBl 2011, 494, siehe auch Kleine-Cosack, AnwBl 2011, Vgl. die Kritik bei Kleine-Cosack, AnwBl. 2011, Vgl. nur Kleine-Cosack, RDG,2.Aufl.2008,Anh.zu 5Rn.49ff., Zur Unterzeichnung vgl. OLG Nürnberg, AnwBl. 1994, Vgl. AnwG Hamm, AnwBl. 2000, 316; s.a. AnwG München, BRAK-Mitt. 2007, 269; Kleine-Cosack, BRAO, aao. (Fn. 8) 27 Rn. 6 m.w.n. 29 Vgl. auch Kleine-Cosack, Rechtsdienstleistungsgesetz, 2. Aufl. 2008, Anh. 1-5 Rn Vgl. nur die Judikatur zur Pharmabranche: HessLSG,. Urt. v. 29. Oktober 2009 L 8 KR 189/08; Urt. v L 8 KR 77/11 B ER; LSG Berlin-Brandenburg Urt. v L 3 R 142/09. Vom Syndikusanwalt zum Unternehmensjuristen dient das der Anwaltschaft?, Kleine-Cosack AnwBl 12 /

30 MN Anwaltsrecht 1. Freiberufsspezifische Tätigkeit Die Vorschrift des 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI enthält was sich aus ihrem Sinn und Zweck ergibt ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal der Ausübung einer berufsspezifischen Tätigkeit. 31 Die Befreiungsregelung ist nicht personen-, sondern tätigkeitsbezogen zu verstehen. 32 Dies lässt sich zum einen aus dem Wortlaut der Norm entnehmen. Er macht ( für die Beschäftigung ) deutlich, dass keine personenbezogene Einstufung erfolgen soll. Zum anderen ergibt sich dies auch aus dem Sinn und Zweck der Regelung. Es handelt sich um eine Koordinationsregelung, welche verhindern soll, dass für eine Tätigkeit Beiträge sowohl zur gesetzlichen Rentenversicherung als auch zur berufsständischen Altersvorsorge gezahlt werden. Dies setzt voraus, dass zwischen der Tätigkeit, für die Versicherungsbefreiung in Anspruch genommen werden soll, und dem Versorgungsschutz durch die berufsständische Versorgungseinrichtung ein innerer Zusammenhang besteht. Er ist gegeben, wenn sich eine bestimmte Tätigkeit des Mitglieds der Versorgungseinrichtung als berufsspezifisch darstellt. 33 Entscheidend ist daher, ob der Antragsteller im Rahmen seiner Tätigkeit in Unternehmen freiberufsspezifisch tätig wird Rechtsanwaltstätigkeit Für die Mitglieder eines Rechtsanwaltsversorgungswerkes besteht eine Befreiungsmöglichkeit daher nur, wenn sie eine den niedergelassenen Rechtsanwälten vergleichbare Tätigkeit ausüben. 35 Wann eine Tätigkeit anwaltlich im vorgenannten Sinne ist, ist gesetzlich nicht abschließend bestimmt. Normative Anhaltspunkte finden sich jedoch in der BRAO. 1 BRAO definiert den Rechtsanwalt als unabhängiges Organ der Rechtspflege. Der Rechtsanwalt übt gem. 2 Abs. 1 BRAO einen freien Beruf aus und ist gem. 3 Abs. 1 BRAO der unabhängige Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten. Hieraus lassen sich grob zwei konstituierende Elemente der anwaltlichen Tätigkeit ableiten: Zum einen handelt es sich um eine Tätigkeit, die mit Bezug auf das Recht ausgeübt wird, zum anderen handelt es sich um einen Beruf, der vgl. auch 46 BRAO auch von Unabhängigkeit und Freiheit geprägt wird Merkblatt der DRV Das für Befreiungsanträge maßgebliche Merkblatt der DRV 37 trägt zumindest im Grundsatz der tätigkeitsbezogen zu interpretierenden Norm des 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI bei Rechtsanwälten Rechnung. Danach ist so auch die Praxis der Sozialgerichtsbarkeit maßgeblich, ob der Anwalt tatsächlich kumulativ Rechtsberatung, Rechtsentscheidung, Rechtsgestaltung und Rechtsvermittlung betreibt Die Rechtsberatung 39 umfasst die unabhängige Analyse von betriebsrelevanten, konkreten Rechtsfragen, die selbstständige Herausarbeitung und Darstellung von Lösungswegen und Lösungsmöglichkeiten vor dem spezifischen betrieblichen Hintergrund und das unabhängige Bewerten der Lösungsmöglichkeiten. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn der Antragsteller mit der Betreuung konkreter Rechtsfälle betraut ist, als Ansprechpartner der Fachabteilungen im Verlauf der Fallbearbeitung tätig wird und in diesem Zusammenhang Einzelfallentscheidungen trifft, wenn er Grundsatzentscheidungen auf bestimmten Rechtsgebieten trifft und den Arbeitgeber bei der konkreten Umsetzung berät. 9 Das Gebiet der Rechtsgestaltung 40 erfasst im Wesentlichen das eigenständige Führen von Vertrags- und Einigungsverhandlungen. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn der Syndikus außergerichtliche Termine auf der Grundlage umfassender Vollmachten wahrnimmt und er ohne vorherige Rücksprache verbindliche Vereinbarungen treffen kann, er eigenverantwortlich Verhandlungen mit säumigen Kunden führen und über bestimmte Maßnahmen entscheiden kann und zwar im Regelfall unabhängig von Einzelweisungen. 9 Die Rechtsvermittlung 41 umfasst die mündliche Darstellung abstrakter Regelungskomplexe vor einem größeren Zuhörerkreis, bzw. deren schriftliche Aufarbeitung und Bekanntgabe sowie die Erläuterung von Entscheidungen im Einzelfall. 42 Dieser Anforderung wird Rechnung getragen, wenn es zum Beispiel zu den Aufgaben des Betroffenen gehört, einzelne Anfragen von anderen Fachabteilungen zu bearbeiten, wenn er vom Vorstand eines Unternehmens oder Verbands zur Beantwortung von Einzelfragen herangezogen wird und im Rahmen wirtschaftlich oder politisch relevanter Entscheidungen den Vorstand zu beraten hat. 9 Das Kriterium der Rechtsentscheidung 43 schließlich beinhaltet das nach außen wirksame Auftreten als Entscheidungsträger mit eigenständiger Entscheidungskompetenz. Da unternehmerische Entscheidungen heute häufig nicht mehr von Einzelpersonen getroffen werden, kann anerkanntermassen keine Unabhängigkeit von allen Weisungen gefordert werden. Maßgeblich ist vielmehr, dass eine wesentliche Teilhabe am innerbetrieblichen Entscheidungsprozess erkennbar ist. 44 Das ist zum Beispiel der Fall, wenn über die Ergreifung weiterer Maßnahmen im Rahmen der Zwangsvollstreckung gegenüber säumigen Schuldnern aufgrund der eigenständigen rechtlichen Analyse des Betroffenen entschieden wird. 31 Vgl. zum Ganzen Hess. LSG, Urt. v , L 8 KR 189/08 = AnwBl. 2010, 214. Vgl. auch SG Nürnberg, Urt. v S18 R 1358/ SG Köln, Urt. v S 36 R 1106/ Vgl. BSG, Urt. v , Az. B 5/4 RA 80/97 R; LSG NRW, Urt. v , Az. L 4 RA 12/03 und Urt. v , Az. L 3 RA 72/ Es reicht für eine Befreiung nicht aus, dass der Arbeitgeber dies nur bestätigt. Die DRV verlangt eine konkrete, tätigkeitsbezogene Stellen- und Funktionsbeschreibung (vgl. u.a. SG Aachen, Urt. v S 6 R 173/09). Bei jeder Änderung der Tätigkeit muss erneut eine Befreiung verlangt werden, andernfalls kann bei späteren Nachprüfungen eine rückwirkende Veranlagung erfolgen. Der Befreiung kommt nur insoweit Bedeutung zu, als die ausgeübte Tätigkeit mit der vom Befreiungsbescheid erfassten Funktion auch tatsächlich übereinstimmt. Der Wegfall der Voraussetzungen der Befreiung löst unmittelbar die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung aus, ohne dass es der Aufhebung des Befreiungsbescheides bedarf (Ebenso Langguth, DStR 2001, 1715). Das BSG (vgl. nur Urt. v B12 KR 11/00 R SGb 2001, 761; BSG v B 5/4 RA 80/97 R NZS 1999, 402).hat in mehreren Entscheidungen herausgearbeitet, dass die Versicherungspflicht kraft Gesetzes bei einer Beschäftigung eintritt, auf die sich eine wegen Zugehörigkeit zu einer berufsständischen Versorgung ausgesprochene Befreiung nicht erstreckt. 35 Hess. LSG AnwBl 2010, Vgl. SG Köln Urt. v S 31 R 865/10; siehe auch SG Köln Urt. v S / Stand Juni 2005, siehe zum Beispiel im Befreiungsantrag unter dazu auch Huff, NJW 2005, Heft 36 Editorial. 38 Die Tätigkeit in neuerdings in Unternehmen vermehrt eingerichteten Compliance- Abteilungen wird zwischenzeitlich als solche anwaltlicher Art von der DRV nach kontroversen behördeninternen Entscheidungen anerkannt. 39 Hess. LSG, Urt. v L 8 KR 189/08; SG Köln, Urt.v S 36 R 1106/ Hess. LSG, Urt. v L 8 KR 189/08; SG Köln, Urt.v S 36 R 1106/ Hess. LSG, Urt. v L 8 KR 189/08; SG Köln, Urt.v S 36 R 1106/ Vgl. Hess. LSG, Urt. v , Az. L 8 KR 189/ Hess. LSG, Urt. v L 8 KR 189/08; SG Köln Urt.v S 36 R 1106/ Vgl. Hess. LSG, Urt. v , Az. L 8 KR 189/ AnwBl 12 / 2012 Vom Syndikusanwalt zum Unternehmensjuristen dient das der Anwaltschaft?, Kleine-Cosack

31 MN Anwaltsrecht 4. Aktuelles Berufsbild Zur Beantwortung der Frage, ob eine anwaltstypische Tätigkeit ausgeübt wird oder ob die vier Kriterien der DRV erfüllt sind, ist was von manchen Sozialgerichten und erst recht der DRV in der letzten Zeit immer übersehen wird, dem Wandel des Berufsbilds des Rechtsanwalts Rechnung zu tragen. Nur so kann der Gefahr einer wirklichkeitsfremden Auslegung des 6 Abs. 1 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI unter Heranziehung der Merkblattkriterien begegnet werden. 45 a) Kriterien Zwar ist und bleibt der Rechtsanwaltsberuf maßgeblich dadurch gekennzeichnet, dass der Anwalt als Organ der Rechtspflege im Sinne des 1 BRAO rechtlich, also zumindest rechtsberatend tätig wird. Anhaltspunkte für Umfang und Intensität bietet hier das RDG. Dieses Gesetz statuiert schließlich faktisch einen Erlaubnisvorbehalt zugunsten der Rechtsanwälte. Es bestimmt u.a. in 2 Abs. 1 RDG: (1) Rechtsdienstleistung ist jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie nach der Verkehrsanschauung oder der erkennbaren Erwartung des Rechtsuchenden eine besondere rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert Es liegt nur dann noch eine Rechtsprüfung vor, wenn eine substantielle Rechtsanwendung mit einer umfassenden und vollwertigen Beratung der Rechtsuchenden auf mindestens einem Teilgebiet des Rechts erfolgt. 47 Dieser Maßstab ist auch bei 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI gerechtfertigt. Nicht hingegen kann gefordert werden externe persönliche Rechtsvertretung Dritter. Sie kann allenfalls mittelbar als Ziel einer Tätigkeit der Syndikusanwälte sein. In vielen vor allem größeren Sozietäten ist schließlich eine unmittelbare externe Vertretung oftmals zum Beispiel bei jungen Anwälten ohnehin nicht gegeben, da nur anderen Kollegen zugearbeitet wird. Eine forensische Tätigkeit ist zwar eindeutig anwaltstypisch, zumal sie nach den Prozessgesetzen den Rechtsanwälten weitgehend vorbehalten ist. Sie ist jedoch nicht prägend für das aktuelle Berufsbild, so dass sie auch bei Syndikusanwälten nicht zwingend gefordert werden kann, zumal sie nach der verfassungswidrigen Norm des 46 Abs. 1 BRAO daran gehindert werden. Auch niedergelassene Rechtsanwälte gehen heutzutage massenhaft nicht oder nur ganz selten zu Gericht. Der Schwerpunkt anwaltlicher Tätigkeit liegt eindeutig bei der Beratung. Gerichte werden nur angerufen, wenn es unvermeidlich ist. Nicht selten ist für eine unnötige Einschaltung der Gerichte die Unfähigkeit der Rechtsanwälte verantwortlich, welche nicht in der Lage sind, verständlich und einvernehmlich einen Rechtsstreit zu erledigen. Das Berufsbild des Rechtsanwalts ist zudem durch eine hohe Spezialisierung gekennzeichnet, so dass auch Syndikusanwälten bei Befreiungsanträgen dieser Umstand nicht entgegengehalten werden kann. Der früher vorherrschende Allgemeinanwalt entspricht seit langem nicht mehr der Wirklichkeit. Dies zeigt sich bereits an der hohen Zahl von mittlerweile rund verliehenen Fachanwaltstiteln. Viele Anwälte sind auf bestimmte Gebieten wie eben zum Beispiel das Familien- oder Strafrecht oder auch das Inkasso beschränkt. Das Berufsbild des niedergelassenen Rechtsanwalts ist heute auch nicht mehr gekennzeichnet durch ein selbständiges Tätigwerden in einer einzelnen Kanzlei. Schließlich wird der Anwaltsberuf heutzutage nur noch selten in einer Einzelpraxis ausgeübt wird. Zu einem großen Teil gehen Rechtsanwälte ihrem Beruf in örtlichen, überörtlichen, nicht selten weltweit agierenden Sozietäten unterschiedlichster Rechtsform von der Personengesellschaft der 705 ff. BGB, über die GmbH nach den 59 c ff. BRAO, oder auch einer Aktiengesellschaft nach. Das hat zugleich zur Folge, dass auch im großen Umfang Rechtsanwälte in Anstellungsverhältnissen tätig sind, welche sich in keinster Weise von denen der Syndikusanwälte in nichtanwaltlichen Unternehmen und Verbänden unterscheiden. b) Umsetzung der Berufsbildvorgabe Überzeugend wird dem Gebot der Auslegung des 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI am skizzierten aktuellen Berufsbild der Anwaltschaft das SG Köln 48 gerecht, wenn es u.a. ausführt: 9 Der Annahme einer spezifisch anwaltlichen Tätigkeit stehe nicht entgegen, dass ein Syndikus weit überwiegend auf dem Gebiet der Forderungsbeitreibung tätig sei. Im gesamten Bereich der Rechtsberatung sei eine zunehmende Spezialisierung zu beobachten, was nicht zuletzt an der immer weiter steigenden Anzahl an Fachanwälten zu erkennen ist. Dies sei der Tatsache geschuldet, dass das gesamte Rechtssystem an Komplexität gewinnt und in den verschiedenen Rechtsgebieten erhöhte Anforderungen an die Spezialisierung stellt. So sei es auch unter selbstständigen Rechtsanwälten nicht unüblich, den Tätigkeitsbereich der Kanzlei auf das Gebiet der Forderungsbeitreibung zu beschränken. 9 Der Einordnung als Rechtsanwaltstätigkeit widerspräche entgegen der Ansicht der DRV auch nicht die arbeitsvertragliche Bindung. Allein der Umstand, dass der Syndikus seine Arbeitskraft dem Unternehmen schulde, spreche nicht per se gegen eine anwaltliche Tätigkeit. Auch die anwaltliche Tätigkeit in einer Rechtsanwaltskanzlei könne sich maßgeblich auf die Bearbeitung verschiedener Fälle auf Grundlage eines einheitlichen Mandatsverhältnisses beschränken. 9 Schließlich könne eine Rechtsanwaltstätigkeit auch nicht mit dem Argument verneint werden, dass der Syndikusanwalt die wirtschaftlichen Interessen des Unternehmens zu beachten habe. Auch selbstständige Rechtsanwälte seien letztlich den Interessenlagen der von ihnen zu vertretenden Parteien unterworfen. 5. Syndikusanwaltsfeindlicher Kurswechsel Das Gebot einer tätigkeitsbezogenen Auslegung des 6 Abs. 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI unter Berücksichtigung des aktuellen Berufsbilds wird aber von der DRV und einigen Sozialgerichten sträflich missachtet, wenn sie neuerdings 45 Kritisch auch SG Düsseldorf, Urt. v S 52 R 230/09; unkritisch demgegenüber SG München, Urt. v S 30 R 148/11 und S 30 R 1451/10. Das SG Köln (Urt.v S 31 R 865/10, AnwBl 2012, 370, Volltext AnwBl Online 2012, 124) wiederum geht davon aus, dass die vier Kriterien nicht abschließend sind und durch besondere Umstände des Einzelfalls aufgehoben oder ergänzt werden. 46 Der bei dieser Bestimmung noch bestehende Streit über die enge oder weite Auslegung der Norm kann am Maßstab des SGB VI dahingestellt bleiben. Der BGH (GRUR 2011, 539, 541) hat die Frage noch nicht entschieden. Anhänger des alten RBerG wollen zwar vom alten Erlaubnisvorbehalt noch retten wollen, was zu retten ist (so z. B. Römermann, NJW 2011, 884 und 3061; Krenzler, RDG, 2010, 2 Rn. 15, 37; Johnigk, in: Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2010, 2 RDG Rn. 33; Römermann, in: Grunewald/Römermann, RDG, 2008, 2 Rn. 29; ders., NJW 2008, 1249, 1250 f.; so wohl auch Weth, in: Henssler/Prütting, BRAO, 3. Aufl. 2010, 2 RDG Rn, 39; kritisch bereits gegenüber derartigen Versuchen Kleine-Cosack, RDG, AT Rn. 17 ff.; 2 Rn. 3). Das ist aber am Maßstab der historischen, teleologischen wie auch verfassungsrechtlichen Auslegung aussichtslos. 47 Siehe auch BVerfGE 97, 12 = AnwBl 1998, 274 = NJW 1998, 3481 MasterPat ; BVerfG, AnwBl 2002, 425 = NJW 2002, 1190 [1191 f.] Inkasso I, BVerwG, NJW 2005, 1293 ff. Insolvenzberater. 48 SG Köln, Urt. v S 31 R 86/10; siehe auch SG Köln, Urt. v S /10. Vom Syndikusanwalt zum Unternehmensjuristen dient das der Anwaltschaft?, Kleine-Cosack AnwBl 12 /

32 MN Anwaltsrecht nicht mehr auf die Anwaltstypizität der Beschäftigung des Syndikusanwalts, sondern auf Statusaspekte unterschiedlichster Art wie die Erforderlichkeit eines Volljuristen oder vor allem die Doppelberufstheorie abstellen. a) Volljurist Selbst wenn die Erfüllung der vier Kriterien des Merkblatts vorliege, soll dies nach zum Teil von der DRV und einigen SG vertretener Ansicht nicht ausreichen. Die vier Kriterien würden noch keine sichere Abgrenzung der zur Befreiung verpflichtenden Tätigkeiten von anderen erlauben, die möglicherweise anwaltsähnlich verrichtet werden, die aber nicht dem herkömmlichen Bild einer Anwaltstätigkeit entsprechen. Deshalb seien so zum Beispiel das SG Münster 49 in der ablehnenden Entscheidung zum Antrag eines als Versicherungssachbearbeiter beschäftigten Volljuristen weitere Feststellungen erforderlich, um die in 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI gemeinte Anwaltstätigkeit von der Tätigkeit anderer Volljuristen mit Anwaltszulassung zu unterscheiden, die nur bei einem im Vergleich sehr ausgeweiteten Verständnis als Rechtsanwalt angesehen werden könnten. Die durch das Zweite Juristische Staatsexamen erlangte Befähigung zum Richteramt müsse objektiv unabdingbare Einstellungsvoraussetzung sein. 50 Nicht entscheidend sei dagegen, ob der Arbeitgeber für die fragliche Tätigkeit bevorzugt Juristen einstellt. Diese Argumentation vermag nicht zu überzeugen. Sie ist unvereinbar mit der unstreitig tätigkeitsbezogenen Auslegung des 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SB VI. Entscheidend kann danach allein sein, ob die Tätigkeit anwaltstypisch ist. Damit hat aber das Volljuristenargument nichts unmittelbar zu tun. DRV und SG Münster bleiben zudem die Antwort darauf schuldig, warum denn die vier Tätigkeitskriterien, die jahrelang ausgereicht haben, plötzlich nicht mehr ausreichen sollen. Andere Gerichte so zum Beispiel SG München 51 kritisieren dementsprechend zum Teil zu recht, dass der Vortrag der DRV, die Tätigkeit erfordere die Eigenschaft als Volljurist nicht, weder nachvollziehbar begründet noch dieses Kriterium ein anerkannter Ausschlussgrund für eine Befreiung sei. Unabhängig von diesen Einwendungen greift in der Praxis das Volljuristenargument meist ohnehin nicht. So hat zum Beispiel das SG München 52 entschieden, dass der dortige Kläger die Voraussetzungen erfülle, weil seine Tätigkeit hoch spezialisiert sei und neben Kenntnissen des deutschen Rechts und Erfahrung im Bereich des Berufshaftpflichtrechts auch die Fähigkeit erfordere, die Vorschriften anderer Rechtsordnungen zu integrieren. Mit diesen Aufgaben werde ein vernünftig handelnder Arbeitgeber weder Betriebswirte noch einfache Wirtschaftsjuristen betrauen. b) Doppelberufstheorie Weitaus problematischer als die Erfindung des Volljuristenkriteriums durch die DRV ist der Versuch der Aktivierung der Doppelberufstheorie auch im Sozialversicherungsrecht. Wenn sich diese Argumentation durchsetzt, wäre das völlige Ende der Versicherungsfreiheit in der DRV erreicht. 53 aa) Argumentation der DRV Als aktuelles Beispiel für die Heranziehung der Doppelberufstheorie in Befreiungsfällen sei nur eine Berufungsbegründung der DRV nach verlorener erster Instanz in einem Fall vor dem LSG Stuttgart 54 angeführt, in dem alle Merkblattkriterien erfüllt waren.... nach Änderung der Verwaltungspraxis der Beklagten seit 2005 (wird) nach wie vor in der Rechtsprechung die Doppelberufstheorie vertreten... Die Beklagte sieht sich in Ihrer Rechtsauffassung auch durch die aktuelle Rechtsprechung des EUGH, des BVerfG und des für Anwaltssachen zuständigen Senats des BGH bestätigt, wonach ein Syndikusanwalt in seiner Syndikustätigkeit nicht anwaltlich tätig wird. Ein Syndikusanwalt hat nach Überzeugung des EUGH keine einem externen Anwalt vergleichbare berufliche Unabhängigkeit, weil er eng an seinen Arbeitgeber gebunden und wirtschaftlich abhängig ist... Das BVerfG führt aus, die Syndikustätigkeit für ein Unternehmen entspreche nicht dem Berufsbild des Rechtsanwalts aus der Betrachtung der Allgemeinheit der Rechtssuchenden. Auch aus der Gesetzesbegründung zu 46 BRAO gehe hervor, dass eine Unvereinbarkeit des anwaltlichen Berufsbildes mit einem abhängigen Dienstverhältnis bestehe... Der BGH hat zum Tatbestandsmerkmal als Rechtsanwalt gehandelt in 5 Satz 1, 1. Halbsatz FAO ausdrücklich darauf hingewiesen, die Formulierung diene der Abgrenzung zu anderen Tätigkeiten, insbesondere zu solchen, die eine Rechtsanwalt für nichtanwaltliche Arbeitgeber ausübe, wobei den Hauptfall der Syndikusanwalt bilde... Mit dieser Argumentation macht sich die DRV das ganze syndikusfeindliche Sündenregister der Kammern samt BRAK und Satzungsversammlung zu eigen. Der hier mit den bekannten Argumenten vertretenen Doppelberufstheorie folgt auch bereits ein Teil der Sozialgerichte, der dem Syndikusanwalt kurzweg die Befreiungsmöglichkeit abspricht, weil er kein unabhängiger niedergelassener Anwalt mit eigenem Büro, externem Mandantenkontakt etc. sei. 55 bb) Fatale Konsequenz Folgt man dieser Argumentation der DRV, dann könnten Syndikusanwälte überhaupt nicht mehr befreit werden. Die Prüfung der seit 2005 maßgeblichen vier Kriterien anwaltstypischer Tätigkeit als Voraussetzung für eine Befreiung wäre bei Unternehmens- und Verbandsanwälten letztlich völlig überflüssig. Es wäre das Ende der bisherigen Befreiungspraxis mit weitreichenden Folgen für die Versorgungswerke. Sie käme nur noch bei Rechtsanwälten in Betracht, die für einen Arbeitgeber tätig werden, der selbst Rechtsanwalt ist. Zu Recht hält das SG Köln 56 der DRV vor: 49 So SG Münster, Urt. v S 14 R 175/ Vgl. auch LSG Hamburg, Urt. v, Az. L 3 RA 37/ SG München, Urt. v S 12 R 370/11=DStR 2012, 197. Das SG führt auch aus: Letztlich sei erwähnt, dass am vorliegenden Fall die mangelnde Nachvollziehbarkeit der Praxis der Beklagten besonders deutlich wird. Im Jahr 1997 wurde der Kläger in den ersten Jahren seiner Berufstätigkeit als ein im Bereich der allgemeinen Haftpflichtversicherung tätiger Underwriter von der Versicherungspflicht befreit. Ob der Kläger bei dieser Tätigkeit bereits Rechtsentscheidungskompetenz hatte ist fraglich, kann jedoch mangels Relevanz dahingestellt bleiben. 13 Jahre später wird ihm aufgrund seiner Erfahrung und Fachkenntnis eine gut dotierte und höchst verantwortungsvolle Position angeboten, in der er nicht nur weltweit Führungsaufgaben übernommen hat, sondern faktisch in Alleinentscheidungskompetenz Verträge mit Haftungssummen von mehreren Millionen Euro verhandelt und abschließt. Aufgrund des Arbeitgeberwechsels wurden nun von der Beklagten, ohne auf die klägerischen Argument und Fakten (bspw. das Vorliegen einer Handlungsvollmacht nach 54 HGB) im Einzelnen einzugehen, die Kriterien der Rechtsentscheidung und Rechtsgestaltung angezweifelt und eine Erstreckung der Befreiung abgelehnt. 52 Ebenda. 53 Vgl. auch Huff, Unternehmensjurist 4/2012, LSG Stuttgart, L 4 R 1047/12; SS. der DRV v So argumentiert zum Beispiel das SG Münster, Urt. v. Urt. v S 14 R 175/11.: Der Kläger arbeitet aber weder in anwaltsgleicher Unabhängigkeit, noch ist er nach außen ausreichend als Rechtsanwalt erkennbar. Vielmehr ist er an seinem Arbeitsplatz für seinen Arbeitgeber tätig, damit ggfs. mittelbar für dessen Versicherungsnehmer, nicht aber für Mandanten im Rahmen eines Mandantschaftsverhältnisses. Die für Anwälte typische Unabhängigkeit besteht bei ihm gerade nicht. Anders als ein angestellter Anwalt ist er von Weisungen ggfs. verfeinert zu den von ihm eingeräumten Zustimmungsvorbehalten aus seinem Betrieb und dessen Hierarchie abhängig, während ein angestellter Rechtsanwalt allenfalls einen anderen Anwalt einen nicht abhängig beschäftigten Sozius als Arbeitgeber und Weisungsgeber haben könnte. Vgl. auch SG Stade, Urteil vom , Az. S 27 RA 186/03; SG Karlsruhe, Urt. v S 12 R 1550, 10; SG Mannheim, Urt. v S 11 R 1277/ SG Köln, Urt. v S 31 R 865/10; siehe auch SG Köln, Urt. v S /10; SG München, Urt. vom S 12 R 2181/11 und vom S12 R 2261/ AnwBl 12 / 2012 Vom Syndikusanwalt zum Unternehmensjuristen dient das der Anwaltschaft?, Kleine-Cosack

33 MN Anwaltsrecht Entscheidend wird bei konsequenter Befolgung des vorgenannten Auffassung die standesrechtliche Bindung des Arbeitgebers, die zu beurteilende Tätigkeit des Beschäftigten selbst rückt demgegenüber in den Hintergrund und vermag eine Befreiungsmöglichkeit selbst dann nicht mehr zu begründen, wenn die Tätigkeit des Beschäftigten selbst vollständig derjenigen eines bei einer Rechtsanwaltssozietät beschäftigten Rechtsanwaltes entspricht. cc) Kritik Der neuerdings praktizierte Rekurs auf die Doppelberufstheorie zur Ablehnung von Befreiungsanträgen ist aus mehreren Gründen zurückzuweisen.. (1) Die den Syndikusanwälten abgesprochene Unabhängigkeit ist schließlich schon grundsätzlich untauglich, um sie berufsrechtlich pauschal zu diskriminieren. Die DRV negiert bereits die oben skizzierten Einwendungen tatsächlicher wie rechtlicher Art gegen die Annahme von zwei Berufen. Nachdem der Gesetzgeber im StBerG zudem ausdrücklich die Tätigkeit als Syndikussteuerberater anerkannt und der BFH die tatsächliche Beschränkung der steuerberatenden Tätigkeit auf eine solche im Anstellungsverhältnis bei einem Unternehmen oder Verband als gesetzeskonform bestätigt hat, kann die DRV bei dieser Berufsgruppe erst recht nicht mehr mit dem Argument der Doppelberufstheorie kommen. Mit der höchstrichterlichen Anerkennung des Feierabendsteuerberaters ist es aber auch bei den Syndikusanwälten völlig verfehlt, noch von der Ausübung von zwei Berufen auszugehen. (2) Die DRV verkennt bei dem Rekurs auf die Doppelberufstheorie auch das Gebot der funktionalen Interpretation von Normen, wenn sie unkritisch auf das Sozialrecht berufsrechtsspezifische Argumente überträgt. Die Befreiungsmöglichkeit nach 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI ist schließlich unstreitig nach ständiger Rechtsprechung wie auch Praxis der DRV tätigkeitsbezogen. Nicht die Rahmenbedingungen, also ob zum Beispiel ein Anstellungsverhältnis mit einer Rechtsanwaltskanzlei oder einem Unternehmen oder Verband besteht, sind bei der tätigkeitsbezogenen Norm des 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI maßgeblich. Für die konkrete Tätigkeit ist das topos der Unabhängigkeit im Wesentlichen irrelevant. So führt das SG Köln 57 unter ergänzendem Hinweis auf die vorrangige Bedeutung des Unabhängigkeitspostulats im Hinblick auf den Staat zutreffend aus: Ein solches Absehen von den Inhalten und Rahmenbedingungen der Tätigkeit im Einzelfall entspricht jedoch nicht der in 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI getroffenen Regelung, die gerade auf die Beschäftigung und Tätigkeit der zu befreienden Person abstellt. Auch erschließt sich nicht, weshalb das mit einer Beschäftigung notwendig verbundene Über-Unterordnungsverhältnis bei einem standesrechtlich nicht gebundenen Arbeitgeber einer anwaltlichen Tätigkeit immer entgegenstehen soll, bei einem Arbeitgeber, der selbst Rechtsanwalt ist, jedoch nie. Es darf in diesem Zusammenhang nicht außer Acht gelassen werden, dass die Unabhängigkeit in 1 BRAO historisch gesehen in erster Linie eine Unabhängigkeit vom Staat darstellt, die Weisungsbefugnis eines privaten Arbeitgebers also der Unabhängigkeit im vorgenannten Sinne nicht per se entgegenstehen kann, zumal auch der freie Rechtsanwalt von seinem Mandanten Weisungen erhält. Auch die Berufung der DRV auf die Akzo-Nobel-Entscheidung des EUGH ist verfehlt. Das SG Köln 58 führt zutreffend aus: Ein genereller Ausschluss von Syndikusanwälten von der Befreiungsmöglichkeit gem. 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI kann schließlich nicht aus der von der Beklagten zitierten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom , Az. C-550/07 P (Akzo Nobel), abgeleitet werden. In diesem Verfahren hatte der EuGH über die Reichweite von Beweiserhebungsverboten in Kartellverfahren der Europäischen Kommission zu entscheiden. Die Entscheidung erging weder in Anwendung der hier streitentscheidenden Normen noch hat der EuGH die Aussage getroffen, dass Syndikusanwälten in jeder Hinsicht eine Anwaltseigenschaft oder die mit dem Rechtsanwaltsberuf verbundenen besonderen Rechte und Pflichten abzusprechen seien. VI. Resümee Der deutschen Anwaltschaft sollte klar sein, dass eine Fortdauer des von ihr an den Tag gelegten berufspolitischen Phlegmas beim Thema der Syndikusanwälte nicht mehr zu verantworten ist. Wenn sie weiterhin vor allem der DRV und den Sozialgerichten Argumente gegen die Anerkennung der Anwaltstätigkeit der Syndikusanwälte liefert, dann muss man sich über die Folgen dieser Uneinsichtigkeit nicht wundern. Unverzichtbar ist ein grundsätzliches Umdenken bei der Bewertung der Tätigkeit angestellter Anwälte. Dem nach wie vor dominierenden kurzsichtigen Konkurrenzschutzdenken ist eine Absage zu erteilen, zumal die sich abzeichnenden Entwicklungen wie zum Beispiel im Rechtsdienstleistungsrecht ohnehin nicht aufzuhalten sind. Mit dem freimütigen Eingeständnis der berufspolitischen Unfähigkeit seitens der BRAK wie auch der Vorlage eines nicht ausreichenden und damit inkonsequenten Vorschlags seitens des DAV kann der Syndikusanwalt für die Anwaltschaft nicht gerettet werden. Wer sich kampflos in die Hände der (Sozial-)Gerichte begibt und wie die Rechtsanwaltskammern durch die tägliche Entscheidungspraxis gegen die Interessen der Anwaltschaft sprechende zudem noch wenig überzeugende Argumente liefert, der muss sich über das böse Ende nicht wundern. Die Unternehmensjuristen haben erste Schritte eingeleitet, sich als eigenständiger juristischer Beruf zu etablieren mit der Gründung eines Verbands (samt hauseigener Zeitschrift). Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass es zu einer vergleichbaren dramatischen Entwicklung wie bei dem Exodus der Steuerberater aus der Anwaltschaft kommen wird. Wenn zudem die Tür der Versorgungswerke den Syndikusanwälten verschlossen wird, besteht für sie vom Titel des Rechtsanwalts abgesehen kein relevantes Motiv, noch eine Zulassung bei einer Kammer und noch weniger eine Mitgliedschaft in einem Verein zu beantragen. Die Folge wird sein, dass die Beiträge der in den Rechtsanwaltkskammern verbliebenen Anwälte steigen, die Einnahmen des DAV aus Mitgliedsbeiträgen sinken und der Fortbestand der Versorgungswerke in Frage gestellt wird. Dr.Kleine-Cosack,Freiburgi.Br. i. Der Autor ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht. Sie erreichen den Autor unter der -Adresse autor@anwaltsblatt.de. 57 SG Köln, Urt. v S 31 R 86/10; siehe auch SG Köln, Urt. v S / SG Köln, Urt. v S 31 R 86/10; siehe auch SG Köln, Urt. v S /10. Vom Syndikusanwalt zum Unternehmensjuristen dient das der Anwaltschaft?, Kleine-Cosack AnwBl 12 /

34 MN Aufsätze Anwaltsrecht Der Syndikusanwalt, das Postulationsrecht und der EuGH EuGH definiert für das europäische Gerichtsverfahren den Anwalt autonom Rechtsanwalt Thomas Marx, Berlin Vor dem Europäischen Gerichtshof gilt Anwaltszwang. Was macht aber den Anwalt aus? Für den EuGH ist die in der EuGH-Satzung vorgeschriebene Postulationsfähigkeit vor den mitgliedstaatlichen Gerichten nur die Mindestvoraussetzung. Wichtigstes Kriterium: Die Unabhängigkeit des Anwalts. Ein Syndikusanwalt kann deshalb seinen Arbeitgeber nicht vertreten. Das hat der EuGH jetzt ausdrücklich für die EU-Instanzen entschieden (EuGH, AnwBl 2012, 1003, in diesem Heft). Nicht entschieden hat er, ob ein Syndikusanwalt seinen Arbeitgeber in einem Mitgliedstaat von der ersten bis zur letzten Instanz vertreten darf. Das ist allein eine Frage des nationalen Rechts. Was macht im Sinne des europäischen Rechts den Rechtsanwalt aus? Nach der Akzo Nobel-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs im Rahmen eines Kartellverfahrens gibt es nun eine weitere Entscheidung. Zur Erinnerung: In der Akzo Nobel-Entscheidung war dem Syndikusanwalt das legal privilege, also das Beschlagnahmeverbot seiner Akten, abgesprochen worden (EuGH, AnwBl 2012, 796 mit Besprechung Mann/Leisinger, AnwBl 2012, 776). Diesmal ging es um die Frage, ob ein Syndikusanwalt für seinen Arbeitgeber einen Klageantrag einreichen darf. Der EuGH hat in den verbundenen Rechtssachen C-422/11 P und C-423/11 P die Unabhängigkeit des Anwalts problematisiert. Die Sache betraf ein Rechtsmittelverfahren des Präsidenten des polnischen Amtes für elektronische Kommunikation (Prezes Urzêdu Komunikacji Elektronicznej, kurz PUKE). Vorausgegangen war eine Entscheidung der EU-Kommission, gegen die das polnische Telekommunikationsamt vor dem erstinstanzlichen Gericht der EU Nichtigkeitsklage erhoben hatte. Das Gericht wies den Klageantrag im Mai 2011 als unzulässig ab. Begründung: Das Amt habe sich nicht anwaltlich vertreten lassen, so wie es 19 Abs. 3 der EuGH-Satzung vorschreibe. Das polnische Amt wandte sich gegen die Klageabweisung, worüber nun der EuGH in letzter Instanz am 6. September 2012 entschieden hat. Der EuGH folgte dem Gericht. Es habe die Klage zu Recht abgewiesen, da die beiden Rechtsberaterinnen des Telekommunikationsamtes, die die Klage eingereicht hatten, keine Anwältinnen im Sinne der EuGH-Satzung seien. Denn die Satzung fuße auf der Vorstellung des Anwalts als Organ der Rechtspflege, das in völliger Unabhängigkeit und im höheren Interesse der Rechtspflege die rechtliche Unterstützung zu gewähren hat, die der Mandant benötigt. Das Gegenargument des polnischen Telekommunikationsamtes war die Gleichstellung der angestellten Rechtsberater gegenüber den extern niedergelassenen Anwälten. In Polen dürfen die Rechtsberater ihre Arbeitgeber vor Gericht vertreten. Der Beruf des Rechtsberaters verfügt über ein eigenes Berufsrecht und eigene Ethikregeln. Das soll sicherstellen, dass Rechtsberater auch im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses völlig unabhängig arbeiten können. Den EuGH hat das nicht überzeugt: Wie er in der Akzo Nobel-Entscheidung ausgeführt habe, werde die anwaltliche Unabhängigkeit nämlich nicht nur positiv definiert, das heißt unter Bezugnahme auf die berufsständischen Pflichten, sondern auch negativ, das heißt durch das Fehlen eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen Anwalt und Mandant. Bewertung Ist das kein Eingriff in die Kompetenzen der Mitgliedstaaten, wie die Rechtsmittelführer erklärten? Schließlich sind die Mitgliedstaaten dafür zuständig, zu bestimmen, ob eine Person ein Anwalt ist. Nein, sagt der EuGH. Denn Verfahrensgegenstand sei nicht die Organisation des Anwaltsberufs in einem Mitgliedstaat, sondern die Parteivertretung vor den Unionsgerichten. Die Auslegung des Anwaltsbegriffs im Sinne der EuGH-Satzung wirke sich nicht auf die Vertretung der Parteien vor den Gerichten eines Mitgliedstaats aus. Aus Deutschland hätte ein Fall in dieser Konstellation nicht zum EuGH gelangen können. Schon deshalb nicht, weil Syndikusanwälte nach deutschem Berufsrecht vor den innerstaatlichen Gerichten nicht als Anwälte für ihren Arbeitgeber auftreten dürfen. Hinzu kommt: Als Beamter einer Behörde oder als Angestellter im öffentlichen Dienst wäre auf jeden Fall die Berufsausübung nicht zulässig (vgl. 47 BRAO). Für die Syndikusanwälte in Mitgliedstaaten, die sich von den extern Niedergelassenen durch eine eigene Berufsordnung emanzipiert haben (wie in Belgien und jetzt in Frankreich geplant), ist die Entscheidung ernüchternd. Denn es ist für die Luxemburger Richter jedenfalls nicht ersichtlich [...], dass die materiellen und formellen Mittel, auf die sich die Rechtsmittelführer berufen, die Unabhängigkeit des Anwalts in gleichem Maße gewährleisten können wie das Fehlen jedes Beschäftigungsverhältnisses zwischen dem Anwalt und seinem Mandanten. Die in Art. 19 Abs. 3 EuGH-Satzung geforderte Postulationsfähigkeit vor den nationalen Gerichten sei eine Mindestvoraussetzung. Das Vorliegen der Voraussetzung bedeute aber nicht im Umkehrschluss, dass damit auch automatisch Postulationsfähigkeit vor den Unionsgerichten gegeben sei. Der EuGH legt diese Frage autonom, unabhängig von den nationalen Rechtslagen aus. Fazit: Der EuGH nimmt zumindest den Syndikusanwälten nach deutschem Recht mit dieser Entscheidung nichts. Das Urteil steht auch nicht im Widerspruch zu der DAV-Gesetzgebungsinitiative zur Reform des 46 BRAO (siehe DAV- Stellungnahme Nr. 42/2012 und Rethorn, AnwBl 2012, 426). Man könnte die Entscheidung sogar so interpretieren, dass der EuGH die Mitgliedstaaten ermuntert, die Rechtsstellung der Syndikusanwälte klarer zu fassen. Wobei man sich die Unterstützung aus Luxemburg durchaus noch ein bisschen positiver hätte vorstellen können. Thomas Marx, Berlin Der Autor ist Rechtsanwalt und Geschäftsführer des Deutschen Anwaltvereins. Sie erreichen den Autor unter der -Adresse autor@anwaltsblatt.de. 956 AnwBl 12 / 2012 Der Syndikusanwalt, das Postulationsrecht und der EuGH, Marx

35 MN Aufsätze Soldan Institut Überwiegend Akzeptanz in der Anwaltschaft für eine PartG mbb Zuspruch für Beschränkung der Berufshaftung Kritik von Einzelanwälten in Umfrage Rechtsanwalt Dr. Matthias Kilian, Köln Das Gesetzgebungsvorhaben zur Einführung einer Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung (PartG mbb) beobachten viele Sozietäten aufmerksam. Am 7. November 2012 gab es eine Anhörung im Bundestag. Doch wie denken die Anwälte über die geplante neue Rechtsformvariante, bei der sie sich bei einer erhöhten Pflichtversicherung eine umfassende Beschränkung der Gesellschafterhaftung für Berufsausübungsfehler verschaffen können? Ebenso wenig ist geklärt, ob überhaupt ein nennenswertes Interesse der Freiberufler an der Nutzung der PartG mbb besteht. Der Autor stellt die Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage des Soldan Instituts vor. Das Ergebnis: Die befragten Anwälte befürworten überwiegend das Konzept der PartG mbb. Kritik kommt aber von Einzelanwälten. Der Beitrag schließt an den Beitrag von Kilian Risikomanagement durch Rechtsformwahl: Die Partnerschaftsgesellschaft im November-Heft (AnwBl 2012, 895) an. Ein weiterer Artikel im Januar-Heft 2013 wird sich mit dem Interesse der Anwaltschaft an einer Nutzung der PartGmbB in der aktuell vorgeschlagenen gesetzlichen Ausgestaltung befassen. I. Die klassische PartG im Wettbewerb mit der LLP Die Partnerschaftsgesellschaft sieht, obschon als Pendant der ohg für die freien Berufe konzipiert, im Vergleich zu den für Handelsgesellschaften und damit für Kaufleute geltenden Regeln bereits de lege lata eine günstigere Haftungsverfassung vor: Neben der Gesellschaft haften für Berufsausübungsfehler eines Gesellschafters nicht alle Mitgesellschafter akzessorisch zur Gesellschaft, sondern nach 8 Abs. 2 PartGG lediglich der oder die schadensverursachenden, weil mandatsbearbeitenden Gesellschafter. 1 An die Haftungsverfassung der in Deutschland populär gewordenen UK-Limited Liability Partnership (LLP) reicht dies freilich nicht heran, weil zum einen das Haftungsprivileg nicht für alle Verbindlichkeiten der Gesellschaft gilt, sondern nur für solche, die aus beruflichen Kunstfehlern resultieren (also etwa nicht für Verpflichtungen aus Arbeits-, Miet-, Kaufoder Leasingverträgen der Gesellschaft). 2 Zum anderen bleibt die Haftung der Gesellschafter, die sich einen Berufsausübungsfehler haben zu Schulden kommen lassen beziehungsweise an einem solchen mitgewirkt haben, grundsätzlich bestehen. Die LLP ist im Vergleich zur PartG attraktiver, weil sie nach englischem Rechtsverständnis strukturell einer juristischen Person entspricht und somit eine gesellschaftsrechtlich bewirkte Haftung der Gesellschafter ausscheidet. 3 Inwieweit stattdessen die im englischen Recht bekannte quasi-deliktische Haftung eines Mandatsbearbeiters nach international-privatrechtlichen Grundsätzen in Deutschland zur Haftung führt, ist Gegenstand lebhafter Kontroversen im deutschen rechtswissenschaftlichen Schrifttum. 4 Wie auch immer man sich in dieser Frage positionieren mag, aus berufspolitischer Sicht wird in der LLP die überlegene Rechtsform gesehen und damit in der PartG ein Ungunstfaktor für das deutsche Recht, den es zu beseitigen gilt. II. Der Vorschlag zur Schaffung einer PartG mit beschränkter Berufshaftung Nachdem sich wissenschaftliche Tagungen mit diesem Thema befasst hatten 5, der 68. Deutsche Juristentag den Gesetzgeber aufgefordert hatte, das Recht der Partnerschaftsgesellschaft zu reformieren und Deutscher Anwaltverein und Bundesrechtsanwaltskammer sich ebenfalls entsprechend positioniert hatten 6, legte die Bundesregierung schließlich im Mai 2012 den Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung vor. 7 Dieser befindet sich seit August 2012 im parlamentarischen Verfahren. 8 Vorgeschlagen wird, durch eine entsprechende Regelung in einem neuen Abs. 4 in 8 PartGG die Haftung für Berufsausübungsfehler auf das Vermögen der Partnerschaftsgesellschaft zu begrenzen, das heißt auf eine Gesellschafterhaftung für Berufsausübungsfehler gänzlich zu verzichten. Im Gegenzug dazu soll die Gesellschaft verpflichtet werden, eine Vermögensschadenshaftpflichtversicherung ( 8 Abs. 4 Nr. 1 PartGG-E) und einen Haftungszusatz im Namen zu führen ( 8 Abs. 4 Nr. 2 PartGG-E). Die Konkretisierung der Versicherungspflicht erfolgt auf der Ebene der Berufsgesetze der Freien Berufe, im Falle der Rechtsanwälte in einem neuen 51 a BRAO. Statuiert wird eine Verpflichtung zum Unterhalt eines risikoadäquaten Versicherungsschutzes ( 51 a Abs. 1 S. 1 BRAO-E), mindestens aber in Höhe von 2,5 Millionen Euro für jeden Versicherungsfall ( 51 a Abs. 2 S. 1 BRAO). Dies entspricht der Versicherungspflicht für Anwaltskapitalgesellschaften aus 59 j BRAO auch mit dem Erfordernis, dass die Jahreshöchstleistung des Versicherers nur auf die Summe begrenzt werden kann, die dem sich aus der Zahl der Partner der Gesellschaft ergebenden Vielfachen der Mindestversicherungssumme entspricht. 9 Durch die Einführung einer solchen Haftungsbeschränkungsmöglichkeit würde die Parallelität zur LLP hinsichtlich zivil- und handelsrechtlicher 1 ZuProblemenderHaftungskonzentrationnach 8Abs.2PartGGjüngstHahn/ Naumann, WM 2012, Vgl. etwa Henssler/Prütting-Henssler, BRAO, 3. Aufl. 2010, 8 Rn. 19 (am Beispiel des Rechtsanwalts); Prütting-Kilian, Medizinrecht, 2. Aufl. 2012, 8 Rn. 13 (am Beispiel des Arztes). 3 Näher Henssler/Streck-Kilian, Handbuch Sozietätsrecht, 2. Aufl. 2011, Rn. G 107 ff. 4 Vgl. Henssler/Streck-Kilian, aao (Fn. 3), Rn. G 112 ff. 5 Vgl. Hamacher, AnwBl 2011/2, S. VII, zur Tagung des Instituts für Anwaltsrecht an der Universität zu Köln; Lührig, AnwBl 2011/1, S. VIII, zur Tagung des Instituts für Anwaltsrecht der Humboldt Universität Berlin. 6 Das Präsidium des DAV hatte sich im Sommer 2010 für entsprechende Änderungen des PartGG ausgesprochen, Ewer, AnwBl 2010, 857 sowie Hellwig, NJW2011, 1557; ders., AnwBl 2012, 345. Die Hauptversammlung der BRAK hatte im Frühjahr 2011 beschlossen, sich an das Bundesjustizministerium zu wenden, vgl. Filges, BRAK-Mitt. 2011, BR-Drucks. 309/12. Vorausgegangen war ein RefE vom BT-Drucks. 17/ Zur Reformdiskussion Römermann/Praß, NZG 2012, 601; Römermann, AnwBl 2012, 288: Beuthien, ZRP 2012, 127; Posegga, DStR 2012, 611; Schüppen, BB 2012, 783; Salger, DB 2012, 1794; Leuering, ZIP 2012, 1112; Dahns, NJW Spezial 2012, 190. Überwiegend Akzeptanz in der Anwaltschaft für eine PartG mbb, Kilian AnwBl 12 /

36 MN Anwaltshaftung Es sollte zwar eine Freiberuf ler- Personengesellschaf t ohne persönliche Gesellschaf terhaf tung geben, f ür diese sollte aber eine Pf licht zum Abschluss einer Beruf shaf tpf lichtv ersicherung mit erhöhter Versicherungssumme bestehen. 44% 27% Es sollte eine Freiberuf ler-personengesellschaf t ohne persönliche Gesellschaf terhaf tung geben. 29% Es sollte keine Freiberuf ler-personengesellschaf t ohne persönliche Gesellschaf terhaf tung geben, weil dies ein Systembruch im Gesellschaftsrecht wäre. Abb. 1: Freiberufler-Personengesellschaft ohne persönliche Gesellschafterhaftung (Fortfall der Handelndenhaftung nach 8 Abs. 2 PartGG)* * Nur Rechtsanwälte, die zu dieser Frage eine Meinung haben (ohne Antwortkategorie keine Meinung / ist mir egal ) Regelungen einerseits und steuerrechtlicher Buchführungsund Rechnungslegungsvorschriften andererseits geschaffen. Ohne Widerspruch bleiben diese Forderungen freilich nicht: So hat die Rechtswissenschaftlerin Barbara Grunewald weitere Sonderwege für Freiberufler im Personengesellschaftsrecht abgelehnt 10 und spricht hiermit für eine beachtliche Meinungsströmung in der Gesellschaftsrechtswissenschaft, die berufsspezifische Privilegien im Gesellschaftsrecht skeptisch gegenübersteht. 11 III. Einstellung der Anwaltschaft zur Reform des PartGG Die lebhafte Diskussion über eine de lege ferenda zu schaffende Personengesellschaft mit beschränkter Gesellschafterhaftung hat das Soldan Institut bereits 2011 zum Anlass genommen, die Einstellung der Anwaltschaft zu einer Reform des Rechts der Partnerschaftsgesellschaft zu ergründen. 12 Im Nachfolgenden wird beleuchtet, wie die Anwaltschaft zu der vorgeschlagenen neuen Rechtsform grundsätzlich steht. In einem weiteren Beitrag wird sodann der Frage nachgegangen, ob Rechtsanwälte sich auch vorstellen können, nach Inkrafttreten eines reformierten PartGG von der neuen Rechtsform Gebrauch zu machen. 1. Gesamtbetrachtung Mit 71 Prozent spricht sich eine deutliche Mehrheit der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte für die Schaffung einer Freiberuflerpersonengesellschaft ohne persönliche Gesellschafterhaftung für Berufsausübungsfehler aus. Interessanterweise wünschen die Befürworter eines Fortfalls der Handelndenhaftung nach 8 Abs. 2 PartGG überwiegend, dass es zwar eine Freiberuflerpersonengesellschaft ohne Berufshaftung geben sollte, für diese Gesellschaft aber eine Pflicht zum Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung mit erhöhter Versicherungssumme bestehen sollte (44 Prozent der Befragten/62 Prozent der Befürworter). Deutlich weniger wollen auf ein solches Erfordernis verzichten (27 Prozent der Befragten/38 Prozent der Befürworter). Mit 29 Prozent deutlich in der Minderheit sind die Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, die die Schaffung einer solchen Freiberuflerpersonengesellschaft ablehnen, weil dies ein Systembruch im Personengesellschaftsrecht wäre (s. Abb. 1 und Abb. 2) Differenzierende Betrachtung Auch wenn eine deutliche Mehrheit der Anwaltschaft für die Schaffung einer haftungsbeschränkten Freiberuflergesellschaft plädiert, lassen sich bei einer differenzierenden Analyse Teilgruppen identifizieren, in denen die Befürworter über- bzw. unterdurchschnittlich stark vertreten sind. Einfluss haben insbesondere das Alter der Befragten, der Typ und die Größe der Kanzlei, in der sie tätig sind, und der Grad der Spezialisierung. Ein interessanter Befund ist, dass Einzelanwälte die Schaffung einer haftungsbeschränkten Freiberuflergesellschaft überdurchschnittlich häufig ablehnen: Sie kritisieren zu 45 Prozent eine solche Gesellschaftsform als systemwidrig, während Anwälte, die in welcher Form auch immer 10 Vgl. Grunewald, ZIP 2012, 1115, 1117; ferner der Hinweis von Lührig, AnwBl 2011/1, S. VIII. Dogmatische Bedenken äußert z. B. auch Römermann, AnwBl 2012, Vgl. etwa K. Schmidt, NJW 2005, 2801, In der Diskussion in Deutschland wird gerne übersehen, dass die LLP zwar mit Blick auf Freiberufler kreiert wurde, keineswegs aber nur Freiberuflern als Organisationsmodell offensteht, vgl. Kilian, NZG 2000, 1008, Die Befragung erfolgte im Mai 2011, an ihr nahmen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte teil. Zum Zeitpunkt der Befragung war Details der Reform noch nicht bekannt, so dass die Aussagen der Befragten sich nicht auf den Erkenntnisstand stützen konnten, wie er aufgrund des zwischenzeitlichen Fortschreitens der Reformdiskussion heute vorauszusetzen wäre. 13 In den vorstehenden Zahlen nicht berücksichtigt sind jene 18 Prozent der Teilnehmer der Studie, die zu der Frage der Schaffung einer Freiberuflerpersonengesellschaft ohne persönliche Gesellschafterhaftung keine Meinung haben oder denen ein solches Reformprojekt egal wäre. 958 AnwBl 12 / 2012 Überwiegend Akzeptanz in der Anwaltschaft für eine PartG mbb, Kilian

37 MN Anwaltshaftung Es sollte eine Freiberufler-Personengesellschaft ohne persönliche Gesellschafterhaftung geben. 38% 62% Es sollte zwar eine Freiberufler- Personengesellschaft ohne persönliche Gesellschafterhaftung geben, für diese sollte aber eine Pflicht zum Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung mit erhöhter Versicherungssumme bestehen. Abb. 2: Freiberufler-Personengesellschaft ohne persönliche Gesellschafterhaftung (Fortfall der Handelndenhaftung nach 8 Abs. 2 PartGG)* * Nur Befürworter ihren Beruf gemeinschaftlich ausüben und damit erhöhten Haftungsrisiken ausgesetzt sind, entsprechende Bedenken nur in 24 Prozent der Fälle äußern (siehe Tab. 1). Einzelkanzlei Bürogemeinschaft/Sozietät ja 18% 30% ja, mit Berufshaftpflicht 37% 46% nein, weil Systembruch 45% 24% Tab. 1: Freiberufler-Personengesellschaft ohne persönliche Gesellschafterhaftung nach Kanzleityp. Nur Rechtsanwälte, die zu dieser Frage eine Meinung haben (ohne Antwortkategorie keine Meinung / ist mir egal ). p5=0,05 In dieser Teilgruppe sind auch die Anwälte in Bürogemeinschaft enthalten, die technisch betrachtet Einzelanwälte sind, aber hinsichtlich der sie treffenden Haftungsrisiken aufgrund häufig gesetzter Rechtsscheintatbestände faktisch Sozietätsanwälten stark angenähert sind. Dass sich diese Nähe auch in ihrem Antwortverhalten zur Frage der Schaffung einer haftungsbeschränkten Freiberuflergesellschaft widerspiegelt (23 Prozent äußern sich ablehnend, 77 Prozent befürwortend), zeigt, dass eine gewisse Sensibilität für organisationsbedingte Haftungsrisiken bei Rechtsanwälten aus Bürogemeinschaften durchaus vorhanden ist (siehe Tab. 2). örtliche Sozietät Einzelkanzlei Bürogemeinschaft überörtliche Sozietät internat. Sozietät* Ja 18% 27% 30% 35% 38% ja, mit Berufshaftpflicht 37% 50% 46% 42% 50% nein, weil Systembruch 45% 23% 24% 23% 13% Tab. 2: Freiberufler-Personengesellschaft ohne persönliche Gesellschafterhaftung nach Kanzleityp. Nur Rechtsanwälte, die zu dieser Frage eine Meinung haben (ohne Antwortkategorie keine Meinung/ist mir egal ) p5=0,05 * Fallzahl gering Da die Frage der Systemwidrigkeit einer Gesellschaftsform weniger eine praktische als vielmehr eine dogmatische ist und damit in ihrer Beantwortung an sich nicht von der Art der Berufsausübung abhängen sollte, bringt die deutlich überdurchschnittliche Ablehnung in der Gruppe der Einzelanwälte wohl vor allem einen gewissen Unmut darüber zum Ausdruck, dass vergesellschaftet tätige Rechtsanwälte ihre Haftungsrisiken neben Abschluss einer erhöhten Berufshaftpflichtversicherung künftig auch in einer Personengesellschaft verringern könnten, während Einzelanwälten eine solche Möglichkeit weiterhin nur durch Organisation der Berufsausübung in der wenig beliebten und kostenintensiveren Rechtsanwaltsgesellschaft mbh offensteht. In diesem Sinne können die Ergebnisse auch als Mahnung begriffen werden, im Rahmen der rechts- und berufspolitischen Diskussion die Möglichkeiten eines sachgerechten Risikomanagements auch der Einzelanwälte nicht aus dem Blick zu verlieren. Betrachtet man die Gruppe der Rechtsanwälte, die ihren Beruf nicht alleine ausüben, sondern in Kanzleien mit mehr als einem Berufsträger, ist auffällig, dass die Zustimmung zur Einführung einer haftungsbeschränkten Freiberuflergesellschaft mit der Größe der Kanzlei zunimmt: In Sozietäten mit bis zu fünf Anwälten finden sich 73 Prozent Befürworter, in Kanzleien mit mehr als zehn Anwälten bereits 83 Prozent. Hierbei nimmt mit zunehmender Kanzleigröße auch der Befragtenanteil zu, der als Preis für die günstige Haftungsverfassung der Gesellschaft einen erhöhten Versicherungsschutz fordert (40 Prozent vs. 53 Prozent) (siehe Tab. 3). Einzelanwalt Sozietät mit bis zu 5 Anwälten Sozietät mit 6bis10 Anwälten Sozietät mit mehr als 10 Anwälten ja 21% 33% 27% 30% ja, mit Berufshaftpflicht 41% 40% 52% 53% nein, weil Systembruch 37% 27% 21% 16% Tab. 3: Freiberufler-Personengesellschaft ohne persönliche Gesellschafterhaftung nach Größe der Kanzlei. Nur Rechtsanwälte, die zu dieser Frage eine Meinung haben (ohne Antwortkategorie keine Meinung / ist mir egal ). p5=0,05 Überwiegend Akzeptanz in der Anwaltschaft für eine PartG mbb, Kilian AnwBl 12 /

38 MN Anwaltshaftung Dies beruht auch darauf, dass in größeren Sozietäten bereits heute auf freiwilliger Basis und ohne dass dies gesellschaftsrechtlich durch ein Haftungsprivileg belohnt werden würde, die gesetzlich nach 51 BRAO vorgeschriebene Mindestversicherungssumme deutlich überschritten wird. Eine de lege ferenda 51j BRAO nachempfundene Regelung im PartGG würde daher für diese Sozietäten jedenfalls mit Blick auf die absolute Höhe der Mindestversicherungssumme keine besondere Hürde darstellen (möglicherweise aber hinsichtlich der sich aus der Zahl der Gesellschafter ergebenden Jahreshöchstleistung entsprechend 59 j Abs. 2 S. 2 BRAO). Jüngere Rechtsanwälte stehen der haftungsbeschränkten Freiberuflergesellschaft überdurchschnittlich häufig aufgeschlossen gegenüber und sind zudem besonders häufig Befürworter eines Modells, das auf ein Erfordernis einer erhöhten Berufshaftpflichtversicherung verzichtet: Während sich von den Rechtsanwälten, die älter als 40 Jahre sind, nur 24 Prozent für die Zulässigkeit der haftungsbeschränkten Freiberuflergesellschaft ohne erhöhte Versicherungspflicht aussprechen, liegt der Anteil bei den jüngeren Anwälten mit 38 Prozent 14 Prozentpunkte höher. Dem entspricht, dass sich in dieser Altersgruppe mit 20 Prozent besonders wenige Rechtsanwälte finden, die in der haftungsbeschränkten Freiberuflergesellschaft eine systemwidrige Rechtsform erblicken. Von den Anwälten, die älter als 40 Jahre sind, sehen 32 Prozent hier eine Systemwidrigkeit (siehe Tab. 4). bis 40 Jahre älter als 40 Jahre Ja 38% 24% ja, mit Berufshaftpflicht 42% 44% nein, weil Systembruch 20% 32% Tab. 4: Freiberufler-Personengesellschaft ohne persönliche Gesellschafterhaftung nach Alter. Nur Rechtsanwälte, die zu dieser Frage eine Meinung haben (ohne Antwortkategorie keine Meinung / ist mir egal ) p5=0,05 Ein Blick auf die Dauer der Berufszugehörigkeit zeigt hierbei übrigens, dass nicht die ganz jungen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte ein besonders liberales Verständnis an den Tag legen, sondern vor allem Berufsangehörige, die seit sechs bis zehn Jahren Mitglied einer Rechtsanwaltskammer sind. Der höchste Anteil an Befürwortern der Freiberufler-Personengesellschaft ohne persönliche Gesellschafterhaftung und ohne eine erhöhte Versicherungspflicht findet sich in dieser Gruppe (46 Prozent) (siehe Tab. 5). IV. Bewertung Der Vorschlag der Schaffung einer Partnerschaftsgesellschaft mit umfassend beschränkter Gesellschafterhaftung stößt auf breite Zustimmung in der Anwaltschaft (71 Prozent). Dies kann, soweit für den einzelnen Rechtsanwalt damit ein besonders effektives Risikomanagement durch Rechtsformwahl möglich würde, nicht überraschend sein, da neue Freiheit gewährt wird. Der Befund, dass Einzelanwälte die Freiberuflergesellschaft mit beschränkter Gesellschafterhaftung mit 45 Prozent fast doppelt so häufig als systemwidrig ablehnen wie soziierte Rechtsanwälte, weil sie hierin offensichtlich eine Benachteiligung sehen, ist freilich Mahnung, dass bei allem Bemühen um die sachgerechte Begrenzung von Haftungsrisiken Teilgruppen der Rechtsanwaltschaft nicht ausgegrenzt werden dürfen. In der Anwaltschaft ist überwiegend Akzeptanz festzustellen, dass es ein mit einer Freiberuflergesellschaft mit beschränkter Gesellschafterhaftung einhergehendes Haftungsprivileg nicht umsonst geben kann. Die Befürworter halten es mehrheitlich für sachgerecht, wenn die Nutzung einer umfassend haftungsbeschränkten Freiberuflergesellschaft an den Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung mit im Vergleich zu den gesetzlichen Mindestanforderungen nach 51 BRAO deutlich erhöhter Versicherungssumme in der Vermögensschadenshaftpflichtversicherung geknüpft wäre. Wäre die Mindestversicherungssumme im künftigen Recht an den für die Rechtsanwaltsgesellschaft mbh geltenden Anforderungen orientiert (2,5 Millionen Euro), würde dies zumindest für kleinere Sozietäten faktisch nur geringe Probleme mit sich bringen, da bereits heute nur wenige vergesellschaftet tätige Rechtsanwälte lediglich zu den gesetzlichen Mindestanforderungen oder zu einem Betrag im sechsstelligen Bereich versichert sind 14. Problematisch, so zumindest Kritiker des Gesetzesentwurfs, könnte mit zunehmender Sozietätsgröße allerdings werden, dass die berufsrechtlichen Mindestanforderungen hinsichtlich der Jahreshöchstleistung der Berufshaftpflichtversicherung an die Zahl der Berufsträger anknüpfen und deshalb zu größeren Schadensrisiken bei den Haftpflichtversicherern und in der Folge zu höheren Versicherungsprämien für Sozietäten führen. Freilich ist zu konstatieren, dass im Anwendungsbereich des 59j BRAO Klagen größerer Anwaltskapitalgesellschaften bislang kaum hörbar sind. in den letzten 5 Jahren in den letzten 6 10 Jahren in den letzten Jahren vor über 20 Jahren ja 37% 46% 31% 23% ja, mit Berufshaftpflicht 44% 36% 44% 49% nein, weil Systembruch 19% 18% 25% 28% Tab. 5: Freiberufler-Personengesellschaft ohne persönliche Gesellschafterhaftung nach Jahr der Zulassung. Nur Rechtsanwälte, die zu dieser Frage eine Meinung haben (ohne Antwortkategorie keine Meinung / ist mir egal ) p5=0,05 Dr. Matthias Kilian, Köln Der Autor ist Rechtsanwalt und Direktor des Soldan Instituts. Informationen zum Soldan Institut im Internet unter Sie erreichen den Autor unter der -Adresse autor@anwaltsblatt.de. 14 Hierzu näher im AnwBl 2/ AnwBl 12 / 2012 Überwiegend Akzeptanz in der Anwaltschaft für eine PartG mbb, Kilian

39 MN Aufsätze Anwaltspraxis Anwälte sind der Medien Liebling nicht immer wird aber aus Zuneigung Liebe Der Umgang mit Journalisten will gelernt sein ein Journalist verrät, was er sich von Anwälten wünscht Prof. Dr. Joachim Jahn, Berlin Es ist vielleicht wie mit der Sonne: Ihre Strahlen wärmen und erhellen, wer ihr aber zu nahe kommt, verbrennt. Immer mehr Kanzleien drängen in die Medien und investieren in professionelle PR-Arbeit. Doch was funktioniert wirklich, welche Fallen gibt es und wie geht man mit ungefragter Berichterstattung um? Der Autor Wirtschaftsredakteur bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) in Berlin beschreibt aus seiner Redaktionspraxis, wie Anwälte zum Liebling der Medien werden ohne zu verbrennen. I. Der Anwalt in den Schlagzeilen Rechtsanwälte beherrschen nur selten die Schlagzeilen naturgemäß sind es fast immer die Mandanten, die im Vordergrund stehen. Doch Anfang dieses Jahres kam über Wochen hinweg ein Anwalt zu einer Medienprominenz wie sonst allenfalls die Fernsehrichterin Barbara Salesch: Ein Presserechtler aus einer Traditionskanzlei nämlich, der den damaligen Bundespräsidenten Christian Wulff vertrat. Das Staatsoberhaupt war wegen einer Vielzahl mehr oder weniger berechtigter Vorwürfe in die Schlagzeilen geraten. Der Anwalt mutierte dabei schleichend vom Rechtsberater und im presserechtlichen Sinn Verteidiger hin zum Sprecher des Präsidenten. Denn Wulff musste plötzlich seinen hauptamtlichen Auskunftgeber entlassen, weil gegen diesen ein noch viel gravierenderer Korruptionsverdacht auftauchte. Der Presserechtler musste daraufhin auch noch die gesamte Kommunikation mit Zeitungen, Zeitschriften und Rundfunksendern abwickeln, die ihn mit Fragenkatalogen bombardierten. PR-technisch war das sicher keine geschickte Entscheidung von Wulff: Der Rechtsanwalt antwortete auf all die Fragen und Anwürfe lege artis nämlich juristisch korrekt, haftungsmäßig abgesichert und gerade so präzise, wie es seinem Kunden im Schloss Bellevue möglich und genehm war. Doch gerade das schürte zwangsläufig das Misstrauen der breiten Öffentlichkeit. Es entwickelten sich Mail-Dialoge, die einem typischen Journalisten wie ein einziges Verdunkelungsmanöver erscheinen mussten und die die Jagd nach dem großen Scoop nur noch weiter anheizten. Eine große Zeitung machte sich sogar den Spaß, ihre Korrespondenz mit dem Anwalt auf einer halben Seite im O-Ton abzudrucken, um das vermeintliche Winkeladvokatentum im Auftrag von Schloss Bellevue anzuprangern. II. Der Anwalt als Informant Das Bild der Anwaltschaft in der Öffentlichkeit hat dadurch sicher keinen Schaden genommen. Die Paragrafenkundler gelten in der Bevölkerung immer noch als vergleichsweise sympathische Berufsträger, was sich seit jeher in Fernsehserien wie Liebling Kreuzberg mit Manfred Krug widerspiegelt. Der Berufsstand wächst zwar weiter, wiewohl immer langsamer. Aber das Hassbild, das viele Bürger in den USA von Anwälten haben und das sich in garstigen Scherzen über Ambulance Chasers und Billable Hours entlädt, liegt den Deutschen fern. Folglich sind die Rechtsratgeber auch bei den Medien hierzulande ziemlich beliebt (wenn man als Journalist nicht gerade selbst von einem der einschlägigen Medienrechtler in Anspruch genommen wird). In den Redaktionen werden sie aus ganz unterschiedlichen Gründen geschätzt. So sind sie wichtige Informanten. Viele Redakteurslaufbahnen beginnen in einer Lokalredaktion. Wenn dort der Reporter keinen spannenden Termin am Journalisten können bei Rechtsanwälten meist auf deren Eitelkeit und Akquisewünsche bauen zum beiderseitigen Nutzen. Amts- oder Landgericht aufstöbern kann, ist die letzte Rettung ein Rundruf bei den üblichen Verdächtigen aus der Anwaltschaft. Irgendeiner von ihnen hat fast immer eine Geschichte auf Lager ob es nun ein Strafverteidiger ist oder auch etwa ein Reiserechtler, der regelmäßig einen örtlichen Tourismuskonzern vertritt. Journalisten können dann bei ihren Gesprächspartnern meist auf deren Eitelkeit und Akquisewünsche bauen zum beiderseitigen Nutzen. Denn diese Zusammenarbeit ist durchaus eine Symbiose, und sie ist auch ethisch ganz unbedenklich: Die Leser wollen schließlich informiert und unterhalten werden. Dass fast jeder, der in die Medien drängt, zugleich ein ganz eigennütziges Interesse verfolgt, steht dem keineswegs entgegen: Journalisten wissen, dass man sie fast immer instrumentalisieren will und können dementsprechend dagegen halten, indem sie auch bei der Gegenseite recherchieren. Und Transparenz schaffen durch einen Hinweis, aus welcher Ecke eine Aussage kommt. Dies geht selbst dann, wenn ein Gesprächspartner nicht namentlich genannt werden will (was meist nachvollziehbare und gute Gründe hat). Aus Unternehmenskreisen verlautete, heißt es dann beispielsweise, oder: In einem dieser Zeitung vorliegenden Papier. Nach den Regeln von StGB und StPO müssen Medienvertreter ihre Quellen nicht aufdecken. Und mancher Anwalt, der ein Schriftstück mailt oder faxt (mitunter unter Abschaltung der Fax-Kennung), sagt vorher süffisant: Das haben Sie dann eben in der Straßenbahn gefunden, wenn mal einer fragt. Von Staatsanwälten erlebt man solch klandestine Zuträgerei und Durchstecherei hingegen deutlich seltener. Der Vorwurf, pressegeile Strafverfolger träten ständig die Unschuldsvermutung mit Füßen, um die eigene Karriere voran zu treiben und durch Vorverurteilungen eine Verurteilung zu befördern, ist meist nur ein gezielt geschürtes Zerrbild von Strafverteidigern und Anwälten von Medienopfern. Anwälte sind der Medien Liebling, Jahn AnwBl 12 /

40 MN Anwaltspraxis Auch die Journaille darf man nicht verklären, wenngleich zwischen Boulevardgazetten die oft übermäßig verteufelt werden und Qualitätsblättern Welten liegen. Aber selbst bei höchst seriösen Blättern kann Manches schief gehen. So war einmal eine Gerichtsreportage aus einer Landeshauptstadt später an ganz anderer Stelle wieder zu entdecken in einem Bestseller, der unter dem Titel: Die Spinne aus der Yukka-Palme moderne Stadtlegenden versammelte. III. Der Anwalt als Erklärer Aber auch als Erklärer sind Anwälte den Medien höchst willkommen. Die meisten Journalisten haben ohnehin wenig Ahnung von Juristerei; das typische Studium, das in diesen Beruf führt, ist eher eines aus dem Bereich der Weichwissenschaften. Und wenn beispielsweise der VW-Aufsichtsratsvorsitzende Ferdinand Piëch beschließt, seine eigene (deutlich jüngere) Ehefrau in das Kontrollgremium berufen zu lassen, dann benötigt auch ein Rechtsredakteur die kompetente Auskunft eines echten Fachmanns und Praktikers, ob dies mit Aktiengesetz und Corporate Governance Kodex vereinbar ist. Wegen des noch höheren Renommees mag ein Journalist dann zunächst versucht sein, einen Juraprofessor zu zitieren. Und muss dann feststellen: Alle drei namhaften Ordinarien, die er anruft, sind bereits conflicted und müssen die Auskunft Ideal ist, wenn der Ansprechpartner der Journalisten als Anwalt und Journalist ausgebildet ist. verweigern. Mit Wissenschaftlern haben Medienmenschen also nicht selten dasselbe Problem, das sie auch häufig erleben, wenn sie in einer Wirtschaftskanzlei ein Statement zu einer aktuellen Rechtsfrage einholen wollen. Irgendwo auf dieser Welt sind dann verdammt viele Sozietäten mit einer der Streitparteien verbandelt oder hoffen zumindest, dass es bald dazu kommen könnte. Hilfreich sind dann Pressebeauftragte, wie sie fast jede Kanzlei mittlerweile hat. Manchmal sind sie dort fest angestellt, und dieses Modell dürfte das beste sein: Diese Leute sitzen nämlich dicht dran an den Anwälten. Sie stoßen dadurch auf reizvolle Themen und wissen auch, welcher der Partner oder Associates gut mit Pressemenschen klar kommt und welchen man lieber von der Medienmeute fern hält (im beiderseitigen Interesse). Ideal ist, wenn der Ansprechpartner der Journalisten in beiden Bereichen ausgebildet ist. Dann kann er ihnen kundig juristische Belange nahe bringen und ist zugleich in der Lage, verständlich und eingängig zu formulieren. Juristen liegt das oft ziemlich fern. Solch ein PR-Beauftragter käme auch niemals auf die Idee, einen gestressten Redakteur kurz vor Redaktionsschluss anzurufen, um ihm einen Gastbeitrag anzutragen oder um ihn zu fragen, ob man denn seine mit der Einladung zu einem Mandantenseminar bekommen habe. Fähige Doppelbänder gibt es natürlich auch in selbstständigen PR-Agenturen. Aber allzu oft wird dort mangelnde Sachkunde in Rechtsfragen mit robustem Auftreten übertüncht. Solchen selbst ernannten (und teuer bezahlten) Kommunikationsexperten fehlt gelegentlich das Gespür im Umgang miteinander, das man selbst in der S-Bahn erwarten darf, oder ein Mindestmaß an Fachkenntnis. Außerdem: Externe Pressesprecher können nur dann von ihrem Gewerbe leben, wenn sie einen ganzen Bauchladen an Sozietäten betreuen. Für tagesaktuell arbeitende Journalisten ist es optimal, wenn ein PR-Beauftragter ihnen notfalls in einer halben Stunde einen Experten ans Telefon holen kann. Oder wenn er wenigstens genauso schnell klären kann, dass dies an der Inhabilitätsprüfung gescheitert ist. Dann kann man es noch bei einer anderen Kanzlei versuchen, ehe alles zu spät ist. Wenn die Servicequalität toll ist, kann man sich dann beispielsweise auf einer turbulenten Hauptversammlung live am Handy erklären lassen, was da juristisch gerade passiert, wenn ein deutsches Unternehmen von britischen Hedge Fonds gekapert wird. IV. Der Anwalt als Lückenfüller Wenn es nur um Zitate geht, ist die Zusammenarbeit natürlich weniger anspruchsvoll. Da müssen beide Seiten improvisieren. Wenn bei einem Bericht über Umschuldungsklauseln in griechischen Staatsanleihen Zeitnot herrscht, holt eine renommierte Kanzlei schon mal jemanden ans Telefon, der von dieser Materie auch nicht besonders viel versteht. Aber der gestresste Reporter kann dann in seinen Artikel wenigstens einen anerkannten Wirtschaftsanwalt einbauen, der seinen Ausführungen höhere Weihen verleiht. Dieses Phänomen ist es sicherlich auch, was viele Anwälte in die Zeitung drängen lässt: Wer dort befragt wird, verspricht sich davon einen größeren Marketingeffekt als durch eine bezahlte Anzeige. Werbung kaufen kann jeder, das wissen die Leser. Aber wer von der Redaktion als Spezialist zu Rate gezogen wird, der hat aus Sicht potenzieller Mandanten quasi einen TÜV-Stempel bekommen. So ähnlich, wie wenn ein Wochenmagazin wieder einmal eine Hitliste mit den angeblich besten Scheidungsanwälten, Kardiologen oder Universitäten präsentiert. V. Der Anwalt als Autor Einflugschneisen für Anwälte gibt es in den Gazetten jedenfalls viele. Auch anspruchsvolle Tageszeitungen haben durchaus ihre am praktischen Leben ausgerichteten Ratgeberrubriken. Servicethemen zur Geldanlage, zur strafbefreienden Selbstanzeige beim Finanzamt oder zur Testamentsgestaltung sind immer wieder ein Renner. Gastbeiträge sind dort ebenfalls beliebt: Viele bundesweite Zeitungen und Zeitschriften bringen regelmäßig eine eigene Rechtsseite. Gelesen wird diese nicht nur von juristischen Laien, sondern auch von Anwälten, die sich auf angrenzenden Rechtsgebieten auf dem Laufenden halten wollen. Wenn ein Text von einer Kanzlei geschrieben wird, hat dies für viele Leser eine höhere Glaubwürdigkeit, als wenn ihn ein Redakteur mehr oder weniger laienhaft am grünen Tisch verfasst hat. Und in der Tat benötigen Medien solche Expertise; sie können sich schließlich nicht selbst so fundiert in Spezialthemen einarbeiten wie einschlägig bewanderte und erfahrene Anwälte. Ganz abgesehen davon, dass sich eine Zeitungsseite nicht von alleine füllt: Da wird gerne einmal das Schreiben auf die Anwaltschaft ausgelagert zumal für diesen Service keine Honorarnoten verschickt werden. 962 AnwBl 12 / 2012 Anwälte sind der Medien Liebling, Jahn

41 MN Anwaltspraxis In den Redaktionen bringt dies freilich nur dann eine Arbeitsersparnis, wenn der Gastbeitrag auch eingängig formuliert und gut lesbar ist. Und daran hapert es oft: Der berüchtigte Kanzleistil wird dem Juristen in seiner Ausbildung eingeimpft; und zur Haftungsvermeidung mag ohnehin kaum ein Anwalt einen Satz ohne Einschränkungen, Einschübe und salvatorische Klausel von sich geben. Aber Einschränkungen, Einschübe und salvatorische Klauseln sind der Todfeind der Verständlichkeit. das ist der Todfeind der Verständlichkeit. Ein dringender Appell: Kanzleien müssen ihren eigenen PR-Beauftragten die nötige Freiheit beim Redigieren lassen! Stilistische Klarheit und inhaltliche Korrektheit sind schließlich kein zwingender Gegensatz. Doch stattdessen muss man allen Ernstes erleben, dass der Sprecher einer internationalen Großkanzlei mitteilte: Der Associate (!) des zuständigen Partners hat mir gesagt, dass ich keinen Satz ändern darf. Die Folge: Ein solcher Beitrag kann und wird nicht gedruckt werden. VI. Der Anwalt als Mitspieler eine Zeitung nach der anderen nachzieht. Bemerkenswert war in diesem Fall, dass eine rosarote Zeitung am nächsten Tag eine totale Kehrtwende vollzog: Die Kanzlei, die die beiden Krisenunternehmen beraten habe (hieß es dort plötzlich anprangernd), habe damit Millionen verdient und vor Gericht eine Riesenblamage erlitten. Dazu kam eine vermeintliche Enthüllung: Jener Bundestagsabgeordnete, der sich mit dem Reformvorhaben am Schuldverschreibungsgesetz hatte zitieren lassen, sei im Hauptberuf Angehöriger genau dieser Kanzlei. Donnerschlag! Als Anwalt kann man also auf ganz andere Weise in den Medien landen, als einem lieb ist. Wenn Aktionen oder Äußerungen von welchem Widersacher auch immer in den Fokus der öffentlichen Meinung gerückt werden, wird es stets Medien geben, die das Ganze aufbauschen und skandalisieren. Die die vielschichtigen Tatsachen und die komplizierte Rechtslage versimpeln und mit Nebelkerzen verdunkeln. Als Betroffener kann man dann nur versuchen, mit Engelsgeduld den Sachverhalt gerade zu rücken. Gegen eine eklatante Falschberichterstattung, die sogar durchaus mit Dolus Eventualis geschehen kann, hilft das Presserecht. Aber steuern lässt sich die Presse nicht. Für die Demokratie ist das unverzichtbar für sachliche Diskussionen aber mitunter ein betrüblicher Schaden. Bei aktuellen Zitaten am Telefon oder per gilt dasselbe: Rechtsvertreter brauchen Mut zur Lücke! Wenn sie einem Vorstand einen Management Letter schreiben, geht das doch schließlich auch. Natürlich hat jeder das Recht, Zitate vor der Veröffentlichung noch einmal zu sichten und zu autorisieren. In vielen Fällen wird das sogar höchst sinnvoll sein. Aber wenn das dazu führt, dass man um jedes Komma und jedes Wort (oder sogar die Nennung akademischer Titel) ringt, wird dieser Redakteur beim nächsten Mal anderswo anrufen. Wenn Rechtsreporter über öffentlichkeitsträchtige Großverfahren berichten, kommen noch ganz andere Berufsgruppen ins Spiel. Schon im Vorfeld haben sie dann oft mit Akteuren der Litigation-PR zu tun, etwa bei der Massenklage von Telekom-Aktionären. Mit Spin-Doktoren, die mit Rechtsgutachten wedeln. Und manchmal auch mit Presserechtsanwälten egal ob es um den Wetteransager Kachelmann geht oder den Ex-EnBW-Chef Claassen. VII. Der Anwalt als Betroffener Besonders reizvoll ist es natürlich, wenn ein Rechtsstreit Wellen in der Rechtspolitik schlägt. So ist jüngst eine Einigung von zwei Krisenfirmen mit den Gläubigern ihrer Schuldverschreibungen an ein paar Inhabern weniger Bonds gescheitert: Landgericht und Oberlandesgericht gaben ihnen bei ihrem Veto gegen eine Umschuldung recht, obwohl sich der Bundestag das bei der Reform des Schuldverschreibungsgesetzes anders gedacht hatte. Die Kritik aus Wissenschaft und Praxis an den Urteilssprüchen war denn auch praktisch einhellig zumal dahinter einige sattsam bekannte Berufskläger gegen Aktiengesellschaften steckten, die hier ein neues Betätigungsfeld für ihr Geschäftsmodell der Erpressung gefunden haben. Wenn ein Journalist ein solches Thema entdeckt, schreibt er die Zusammenhänge gerne auf und freut sich, wenn Prof. Dr. Joachim Jahn, Berlin Der Autor ist Wirtschaftsredakteur der F.A.Z. und Honorarprofessor an der Universität Mannheim. Sie erreichen den Autor unter der -Adresse Anwälte sind der Medien Liebling, Jahn AnwBl 12 /

42 MN Aufsätze Meinung & Kritik Cutting Edge oder: Alles zurück auf Null Wer in der Schule kein Kopftuch tragen darf, kann wenigstens seinen Söhnen die Vorhaut abschneiden * Rechtsanwalt Michael Rosenthal, Karlsruhe Was bleibt von der Rechtspolitik in diesem Jahr? Die Debatte über die Beschneidung ausgelöst durch ein Urteil des Landgerichts Köln aus dem Mai (NJW 2012, 2128) hat den öffentlichen Diskurs über das Recht zumindest in der Öffentlichkeit geprägt. Bundestag und Bundesregierung haben schnell gehandelt und inzwischen liegt ein Regierungsentwurf vor. Der Autor zieht seine persönliche Bilanz. Der Beitrag ist zugleich eine nicht nur belustigte Würdigung des Gesetzentwurfs. Auch wer glaubt, dass zu dem Thema schon alles von jedem gesagt ist, sollte weiterlesen. Denn die Stärke eines guten Anwalts liegt darin, im ausdiskutierten Fall die übersehenen Facetten offen zu legen. I. Ein Berufungskämmerer und zwei Postler (die Schöffen) haben mit dem Urteil des Landgerichts Köln vom 7. Mai 2012 einen Sturm von Äußerungen entfacht. Befürworter und Gegner der Beschneidung beharken sich mit verfassungsrechtlichen Argumenten und nicht immer ganz unkomplizierten Evidenzbetrachtungen. Der Gesetzgeber sieht sich veranlasst, wieder einmal die Wertlosigkeit der Jurisprudenz als Wissenschaft durch drei berichtigende Worte 1 unter zu Beweis stellen. Eine gute Idee! II. Kirchmann ist nicht überholt, und Jhering auch nicht. In den Fachzeitschriften feiert der juristische Begriffshimmel 2 Urstände wie lange nicht, sogar in dem von mir mitbetreuten Strafverteidiger-Forum 3, einer Zeitschrift dieses Verlags, die sich als etwas hemdsärmelige Praktikerzeitschrift versteht. Die Zeitungen, vor allem die besseren Blätter, lassen Autoritäten zu Wort kommen. Die Akademie der Künste der Welt in Köln ist gar am 25. Oktober im Comedia Theater mit dem Festival Cutting Edge eröffnet worden, einer Veranstaltung zur Bedeutung der Beschneidung als Motiv der Kunst, selbstverständlich unter Einschluss der Gender- und Queer-Perspektive. Das Thema bewegt allenthalben, obwohl Hassemer 4 rasch und treffend vermelden konnte, das Kölner Urteil habe «unserer Öffentlichkeit, den Rechtspolitikern und den Juristen eine Konstellation in den Weg gelegt, an der sie sich die Zähne ausbeißen». Denn wie so oft hat «das Gefühl sich schon für eine Antwort entschieden, ehe noch die wissenschaftliche Untersuchung begonnen hat». 5 Der Bundestag hat sich nach dem Kölner Urteil beeilt, das Gefühl in Worte zu kleiden: Er hält «die Beschneidung männlicher Kinder, die weltweit sozial akzeptiert wird, für nicht vergleichbar mit nachhaltig schädlichen und sittenwidrigen Eingriffen in die körperliche Integrität von Kindern und Jugendlichen wie etwa die weibliche Genitalverstümmelung...». 6 Daran ist vermutlich richtig, dass das Fitzelchen Haut nicht wirklich gebraucht wird. Bei Frauen ist das anders. III. Ohne einen Blick auf die Religionen findet sich kein Grund, warum die Beschneidung vorgenommen werden soll (außer, natürlich, bei einer medizinischen Indikation). Der Gesetzgeber beruft sich zwar auf die Stellungnahme der amerikanischen Akademie der Kinderärzte von August 2012, nach der eine Überprüfung der aktuellen Studien zeige, dass die gesundheitlichen Vorteile beschnittener Neugeborener schwerer wögen als die Risiken. Aber da ist nur der abstract des Artikels beachtet. Die Vorteile überwiegen nur geringfügig, wie der Volltext zeigt: «Parents ultimately should decide whether circumcision is in the best interests of their male child. They will need to weigh medical information in the context of their own religious, ethical, and cultural beliefs and practices. The medical benefits alone may not outweigh these other considerations for individual families.» 7 Angesichts der guten hygienischen Situation in Deutschland ist eine prophylaktische routinemäßige Beschneidung Neugeborener bei uns nicht indiziert 8. Der Gesetzgeber sieht gleichwohl nur «Klarstellungsbedarf», keinen Regelungsbedarf. Die Beschneidung des männlichen Kindes bekommt eine eigene Vorschrift im Recht der elterlichen Sorge ( 1631d), ganz lapidar in Abs. 1 Satz 1: «Die Personensorge umfasst auch das Recht, in eine medizinisch nicht erforderliche Beschneidung des nicht einsichts- und urteilsfähigen männlichen Kindes einzuwilligen, wenn diese nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt werden soll.» Es folgt eine Begrenzung auf das Kindeswohl und eine Sonderregelung für Beschneider der Religionsgemeinschaften. IV. Wirksame Einwilligung des oder der Sorgeberechtigen? Sie wird kontrovers beurteilt. Wieso sollten Eltern gerade in diese Verstümmelung ihres Kindes einwilligen können? Einen halben Zeh dürfte man auch nicht abhacken lassen. Für die Beschneidung streitet jedoch die ungeheuerliche Wucht der Genesis, Kapitel 17, Verse 4 ff, und vor allem der Verse 12 und 14: «[12] Ein jglichs Kneblin wens acht tag alt ist / solt jr beschneiten bey ewern Nachkomen... [14] Vnd wo ein Kneblin nicht wird beschnitten / an der vorhaut seines Fleischs / Des Seele sol * Der Untertitel ist angelehnt an Fischer, StGB, 60. Aufl, 223 Rn «Drei berichtigende Worte des Gesetzgebers und ganze Bibliotheken werden zu Makulatur» hat Julius von Kirchmann 1847 in seinem Vortrag über die «Werthlosigkeit der Jurisprudenz als Wissenschaft» gesagt (Berlin 1848, Federstrich, S. 23). 2 Jhering, Scherz und Ernst in der Jurisprudenz (Leipzig 1884, Kletterstange, S. 245ff.). 3 Brocke/Weidling, Zur Frage der Strafbarkeit der religiös motivierten Beschneidung von Jungen, StraFo 2012, S ZRP 2012, S Kirchmann, aao, S BT-Drs. 17/10331 vom 19. Juli, S. 2. Man merkt das auch an den Fachbeiträgen in den Zeitschriften: Das jeweilige Ergebnis wird erst «gespürt» und dann begründet. 7 Hervorhebung hinzugefügt. 8 BR-Drs. 597/11 vom 11. Oktober, S. 5 m.w.n. 964 AnwBl 12 / 2012 Cutting Edge oder: Alles zurück auf Null, Rosenthal

43 MN Meinung & Kritik ausgerottet werden aus seinem Volck / darumb / das es meinen Bund vnterlassen hat.» 9 Der Bund, das ist der Bund Gottes mit dem auserwählten Volk, bei Noah angedeutet 10, mit Abraham geschlossen und mit Mose mehrfach erneuert 11. Die Bundeslade bleibt trotz Indiana Jones verschwunden, und die Beschneidung ist als das sichtbare Zeichen des Bundes geblieben. Eindringlich findet sich das in einer möglicherweise vom 1. Buch der Makkabäer 12 angeregten Szene bei James A. Michener: 13 Um an den Sportwettkämpfen in Antiochia teilnehmen zu können (es ist die Zeit der Hellenisierung Judäas unter den Seleukiden), lässt ein junger Mann die Beschneidung in einem schmerzhaften Verfahren rückgängig machen. Als sein Vater dessen gewahr wird, erschlägt er ihn auf der Stelle weil er den Bund gebrochen hat. Inmitten steht ein hoch wirksames Ritual als Kernelement des jüdischen Selbstverständnisses. Ausgerechnet Deutschland will das als erstes Land für rechtswidrig halten? Das geht nun gar nicht. Sonderrecht für Juden? Geht auch nicht. Was ist mit den Muslimen 14, bei denen der Koran hierzu schweigt und die Pflicht aus Sekundärquellen (den Hadithen) hergeleitet wird? Gleichbehandlung, ganz klar. Aber jetzt die Sache im Licht der Religionsfreiheit diskutieren? Führt innert nützlicher Frist nirgends hin: Aus der Unverbrüchlichkeit des religiösen Gebots und seiner strikten Befolgung lässt sich kaum ableiten, dass die Rechtsgemeinschaft die Einwilligung für wirksam halten müsse. Man braucht sich ja nur zu fragen, was denn wäre, wenn der Herr die Frauen mit bedacht und Abraham fürsorglich aufgegeben hätte, bei ihnen nicht zu viel wegzuschneiden («einen Dattelkern sollst Du stehen lassen»). V. 9 Luther-Übersetzung von Sie ist wegen des Wortes Kneblin hier kraftvoller als andere Fassungen, wo in Vers 14 etwa Mannsbild, Männlicher oder auch vorhautiger Mann (Buber-Rosenzweig) übersetzt ist. 10 Genesis 6, Exodus 25, 8ff (Bundeslade); Deuteronomium 7, 9ff (Bund am Horeb). 12 Es gilt dem Alten Testament als apokryph, dem Tanach nicht. Kap. 1: [14] Sie errichteten in Jerusalem eine Sportschule, wie es bei den fremden Völkern Brauch ist, [15] und ließen bei sich die Beschneidung rückgängig machen. So fielen sie vom heiligen Bund ab, vermischten sich mit den fremden Völkern und gaben sich dazu her, Böses zu tun. 13 The Source (dt. Die Quelle), New York 1965, Kap. 7: In the Gymnasium. 14 die Abraham auch dafür verehren, dass er die bundesgemäß an sich erforderliche Operation mit einer Axt vorgenommen habe. 15 BR-Drs. 597/ Zweimal wird angeführt, die Alevitische Gemeinde habe darauf hingewiesen, die von ihren Mitgliedern praktizierte Knabenbeschneidung sei nicht in erster Linie Ausdruck einer religiösen Pflicht, sondern ein auf langer Tradition beruhender kultureller Ritus. 17 BR-Drs. 597/11, S Das scheint mir die bewährte Legaldefinition der Urteilsfähigkeit in 40 Abs. 1 Nr. 3a AMG zu sein. 19 Kirchmann, aao, S. 21. Also hat sich das Justizministerium sogleich in die vermeintliche weltanschauliche Neutralität geflüchtet und am 24. September ein Eckpunktepapier vorgelegt, das bewusst nicht auf eine religiöse Motivation der Eltern abstellt. Die Rechtspraxis solle den Inhalt religiöser Überzeugungen nicht ermitteln müssen. Die Begründung des Gesetzentwurfs 15 wartet demgegenüber mit einer recht erschöpfenden Bestandsaufnahme von religiös oder kulturell 16 begründeten Beschneidungen auf, zieht sich dann aber doch wieder darauf zurück, Eltern könnten die nicht medizinisch indizierte Beschneidung («die weltweit stark verbreitet ist»), aus unterschiedlichen Gründen für kindeswohldienlich halten. Der Wunsch, die Onanie zu erschweren, fällt allerdings nicht unter die achtbaren Gründe 17. Also doch Motivforschung? Da der Staat den Eltern bei der Ausübung der elterlichen Sorge einen Vertrauensvorschuss entgegenbringt, kann man sich leicht ausmalen, in welchen Fällen es überhaupt zum Streit über die Wirksamkeit der Einwilligung kommen kann: Weltverbesserer, Querköpfe und persönliche Feinde der Eltern schreiten zur Anzeige, weil die achtbaren Motive nur vorgeschützt gewesen seien... VI. Wo bleibt eigentlich das Kind in der ganzen misslichen Affäre? Der Entwurf meint, es bedürfe keines ausdrücklichen Schutzes. Der Vorschlag erfasse nur die Beschneidung von Knaben, die nicht einsichts- und urteilsfähig eben noch nicht in der Lage seien, Wesen, Bedeutung und Tragweite 18 des Eingriffs in ihre körperliche Unversehrtheit zu erfassen. Unterhalb der Schwelle von Einsichts- und Urteilsfähigkeit sei aber jedenfalls der ernsthaft (!) und unmissverständlich (!) zum Ausdruck gebrachte entgegenstehende Kindeswille von den Eltern zu bedenken ( 1626 Abs. 2 Satz 2 und 1631 Abs. 2 BGB). Aha. VII. Zusammenfassend: Der Entwurf lässt nicht erkennen, aus welcher Überlegung heraus das Rechtsgut der körperlichen Integrität der Personensorge weichen soll. Er mag praktisch sein, weil er sich um das Problem drückt, das Kölner Urteil als bloßen Betriebsunfall erscheinen läßt und wieder alles ist wie vorher. Aber mehr leistet er nicht. Was hätte man sich doch Gedanken machen können! Über Zweck, Umfang und Grenzen der elterlichen Sorge, über Religionsfreiheit, über die Verschiedenheit der Rechtsgutsträger, über den Inhalt des Kindeswohls, über die Abwägungskriterien im säkularen Staat und manches mehr. Nichts dergleichen. Wie wir es mit der Religion halten oder mit Traditionen, das wissen wir also immer noch nicht. So kommt es dann zu juristischer Komik von Format: Das Kopftuch in der Schule ist geeignet, den weltanschaulichen Schulfrieden zu stören, aber die Vorhaut ihres Sohnes darf die Lehrerin abschneiden lassen, weil das par ordre de mufti alle möglichen Gründe haben kann; der Eltern Ratschluss ist unerforschlich. «Das positive Gesetz ist in seiner letzten Bestimmtheit baare Willkühr.» 19 In diesem Fall ist das vermutlich gut so: Wir hätten uns sonst wirklich die Zähne ausgebissen. Michael Rosenthal, Karlsruhe Der Autor ist Rechtsanwalt. Er ist Mitglied im Strafrechtsausschuss des Deutschen Anwaltvereins. Sie erreichen den Autor unter der -Adresse autor@anwaltsblatt.de. Cutting Edge oder: Alles zurück auf Null, Rosenthal AnwBl 12 /

44 MN Bücherschau Anwaltsgeschichte und Soziologie Rechtsanwalt Dr. Matthias Kilian, Köln Die Bundesrechtsanwaltsordnung vom 1. August 1959 Sebastian Krusche, Vorgeschichte und Entstehung, Verlag Peter Lang, Frankfurt am Main 2011, 433 S., ISBN , 74,80 Euro 1 Erst bei näherem Nachdenken wird deutlich, dass die Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) mit dem Geburtsjahrgang 1959 zwar für ein Gesetz noch recht jugendlich daherkommt, mit einem Lebensalter von nun über 53 Jahren gleichwohl ein Alter erreicht hat, in dem sie allmählich auch zum Gegenstand rechtshistorischer Forschungen wird immerhin hatte die Rechtsanwaltsordnung (RAO) von 1878 als Vorgängerregelung nur eine geringfügig längere Lebensdauer, bevor sie durch die nationalsozialistisch geprägte RRAO abgelöst wurde. Wer sich mit der Genese der RAO 1878 beschäftigen will, greift üblicherweise zu einer schmalen Dissertation von Vehrenberg aus dem Jahr 1935 und zu dem Materialienband Entstehung und Quellen der Rechtsanwaltsordnung von 1878 von Werner Schubert. Vergleichbare Studien zur BRAO mussten sich bislang auf die natürlich problemlos zugänglichen parlamentarischen Materialien der 1950er Jahre stützen. Eine erste monographische Annäherung ist nun durch Sebastian Krusche erfolgt, dessen Werk Die Bundesrechtsanwaltsordnung vom 1. August 1959: Vorgeschichte und Entstehung im Rahmen eines an der Universität Kiel durchgeführten Dissertationsprojekts entstanden ist. Mit dieser Arbeit schließt sich in gewisser Weise ein Kreis, da der die Dissertation betreuende Doktorvater Werner Schubert war, bis 2001 Ordinarius an der Universität Kiel und Autor des erwähnten Materialienbandes zur Rechtsanwaltsordnung von Auf jeweils rund 50 Seiten skizziert Krusche zunächst die Entwicklung des Anwaltsrechts im Deutschen Reich von 1878 bis 1945 und in der Zeit nach 1945 in den Besatzungsgebieten. Nach einer kurzen Überleitung, die die verfassungsrechtlichen Grundlagen der Verabschiedung der Bundesrechtsanwaltsordnung behandelt, befasst sich Krusche sehr ausführlich auf rund 130 Seiten mit der Entstehung der Bundesrechtsanwaltsordnung in den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Er diskutiert die Rolle der Anwaltskammern bei der Entstehung der BRAO, stellt die ersten Entwürfe durch die Rechtsanwaltschaft vor und berichtet über die seinerzeit abgegebenen Stellungnahmen zum Entwurf einer Bundesrechtsanwaltsordnung durch die von der Arbeitsgemeinschaft der Anwaltskammervorstände im Bundesgebiet, gleichsam der Vorläufer der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK), gebildete Kommission zur Vorbereitung einer Bundesrechtsanwaltsordnung. Nachgezeichnet werden sodann die ersten Arbeiten an einem Entwurf der Bundesregierung im Jahr 1951 und an dem im selben Jahr vorgelegten Entwurf des Bundesjustizministeriums, die Entstehung und der Inhalt des zweiten Entwurfs der Bundesregierung aus dem Jahr 1954 und sein weiteres Schicksal sowie schließlich die Entstehung und parlamentarische Behandlung des dritten und letzten Entwurfs der Bundesregierung aus dem Jahr Nachdem Krusche auf diese Weise die Genese des Gesetzes nachgezeichnet hat, erläutert er noch relativ kurz die von ihm identifizierten Kernfragen der Bundesrechtsanwaltsordnung und ihr weiteres Schicksal, insbesondere die zentralen Regelungen des Zulassungsrechts, zu den Berufspflichten, den Rechtsanwaltskammern, der Berufsgerichtsbarkeit, der Rechtsanwaltschaft beim BGH und der Bundesrechtsanwaltskammer. Ein mehr als 150-seitiger Materialienteil dokumentiert sodann die verschiedenen in den 1950er Jahren vorgelegten und diskutierten Gesetzentwürfe und bietet kurze Biografien von 15 für die Entstehung der Bundesrechtsanwaltsordnung zentralen Persönlichkeiten, von Ernst Benda über Thomas Dehler, Arved Deringer bis hin zum DAV- Ehrenpräsidenten Emil von Sauer. Ohne Zweifel ist die Arbeit für jeden an der Entstehung der Bundesrechtsanwaltsordnung Interessierten ein wichtiges Referenzwerk. 2 Seit der Jahrtausendwende ist eine Vielzahl verdienstvoller Studien zum Schicksal jüdischer Rechtsanwälte im Dritten Reich publiziert worden. Üblicherweise haben diese Studien die Geschichte der Verfolgung der jüdischen Rechtsanwälte in einem Gerichts- bzw. Kammerbezirk nachgezeichnet. Für die OLG- bzw. Kammerbezirke Oldenburg, Berlin, Köln, Hamburg, Naumburg, Hamm, Frankfurt, Celle, Wiesbadens jüdische Juristen Rolf Faber/Karin Rönsch, Leben und Schicksal von 65 jüdischen Rechtsanwälten, Notaren, Richtern, Referendaren, Beamten und Angestellten, Schriften des Stadtarchivs Wiesbaden, Band 11, Wiesbaden 2011, 224 S., ISBN , 16,90 Euro Braunschweig und Kassel sowie für Bayern, das Saarland und Preußen liegen solche Arbeiten vor. Eher selten ist zu diesem Thema bislang eine Betrachtung auf örtlicher Ebene, also gleichsam auf der Mikro-Ebene, vorgenommen worden der Rezensent erinnert sich an Veröffentlichungen zur Geschichte der jüdischen Anwälte etwa in Bochum, Dortmund oder Mainz (hinzuweisen ist an dieser Stelle auf das jüngst erschienene Werk Daten zur jüdischen Geschichte Krefelds, in dieser Chronologie wird im Abschnitt zur NS-Zeit auch das Schicksal der Krefelder Rechtsanwälte jüdischen Glaubens ausführlich dargestellt). Nun erschienen ist das Werk Wiesbadens jüdische Juristen, das Leben und Schicksal von insgesamt 65 jüdischen Juristen aus der hessischen Metropole nachzeichnet. Drei Viertel dieser porträtierten Persönlichkeiten sind, die Verteilung der Juristen auf die juristischen Professionen widerspiegelnd, hierbei Rechtsanwälte. Entstanden ist das Werk als Gemeinschaftsarbeit der Frankfurter Anwaltskollegin Karin Rönsch und des Ministerialbeamten Rolf Faber, der früher als Richter tätig war. Die enge Einbindung der beiden Autoren in die regionale Geschichts- 966 AnwBl 12 / 2012 Anwaltsgeschichte und Soziologie, Kilian

45 MN Bücherschau forschung durch Engagement im Verein für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung und die Kontakte in die Archivlandschaft werden nicht nur durch die sorgfältige Quellenarbeit mit Hilfe zahlreicher Archivalien augenfällig, sondern auch durch die ansprechende Illustration des Werkes. Nach einer der Einordnung der Kurzbiografien dienenden knappen Einführung von Faber zum Schicksal der jüdischen Juristen und der jüdischen Bevölkerung Wiesbadens werden die 65 porträtierten Juristen in unterschiedlichem, sich aus der Quellenlage ergebenden Umfang vorgestellt. Der regionale Zuschnitt der Darstellung erlaubt es, die einzelnen Personen umfangreicher vorzustellen, als dies bei einem weiteren Untersuchungsgegenstand möglich wäre. Soweit die Quellenlage dies zulässt, werden einzelne Persönlichkeiten in einem Umfang von bis zu sechs Druckseiten gewürdigt. 3 Eine interessante Bereicherung der mittlerweile umfangreichen Literatur zur jüdischen Rechtsanwaltschaft ist die von Hans Bergemann verfasste Neuerscheinung Zu Recht wieder Anwalt: Jüdische Rechtsanwälte aus Berlin nach Der ausschließliche Untersuchungsgegenstand oder zumindest der Schwerpunkt der Betrachtungen fast aller bislang erschienen Werke ist das Schicksal jüdischer Rechtsanwälte in der Zeit des Dritten Reichs, auch wenn bei der Schilderung von Einzelschicksalen häufig auch kurze Hinweise zum weiteren Lebensweg der Rechtsanwälte gegeben werden, die die Zu Recht wieder Anwalt Hans Bergemann, Jüdische Rechtsanwälte aus Berlin nach 1945, Verlag Hentrich & Hentrich, Berlin 2012, 312 S., ISBN , 24,90 Euro nationalsozialistische Verfolgung überlebt haben. Die Untersuchung Bergemanns, der wiederholt zum Schicksal jüdischer Juristen geforscht und publiziert hat, beginnt hingegen erst Ihn interessiert, ob und wie entrechtete jüdische Juristen nach dem Ende des Dritten Reichs wieder in den Anwaltsberuf gefunden haben. Das Buch gliedert sich in zwei Teile: Auf den ersten 100 Seiten werden typische Lebenswege kategorisiert und die besonderen Probleme die sie mit sich brachten, zum Teil abstrakt erläutert, zum Teil an Einzelschicksalen exemplifiziert. Bergemann ordnet 349 jüdische Rechtsanwälte, die Gegenstand seiner Studie waren, auf diese Weise in verschiedene Gruppen: Jene verfolgten Anwälte, die nach 1945 ihren Sitz (wieder) in Berlin nahmen, die Teilgruppe der Anwälte, die, ohne wieder Residenz in Berlin bzw. Deutschland zu nehmen, die Wiederzulassung im Kammerbezirk Berlin anstrebten und ehemalige Anwälte, die zwar nach 1945 in Berlin lebten, aber ihre Anwaltstätigkeit nicht wieder aufnahmen. Bergemann stellt im Weiteren eine Gruppe früherer Berliner Anwälte dar, die in Westdeutschland beruflich tätig wurden, sowie Verfolgte, die nach 1945 für die alliierten Behörden, jüdische Organisationen oder in sonstigen Funktionen nach Deutschland zurückkehrten. Ein weiterer Abschnitt befasst sich sodann mit der Rückerstattung und Entschädigung für verfolgte jüdische Anwälte. Im zweiten, über 200seitigen Teil des Werkes werden sodann Einzelschicksale in Form von Kurzbiografien vorgestellt. Eine weitere sehr verdienstvolle Arbeit von Bergemann die mit ihr verbundene Sisyphosarbeit nötigt dem Leser uneingeschränkten Respekt ab. 4 Nachdem die Anwaltschaft unter der Herausgeberschaft des Deutschen Anwaltsvereins im Jahr 2011 mit dem Werk Anwälte und ihre Geschichte eine beeindruckende Historie des Berufsstands in Form eines Vielautorenwerks erstellt hat, liegt nun mit dem von Mathias Schmoeckel und Werner Schubert Handbuch zur Geschichte des deutschen Notariats seit der Reichsnotariatsordnung von 1512 ein ähnlich konzipiertes Werk für das Notariat vor. Anlass für seine von der Bundesnotarkammer unterstützte Entstehung war, dass sich Handbuch zur Geschichte des deutschen Notariats seit der Reichsnotariatsordnung von 1512 Mathias Schmoeckel/Werner Schubert (Hrsg.), Nomos Verlag, Baden-Baden 2012, 786 S., ISBN , 189 Euro im Jahr 2012 der Erlass der Reichsnotariatsordnung durch Kaiser Maximilian I. zum 500. Mal gejährt hat Grund nicht nur, den Notartag an historischer Stätte in Köln zu veranstalten, sondern auch eine Notariatsgeschichte vorzulegen. Die letzte zusammenhängende Geschichte des deutschen Notariats, ein zweibändiges Handbuch von Ferdinand Oesterley, wurde vor 170 Jahren veröffentlicht, so dass die Notarinnen und Notare seit langer Zeit auf eine moderne Aufarbeitung ihrer Historie warten mussten. An ihr haben neunzehn Autoren mitgewirkt, die, anders als bei der jüngst erschienenen Anwaltsgeschichte, ganz überwiegend nicht Berufsträger (bzw. Amtsinhaber) sind, sondern Rechtswissenschaftler. Viele bekannte Rechtshistoriker der Gegenwart finden sich im Autorenverzeichnis, daneben Mitarbeiter des Rheinischen Instituts für Notarrecht in Bonn, das das Forschungsprojekt koordiniert hat. Das Werk gliedert sich in drei Hauptteile: Sieben Beiträge befassen sich mit Fragen rund um das Notariat in Deutschland, d. h. es geht um große Entwicklungslinien wie Entstehung und Wirkung des Reichsnotarordnung von 1512, das Notariat im Kaiserreich, in der Weimarer Republik und im Dritten Reich, in der DDR und im wiedervereinigten Deutschland. Deutlich umfangreicher fällt der zweite Hauptteil aus, der sich mit dem Notariat in den Territorien befasst. Zwölf Beiträge beleuchten die Geschichte des Notariats in verschiedenen Teilen Deutschlands von Schleswig-Holstein bis Württemberg, von der Preußischen Rheinprovinz bis nach Sachsen. In einem kurzen dritten Hauptteil befassen sich zwei Beiträge sodann noch aus historischer Sicht mit der Notarpraxis: Ein Beitrag berichtet über die Geschichte des Beurkundungsrechts, ein weiterer über Herkunft, Bedeutung und Symbolik des Notarsignets. Ein Fazit fällt leicht: Neben der 2007 erschienenen Bibliographie zur Geschichte des Notariats ist das neue Werk Pflichtlektüre für jeden an der Historie des deutschen Notariats Interessierten. 5 In dem 2011 erschienenen, bereits erwähnten Werk Anwälte und ihre Geschichte befassen sich gleich zwei Beiträge von Lampe und von Plottnitz mit der Strafverteidigertätigkeit in den RAF-Prozessen der 1970er Jahre anschaulicher Beleg dafür, dass die Gratwanderung, auf die Anwaltsgeschichte und Soziologie, Kilian AnwBl 12 /

46 MN Bücherschau Der Verteidiger in den Strafprozessen gegen die Rote Armee Fraktion: Andreas Mehlich, Politische Justiz und politische Strafverteidigung im Lichte der Freiheit der Advokatur, Verlag BWV, Berlin 2012, ISBN , 49 Euro. sich seinerzeit sowohl die beteiligten Rechtsanwälte als auch die Justiz begeben mussten, bis heute für Nachdenklichkeit und Faszination zugleich sorgt. Betreut von einem der Koordinatoren der Modernen Anwaltsgeschichte des DAV, Hinrich Rüping, und angestoßen durch dieses Projekt hat sich Andreas Mehlich in seiner Hannoveraner Dissertation Der Verteidiger in den Strafprozessen gegen die Rote Armee Fraktion: Politische Justiz und politische Strafverteidigung im Lichte der Freiheit der Advokatur ausführlich der Thematik gewidmet. Herausgekommen ist ein lesenswertes 300-seitiges Werk. Nach einem einleitenden Abschnitt, in dem Rechtsstellung und Bedeutung des Strafverteidigers im Allgemeinen erörtert werden, arbeitet Mehlich heraus, dass die RAF-Verteidiger sich in der Rolle eines gemischt-öffentlichen Interessenvertreters sahen, der sich von der Organstellung nach 1 BRAO ebenso unterscheidet wie von einem reinen Parteivertreter. Ein Schwerpunkt der Arbeit liegt sodann auf der Klärung der Frage, ob es sich bei den RAF-Prozessen um politische Vefahren gehandelt hat was der Verfasser nach ausführlicher Diskussion der Begrifflichkeit und der hierzu vertretenen Auffassungen bejaht. Die Verteidigungsführung der RAF-Verteidiger qualifiziert er als in Teilen rechtsmissbräuchlich und verteidigungsfremd. Die für die RAF-Verfahren charakteristische Bestellung eines Pflichtverteidigers neben dem Wahlverteidiger stuft Mehlich als ungesetzlich und systemwidrig ein. Der Verfasser prüft und verneint sodann teilweise die Verfassungskonformität strafprozessualer Vorschriften, die als Reaktion auf die RAF-Verfahren in Kraft gesetzt wurden. Die von Mehlich kritisierte Relativierung der Freiheit der Advokatur, die auf dem Gedanken der wehrhaften Demokratie beruhte, führt er auf eine fehlerhafter Argumentation des Gesetzgebers und der Rechtsprechung durch die Kreierung eines übermächtigen Abwägungsguts Aufrechterhaltung einer funktionsfähigen Strafrechtspflege zurück. Die Verteidiger sieht er vor diesem Hintergrund einem von beiden Seiten ausgehenden äußerlichen Druck ausgesetzt an, der eine sach- und funktionsgerechte Verteidigungstätigkeit zu einem Dilemma werden ließ. Dessen Auflösung durch das an den Tag gelegte Verteidigerhandeln hält er, insbesondere auch mit Blick auf die politische Darstellungsebene der Verteidigungstätigkeit, unter rechtlichen Gesichtspunkten für vertretbar. Bücherschau Anwaltschaft in Baden Nach den beiden Klassikern der Anwaltsgeschichte (Adolf Weissler, 1905, und Fritz Ostler, 1971), der von 1945 bis 2009 reichenden Darstellung von Felix Busse und dem 2011 vom Deutschen Anwaltverein herausgegebenen Sammelband Anwälte und ihre Geschichte ist hier eine auf das Land Baden und die Zeitspanne 1864 bis 1945 bezogene Mannheimer Habilitationsschrift der Historikerin Dr. Angela Borgstedt anzuzeigen, eine materialreiche (1.228 Anmerkungen) Darstellung, die der 2003 zur badischen Justizgeschichte erschienenen Festschrift 200 Jahre Badisches Oberhofgericht/Oberlandesgericht Karlsruhe zur Seite gestellt werden kann. Die Autorin ist bereits mit ihrer Dissertation Entnazifizierung in Karlsruhe 1946 bis 1951 (2001), ihrer Geschichte des Karlsruher Anwaltsvereins (in dessen Festschrift 2004) und als Herausgeberin und Mitautorin des Sammelbandes Badische Juristen im Widerstand ( ) aus dem Jahre 2004 hervorgetreten. Der liberalen Badischen Anwaltsordnung von 1864 war nur eine relativ kurze Geltungsdauer beschieden (1878 trat die Reichsrechtsanwaltsordnung in Kraft); schon damals beklagte man die Überfüllung des Berufsstandes und die seit 1879 bis gegen Ende des Ersten Weltkrieges unveränderten Anwaltsgebühren. Schwerpunktmäßig werden die schwierigen Jahre der Weimarer Republik, insbesondere die Schaffung der Badischen Verfassung 1919 unter wesentlicher Mitwirkung des Karlsruher Anwalts Eduard Dietz, die erste Zulassung einer Anwältin in Baden 1927 (Emilie Rebstein- Metzger, Mannheim, zuvor zwei Jahre Anwältin in Stuttgart), sodann der nationalsozialistische Umbruch von 1933 mit der zunehmenden Rechtlosigkeit der jüdischen Anwälte und der Widerstand gegen die NS-Herrschaft behandelt. Die Autorin hat eine Fülle von Quellen und ca. 700 Anwaltsbiografien ausgewertet und schildert auch die soziale und wirtschaftliche Lage, die Kollegialität und Solidarität, aber auch die Konkurrenzthematik, sowie schließlich die Existenzvernichtungen nach Der soziologische Ansatz ist für den juristischen Leser ungewöhnlich, einerseits Historie, andererseits Soziologie. Die Konzentration auf die Geschichte, die man schon mit 1848/1849 hätte beginnen (Friedrich Hecker und Gustav Struve waren Anwälte in Mannheim) und mit der Gründung des Südweststaates Baden-Württemberg 1952 hätte beenden können, wäre für den anwaltlichen Leserkreis vorzuziehen gewesen. Damit soll der Material- und Detailreichtum des Werkes nicht gering geschätzt werden. Rechtsanwalt Dr. Karl Zippelius, Karlsruhe Dr. Matthias Kilian, Köln Der Autor ist Rechtsanwalt und Direktor des Soldan Instituts. Sie erreichen den Autor unter der -Adresse autor@anwaltsblatt.de. Badische Anwaltschaft und sozioprofessionelles Milieu in Monarchie, Republik und totalitärer Diktatur Angela Borgstedt Gesellschaft für Kulturhistorische Dokumentation, Karlsruhe 2012, 416 S., geb.; Heft 25 der Schriftenreihe des Rechtshistorischen Museums Karlsruhe ,00 Euro 968 AnwBl 12 / 2012 Anwaltsgeschichte und Soziologie, Kilian

47 MN Magazin 970 Wer zum Teufel braucht noch Literatur? Rechtsanwalt Georg M. Oswald, München Wer jetzt nicht Ich ruft, sollte wenigstens am Ende des Essays die beiden Miniaturtexte lesen. Wer dann wissen will, wie ein Anwalt so schreiben kann: Bitte alles lesen. Man kann aber auch gleich loslegen. Es lohnt sich. Georg M. Oswald verrät, was ihn zum Schriftsteller werden ließ. 976 Im Schönfelder gibt s das Wort Gerechtigkeit nicht Anwaltsblattgespräch von Benno Heussen mit Herbert Rosendorfer Im September ist der Schriftsteller und ehemalige Richter Herbert Rosendorfer verstorben. Im Frühjahr hatte Benno Heussen noch mit ihm ein Anwaltsblattgespräch geführt. Es geht um das Schreiben, die Juristerei, die Kunst und was im Leben zählt. Ein schöner Gruß nach hinten. 978 Deutscher Anwaltverein und Menschenrechte Rechtsanwalt Dr. Friedwald Lübbert, Bonn Mandanten haben Menschenrechte und natürlich auch ihre Anwälte. Wer, wenn nicht ein starker Anwaltverein, sollte sich sonst für diese Rechte engagieren? Ein Kommentar des Vorsitzenden des DAV-Menschenrechtsausschusses. 980 AGB-Recht im B2B-Verkehr: Alles nur ein Schaulaufen? Dr. Helene Bubrowski, Berlin Das AGB-Recht im unternehmerischen Rechtsverkehr hat Anwälte im Jahr 2012 umgetrieben und der Deutsche Juristentag hat eine Reform gefordert. Und was passiert? Nicht viel. Das Bundesjustizministerium weiß nicht, was es glauben will. Eine Zwischenbilanz, die das Zeug zur Schlussbilanz hat.

48 AnwaltsBlatt Magazin RZ:RZ :04 Uhr Seite 970 Essay Wer zum Teufel braucht noch Literatur? Vom kunstvollen Gebrauch der Sprache im Spannungsfeld zwischen Literatur und Recht Rechtsanwalt Georg M. Oswald, München

49 Essay Die Kunst Anwalt zu sein stand im Juni im Mittelpunkt des 63. Deutschen Anwaltstag. Der Berufsrechtsausschuss hatte den Rechtsanwalt und Schriftsteller Georg M. Oswald aus München eingeladen. Seinen Essay über Literatur und Recht, der am Ende in zwei Miniaturtexten kulminiert, veröffentlicht das Anwaltsblatt zum Jahresende. Auf dem Deutschen Anwaltstag spreche ich hier unter der Überschrift Berufsrecht zu Ihnen über einen Beruf, den es so eigentlich gar nicht gibt, nämlich den des Schriftstellers und Juristen, manchmal für meinen Geschmack etwas zu feierlich Dichterjurist genannt. Dichterjurist kann man nicht studieren. Wer Ambitionen in diese Richtung hat, behält sie besser für sich. Nachdem es kein Dichterjuristenvergütungsgesetz gibt, scheint die Sache auch nicht sonderlich einträglich zu sein, warum also darüber reden? I. Die Arbeit des Juristen besteht darin, an Hand der geltenden Gesetze zu überprüfen, was Recht ist und was nicht. In Literatur und Philosophie hingegen wird die Frage gestellt, was Recht sein sollte und was nicht. Sich mit jener zweiten Frage zu befassen ist in der juristischen Praxis meist nicht notwendig und wird von manchen sogar als schädlich empfunden. Gerade diese Frage ist es aber, die mich, seit ich ihr begegnet bin, stets besonders interessiert hat. Stellen Sie sich vor, Sie studieren an einer guten, wenn nicht sogar einer der besten juristischen Universitäten Deutschlands: Ihr Weg ist vorgezeichnet. Selbst, wenn Sie sich im er- U sten Semester befinden, werden Sie schon bald Ihre Examina ablegen, denn die hervorragende Ausbildung, die Sie genießen, bringt Sie zügig und sicher zu einem weit überdurchschnittlichen Ergebnis, das der Grundstein für Ihre spätere L Karriere sein wird, die Sie in internationalen Anwaltskanzleien, Unternehmen und Institutionen beginnen werden. Sie werden die raue Luft des Wettbewerbs kennen lernen, der, anders als an der Universität, unmittelbarer, persönlicher sein wird. Alltäglich wird für Sie die Frage sein: Wir oder sie? Er oder ich? Das ist bedrohlich und gerade deshalb begeisternd, denn, wie Sie bald herausfinden werden, sind Sie für diese Art von Auseinandersetzungen besser vorbereitet als Ihre Gegner. Es macht Ihnen Freude zu gewinnen, und allmählich meinen Sie zu begreifen, dass diese Art erfolgreich zu sein, einen Teil Ihres Wesens, Ihres Charakters ausmacht. Sie werden Ihre Großzügigkeit entdecken, allerdings nur gegenüber Menschen, die Ihnen nicht gefährlich werden können und auch keine Anstalten dazu machen. Ihr Erfolg wird Früchte tragen. Sie werden Geld haben, viel Geld. In einer materiellen Gesellschaft ist das gewiss kein Nachteil, es ist, um genau zu sein, das Einzige, was einem in unserer Zeit dauerhaften und zuverlässigen Schutz verschafft. Deshalb ist es nur natürlich, dass Sie auf jemanden treffen werden, der Sie heiraten und mit Ihnen Kinder haben will. So wird es kommen, und Ihre Kinder werden sich in der Schule gut machen, denn sie genießen die emotionale und intellektuelle Aufmerksamkeit, die sie brauchen, um sich positiv zu entwickeln, und beinahe zwangsläufig landen sie nach dem Abitur auf einer der besten juristischen Universitäten Deutschlands zum Studieren. Ihr Weg ist vorgezeichnet. Ihre Perspektiven sind glänzend. Wer zum Teufel braucht da noch Literatur? Nur derjenige, der sich dafür interessiert. Nur derjenige, dem die Literatur hilft, Fragen, wenn nicht zu beantworten, so doch zumindest auszuhalten, die über die, zugegebenermaßen glänzende, praktische Lebensbewältigung unserer eben entworfenen Juristendynastie hinausgehen. Nicht jedermann interessiert sich für diese Fragen und im engeren Sinn hat man auch nichts davon, sich mit ihnen zu beschäftigen. Sie müssen also entschuldigen, falls ich in berufsrechtlicher Hinsicht nichts Sinnvolles beizutragen haben sollte, ich kann Ihnen nur etwas über einige Juristen erzählen, die schreiben. Einer von ihnen bin ich.. L II. Für die meisten klingt die Formulierung im Spannungsfeld zwischen Literatur und Recht wahrscheinlich ziemlich abstrakt. Ich möchte Ihnen im folgenden einige konkrete Aspekte vorführen, wie die Sphäre des Rechts zumindest meine Arbeit als Schriftsteller beeinflusst. Das klingt einfacher als es ist, denn eigentlich weiß ein Schriftsteller nicht genau, was ihn beeinflusst. Ich werde deshalb auch einige Textbeispiele vorlesen und Ihrem eigenen Urteil überlassen, was Sie darin wieder finden und was nicht. AnwBl 12 /

50 Essay Zur Person Georg M. Oswald Georg M. Oswald ist erfolgreicher Anwalt. Und er ist ein erfolgreicher Schriftsteller. Er veröffentlichte Romane und Erzählungen (am bekanntesten: Alles was zählt, inzwischen als Taschenbuch bei rororo erschienen) oft mit juristischem Hintergrund. Und er schreibt regelmäßig die Kolumne Wie war dein Tag, Schatz? für die Sonnabend-Ausgabe der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Die Liste seiner Literaturpreise ist beeindruckend. Sein neuer Roman Unter Feinden ist Anfang des Jahres beim Piper Verlag erschienen und spielt in München. Er kennt die Stadt gut, denn es ist seine Geburtsstadt. Unter Juristen ist recht einfach Einigkeit darüber herzustellen, dass ein möglichst genauer Sprachgebrauch bei der Berufsausübung von Vorteil sei. Allerdings ist jedem Juristen das Paradoxon bekannt, wonach eben jenes Streben nach sprachlicher Genauigkeit immer mehr Unschärfen produziert. Von der Kunst, richtig und gut zu formulieren, hängt in der Juristerei vieles ab, doch dies allein erklärt nur die Notwendigkeit eines gewissen sprachlichen Geschicks, das nicht literarisch ist. In das Spannungsfeld von Literatur und Recht gerät man erst, sobald man das Recht und was es sei, selbst befragt. Die Arbeit des Juristen besteht darin, an Hand der geltenden Gesetze zu überprüfen, was Recht ist und was nicht. In Literatur und Philosophie hingegen wird die Frage gestellt, was Recht sein sollte und was nicht. Sich mit jener zweiten Frage zu befassen ist in der juristischen Praxis meist nicht notwendig und wird von manchen sogar als schädlich empfunden. Gerade diese Frage ist es aber, die mich, seit ich ihr begegnet bin, stets besonders interessiert hat. Dennoch: Dass ich Jura studiert habe, einen juristischen Beruf ausübe und Schriftsteller geworden bin, folgte keinem literarisch-juristischen Masterplan, den ich mit zwölf Jahren erdacht hätte und seither unbeirrt in die Tat umsetzte. Es ist nur so, dass, aus den genannten Gründen, Literatur und Recht für mich immer eng zusammen gehörten. Mein Eindruck ist sogar: Sie machen einander erst gegenseitig möglich. Über Rechtsfragen machte ich mir zum ersten Mal Gedanken bei der Beschäftigung mit literarischen Texten. Das ist nichts Besonderes, das tun wir alle schon als Kleinkinder, wenn wir Max und Moritz lesen oder Grimms oder Andersens Märchen. Von der Antike bis in die Gegenwart handeln beinahe alle Dramen, Epen und Gedichte von Themen, welche die Sphäre des Rechts berühren. Der eine ist empfänglicher für diese Geschichten, der andere weniger. Für mich wurden sie bald existenziell. DAS SCHLO III. Ich erinnere mich an das Gefühl, das mich bei meinen ersten Lektüren von Franz Kafkas Texten begleitete, insbesondere seiner Tagebücher. Wie konnte es sein, dass ein mir gänzlich fremder Mensch aus einer anderen Zeit eine Weltperspektive formulierte, die sich für mich beinahe vertrauter anfühlte als meine eigene? Ich verstand damals längst nicht alles was Kafka schrieb. Aber das war auch nicht nötig. Es ging um den Ton seiner Prosa, um ihre Musik. Franz Kafka hatte in Prag Jura studiert und anschließend bis kurz vor seinem frühen Tod als Versicherungsjurist in einer Unfallversicherung gearbeitet. Er veröffentlichte in juristischen Fachzeitschriften mehrere Artikel zu unfallversicherungsrechtlichen Fragen. Seine Amtliche Schriften versammeln darüber hinaus weitere Texte, die er aus dienstlichen Anlässen im Büro verfasst hatte. Als vor zwanzig Jahren diese Amtliche Schriften erstmals in Buchform erschienen, wurde deutlich, wie viel seine literarische Prosa seiner juristischen verdankte. Kafka hat die Sprache der Ämter, die sich zur Ausstellung ihrer Autorität der Terminologie des Rechts bedient, zu einer Sprache der Dichtung gemacht. Der Brief an den Vater ist auch ein Ermittlungsbericht, der Process auch eine bodenlos ironische Klageschrift, das Schloss auch eine ins Phantastische ausufernde Verwaltungsrichtlinie. An Kafkas Prosa bezaubert, dass er die juristische Sprache auch im umgangssprachlichen Sinn poetisiert hat, er hat sie schön gemacht, er war ein begnadeter Stilist. Eine Tatsache, die in schroffem Gegensatz zu seiner Selbstinszenierung als Schriftsteller steht, der, unter Missachtung des väterlichen Verbots, im Verborgenen schrieb. IV. I Dieser Aspekt des Schreibens im Verborgenen hat mich immer sehr fasziniert: Deshalb leuchtete mir auch sehr ein, was ich, noch als Schüler in einem Interview mit Peter Handke gelesen hatte, nämlich, dass auch er nach der Matura ein Jus- Studium aufgenommen hatte, allerdings nicht, um Jurist zu werden, sondern um im Schutz eines unverdächtigen Studiums möglichst lange ungestört schreiben zu können die österreichische Prüfungsordnung sah keine oder keine allzu ernst zu nehmende Zwischenprüfung vor. Zu meiner Freude 972 AnwBl 12 / 2012

51 Essay erfuhr ich von einem mit der Familie befreundeten Anwalt, dass man auch in Deutschland sieben Semester lang ohne großen Aufwand behaglich Schein um Schein sammeln konnte, um sich anschließend in einem privaten Repetitorium das Examenswissen einpauken zu lassen. V. Ein anderer Schriftsteller, der die juristische mit der literarischen Sphäre in Verbindung brachte, war der Büchnerpreisträger Albert Drach. Auch er praktizierte als Jurist und wie Kafka hat er sich der juristischen Sprache bedient, um sie für die Literatur fruchtbar zu machen, doch was bei Kafka Parabel wird, gerät bei Drach zum Protokoll. So heißen auch bereits die ersten Erzählungen, die er als Mittzwanziger veröffentlicht, Kleine Protokolle. Von Anfang an ist das Unmenschliche der einzige Gegenstand seiner Literatur. Albert Drach weiß sich der Sprache als Herrschaftsinstrument virtuos zu bedienen. Er weiß einer vermeintlichen Rationalität gemäß zu formulieren, die auch noch die größten Ungeheuerlichkeiten vernünftig erscheinen lässt. Aber er ist ein Abtrünniger, denn er richtet die Waffe, die er zu gebrauchen gelernt hat, gegen ihre Erfinder. Was dabei entsteht ist erhellend, erkenntnisreich, aberwitzig, komisch auch aber schön, im Sinne von gefällig ist es nicht. Er verschreckt die Leserschaft, seinen Zynismus findet sie zuweilen verstörend, gar empörend. Zwar leidet er unter der mangelnden Anerkennung durch das Publikum, an seiner Haltung ändert das nichts. Er paktiert nicht mit den bestehenden Verhältnissen. Albert Drachs Literatur lernte ich als Rechtsreferendar noch besser zu verstehen. In der Bibliothek der Staatsanwaltschaft München I recherchierte ich für meine Ausbildungsrichterin, und wenn ich damit fertig war, blieb ich sitzen und schrieb. Das Loch, eine fünfseitige Kurzgeschichte, in der ein alter Nazi am Ende des Krieges aus Angst vor den herannahenden Amerikanern seine SA-Uniform vergräbt, die Geschichte des Karl-May-Onkels stand Pate. Ein Brief an Doktor Bärbinder, ein verbohrt-komplizierter Beschwerdebrief eines Mannes an seinen Hausarzt, der über die Beschreibung seines Nierenleidens in eine ausufernde Beschimpfung sämtlicher Familienmitglieder hineingeriet. Zu dieser Geschichte hatte mich eine neue Textgattung inspiriert, die ich eben erst kennen gelernt hatte: von Laien formulierte Schriftstücke in juristischen Akten, in denen sie versuchten, einen juristischen, amtlichen, irgendwie offiziösen Tonfall anzuschlagen. Die verbissene Aufgeregtheit in vielen dieser Texte schien mir ideal, um meinen Briefschreiber zu charakterisieren. In Albert Drach hatte ich dafür bereits ein virtuoses Vorbild entdeckt. So schien es mir nahe zu liegen, auch für meinen ersten Roman Lichtenbergs Fall eine Art Protokollstil zu wählen. Bei Carl Lichtenberg, der Hauptfigur des Romans, handelt es sich um einen in Haft befindlichen mutmaßlichen Mörder. Er, ein brillianter, junger Karrierejurist hat sich verspekuliert, und nun steht er im Verdacht seine Schwiegermutter umgebracht zu haben. In seiner romanlangen Aussage erklärt er sich. Er tut das scheinbar in der Absicht, sich zu verteidigen, doch die von einem Protokollführer in indirekter Rede aufgezeichnete Aussage Lichtenbergs ist im Grunde ein Geständnis. Lichtenberg muss keine Rücksichten mehr nehmen und darf deshalb in aller Offenheit vom Leder ziehen und das tut er nicht zu knapp. Vom ! VI. Die vorbehaltlose Beschäftigung mit der juristischen Materie war mir nie möglich, ohne immer auch nach denjenigen Verhältnissen und Beziehungen zu fragen, die das Recht auf so zuweilen lächerlich halsstarrige Weise auszublenden versucht, und an eben dieser Stelle wurde Jura, die Sprache des Rechts, das Recht selbst ein Gegenstand meiner literarischen Arbeit: Die im ersten Semester bei Professor Habenschaden gelernte Frage Wer will was von wem? auf die Rechtsanwender selbst zu richten, ist der Stoff meines Romans Vom Geist der Gesetze. Wie ergiebig der Stoff ist, sieht man daran, dass es mein bisher umfangreichstes Buch wurde. AnwBl 12 /

52 Essay In juristischen Klausurenkursen hört man manchmal den Satz Mit einer guten Begründung lässt sich auch die gegenteilige Auffassung vertreten. Bedeutet das in der Praxis nicht, dass sich mit einer guten Begründung schlichtweg alles vertreten lässt? Und ist damit nicht jeder Willkür Tür und Tor geöffnet? Oder beginnt hier eigentlich erst die Arbeit des guten Juristen? Die Juristerei als exakte Wissenschaft ist wohl nicht mehr als ein frommer, vielleicht sogar unfrommer Wunsch. Nein, in diesem Fach steht beinahe alles zur Diskussion, das macht es so spannend, aber auch so angreifbar, für den Schriftsteller aber vor allem: so fruchtbar, wenn er sich für das Leben in Gesellschaft interessiert, was ich tue. Ich betrachte meine juristische Ausbildung und Praxis deshalb als Voraussetzung meiner literarischen Arbeit, und zwar nicht in dem platten Sinn, dass mir die Arbeit als Anwalt die Geschichten liefere, die ich dann aufschriebe, sondern als eine Lesart der Welt, die mir immer dann als die dem Menschen würdigste erscheint, wenn sie auf Erkenntnis setzt, auf die Möglichkeit des Verstehens, der Vernunft. Von manchen Kritikern werde ich deshalb gerne als politischer Autor gesehen, ich meide dieses Adjektiv, da es impliziert, ich verfolgte eine bestimmte Richtung oder Tendenz, was ich nicht tue. Mein Interesse gilt der Beobachtung und Beschreibung von Zuständen, und wie diese Zustände das gesellschaftliche und private Handeln bedingen und vice versa das Handeln die Zustände. In meinen jüngsten Romanen Vom Geist der Gesetze und Unter Feinden erzähle ich davon. VII. In der kurzen Form lässt sich das Berufsleben hingegen pointierter beleuchten, auch jenes der Juristen. Wenn ich mir früher vorstellte, später einmal in einem Büro zu arbeiten, konnte ich es immer nur, wenn ich mir dazu mein geheimes, nächtliches Leben am Schreibtisch dazuträumte. Die Tagebücher Franz Kafkas, das Buch der Unruhe Fernando Pessoas, der Roman Das kurze Leben von Juan Carlos Onetti geben jeweils auf ganz unterschiedliche Weise Zeugnis von den phantastischen Zuständen, die wir in Büros antreffen. In der Kolumne Wie war dein Tag, Schatz? in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung versuche ich nun selbst allwöchentlich, das eine oder andere Schlaglicht darauf zu werfen. Manchmal spielen dabei auch Juristen eine Rolle. Zum Beispiel hier: Als er seinen Kontostand überprüfte, war Honich verblüfft. Seit einem dreiviertel Jahr verdiente er nun ein Gehalt, um das ihn neunundneunzig Prozent aller Berufsanfänger beneiden mussten und das für soundsoviele Angestellte in diesem Land immer ein unerreichbarer Traum bleiben würde und am Ende des Monats war sein Guthaben trotzdem allenfalls zweistellig. Dabei hatte sich Honich in den letzten fünf Jahren nichts geschenkt und er schenkte sich auch jetzt nichts. An den Universitäten im In- und Ausland hatte er in Hörsälen und Bibliotheken Extraschichten geschoben, als andere sich schon längst im Schwimmbad vergnügten. Ergebnis: Aus einem einfachen Honich entpuppte sich ein Rechtsanwalt Dr. Honich LLM, der sich erfolgreich bei Pingel & Partner bewarb, laut Ranking einer der fünf begehrtesten Arbeitgeber für Juristen in Deutschland. Einstiegsgehalt: neuntausend Euro im Monat. Kein Zweifel, Honich hatte es sich verdient. Wer aber nun dachte, er sei reich, oder auf dem besten Weg es zu werden, täuschte sich. Mit dem Gehalt waren, unweigerlich, auch seine Ausgaben gestiegen. Die Hälfte seines Gehalts fraßen Steuer und Sozialabgaben. Eine standesgemäße Wohnung war ein Muss, aber teuer. Anzüge von der Stange wurden bei Pingel & Partner sofort als solche erkannt und belächelt, gingen also nicht, als Auto kam natürlich kein kleiner Wagen in Frage sondern nur ein großer, die Leasingraten hatten es in sich. Honich saß von morgens neun Uhr bis nachts um elf in seinem Büro, auch samstags, zum Saubermachen zuhause blieb da keine Zeit, also leistete er sich eine Putzfrau, deren Stundenlohn, wie er sich zurechtdividierte, kaum unter seinem eigenen lag. Und wenn er sich nun mal eine tolle Uhr kaufen wollte? Oder demnächst einmal eine Immobilie? Hatten am Ende die Typen recht behalten, die lieber ins Schwimmbad gegangen 974 AnwBl 12 / 2012

53 Essay waren als in die Bibliothek? Einer von diesen war ihm immer ganz sympathisch gewesen: Quast. Er rief ihn an, verabredete sich auf ein Bier mit ihm und schilderte ihm frustriert seine Lage. Und das Schlimmste ist: Falls ich bei all der Arbeiterei jemals eine Frau finden sollte, wäre der Euro nur noch die Hälfte wert. Quast war verheiratet, sie hatten ein Kind, er war Alleinverdiener und froh, mit durchschnittlichen Noten eine Stelle in einer mittleren Kanzlei bekommen zu haben. Anfangsgehalt: dreitausend Euro. Ich muss mit dreitausend Brutto, von denen mir zwei netto bleiben, drei Leute durchbringen in einer Stadt, in der eine Dreizimmerwohnung tausend Euro kostet. Mit Verlaub, Honich, du hast sie doch nicht mehr alle! Honich wurde nachdenklich. Als die Rechnung kam, sagte er: Ich zahle für uns beide. Nie im Leben! erwiderte Quast, knallte einen Zehner auf den Tisch und rief: Ich lade dich ein. Dieses Elend kann man ja nicht mit ansehen! Oder hier: High Five Ich habe Jura studiert, weil. ich was Vernünftiges lernen wollte. Ich bin Anwalt geworden, weil. ich keinen Chef haben wollte. Ich bin in zehn Jahren noch Anwalt, weil. es im wahrsten Sinn des Wortes ein freier Beruf ist. Mit Jura kann man besser verstehen, wie unsere Gesellschaft tickt. Ein Tipp für den Start in den Beruf.. folgen Sie Ihren Neigungen, nicht dem, was man angeblich tun muss. Fragen und Antworten sind im November 2012 zuerst in Anwaltsblatt Karriere im Schlussplädoyer veröffentlicht worden. Hach war der Witzeerzähler in der Abteilung. Niemand wusste, ob er sich für einen guten Witzeerzähler hielt, denn manchmal zerpflückte er seine Pointen mit zahllosen Ähs und Fragen wie Moment, wie ging der noch gleich? Was habe ich gerade gesagt? Nein, anders herum. Oder? Meist aber fühlte er sich in Form, und selbst, wenn gerade wichtige Entscheidungen anstanden und sämtliche Kollegen mit ernsthafter Arbeit beschäftigt waren, schonte Hach weder sich noch sie und zündete ein Humorfeuerwerk nach dem anderen. Als er Frau Krepp im Gang begegnete, hielt er sie an. Morgen Frau Krepp, kennen Sie den? Chef, mein Gehalt steht in keinem Verhältnis zu meinen Leistungen. Stimmt, äh, sagen wir, der heißt Hepp. Stimmt also, Herr Hepp, aber wir können Sie doch nicht verhungern lassen! Während Frau Krepp gequält lächelte, warf Hach die Hände in die Luft und schüttete sich aus vor Lachen. Hach traf im Lift auf zwei Juristen aus der Rechtsabteilung. Kennen Sie den? Wer, brüllt der Chef seine Mitarbeiterin an, hat Ihnen eigentlich gesagt, dass Sie hier den ganzen Tag faulenzen können, nur, weil ich Sie ein paar Mal geküsst habe? Mein Anwalt! Die Juristen verzogen die Gesichter als hätten sie Zahnschmerzen, nickten ihm aber dennoch scheinbar dankbar zu und sagten: Köstlich, ganz köstlich. Hach bekam mit, dass Wiech heute früher gehen wollte. Herr Wiech, da hab ich einen für Sie: Chef, darf ich heute zwei Stunden früher Schluss machen? Meine Frau will mit mir einkaufen gehen. Kommt ja überhaupt nicht in Frage! Vielen Dank, Chef, ich wusste, Sie würden mich nicht im Stich lassen. Er kam in seinem Büro an. Frau Schmidt erwartete ihn. Morgen, Frau Schmidt. Kennen Sie den? Hast Du gehört? Unser Chef ist gestorben. Ja, und ich frage mich die ganze Zeit, wer da mit ihm gestorben ist. Wieso mit ihm? Na, in der Anzeige stand doch: Mit ihm starb einer unserer fähigsten Mitarbeiter... Sie lachten beide gespielt. Und? Kannten Sie den?, fragte Hach. Ja, Sie haben ihn mir schon oft erzählt. Zuletzt gestern. Muss das eigentlich wirklich sein? Hach wurde schlagartig ernst. Gute Frage, Frau Schmidt. Ja, es muss sein. Meine Position als Chef erfordert das. Solange die Leute über meine schlechten Witze lachen, respektieren sie die Hierarchie. In der sozialen Gruppe herrscht Frieden und Stabilität, und der Fortbestand der Art ist gesichert. Dann hellte seine Miene wieder auf. Frau Schmidt, ich hab da einen für Sie. In Frau Schmidts Gesicht stand erwartungsvolle Neugier. Herzlichen Dank für s Zuhören. Georg M. Oswald, München Der Autor ist Rechtsanwalt und Schriftsteller. Sie erreichen den Autor unter der -Adresse autor@anwaltsblatt.de. AnwBl 12 /

54 MN Anwaltsblattgespräch Im Schönfelder gibt s das Wort Gerechtigkeit nicht Ein Interview von Benno Heussen mit dem Schriftsteller und ehemaligen Richter Herbert Rosendorfer, der im September 2012 verstorben ist Zur Person Persönliche Erinnerungen an Herbert Rosendorfer Benno Heussen erinnert an den Schriftsteller, der auch als Richter mit seinen Urteilen Profil gezeigt hat: Herbert Rosendorfer, Richter am Amtsgericht München ab 1967, dann 4. Zivilsenat Oberlandesgericht Naumburg ( ), geboren 1934 in Bozen, wo er ab 1997 wieder lebte, ist im September 2012 verstorben. Er wuchs in Kitzbühel auf (Autobiografisches, Kindheit in Kitzbühel 1998). Abitur in München, ein Jahr an der Akademie der Bildenden Künste (sein zeichnerisches Werk ist unter zu finden), dann Jurastudium und Staatsanwaltschaft Bayreuth (Bayreuth für Anfänger, 1969). Kleine Musikwerke entstehen (Brangäne oder die Hochzeitsnacht, CD Preiser). Vergleiche mit dem preußischen Kammergerichtsrat E.T.A Hoffmann ( ) drängen sich auf, der auch als Kapellmeister und Schriftsteller einen Namen hatte. Unter den zahlreichen Büchern Rosendorfers, die er neben seinem Dienst schrieb, ist unter Juristen der Roman Ballmanns Leiden oder Lehrbuch für Konkursrecht (1981) besonders bekannt: da werden Leben und Arbeit eines Konkursrichters ironisch beleuchtet. Überragend ist der Erfolg der Briefe in die chinesische Vergangenheit (1983) mit einer Millionenauflage und vielen Übersetzungen. Eine sechsbändige Deutsche Geschichte, im Plauderton erzählt, folgt zwischen 1998 und Er wird Professor für Bayrische Literaturgeschichte an der Universität München, Mitglied der Bayerischen Akademie der Schönen Künste und der Akademie der Wissenschaften und Literatur in Mainz, erhielt viele Literaturpreise, Orden und Ehrenzeichen. Ich bin Herbert Rosendorfer als Anwalt in München immer wieder begegnet. Er hatte ein verkehrsrechtliches Erinnern Sie sich noch an den Aufruhr, den ihre unkonventionellen Urteile gelegentlich verursacht haben? Ehrlich gesagt das ist alles so lange her. Was ich da geschrieben hab, ist ganz spontan entstanden, weil solche Probleme hatte ich jeden Tag auf dem Tisch. Das sind ja hunderte von Akten jedes Jahr in so einem Dezernat. Mir hat geholfen, dass mein Gedächtnis wie eine Art Arbeitsspeicher funktioniert: Ich hab nur die Namen auf dem Aktendeckel anschauen müssen, dann wusste ich, was drin ist und wenn der Fall fertig war, hab ich ihn gleich vergessen. Die Fälle kommen selten zurück, denn man wird ja gar nicht so oft von den höheren Instanzen aufgehoben, wie die Leute denken. Die haben ihr Bild vom Richter aus dem Fernsehen. Dieser ständige Kampf mit den Parteien das hab ich immer versucht zu vermeiden. Möglichst keine Naturalparteien, die reden nur daher, aber entscheiden muss ich s am Ende ja doch. Aber in Naumburg haben sie doch beim Oberlandesgericht bestimmt nicht so arbeiten können? Da hatten wir teilweise die Kostenbeschwerden, von den Parteien ist da nichts zu sehen. Eigentlich nicht uninteressant, das Kostenrecht. Lästig ist das Rechnen schon, aber dann auf einmal geht s doch um die Gerechtigkeit. Da müssen Sie als Richter durch, egal was die Kommentare sagen. Wir hatten einmal den Fall, in dem ein Anwalt unverschuldet eine Frist versäumt hat und jetzt wollte er die Kosten für die unterlassene Maßnahmen ersetzt erhalten. Ich fand das richtig. Der Gesetzeswortlaut ist eher dagegen. Aber wie Sie wissen: Im Schönfelder gibt s das Wort Gerechtigkeit nicht, das müsste irgendwo zwischen»geräusche«und»gericht«stehen da finden Sie aber nichts. Gerechtigkeit hat mehr mit der juristischen Fantasie zu tun, als mit der juristischen Dogmatik. Deshalb hab ich meinen Kollegen gesagt: anders wär s ja ungerecht und sie haben zugestimmt. Gerechtigkeit als Fairness oder als Chance: Geht es um Inhalte oder um Möglichkeiten? Die Inhalte muss das Gesetz festlegen, aber das geht nur in einer bestimmten Bandbreite, und was ein gerechtes Ergebnis ist, weiß nicht einmal der, der das Urteil schreibt, weil er ja vielleicht den ganz falschen Sachverhalt hat. Haben Sie ein bestimmtes Bild von Anwälten, denen sie begegnet sind? Erinnern Sie sich an einzelne? Den Staranwälten bin ich nicht begegnet, aber zwei Typen kann man glasklar voneinander unterscheiden: die Genies und die Peniblen. Die Peniblen erkennt man leicht daran, dass ihre Schriftsätze sauber aussehen und keine ausgefransten Ränder haben. Bei den Genies ist das oft ein Wortsalat, aber irgendwo mittendrin steht der entscheidende Gedanke man muss ihn bloß finden und oft wissen nicht einmal die Genies, wo er steht. Ihr erster Roman hat den interessanten Titel»Der Ruinenbaumeister«(1969). Ich dachte, das ist ein Bild für die Juristen, die nie die Chance haben, das Gebäude des Rechts zu vollenden. Im Buch steht nichts davon. Nicht einmal im Subtext. Auslegen können Sie alles. Aber ich hab konkret die Kunstruine im Nymphenburger Park gemeint. Wenn ich die Liste ihrer literarischen Werke ansehe, wird mir fast schwindlig, so viele Titel stehen da. Es gibt ja eine ganze Reihe Schriftsteller, die eine juristische Ausbildung haben und einige, die den Beruf auch ausübten. Sie selbst haben zu 976 AnwBl 12 / 2012

55 MN Anwaltsblattgespräch Kafka, wie zu Goethe geschrieben. Wie entsteht ein solches Werk neben der regulären Arbeit? Ich hab zu viel geschrieben, das sagt mir ein jeder. Es gibt ja auch Theaterstücke, von Drehbüchern ganz zu schweigen. Dezernat. Zwei seiner Urteile haben Aufsehen erregt. In dem ersten erklärte er, die Insassen eines Unfallfahrzeugs könnten unter gar keinen Umständen die Wahrheit sagen: Das Gericht hat noch nie erlebt, daß jemals ein Fahrer, der als Zeuge oder Partei vernommen wurde, eigenes Fehlverhalten eingeräumt oder zugestanden hätte. Wenn dies einmal tatsächlich passieren sollte, dann müßte man schlicht und einfach von einem Wunder sprechen. Wunder kommen aber in der Regel nur in Lourdes vor, wenn beispielsweise ein Blinder wieder sehen kann oder ein Lahmer wieder gehen kann, oder aber in Fatima, wenn sich während der Papstmesse eine weiße Taube auf den Kopf des Papstes setzt... (AG Mün- chen NJW 1987, 1425). Hans Putzo, der berühmte Kommentator der Zivilprozessordnung, war entsetzt. Er kommentierte das Urteil unter Hinweis auf zwei Urteile aus Köln (AG Köln NJW 1986 und LG Köln NJW 1987, 1421, die im Karnevalston abgefasst worden waren): WasdasUrteildesAG München angeht, muß ich in meiner Eigenschaft als Bayer mit Bedauern feststellen, daß es sich nicht einmal in den Grenzen des gewöhnlichen Geschmacks hält. Den großen Aufruhr, derdannfolgte,hättemansichsparen können, denn jüngere Forschungen zur Psychologie der Zeugenaussage belegen genau das, was Rosendorfer intuitiv gespürt hatte (Foerste, Parteilichkeit von Zeugen, NJW 2001,321). Das zweite Urteil erging zu der Frage, ob jemand, der sein Fahrzeug nicht reparieren lässt, gleichwohl die fiktive Mehrwertsteuer verlangen kann, die gar nicht angefallen ist. Der Leitsatz: Zwei Fiktionen sind eine Fiktion zu viel durchzieht die Diskussionen über diese Probleme bis heute, der Bundesgerichtshof hat mehrfach zwischen ihnen hin und her geschwankt (BGH NVZ 2010, 21). Ich habe Herbert Rosendorfer im Frühjahr in Südtirol besucht. Er wohnte inmitten der Weinberge von Eppan im Ansitz Massauer, einem ehrwürdigen Haus gebaut Anfang des 17. Jahrhunderts. Das Interview hat er noch vor seinem Tod autorisiert. Davon habe ich noch nie gehört! Was wollen Sie machen, wenn ihnen ständig was einfällt? Zum Beispiel meine drei Ein-Frauen-Stücke, in denen die Kellnerin Anni zur Frau Konsul Anna M. Frohmund aufsteigt (Die Kellnerin Anni, Nymphenburger 2002, auch als CD sowie als Musical.). Das hat Spaß gemacht. Goethe hat einmal gesagt, man muss den Beruf mit seinem linken Fuß betreiben, aber mit dem Dichten ist es ihm auch nicht viel anders gegangen. Vor allem die Lyrik: Salonunterhaltung. Das war ihm nicht reputierlich genug. Eigentlich hat er sich als Naturwissenschaftler gesehen und natürlich war ihm sein politischer Einfluss klar. So sitzt er in der Kommission zur Aushebung der Rekruten und schreibt nebenbei an der Iphigenie. Das hätte ich nicht gekonnt. Ich hab immer streng getrennt zwischen den Akten und der Kunst: niemals eine Akte zuhause, keine Kunst im Gericht! Der Satz könnte von ETA Hoffmann stammen. Fühlen sich mit ihm seelenverwandt? Das schon, auch wenn ich kein Komponist bin. Ich hab mich nur hier und da als Tonsetzer versucht. Und ich kann nur nüchtern schreiben. Wein gibt s erst nach der Arbeit. Von der romantischen Interpretation des Künstlers als Genie, wie Christoph Schlingensief oder Frank Castorf sie uns zeigen, halten sie nicht viel? Wenn man nur autobiografische Sachen machen kann, ist das zu wenig. Theodor Fontane, Thomas Mann, Franz Kafka das sind so meine Hausgötter. Marcel Proust wollte ich zum zweiten Mal lesen, aber nach dem ersten Band hat es mich nicht mehr interessiert. Alles braucht seine Zeit. Ihre Bücher haben sich ungewöhnlich gut verkauft, auch wenn Sie im Literaturbetrieb selten zu sehen sind sie hatten beim Gericht auch noch was anderes zu tun. Gibt es Neid unter Schriftstellern? Sowieso. Aber die Amtsrichter sind auch neidisch, weil die sich schon denken können, dass man ein paar Mark nebenbei hat. Zu gewissen Zeiten haben meine Schuhe mehr gekostet als das Auto des Gerichtspräsidenten. Zum guten Schluss: wie wird man Professor für Bayerische Literaturgeschichte und zu welchem Ende studiert man das? Der Kultusminister Hans Maier kam auf die Idee und hat der Fakultät den Volkskundler Rüdiger Moser aufgedrängt. Der hatte so einiges von mir gelesen und wir haben uns auf einen Lehrauftrag geeinigt: Es sollte nicht nur um die Literatur gehen, sondern in einem weiteren Sinn um bayerische und damit süddeutsche Kulturgeschichte. Sollte man Klaus Mann, der in München geboren ist, dazu rechnen? Oder Nestroy ausschließen, weil er aus Wien stammt? Bayerisch ist überhaupt so ein Begriff: 1777 hätten sich die Bayern eigentlich in Pfälzer umtaufen lassen müssen, denn es ist die bayerische Linie ausgestorben und nicht die pfälzische. Auch Südtirol gehört zu diesem Kulturkreis. Sie wohnen in einem historischen Haus, das wie ein französisches Chateau mitten in den Weinbergen steht. Was bedeutet die Bezeichnung Ansitz? Das Tal zwischen Bozen und Meran mit all den vielen Nebentälern ist eine der ältesten Kulturlandschaften Europas. Schon die Römer haben hier gesiedelt. So hat sich der Weinbau entwickelt und wer meist als adeliger Weinbauer mächtig genug war, sich so einen Ansitz zu bauen, unterlag nicht mehr der örtlichen Gerichtsbarkeit, sondern nur noch dem Landesfürsten. Das ist eine besondere Freiheit, die Sie sich schon früh als Künstler wie als Richter erobert haben. Das ist wohl wahr. Das Gespräch führte Rechtsanwalt Prof. Dr. Benno Heussen, Berlin. AnwBl 12 /

56 MN Kommentar DAV und Menschenrechte Wer wenn nicht wir sollte sich für die Menschenrechte engagieren? Rechtsanwalt Dr. Friedwald Lübbert, Bonn In ihrer Berufstätigkeit beeinträchtigte und bedrängte Kolleginnen und Kollegen im Ausland benötigen und verdienen die Solidarität der internationalen Anwaltschaft und ihrer Organisationen, insbesondere von solchen Organisationen, die wie der Deutsche Anwaltverein auf dem freiwilligen Zusammenschluss ihrer Mitglieder beruhen und die sich deshalb ohne alle Aspekte staatlicher Einfluss- oder Rücksichtnahme national und international für die Einhaltung der Menschenrechte einsetzen können. Anwälte leben von den Rechten ihrer Mandanten. Und wenn es nötig ist, kämpfen sie natürlich auch für deren Menschenrechte. Immer häufiger geht es auch um die Menschenrechte von Anwälten. Hier ist der Deutsche Anwaltverein als Berufsverband besonders gefordert. Dies hat eindrucksvoll am eine Veranstaltung zum Thema Freie Berufe in Gefahr RechtsanwältInnen und JournalistInnen in der Türkei hinter Gittern im DAV-Haus in Berlin gezeigt. Auslöser und Gegenstand dieser Abendveranstaltung zusammen mit Amnesty International und dem Republikanischen Anwaltverein waren die Großverfahren, die die türkische Justiz gegen zahlreiche Anwältinnen und Anwälte wie auch gegen Journalistinnen und Journalisten angestrengt hat. Viele der Angeklagten sind inhaftiert. Es ist evident, dass diese Verfahren unmittelbar und schwerwiegend in die Berufsfreiheit der Betroffenen und in ihre Menschenrechte eingreifen. Diese Veranstaltung ist ein sinnfälliges Beispiel für das Engagement des DAV, das schon vor einer Reihe von Jahren zur Gründung des DAV-Ausschusses für Menschenrechte geführt hat. Im Mittelpunkt der Tätigkeit dieses Ausschusses, der Präsidium und Geschäftsführung des DAV in menschenrechtlichen Fragen informiert und berät, stehen der Schutz und die Gewährleistung der Menschenrechte von Anwältinnen und Anwälten im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit. Der DAV verfügt über ein weit verzweigtes Netz an internationalen Verbindungen, das es immer wieder ermöglicht, dort die Stimme zu erheben, wo Anwältinnen und Anwälte in ihrer Berufstätigkeit sei es im Einzelfall, sei es systematisch beeinträchtigt und persönlich bedrängt werden. Viele der betroffenen Kolleginnen und Kollegen benötigen und verdienen die Solidarität der internationalen Anwaltschaft und ihrer Organisationen, insbesondere von solchen Organisationen, die wie der Deutsche Anwaltverein auf dem freiwilligen Zusammenschluss ihrer Mitglieder beruhen und die sich deshalb ohne alle Aspekte staatlicher Einfluss- oder Rücksichtnahme national und international für die Einhaltung der Menschenrechte einsetzen können. Neben der Berufstätigkeit von Anwältinnen und Anwälten befassen sich die Aktivitäten des Deutschen Anwaltvereins und seines Menschenrechtsausschusses insbesondere dort mit den Menschenrechten, wo im Einzelfall oder flächendeckend der Zugang von Bürgern zum Recht beeinträchtigt wird und wo also die Menschenrechte der Betroffenen bereits an ihrer Wurzel beschädigt werden. Dies gilt national wie international. Neben diesen materiell-rechtlichen Erwägungen zur Gewährleistung der Menschenrechte ist der DAV darum bemüht, auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht die Geltung der Menschenrechte stärker in das Bewusstsein der Anwältinnen und Anwälte zu heben. Deshalb soll der Kenntnisstand deutscher Anwältinnen und Anwälte von der verfahrensrechtlichen Geltendmachung von Menschenrechten, insbesondere durch Beschwerdeverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, verbessert werden. Das ist, auch in Zusammenarbeit mit der Deutschen Anwaltakademie, ein Thema für die Aus- und Fortbildung. Alle diese Aktivitäten dienen dem Ziel, den Menschenrechten mit rechtlichen Mitteln Geltung zu verschaffen, und zwar insbesondere dort, wo die Berufstätigkeit von Anwältinnen und Anwälten in Rede steht oder wo Bürgern der Zugang zum Recht erschwert oder gänzlich vorenthalten wird. Die Menschenrechte und ihre Bedeutung auch für die nationale Rechtsordnung müssen stärker im Bewusstsein des Fachpublikums verankert werden. Dr. Friedwald Lübbert, Bonn Der Autor ist Rechtsanwalt. Er ist Vizepräsident des Deutschen Anwaltvereins und Vorsitzender des DAV-Ausschusses Menschenrechte. Sie erreichen den Autor unter der -Adresse 978 AnwBl 12 / 2012

57 MN Gastkommentar Externe Vorprüfung statt Abschreckungsgebühr Ein alternativer Vorschlag zur Entlastung des Bundesverfassungsgerichts Dr. Christian Rath, Kölner Stadtanzeiger u.a. Die Richter schlugen vor, dass über offensichtlich unzulässige Klagen nur noch entschieden wird, wenn der Kläger vorab eine Mutwillensgebühr bezahlt. Dieser Vorschlag lud zu (absichtlichen und unabsichtlichen) Missverständnissen geradezu ein. Die Bürger würden,abgewimmelt, hieß es, die Verfassungsbeschwerde werde zu einem,recht der Zahlungskräftigen. Die Vorwürfe waren zwar unberechtigt, denn die Kläger können sich mit dem Zahlen der Gebühr ja gerade keinen Erfolg erkaufen, sondern nur eine sicher absehbare Ablehnung ihrer Klage. Aber so ein schräges Konstrukt versteht auch kein vernünftiger Mensch. Das Bundesverfassungsgericht bekommt auch nicht alles, was es will. Die von den Richtern vorgeschlagene Mutwillensgebühr zur Entlastung des Gerichts ist wohl vom Tisch. Weder das Bundesjustizministerium noch eine Fraktion im Bundestag will einen entsprechenden Gesetzentwurf in den Bundestag einbringen. Diese Zurückhaltung ist aber keine Retourkutsche der Politik, die sich oft vom Bundesverfassungsgericht gemaßregelt fühlt. Vielmehr war die Mutwillensgebühr zu halbherzig und missverständlich. Ausgangspunkt des Vorschlags war die Feststellung der Verfassungsrichter, dass rund ein Drittel der jährlich rund Verfassungsbeschwerden offensichtlich aussichtslos ist. Sei es, weil Fristen nicht eingehalten wurden oder dass in der Eingabe beim besten Willen kein verfassungsrechtliches Problem zu erkennbar ist. Etwa die Hälfte davon stammt von Dauerklägern. Die Richter schlugen deshalb vor, dass über offensichtlich unzulässige Klagen nur noch entschieden wird, wenn der Kläger vorab eine Mutwillensgebühr von bis zu Euro bezahlt. Dieser Vorschlag lud zu (absichtlichen und unabsichtlichen) Missverständnissen geradezu ein. Die Bürger würden abgewimmelt, hieß es, die Verfassungsbeschwerde werde zu einem Recht der Zahlungskräftigen. Die Vorwürfe waren zwar unberechtigt, denn die Kläger können sich mit dem Zahlen der Gebühr ja gerade keinen Erfolg erkaufen, sondern nur eine sicher absehbare Ablehnung ihrer Klage. Aber so ein schräges Konstrukt versteht auch kein vernünftiger Mensch. Zu derartigen Vorschlägen griffen die Richter, weil sie daran festhalten wollten, dass im Prinzip über jede noch so absurde Verfassungsbeschwerde eine Kammer des Verfassungsgerichts entscheiden muss. Und weil das oft völlig sinnlos ist, sollten die Kläger in diesen Fällen mit einer Gebühr abgeschreckt werden. Sinnvoller ist es aber, wenn die Richter mit offensichtlich unzulässigen Klagen erst gar nicht behelligt werden und ein von ihnen legitimiertes Gremium diese Nonsens-Klagen vorab identifiziert und zurückweist. Damit nicht der Eindruck entsteht, die Politik oder die Justiz kontrolliere den Zugang zum Verfassungsgericht, sollte die externe Vorprüfung ihre Legitimation direkt vom Bundesverfassungsgericht erhalten. So könnte das Plenum der Richter mit Zwei-Drittel-Mehrheit zwei Vorprüfer wählen. Es würde also zu einem pluralistischen Zweier-Paket kommen. Als Vorprüfer kommen Juristen in Betracht, die genau wissen, auf was es in Karlsruhe ankommt, zum Beispiel bewährte wissenschaftliche Mitarbeiter. Die Vorprüfer stellen dann ihrerseits juristisches Personal an, soviel wie jeweils benötigt wird. Dabei können sie auch auf die bisherigen Mitarbeiter des Allgemeinen Registers des Bundesverfassungsgerichts zurückgreifen. Diese Juristen prüfen die eingehenden Verfassungsbeschwerden und filtern die offensichtlich unzulässigen Klagen aus. Die Kläger erhalten einen negativen Bescheid mit kurzer Begründung. Wenn der Kläger nicht einverstanden ist, kann er ein Rechtsmittel einlegen. Darüber entscheiden die beiden vom Gericht gewählten Vorprüfer. Wenn sie sich einig sind, dass die Klage offensichtlich aussichtslos ist, bleibt es dabei. Wenn aber zumindest einer von ihnen findet, es ist doch was dran, geht sie ans Gericht. Dieses Verfahren entlastet die Richter und ihre wissenschaftlichen Mitarbeiter effizient. Statt missverständlichen Abschreckungsgebühren gibt es klare nachvollziehbare Strukturen und Legitimationsstränge. Und es stellt sicher, dass Zweifelsfälle doch von Verfassungsrichtern geprüft werden. Dr.ChristianRath,Freiburg Der Autor ist rechtspolitischer Korrespondent für eine Reihe von Tageszeitungen, unter anderem den Kölner Stadtanzeiger. Im Januar erscheint sein Buch Der Schiedsrichterstaat. Sie erreichen den Autor unter der -Adresse AnwBl 12 /

58 MN Report AGB im B2B-Verkehr: Alles nur ein Schaulaufen? Der Deutsche Juristentag hat im September klar für Reformen plädiert doch jetzt ist klar: Eine schnelle Reform ist nicht zu erwarten Dr. Helene Bubrowski, Berlin Hintergrund Die Kritik am deutschen AGB-Recht im B2B-Bereich Auslöser der Diskussion war ein Beschluss der Justizministerkonferenz im Mai Damals hatten die Landesjustizminister das Bundesjustizministerium aufgefordert, das AGB-Recht im unternehmerischen Rechtsverkehr auf den Prüfstand zu stellen. Ein erster Reformvorschlag kam dann unterstützt von Anwälten und Wissenschaftlern von einer Initiative verschiedener Wirtschaftsverbänden. Im Januar 2012 folgte ein Symposium des Deutschen Anwaltvereins und des Deutschen Juristentags in Berlin (siehe Schwenzer/Lübbert, AnwBl 2012, 292 und Tagungsbericht Reckin, AnwBl 2012, 352). Darauf folgte ein Vorschlag des Deutschen Anwaltvereins, den der Zivilrechtsausschuss erarbeitet hatte (DAV-Stellungnahme Nr. 23/2011, in Auszügen AnwBl 2012, 402 und vollständig AnwBl Online 2012, 180). Die Diskussion des Deutschen Juristentags war damit gut vorbereitet, wie auch die folgenden Beiträge aus dem Anwaltsblatt belegen: Kessel (AnwBl 2012, 293), Kieninger (AnwBl 2012, 301), Schmidt-Kessel (AnwBl 2012, 308), Hannemann (AnwBl 2012, 314), Frankenberger (AnwBl 2012, 318), GrafvonWestphalen(AnwBl2012, 668), Meller-Hannich (AnwBl 2012, 676), Salger/Schröder (AnwBl 2012, 683) und Schauer (AnwBl 2012, 690). Der 69. Deutsche Juristentag beschäftigte sich im September mit der Reformbedürftigkeit des AGB-Rechts im unternehmerischen Rechtsverkehr (B2B). Die Teilnehmer stimmten mit großer Mehrheit für eine Änderung der bestehenden Rechtslage, doch eine Reaktion der Politik ist in näherer Zukunft wohl nicht zu erwarten. Die große Unzufriedenheit mit dem deutschen AGB-Recht im unternehmerischen Rechtsverkehr war keine neue Erkenntnis auf dem 69. Deutschen Juristentag (DJT) in München. Kritische Stimmen melden sich seit Jahren zu Wort davon zeugen allein die vielen Beiträge, die 2012 im Anwaltsblatt erschienen sind (mit Schwerpunkten im April-Heft sowie im Doppelheft August/September). Unter dem Titel Brauchen Konsumenten und Unternehmen eine neue Architektur des Verbraucherrechts? bot die zivilrechtliche Abteilung des Juristentages nichtsdestoweniger ein passendes Forum für einen erneuten Schlagabtausch zwischen Reformgegnern und -befürworten. B2C und B2B sind nicht das gleiche Zentrale These des Referenten Rechtsanwalt Dr. Christian Kessel war, dass sich die 305 ff. BGB für Rechtsgeschäfte zwischen Unternehmen und Verbrauchern (B2C) uneingeschränkt bewährt hätten, während die Entwicklungen im unternehmerischen Rechtsverkehr (B2B) korrekturbedürftig seien. Sein Hauptkritikpunkt lautet, dass die Rechtsprechung den B2B-Bereich und den B2C-Bereich weitgehend gleichbehandele. So könne ein Unternehmer, der sei es auch nur zur Vorbereitung von Vertragsverhandlungen einem anderen Unternehmer Klauselvorschläge unterbreite, es kaum vermeiden, als Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen behandelt zu werden. Regelmäßig gehe die Rechtsprechung davon aus, dass es sich dann um vorformulierte Vertragsbedingungen handele, die eine Vertragspartei der anderen Vertragspartei bei Abschluss des Vertrages stellt ( 305 Abs. 1 Satz 1 BGB). Zwar sähe 305 Abs. 1 Satz 3 BGB vor, dass Vertragsbedingungen, die zwischen den Parteien im Einzelnen ausgehandelt seien, keine Allgemeinen Geschäftsbedingungen darstellten. Die Anforderungen der Rechtsprechung an das Merkmal des Aushandelns seien aber so die Kritik auch im unternehmerischen Rechtsverkehr so hoch, dass es für Individualabreden wenig Raum gebe. Folge: Ein Unternehmer könne kaum wissen, ob das AGB-Regime auf seinen Vertrag Anwendung findet. Zweiter Angriffspunkt des Referenten Kessel war die Rechtsprechung zur konkreten Inhaltskontrolle von Vertragsklauseln, die zwischen dem B2C- und B2B-Bereich nur unzureichend unterscheide. Die vom Gesetzgeber vorgenommene Differenzierung, wonach die spezifischen Klauselverbote der 308, 309 BGB nur zugunsten von Verbrauchern gelten sollen ( 310 Abs. 1 Satz 1 BGB), werde von den Gerichten relativiert, indem den Klauselverboten eine Indizwirkung im Hinblick auf die auch für den unternehmerischen Rechtsverkehr geltende Generalklausel des 307 BGB beigemessen werde. Dieser Kritik am status quo des AGB-Rechts schlossen sich zahlreiche Diskussionsteilnehmer der zivilrechtlichen Abteilung des Juristentags an. Mehr Luft zum 980 AnwBl 12 / 2012

59 MN Report Atmen für Unternehmer wurde zum geflügelten Wort. Mehrere Wortmeldungen warnten vor der Flucht ins ausländische Recht, die deutsche Unternehmen antreten könnten, um dem engen Korsett des BGB und seiner Auslegung durch die Rechtsprechung zu entkommen. Rechtsanwalt Dr. Dr. h.c. Georg Maier-Reimer (Vorsitzender des Zivilrechtsausschusses des Deutschen Anwaltvereins) fasst den Standpunkt der Reformverfechter wie folgt zusammen: In seiner heutigen Anwendung im B2B-Bereich beschneidet das AGB-Recht die Vertragsfreiheit empfindlich, führt oft zu unangemessenen Ergebnissen und bedeutet im Wettbewerb der Rechtsordnungen einen gravierenden Nachteil für das deutsche Recht. Freilich gab es auf dem Juristentag auch Gegenstimmen, denen zufolge sich die bisherige AGB-Rechtsprechung auch im B2B-Bereich bewährt habe. So warnte Rechtsanwalt Martin Freitag vom Hauptverband der Deutschen Bauindustrie in der Diskussion davor, die AGB-Kontrolle im unternehmerischen Rechtsverkehr zu reformieren und auf diese Weise neue Rechtsunsicherheit zu schaffen. Insbesondere für mittelständische Betriebe, wie etwa das Handwerk, sei das AGB-Recht in seiner jetzigen Form ein wirksames und notwendiges Schutzinstrument. In der Beschlussfassung setzten sich dann aber die Befürworter einer Revision durch. So lehnt es eine deutliche Mehrheit (41 zu 25 Stimmen bei 11 Enthaltungen) ab, Allgemeine Geschäftsbedingungen im B2C-Bereich einerseits und im unternehmerischen Rechtsverkehr andererseits gleich zu behandeln; insbesondere die Indizwirkung der 308, 309 BGB für den B2B-Bereich sei abzulehnen. Noch deutlicher plädiert der Juristentag dafür, die Anforderungen an das Aushandeln von Vertragsbedingungen im B2B-Bereich den Gepflogenheiten unternehmerischer Vertragsverhandlungen anzupassen (51:20:6). Schließlich fordert der Juristentag den Gesetzgeber auf, im B2B-Bereich den Maßstab der Inhaltskontrolle an der guten unternehmerischen Praxis (good commerical practice) einer Branche, eines Industriesektors oder eines Wirtschaftszweigs zu orientieren (43:27:7). Der BGH kann nicht mitspielen... Ein eindringlicher Appell des Juristentags. Ob er Früchte tragen wird, ist indes noch unklar. Auf eine Änderung der Rechtsprechung ohne Gesetzesreform kann niemand zählen. Denn bei den Instanzgerichten ist keine Bereitschaft erkennbar, von ihrer bisherigen ständigen Rechtsprechung abzurücken. Und der Bundesgerichtshof bekommt kaum die Gelegenheit, in dieser Frage ein Machtwort zu sprechen. Vertragsstreitigkeiten zwischen Großunternehmern klettern in aller Regel nicht den Instanzenzug hoch, sondern enden weitaus häufiger im Wege des Vergleichs oder werden der staatlichen Gerichtsbarkeit von vornherein durch Vereinbarung einer Schiedsklausel entzogen mit der Folge, dass die schiedsgerichtlichen Entscheidungen zur Auslegung der 305 ff. BGB nicht öffentlich zugänglich sind. Dr. Helene Bubrowski, Berlin Die Autorin ist Rechtsreferendarin am Kammergericht Berlin. Sie schreibt unter anderem für Anwaltsblatt und Anwaltsblatt Karriere.... und das Bundesjustizministerium weiß nicht, was es glauben soll Der Auftrag des Juristentags richtet sich daher primär an den Gesetzgeber, die 305 ff. BGB für mehr Flexibilität bei der Vertragsgestaltung im B2B-Bereich zu öffnen. Dass es zu einer baldigen Gesetzesänderung kommt, erscheint derzeit allerdings zweifelhaft. Im Bundesjustizministerium will man den Kritikpunkten zwar im Einzelnen nachzugehen. Die Aktivitäten beschränken sich aber zunächst darauf, in einem Gutachten die rechtstatsächlichen Hintergründe, das heißt die gerichtliche und soweit möglich auch die schiedsgerichtliche Praxis zur Anwendung des AGB-Rechts im unternehmerischen Rechtsverkehr untersuchen zu lassen. Wir gehen ergebnisoffen an die Aufgabe heran, heißt es im Ministerium. Es gehe darum, das richtige Ausmaß für die unternehmerische Freiheit genau auszutarieren. Mit einer unüberlegten Gesetzesänderung könne viel zerstört werden. Wenn den Befürwortern einer Reform nachgegeben werde, käme sofort Kritik von der anderen Seite. Sicher ist nur eins: In dieser Legislaturperiode wird das AGB- Recht nicht mehr geändert. Die Debatte um die Reform des AGB-Recht könnte sich bis zur Wahl im Herbst 2013 totgelaufen haben. Der Schwung des Juristentages wäre dahin. Sie erreichen die Autorin unter der -Adresse AnwBl 12 /

60 MN Meinung & Kritik Hintergrund Studie: Beim Deal macht jeder, was er will DerDüsseldorferKriminologeKarsten Altenhain hat im Auftrag des Bundesverfassungsgerichts auf der Grundlage einer repräsentativen Befragung von Richtern, Staatsanwälten und Rechtsanwälten in Nordrhein-Westfalen ermittelt, wie die Praxis die 2009 geschaffene Norm des 257 c StPO tatsächlich anwendet. Die Ergebnisse sind aus dem Altenhain-Gutachen sind besorgniserregend: 9 Soweit Geständnisse im Rahmen von Absprachen abgelegt werden, meinen zwar 61,9 Prozent der Richter, sie würden sie immer überprüfen. Schon die Staatsanwälte sehen das ganz anders: Sie sprechen nur von etwa der Hälfte (29,9 Prozent) überprüfter Geständnisse. Und nach Ansicht der Verteidiger findet eine Überprüfung in lediglich 14,7 Prozent der Fälle statt. Das mag an den unterschiedlichen Vorstellungen liegen, die die Befragten von einer Überprüfung haben. Für 91,9 Prozent der Richter bedeutet sie: Abgleich mit der Aktenlage. 71,5 Prozent befragen daneben den Angeklagten, nur 59,3 Prozent vernehmenauchzeugen. 9 Die ausgedealten Geständnisse, die sich zumeist in schlanken Erklärungen erschöpfen, überwiegend vom Verteidiger abgegeben, führen nach Ansicht von mehr als der Hälfte der Richter zu Strafnachlässen von 25 Prozent. Von einem Rabatt von einem Drittel gehen sogar 26,1 Prozent der Richter aus wobei offen bleibt, wie die Bezugsgröße 100 Prozent ermittelt wird. 30,3 Prozent der Verteidiger meinen, dass sie die Strafe nach gefundener Verständigung für überhöht hielten. 9 Und erschreckend ist, dass über 55 Prozent der Verteidiger berichten, bereits einen Fall erlebt zu haben, in dem der Angeklagte ein falsches Geständnis abgelegt hat, nachdem ihm die sog Sanktionsschere präsentiert, also angekündigt wurde, was er im Falle einer Verständigung und was im Fall einer streitigen Hauptverhandlung zu erwarten habe. 9 Das Verbot des Rechtsmittelverzichts nach einer Verständigung wird nach Ansicht von 40 Prozent der Richter und von 60 Prozent der Verteidiger umgangen. Wie viel Wahrheit verträgt der Strafprozess? Das Bundesverfassungsgericht hat am 7. November 2012 über die Verfassungsmäßigkeit des Deals mündlich verhandelt Rechtsanwalt Dr. Stefan König, Berlin Alle tun es, der BGH und BVerfG haben es gebilligt und der Gesetzgeber 2009 mit 257c StPO normiert: Der Deal. Doch ist die Norm für die Absprachen im Strafverfahren verfassungsgemäß? Das prüft zur Zeit das Bundesverfassungsgericht. In der mündlichen Verhandlung über drei Verfassungsbeschwerden war der Autor am 7. November 2012 als Vertreter des Deutschen Anwaltvereins. Die Befunde sind ernüchternd: Mehr als ein Viertel der Richter führt Absprachen ausschließlich informell, also jenseits der gesetzlichen Regelung in 257c StPO durch. Und fast 60 Prozent dealen mehr informell als formell. Das ergab eine Studie, die der Düsseldorfer Kriminologe Karsten Altenhain auf der Grundlage einer repräsentativen Befragung von Richtern, Staatsanwälten und Rechtsanwälten in Nordrhein-Westfalen im Auftrag des Bundesverfassungsgerichts erstellt hat. Anlass war das Verfahren über drei Verfassungsbeschwerden, die sich gegen die fehlerhafte, verfassungswidrige Anwendung des 257c StPO richten, überdies grundsätzlich gegen die Verfassungsmäßigkeit der Norm (zum Sachverhalt vgl. die Stellungnahme Nr. 58/2012 des Verfassungs- und Strafrechtsausschusses des DAV, abrufbar unter Die zitierten Werte beruhen auf eigenen Angaben der befragten Richter. Auch andere Zahlen aus dem Altenhain-Gutachen sind besorgniserregend (siehe Kasten auf dieser Seite). In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht zeigten sich die Mitglieder des Zweiten Senats von diesen (und weiteren) Zahlen sichtlich beeindruckt. Ihre Skepsis an der Verfassungsmäßigkeit der Norm wurde an vielen Stellen der Verhandlung deutlich. Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger erklärte in der Anhörung, es sei dem Gesetzgeber darum gegangen, der Verständigungspraxis enge Korsettstangen einzuziehen. Wenn das nicht gelungen sein sollte, werde man Fehlentwicklungen korrigieren. Dazu gibt es einigen Anlass. Verfahrensabkürzung darf kein Selbstzweck werden Da ist zunächst das Problem mit der Amtsaufklärungspflicht. Zwar heißt es in 257 Abs.1 S.2 StPO, sie bleibe vom Verständnisverfahren unberührt. Wo es den Beteiligten aber um eine Verfahrensabkürzung geht, muss die Unberührbare notwendig in Mitleidenschaft geraten. Soweit die Überprüfung des Geständnisses durch Abgleich mit der Aktenlage erfolgt, wird lediglich eine Verdachtslage zur Grundlage des Urteils, kein strengbeweislich und kontradiktorisch festgestellter Sachverhalt. Das verfassungsrechtlich in der Menschenwürdegarantie wurzelnde Schuldprinzip ist so gefährdet. Seine Verwirklichung verlangt notwendig ein Bemühen um die Feststellung des wahren Sachverhalts und nicht die Übereinkunft über eine Art Geschäftsgrundlage der Entscheidung, deren Aushandlung im Strafprozess überdies unter asymmetrischen Machtverhältnissen stattfindet. Hier kamen in der Sitzung gelegentlich Zweifel auf der Richterbank auf. So meinte der Senatsvorsitzende (und Präsident des Bundesverfassungsgerichts) Andreas Vosskuhle am Nachmittag, der der Entscheidung zugrundegelegte Sachverhalt sei doch stets ein Konstrukt, Ergebnis einer gedanklichen Rekonstruktionsleistung. 982 AnwBl 12 / 2012

61 MN Meinung & Kritik Könne das nicht zulassen, auch ein vereinbartes Konstrukt zur Basis des Urteils zu machen? Der Freiburger Emeritus Wolfgang Frisch hielt ihm mit Recht entgegen, dass entscheidend das Ziel der (Re)Konstruktion sei. Das müsse die Wahrheit bleiben, auch wenn sie nicht ganz erreichbar sei. Ein Gesetz, das von den Normadressaten beharrlich nicht befolgt werde, so bemerkte Verfassungsrichter Peter M. Huber mehrfach, sei eine für einen Rechtsstaat abstruse Vorstellung. Die Frage, ob die Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege oder das Beschleunigungsgebot als gegenläufige (Verfassungs)Prinzipien eine Einschränkung der Amtsaufklärungspflicht rechtfertigen könnten, wurde von den gehörten Sachverständigen übereinstimmend verneint. Die Aufrechterhaltung der Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege fordert gerade die Gewährleistung des Schuldgrundsatzes und kann nicht um den Preis seiner Einschränkung gewährleistet werden. Dr. Stefan König, Berlin Der Autor ist Rechtsanwalt. Er ist Vorsitzender des Strafrechtsausschuss des Deutschen Anwaltvereins und hat an der Anhörung des Bundesverfassungsgerichts zu 257c StPO am 7. November 2012 teilgenommen. Anhörung stark justizlastig Leider war die Anhörung der Praxis stark justizlastig. Zum sogenannten Realbefund wurden nur Richter als Sachverständige gehört. Die Vertreter des Deutschen Anwaltvereins und der Bundesrechtsanwaltskammer kamen erst am späten Nachmittag zu Wort. Von den Richtern waren, wenn auch nur vereinzelt, Klagen über disfunktionale Verteidiger zu hören, die die Verfahren in die Länge zögen und dadurch zum Deal zwängen. Das Beweisantragsrecht wurde als Quelle von Problemen genannt, eine Änderung des 246 StPO für wünschenswert gehalten. Eine Erweiterung der absoluten Revisionsgründe des 338 StPO um Verletzungen der Förmlichkeiten des 257c StPO, die von verschiedenen Rednern vorgeschlagen wurde, scheint plausibel, um einem Abdriften ins Informelle gegenzusteuern, kann aber nur dann wirken, wenn nicht wie wohl in den meisten Fällen auf Rechtsmittel verzichtet oder jedenfalls keins eingelegt wird. In kommunikativem Verhandlungsstil sah insbesondere Generalbundesanwalt Harald Range Potential für eine Konzentration und Abkürzung von Verfahren. Die verschiedentlich von den Verfassungsrichtern geäußerte Sorge, die Abschaffung des 257c StPO und ein Verbot der Verständigung könne zu einem Kollaps der Strafjustiz führen, wurde von den Rednern aus der Praxis überwiegend nicht geteilt. Der Bonner Professor Martin Böse, Bevollmächtigter der Bundesregierung, hielt das Regelungskonzept gegen Ende der Verhandlung die Ministerin war da schon aufgebrochen nicht für insgesamt gescheitert. Die Regelung sei, wie er es (Heiterkeit auslösend) formulierte, nicht völlig spurlos an der Praxis vorübergegangen. Allerdings bedürfe sie der Verbesserung. Für den Deutschen Anwaltverein sprach Rechtsanwalt Rainer Hamm. 257c StPO sei verfassungswidrig. Er verletze das Schuldprinzip. Er wäre nichts wert ohne den Grundsatz, dass Täterschaft und Schuld auch prozessual sauber zu beweisen seien. Die Gefahr, dass im Verständigungsverfahren auch Fehlurteile ausgehandelt und der Kontrolle der Rechtsmittelgerichte entzogen werden, werde durch die Kautelen des Verständigungsgesetzes nicht herabgesetzt. Er erinnerte an den Vorschlag des Deutschen Anwaltvereins im Gesetzgebungsverfahren, einen Anspruch der Angeklagten auf das Rechtsgespräch unter Bekanntgabe der Zwischenwertungen des Gerichts (auf entsprechenden Antrag) hin zu normieren. Auch den Gedanken eines Schuldinterlokuts griff er auf, der die Täterschafts- und Schuldfrage von der Strafzumessung entkoppeln könne. Für die Verfassungsmäßigkeit der Norm stritten mit Vehemenz die Vertreter der Bundesrechtsanwaltskammer, die Rechtsanwälte Alexander Ignor und Reinhold Schlothauer. Ignor meinte, nicht das Gesetz sei schlecht, sondern die Praxis, die es missachte. Die Ursachen sieht er in der Sozialisation von Richtern und Staatsanwälten, die von dreißig Jahren heimlichen, informellen Dealens verdorben seien. Nachkommende Generationen, ausgebildet zur strikten Befolgung der Förmlichkeiten des 257c würden ihn auch anwenden. Auch werde die Norm in den Kommentaren nahezu einhellig schlechtgeredet. Notwendig sei eine konsequente Ahndung von informellen Deals durch die Revisionsgerichte. Mit einer Entscheidung ist erst im Frühjahr 2013 zu rechnen. AnwBl 12 /

62 Anwälte fragen nach Ethik Ihre Meinung ist gefragt.

63 MN Anwälte fragen nach Ethik Diktierhemmung bei der Ethik? Der Deutsche Anwaltverein und die Ethikdiskussion ein Zwischenbericht Rechtsanwalt Dr. Michael Streck, Vorsitzender des DAV-Ausschusses Anwaltliche Berufsethik Seit Januar stellt jeden Monat an dieser Stelle der DAV-Ausschuss Anwaltliche Ethik eine Frage zur Ethik. Der Ausschussvorsitzende zieht zum Jahresende eine Bilanz die nächste Frage erscheint im Januar-Heft. Was soll der Anwalt mit Berufsethik? Er hat wichtigere Dinge um die Ohren. Ihn beschäftigen die Probleme des Berufsalltags. Gleichwohl gibt es sie, die Diskussion über die Anwaltsethik. Zunächst muss man sich allerdings darüber verständigen, ob man zum Beispiel die Auslegung der BRAO der Anwaltsethik oder der Gesetzesauslegung zuordnet. Der DAV hat sich dafür entschieden, dass Anwaltsethik beginnt, wo die Norm aufhört. Damit könnte die Diskussion beendet sein. Und es gibt Kollegen und Kolleginnen, die sagen, das Recht bestimmt erschöpfend über die Richtigkeit des anwaltlichen Handelns. Ist das richtig? Das Recht bietet Handlungsmöglichkeiten an. Kann es gesetzmäßiges Handeln geben, das unmoralisch ist, ohne dass zugleich ein Strafgesetz verletzt ist? Gibt es nicht sogar Gutes Handeln, das Normen verletzt. Wenn die Rechtsnorm die letzte Instanz ist, kann es auch keine ethisch begründete Rechtsfortbildung geben. Die anwaltliche Berufsethik fragt danach, ob es ethische Regeln jenseits des Gesetzes gibt. Sie fragt weiter, ob es hierfür wiederum Normen gibt. Gibt es hierfür keine Normen, so fragt sie, nach welchem Mechanismus entschieden wird, ob etwas gut oder schlecht ist. Es gibt eine Ethikkommission des Bundes. Andere Berufsorganisationen befassen sich mit der Berufsethik. Es sollte selbstverbindlich sein, dass Gleiches auch für die Anwaltschaft zutrifft, einen Beruf, der täglich mit Wertungen umgeht. Die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) stellt sich seit einiger Zeit dem Thema. Von einer Arbeitsgruppe liegt ein Bericht vor (BRAK-Mitteilungen 2011, 58). Ihm ist die Tendenz zu entnehmen, einen Ethikkodex zu formulieren. Kaum war dies erkannt, regte sich Widerstand. Wer soll diesen Kodex schaffen? Mit welcher Legitimation? Wer kontrolliert die Einhaltung? Fast erschreckt dümpelte die Ethikdiskussion in der BRAK dahin, so hat es jedenfalls den Anschein. Das Thema soll 2013 wieder auf der Tagesordnung stehen. Der DAV hat beschlossen, jeden Ethikkodex abzulehnen. Die Frage nach der Legitimation eines Satzungsgremiums kann nicht beantwortet werden. Auch ist zu befürchten, dass nach der Formulierung eines Kodexes dieser beruhigt in die Schublade gelegt wird, weil die Arbeit getan und die ethische Diskussion beendet ist. Der DAV will das Thema diskursiv, das heißt in einer ständigen Kommunikation anpacken. Es sollen Wege gefunden werden, das Bewusstsein und schließlich auch die Arbeit der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte zu erreichen. Diese Permanenz dienen der Ausschuss Anwaltliche Berufsethik, seine Veranstaltungen auf Anwaltstagen, diese Dauer-Seite im Anwaltsblatt und Vorträge beim Forum Start in den Anwaltsberuf. Ziel ist auch, das Thema der Anwaltsethik irgendwann nicht mehr zweispurig, sondern einspurig, das heißt zusammen mit der BRAK zu verfolgen. Ob diese Methode des DAV richtig ist, muss die Zukunft erweisen. Was die Ethikseite des Anwaltsblatt anbelangt, ist die Reaktion bis heute eher bescheiden. Anwälte, die bei jeder Gelegenheit zum Diktiergerät greifen, sind offenbar bezüglich dieser kleinen ethischen Fälle nicht meinungsfreudig. Ausnahme macht eine ausführliche Diskussion mit Benno Heussen, der Rahmenbedingungen für die Entwicklung berufsethischer Regeln für Rechtsanwälte vorlegt. Die Diskussion und die sonstigen Zuschriften werden noch einmal gesondert vorgestellt. Das Anwaltsblatt wird diese Seite in 2013 fortsetzen. Dem DAV-Ausschuss Anwaltliche Berufsethik gehören an die Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte Dr. Michael Streck (Vorsitzendner), Dr. Ute Döpfer, Dr. Joachim Frhr. von Falkenhausen, Niko Härting, Markus Hartung, Petra Heinicke, Hartmut Kilger, Eghard Teichmann (auch Notar) und Silke Waterschek. AnwBl 12 /

64 MN Aus der Arbeit des DAV Moderner Datenschutz, starke Bürgerrechte und wirksames Berufsgeheimnis 13. Europäischer Parlamentarischer Abend in Brüssel DAV-Vertreter werben für Positionen der Anwaltschaft Aus der Arbeit des DAV Europäischer Parlamentarischer Abend in Brüssel 988 DAV-Stellungnahmen 988 Deutscher Anwaltverein Deutsche Anwaltschaft kämpft für verfolgte KollegeninderTürkei 990 Amnesty International und DAV Anwälte helfen verfolgten Anwälten 991 Deutscher Anwaltverein Wirtschaft unterstützt DAV-Vorschlag zu den Syndikusanwälten 991 DAV Stiftung contra Rechtsextremismus und Gewalt Unterstützungsleistungen durch die Stiftung nach wie vor geboten 991 Deutsche Anwaltakademie 992 AG Verkehrsrecht Trends und neue Entwicklungen im Verkehrsrecht 993 AG Mietrecht und Immobilien Wenn zwei BGH-Richter über das Mietrecht sprechen Anwaltsverband Baden-Württemberg Politik akzeptiert die Forderung nach einer RVG-Anpassung 994 Landesverband Hessen Taler, Taler, du musst wandern Immer geht es ums Geld 995 DAV-Förderverein Mittel- und Osteuropa Sanierungsrecht in der Finanzkrise internationale Aspekte 996 Anwaltsverband Baden-Württemberg Wertvolle Tipps für die Regelung der Kanzleinachfolge 996 DAV Griechenland Deutschland als Vorbild? Das Berufsrecht modernisieren 997 AG Syndikusanwälte Bonner Praxiskurs Kartellrecht ein Angebot für Syndikusanwälte 997 Deutsche Anwaltakademie Oldtimerrechtstag hat sich im Fortbildungskalender etabliert 997 Deutscher Anwaltverein DAV-Wertung beim Berlin Marathon Mitgliederversammlung AG Erbrecht / AG Transport- und Speditionsrecht 998 Personalien Es gehört inzwischen zum festen Bestandteil der Brüsseler Agenda, dass der Deutsche Anwaltverein zum Europäischen Parlamentarischen Abend lädt. Und auch in diesem Jahr war der Abend am 26. September wieder ein großer Erfolg wie die Resonanz der mehr als 80 Teilnehmer bestätigte. Entscheidungsträger aus dem Europäischen Parlament, der EU-Kommission, der Ständigen Vertretung Deutschlands sowie der Europäischen Datenschutzbehörde konnten sich mit Vorstand, Präsidium, Europabeauftragten und Geschäftsführung des DAV über aktuelle rechtspolitische Fragen austauschen. Der Festredner des Abends Jan Philipp Albrecht, Mitglied des Europaparlaments, und der DAV-Präsident Prof. Dr. Wolfgang Ewer waren sich in ihren Vorträgen einig: Ein modernes, digitales Europa benötigt einen modernen, einheitlichen Datenschutz. Als Berichterstatter zum Vorschlag für eine Datenschutz-Grundverordnung im federführenden Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres hob Albrecht hervor, dass sich in der Vergangenheit gemeinsame Grundsätze im europäischen Datenschutzrecht herausgebildet haben. Diese müssten nun an das digitale Zeitalter angepasst werden, was mit Veränderungen für alle Betroffenen verbunden sei. Damit bei der Modernisierung keine elementaren berufsrechtlichen Prinzipien wie etwa das Mandatsgeheimnis oder die anwaltliche Unabhängigkeit ins Leere liefen, sei die Unterstützung durch die deutsche Anwaltschaft grundlegend. Damit ging Albrecht auf eine Besorgnis Ewers ein, der insbesondere Unzulänglichkeiten im Kommissionsvorschlag aus anwaltlicher Sicht herausstellte. Bürgerrecht Mandatsgeheimnis Als Innen- und Rechtsexperte der Grünenfraktion berichtete der Europaabgeordnete Albrecht darüber hinaus auch vom langen, gemeinsam mit der Anwaltschaft beschrittenen Weg zu einer eigenständigen Justizkommissarin. Grund zum Ausruhen gebe es aber keinen. Er mahnte die weitere Stärkung der bürgerlichen Rechte an. Mit Blick auf die Vorschläge für ein Recht auf Rechtsbeistand aber auch eine Europäische Ermittlungsanordnung stellten sich gerade jetzt komplexe Fragen in den Bereichen Justiz und Inneres, bei denen die Grund- und Bürgerrechte der europäischen Bürger gewahrt bleiben müssten. Die Beschuldigtenrechte hatte auch DAV-Präsident Ewer aufgegriffen und klargestellt: Der Anwalt ist der notwendige Schlüssel des Mandanten zur Realisierung dieser Rechte und damit Gewähr eines fairen Strafverfahrens! Beim Kampf gegen den Versuch der Verwässerung des Kommissionsvorschlags für ein Recht auf Rechtsbeistand durch die Mitgliedsstaaten sieht er den DAV Seite an Seite mit dem Parlament. Insbesondere den Angriff auf die anwaltliche Vertraulichkeit gilt es abzuwehren, da andernfalls alle anderen Rechte der Richtlinie zur bloßen Makulatur werden. Kernaspekte des Berufsrechts Aber auch das Berufsrecht selbst gab den Teilnehmern ausreichend Anlass zur Diskussion. Zur angelaufenen Evaluierung der sektorspezifischen Richtlinien für die grenzüberschreitende Dienstleistung und Niederlassung von Rechtsanwälten unterstrich Ewer: Die freie Anwaltschaft will und darf sich die Deutungshoheit über ihre Berufsgruppe, über ihr Berufsrecht, nicht aus der Hand nehmen lassen. Unter Verweis auf eine vom Rat der Europäischen Anwaltschaften (CCBE) in Auftrag gegebene Studie bekräftigte der DAV-Präsident, dass der Beruf des Rechtsanwalts gerade kein freier Beruf wie jeder andere ist. Es gebe keinen sachlichen Grund, an der bewährten und erfolgreichen Struktur der Anwaltsrichtlinien nicht auch zukünftig festzuhalten. Rechtsanwalt Jonas Regenfuß, Brüssel 986 AnwBl 12 / 2012

65 MN Aus der Arbeit des DAV 1 Der Europaabgeordnete Jan Philipp Albrecht (Bündnis 90/Die Grünen) sprach auf dem Europäischen Parlamentarischen Abend in Brüssel. 2 Der DAV-Präsident Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolfgang Ewer warb für die Positionen der Anwaltschaft. 3 Rechtsanwalt Dr. Friedwald Lübbert (DAV-Vizepräseident, r.) mit Dr. Guido Peruzzo (Botschafter und Stellvertreter des Ständigen Vertreters Deutschlands bei der EU). 4 Rechtsanwalt Dr. Christian Duve (u.a. Vorsitzender des DAV-Ausschusses Außergerichtliche Konfliktbeilegung, r.) mit Renate Nikolay (Europäische Kommission) und dem Europaabgeordneten Heiner Lehne (CDU, Vorsitzender des Rechtsausschusses des Europäischen Parlaments) Rechtsanwältin Verena Mittendorf (DAV-Vizepräsidentin, l.) mit Rechtsanwältin Dr. Marcella Prunbauer-Glaser (Präsidentin des Rates der Europäischen Anwaltschaften). 6 Rechtsanwältin Pia Eckertz-Tybussek (DAV-Vorstand, l.),und Rechtsanwältin und Notarin Mechtild Düsing (DAV-Vorstand, r.) mit dem Europäischen Datenschutzbeauftragten Peter Hustinx. 7 Rechtsanwältin Dr. Astrid Auer-Reinsdorff (DAV-Vizepräsidentin) mit dem Europaabgeordneten Prof. Dr. Dr. Hans-Peter Mayer (CDU). 8 Die Rechtsanwälte Prof. Dr. Peter Bräutigam für die AG IT-Recht (M.) und Prof. Niko Härting (für den IT- Rechtsausschuss des DAV) mit Thomas Zerdick (Europäische Kommission, l.) Rechtsanwalt Oskar Riedmeyer (DAV-Vizepräsident, l.) mit Rainer Wieland (Vizepräsident des Europäischen Parlaments, M.) und Diana Wallis (ehemalige Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments). 10 Rechtsanwalt Dr. Martin Prager (DAV-Insolvenzrechtsausschuss, r.) mit Dr. Reinhard Priebe (Europäische Kommission, M.), und Florian Geyer (Europäische Kommission, l.). 11 Rechtsanwältin Béatrice Deshayes (DAV-Zivilverfahrensrechtsausschuss) und Dr. Sebastian Jeckel (Ständige Vertretung Deutschlands bei der EU). 12 Rechtsanwältin Dr. Claudia Seibel (DAV-Vorstand) und Dr. Peter Jozsef Csonka (Europäische Kommission). 13 Rechtsanwalt Prof. Dr. Hans-Jürgen Hellwig (DAV- Berufsrechtsausschuss, r.) mit Jonathan Goldschmith (Generalsekretär des Rates der Europäischen Anwaltschaften) AnwBl 12 /

66 MN Aus der Arbeit des DAV DAV-Stellungnahmen Vermögensabschöpfung aus Straftaten in der EU (70/12) Der DAV hat durch den Strafrechtsausschuss zum Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Sicherstellung und Einziehung von Erträgen aus Straftaten in der Europäischen Union [COM(2012) 85 final] Stellung bezogen. Die Kommission strebt eine weitere Annäherung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten im Bereich der Sicherstellung und Einziehung kriminellen Vermögens an. Der DAV merkt an, dass die Einführung einer Einziehung ohne vorherige Verurteilung und die Einführung der Dritteinziehung auf keine deutschen verfassungs- und/oder strafrechtlichen Bedenken stöße. Kritisch sieht der Ausschuss jedoch die in Art. 4 des Entwurfs der Kommission vorgesehene erweiterte Einziehung. Der Vorschlag der Kommission beruht auf einer mangelhaften Umsetzung der bereits auf der Grundlage von Art. 3 des Rahmenbeschlusses 2005/212/JI möglichen erweiterten Einziehung durch die Mitgliedstaaten und hebt deren Beschränkung auf im Rahmen einer kriminellen Vereinigung begangenen Straftaten auf. Eine dem Vorschlag der Kommission entsprechende Richtlinie widerspräche somit der Eigentumsgarantie und der Unschuldsvermutung des Grundgesetzes. Insgesamt widerspricht Art. 4 Abs. 1 des Entwurfs der Kommission deutschem Verfassungsrecht aus denselben Gründen, die bereits zur Nichtigkeit der im früheren 43a StGB geregelten Vermögensstrafe geführt haben (BVerfG U.v , 2 BvR 794/95). Problem gewerbsmäßige Förderung der Selbsttötung (76/12) Der Strafrechtsausschuss des Deutschen Anwaltvereins hat zum Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums (zum Entwurf eines Gesetzes zur Strafbarkeit der gewerbsmäßigen Förderung der Selbsttötung) Stellung genommen. Der Referentenentwurf sieht die Schaffung eines neuen Straftatbestandes im Strafgesetzbuch vor, der die gewerbsmäßige Förderung der Selbsttötung unter Strafe stellt. Zum jetzigen Zeitpunkt sieht der DAV eine strafrechtliche Normierung der gewerbsmäßigen Förderung der Selbsttötung als nicht erforderlich an. Um der Gefahr eines Missbrauchs vorzubeugen, reiche eine strenge Regelung im Gewerberecht. Berufsqualifikationsrichtlinie und Rechtsdienstleistungsmarkt(77/12) Der DAV begrüßt den seit vielen Jahren durch die anwaltliche Dienst- und Niederlassungsrichtlinie und durch die Berufsqualifikationsrichtlinie hergestellten Binnenmarkt für anwaltliche Dienstleistungen. Der partielle Zugang sollte jedoch aus zwingenden Gründen des Allgemeinwohls im Interesse einer geordneten Rechtspflege ausgeschlossen werden können. Das geht aus der Stellungnahme des DAV zum Richtlinienvorschlag der EU-Kommission KOM(2011) 883 für eine Reform der Berufsqualifikationsrichtlinie hervor. Für die Fälle, in denen partieller Zugang gewährt werden kann, sollte die zugrundeliegende Prüfung nicht davon abhängig gemacht werden, ob die Berufstätigkeit sich objektiv von anderen im Herkunftsstaat unter den Beruf fallenden Tätigkeiten trennen lässt. Wie bereits im Berichtsentwurf der Europaabgeordneten Bernadette Vergnaud vorgeschlagen, würde es der DAV begrüßen, wenn jedes Praktikum in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen würde, sofern dieses für den Zugang zu einem reglementierten Beruf im Herkunftsmitgliedstaat vorgeschrieben ist. Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie (78/12) Der Deutsche Anwaltverein hat durch die Ausschüsse Zivilrecht sowie Miet- und Wohnrecht eine Stellungnahme zum Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz für ein Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie (2011/83/EU), zur Änderung des Verbrauchsgüterkaufrechts und zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung abgegeben. Die Notwendigkeit eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/83/EU ist eindeutig. Der Entwurf wirft jedoch eine grundsätzliche Frage auf, nämlich die nach dem sachgerechten Regelungsstandort, konkret, ob das Verbrauchervertragsrecht insgesamt im BGB oder in einem eigenständigen Verbrauchervertragsgesetz zu regeln sei. Der DAV plädiert dafür, das Verbrauchervertragsrecht insgesamt aus dem BGB herauszunehmen und in einem gesonderten Gesetz geschlossen zu regeln. Alle Stellungnahmen finden Sie im Internet unter Stellungnahmen. Deutscher Anwaltverein Deutsche Anwaltschaft kämpft für verfolgte Kollegen in der Türkei Aktueller Lagebericht aus erster Hand bei Veranstaltung im DAV-Haus Freie Berufe in Gefahr. Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sowie Journalistinnen und Journalisten hinter Gittern so lautete der Titel einer Abendveranstaltung am 24. Oktober 2012 in Berlin. Das Menschenrechtsthema führte rund 100 Gäste zu der Veranstaltung ins DAV-Haus, zu der der Deutsche Anwaltverein (DAV) zusammen mit dem Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein und Amnesty International eingeladen hatte. Derzeit laufen in der Türkei Großstrafverfahren gegen 46 Anwältinnen und Anwälte sowie gegen 44 Journalistinnen und Journalisten. Von den Angeklagten befinden sich 36 Pressevertreter und 26 Anwältinnen und Anwälte in Haft. Ihnen drohen Haftstrafen von bis zu 22 Jahren. Anklagevorwurf ist die angebliche Mitgliedschaft in der Union der Gemeinschaft Kurdistans (KCK). Dieser Vorwurf knüpft allerdings nahezu ausschließlich an Tätigkeiten im Rahmen ihrer Berufsausübung an. Der DAV machte deswegen zusammen mit dem Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein und Amnesty International auf die Missachtung rechtsstaatlicher Grundsätze aufmerksam. Wie wichtig anwaltliches Engagement für die Menschenrechte sei, machte Rechtsanwalt Dr. Friedwald Lübbert, DAV-Vizepräsident und Vorsitzender des DAV-Ausschusses Menschenrechte, zunächst deutlich. Die Veranstaltung beleuchtete dann konkrete Fragen wie etwa: Was ist der Gegenstand der Großverfahren? Welches sind die Anklagevorwürfe? Worin zeigt sich die Unvereinbarkeit mit den Menschenrechten? Was bedeutet dies für die Betroffenen? Absurde Anklagevorwürfe Rechtsanwalt Ercan Kanar (Strafverteidiger für einige der Angeklagten in den beiden Großverfahren) und Yildirim Türker (Journalist in Istanbul) berichteten, wie absurd viele der Anklagevorwürfe seien und wie schwer es für 988 AnwBl 12 / 2012

67 MN Aus der Arbeit des DAV einen Strafrechtsverteidiger sei, in diesen Verfahren seinen Anwaltsberuf frei auszuüben. Die Anklagen basierten in den meisten Fällen auf reinen Vermutungen. So sei es für die Anklage eines der Journalisten ausreichend gewesen, dass bei der Durchsuchung eines Studenten seine Telefonnummer auf dem Handy gespeichert gewesen sei. Dieser wiederum war an einer Bushaltestelle festgenommen worden, weil er ein Halstuch trug, das mit kurdischen Symbolen bedruckt war. Bei den Anwälten reichte zum Teil der Besuch inhaftierter Mandanten für eine Anklage aus. Wenn es nicht so traurig wäre, könnten wir darüber nur lachen, so Yildirim Türker, der sich seit Jahrzehnten für Presse- und Meinungsfreiheit einsetzt und durch seine Kolumnen großes Renommee erlangt hat, in denen er über Menschenrechtsverletzungen in der Türkei schreibt. 16 Jahre arbeitete er bei der linksliberalen Tageszeitung Radikal. Vor zwei Monaten musste er die Zeitung verlassen, nachdem der Druck zu groß geworden war und die Zeitung seine Kolumne zensierte. Dies sei kein Einzelfall, so Yildirim Türker. Bei den noch verbliebenen Journalisten herrsche große Angst und eine Atmosphäre der Selbstzensur. Heute schreibt er Drehbücher. Auch der Bericht über den Ablauf der Gerichtsverfahren ließ viele Gäste mit Kopfschütteln reagieren. So berichtete Rechtsanwalt Ercan Kanar, dass ihm das Gericht bei der letzten Hauptverhandlung in dem Verfahren gegen die Journalistinnen und Journalisten insgesamt nur sechs Minuten Redezeit zugestanden habe. Dabei verteidige er in dem Verfahren 12 Mandanten und sehe sich mit einer Anklageschrift von 400 Seiten konfrontiert. Ein trauriger Höhepunkt in der Hauptverhandlung sei erreicht worden, als das Gericht ihn aufgefordert habe, den Gerichtssaal für einen Tag zu verlassen, weil er sich für das Rederecht eines seiner Mandanten eingesetzt habe. Die übrigen Rechtsanwälte hätten dagegen protestiert. Als Antwort darauf seien spezielle Sicherheitskräfte, sog. Robocops, eingesetzt worden, die den Gerichtssaal unter Anwendung von Gewalt räumten. Weiter Kampf für Menschenrechte Dennoch bekräftigten Ercan Kanar und Yildirim Türker: Wir werden weiterkämpfen, damit sich etwas ändert. Auf lange Sicht sei dies der einzige Weg, Der türkische Rechtsanwalt Ercan Kanar und Yildirim Türker (Journalist in Istanbul) sprachen im Rahmen der Veranstaltung Freie Berufe in Gefahr. Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sowie Journalistinnen und Journalisten hinter Gittern über Großstrafverfahren in der Türkei gegen Anwälte und Pressevertreter. 3 Rechtsanwalt Dr. Friedwald Lübbert (DAV-Vizepräsident und Vorsitzender des DAV-Menschenrechtsausschusses) machte deutlich, wie wichtig anwaltliches Engagement für die Menschenrechte sei. 4 Rund 100 Gäste führte die Abendveranstaltung in dasdav-hausinberlin. 5 Das Menschenrechtsthema sorgte auch nach der Diskussion noch für Gesprächsbedarf. 6 Achtungsapplaus des Publikums, das mitdiskutieren konnte. 8 Rechtsanwalt Wolfgang Kaleck (Generalsekretär des European Center for Constitutional and Human Rights) moderierte die Veranstaltung um zu einer Einhaltung der Menschenrechte zu gelangen, die universell und für jeden einzelnen Menschen gelten. Internationale Solidarität sei dabei sehr wichtig, zum einen zur Stärkung der Menschen, die sich vor Ort für die Menschenrechte einsetzen, zum anderen, um Druck auf staatliche Stellen auszuüben, die ungerne angeprangert werden. Womöglich seien die Chancen gering, zeitnah unmittelbare Veränderungen herbeizuführen. Hierüber sollten keine Illusionen bestehen, so hieß es auf dem Podium. Rechtsanwalt Dr. Friedwald Lübbert stellte aber gleichzeitig klar, dass Untätigkeit angesichts der 4 5 Menschenrechtsverletzungen keine Alternative sei. Deshalb hat der DAV für die Hauptverhandlung am 6. November 2012 in dem Großverfahren gegen die Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte Rechtsanwältin Gül Pinar, Mitglied des DAV-Ausschusses Strafrecht, als Prozessbeobachterin entsandt. Der DAV-Präsident Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolfgang Ewer hatte im August 2012 in einem Schreiben an den Justizminister der Türkei Sadullah Ergin an die Bedeutung der anwaltlichen Unabhängigkeit als elementaren Grundpfeiler eines jeden Rechtsstaats erinnert. Ass. Adriana Kessler, LL.M., DAV, Berlin AnwBl 12 /

68 MN Aus der Arbeit des DAV Amnesty International und DAV Anwälte helfen verfolgten Anwälten In diesem Heft: Ponciano Mbomio Nvo aus Äquatorialguinea Der Deutsche Anwaltverein unterstützt die Arbeit von Amnesty International. Im Anwaltsblatt werden regelmäßig Fälle von Anwältinnen und Anwälten vorgestellt, die sich auch unter schwierigen Bedingungen für die Einhaltung der Menschenrechte einsetzen auch wenn sie deswegen selbst Gefahr laufen, in ihrer beruflichen Tätigkeit bis hin zu massiven Bedrohungen behindert zu werden. Traurige Lage in Äquatorialguinea Äquatorialguinea ist mit nur rund 1,2 Mio. Einwohnern eines der kleinsten Länder in Afrika. Offiziell ist es eine parlamentarische Demokratie, wird tatsächlich aber vom Präsidenten des Landes beherrscht, der mit seinem Regierungsapparat potentielle Kritiker kontrolliert oder ihre Freiheit gänzlich einschränkt. Aus diesem Grund ist die Menschenrechtslage Äquatorialguineas weltweit häufig kritisiert worden. Einflussnahme durch die Regierung hatte zuletzt der Rechtsanwalt Ponciano Mbomio Nvo zu spüren. Ponciano Mbomio Nvo wurde im April 2012 für zwei Jahre aus der Anwaltskammer ausgeschlossen. Der Beschluss der Anwaltskammer bedeutet für Mbomio Nvo das Berufsverbot, da die Mitgliedschaft in der Anwaltskammer Voraussetzung für die Tätigkeit als Rechtsanwalt ist. Dieser Beschluss wurde in einem rechtswidrigen Verfahren gefasst. Knapp einen Monat bevor ihm die Entscheidung formell bekannt gegeben wurde, wurde sie bereits im nationalen Fernsehen und Radio verlesen. Am 23. April 2012 erhielt Mbomio Nvo eine informelle Mitteilung der Anwaltskammer, in der er zu einem Treffen am 26. April 2012 gebeten wurde. Weitere Informationen zu dieser Angelegenheit wurden nicht mitgeteilt. Mbomio Nvo erfuhr lediglich informell, dass ihm ein Fehlverhalten vorgeworfen werde. Daraufhin erhob Mbomio Nvo Beschwerde und forderte unter anderem, dass unabhängige Anwälte seinen Fall übernehmen. Die Anwaltskammer reagierte nicht. Sein Fall Rechtsanwalt Ponciano Mbomio Nvo aus Äquatorialguinea wurde für zwei Jahre aus der Anwaltskammer ausgeschlossen es bedeutet das Berufsverbot. Der Beschluss wurde in einem rechtswidrigen Verfahren gefasst. wurde am 26. April 2012 in seiner Abwesenheit verhandelt. Der Ausschluss wurde unter anderem damit begründet, dass er unter Ausnutzung der Meinungsfreiheit, die Regierung Äquatorialguineas und deren Institutionen kritisiert habe und er versucht haben soll, durch seine Kritik an Regierung und Staat, Richter in einem Verfahren zu beeinflussen. Ponciano Mbomio Nvo konnte sich auf sein Verfahren nicht angemessen vorbereiten, obwohl die Satzung der Anwaltskammer hierfür eine Frist von 10 Tagen vorsieht. Mbomio Nvo hat weder eine formelle Vorladung erhalten, ist vorab schriftlich über die konkreten Vorwürfe gegen ihn informiert worden, noch hatte er die Möglichkeit sich gegen die Vorwürfe zu verteidigen und diese zu widerlegen. Laut Satzung der Anwaltskammer ist bei einem beantragten Ausschluss für mehr als sechs Monate, eine Entscheidung vom Vorstand der Anwaltskammer in geheimer Abstimmung mit Zweidrittelmehrheit zu treffen, wobei alle Mitglieder des Vorstandes anwesend sein und den Beschluss unterschreiben müssen. Die Satzung sieht weiter ein Recht auf ein faires Verfahren vor einem Disziplinarausschuss vor, jedoch wurde keine dieser Verfahrensregeln beachtet. Mbomio Nvo hat Beschwerden gegen seinen Ausschluss eingelegt, sich an das zuständige Untersuchungsgericht gewandt sowie vor der Anwaltskammer Berufung eingereicht. Eine Reaktion der Anwaltskammer ist bis heute nicht erfolgt. Daraufhin wandte sich Mbomio Nvo im Juni 2012 auch an den Obersten Gerichtshof. Hier beantragte er auch, dass ihm zumindest erlaubt werde seine vor Gericht anhängigen Fälle abschließen zu dürfen. Eine Reaktion ist bisher ausgeblieben. Mbomio Nvo ist 1946 geboren, verheiratet und hat sechs Kinder. Seit Januar 1992 ist er Rechtsanwalt und der einzige Anwalt Äquatorialguineas mit einem Doktortitel der Rechtswissenschaften. Er lehrt Recht an der UNED, einer Fernuniversität in Äquatorialguineas Hauptstadt Malabo. Seit seiner Zulassung zur Anwaltschaft setzt er sich für seine Mandanten gegen unrechtmäßige Enteignungen, Folter durch Regierungsbeamte und andere unrechtmäßige Einflussnahme durch die Regierung ein. Er hat schon an vielen politischen Prozessen und Antikorruptionsverfahren teilgenommen sowie als Strafverteidiger zahlreiche gewaltlose politische Gefangene vertreten. Mbomio Nvo wurde bereits in 2008 für ein Jahr willkürlich vom Vorsitzenden der Anwaltskammer aus dieser ausgeschlossen und mit einem entsprechenden Berufsverbot belegt. Drohungen wegen seiner Arbeit als Rechtsanwalt hat er ebenfalls schon mehrfach erhalten. Regierungsunabhängige Anwaltskammer? Formell ist die Anwaltskammer Äquatorialguineas regierungsunabhängig. In der Praxis wird sie jedoch durch das Justizministerium kontrolliert und finanziert. Zuletzt hat der Justizminister den einzigen Kandidaten für die Wahl zum Vorsitz der Anwaltskammer bestimmt. Neuwahlen fanden seither trotz anders lautender Satzungsbestimmungen nicht statt. Der derzeitige Vorsitzende der Anwaltskammer Schwager des amtierenden Präsidenten ist Richter am Obersten Gerichtshof und seit Mai 2012 stellvertretender Justizminister. Bedauerlicherweise müssen Regierungskritiker in Äquatorialguinea wie Ponciano Mbomio Nvo auch zukünftig mit der Missachtung ihrer Menschenrechte rechnen. Rechtsanwältin Dr. Mary Lachmann, LL.M., Amnesty International Mit der Veröffentlichung der Fälle von Kolleginnen und Kollegen, die sich auch in schwierigen Situationen für die Einhaltung der Menschenrechte einsetzen, will der DAV einen Beitrag zu ihrem Schutz leisten. Wollen Sie sich auch ganz persönlich einsetzen? Nähere Informationen unter Dort finden Sie aktuelle Fälle von bedrohten Anwältinnen und Anwälte und Informationen, wie Sie sich engagieren können. Alle bisherigen Beiträge seit 2006 sind abrufbar in der Anwaltsblatt-Datenbank (Stichwort Amnesty International) unter AnwBl 12 / 2012

69 MN Aus der Arbeit des DAV Deutscher Anwaltverein Wirtschaft unterstützt DAV-Vorschlag zu den Syndikusanwälten DAV wirbt für Klarstellung in 46 BRAO Mit dem DAV-Gesetzgebungsvorschlag zur Rechtstellung des Syndikusanwalts befasste sich der Rechtsausschuss der Industrie- und Handelskammer (IHK) für München und Oberbayern in seiner Sitzung am 22. Oktober DAV- Vertreter warben für den DAV-Vorschlag zur Klarstellung der BRAO. Unter dem Titel Rechtsanwälte sind auch Syndikusanwälte erläuterten Syndikusanwalt Konrad Klimek (Audi AG und Mitglied des Geschäftsführenden Ausschusses AG Syndikusanwälte) und ein Mitglied der DAV-Geschäftsführung den DAV-Entwurf für 46 BRAO, den rechtlichen Kontext und das tatsächliche Berufsbild der Syndikusanwälte. Der Entwurf stellt klar, so Klimek, dass die rechtliche Beratung und Vertretung des nichtanwaltlichen Arbeitgebers anwaltliche Tätigkeit ist. Es gebe keine Abstriche bei der Unabhängigkeit in der rechtlichen Beratung. Wirtschaftlich sei der Syndikus sogar unabhängiger als der frei niedergelassene Anwalt. Sowohl dem niedergelassenen als auch dem Syndikusanwalt könne das Mandat entzogen werden. Der Syndikusanwalt bekomme trotzdem zum nächsten Ersten sein Gehalt. Der Vorschlag führt das Berufsrecht wieder an die Realität in den Rechtsabteilungen heran, so der Audi-Anwalt weiter. Wenn der Syndikusanwalt aber im Unternehmen anwaltlich tätig sei, dann dürften ihm auch Zeugnisverweigerungsrecht und Beschlagnahmeschutz für mandatsbezogene Kommunikation nicht verweigert werden. Das sind letztlich Mandantenprivilegien, nicht Privilegien des Anwalts um seiner selbst willen, erklärte Klimek. Deshalb sei sehr zu begrüßen, dass sich die großen Wirtschaftsverbände BDI (Bundesverband der Deutschen Industrie), BDA (Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände) und DIHK (Deutscher Industrie- und Handelskammertag) hinter den Vorschlag des DAV zu 46 BRAO gestellt hätten. Rechtsanwalt Thomas Marx, DAV, Berlin DAV Stiftung contra Rechtsextremismus und Gewalt Unterstützungsleistungen durch die Stiftung nach wie vor geboten Anwaltvereine engagieren sich Stiftung auf Spenden angewiesen Die im Jahr 2001 errichtete DAV Stiftung contra Rechtsextremismus und Gewalt unterstützt bedürftige Opfer politisch motivierter Gewalttaten dadurch, dass sie die Bereitstellung des anwaltlichen Know-hows finanziert. Die Stiftung übernimmt die Kosten der anwaltlichen Beratung und Vertretung, sofern diese nicht von Dritten übernommen werden. Durch eine sehr zurückhaltende Beiordnungspraxis ist diese Unterstützung nach wie vor geboten. Die Arbeit der Stiftung ist dringender denn je. Gerade durch die Tätigkeit der Stiftung erhalten Opfer den anwaltlichen Beistand, den sie sonst nicht gehabt hätten. Im laufenden Kalenderjahr sind bis Oktober 2012 bereits 38 Anträge herangetragen worden. Insgesamt wurde in diesem Jahr ein Betrag in Höhe von Euro ausgeschüttet. In Betrachtung der vergangenen Jahre stabilisiert sich die Zahl der Anträge auf einem hohen Niveau. Ein Rückgang ist nicht zu verzeichnen. Die DAV Stiftung contra Rechtsextremismus und Gewalt ist nach wie vor auf Spenden angewiesen. Dabei freut sie sich über größere oder kleinere Beträge. Auch eine Unterstützungsleistung gem. 153 a StPO oder durch Bewährungsauflagen ist möglich. Erfreulich ist auch, dass sich örtliche Anwaltvereine engagieren. So hat beispielsweise der Verein der Rechtsanwälte Koblenz anlässlich seines 100-jährigen Gründungsjubiläums bei einer Tombola Euro für die Stiftung eingespielt und den Betrag auf Euro aufgerundet. Rechtsanwalt Swen Walentowski, DAV, Berlin Die Anwaltschaft setzt Zeichen: Die Stiftung ist für ihre Arbeit weiterhin auf Spenden angewiesen. Leisten Sie einen kleineren oder größeren Beitrag auf das Konto der Stiftung bei der Commerzbank, Konto-Nr.: , BLZ: Des Weiteren kann die Stiftung gemäß 153 a StPO unterstützt werden. Weisen Sie die Gerichte darauf hin. Informationen: ueber-uns/stiftung Deutsche Anwaltakademie Reform zur Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung Zum wird das Gesetz zur Reform der Sachaufklärung in Kraft treten. In den Seminaren am 14. Dezember 2012 in Berlin oder am 18. Januar 2013 informiert Kunibert Schade (Obergerichtsvollzieher aus Siegen) über die praktischen Auswirkungen dieser tiefgreifenden Reform. Bau- und Architektenrecht Update 2012 Das Seminar am 15. Dezember in Stuttgart befasst sich mit praxisrelevanten Themen zu Änderungs- und Zusatzleistungen bei Bau-, Architektenund Ingenieurverträgen. Seminar zu den ersten Erfahrungen mit dem ESUG Das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) mit weitreichenden Änderungen der Insolvenzordnung ist am 1. März 2012 in Kraft getreten. Knapp neun Monate nach der Reform zeichnensichdieschwierigkeitenbeider Anwendung der neuen Vorschriften ab. Das Seminar am 7. Dezember in Stuttgart fasst die Erfahrungen zusammen. Aufbaukurs zertifizierter Mediator (DAA) Das neue Mediationsgesetz schafft die Möglichkeit, sich als Zertifizierter Mediator zu bezeichnen. Voraussetzung dafür, diesen Titel zu führen, ist eine Ausbildung, die nach den Vorstellungen des Rechtsausschusses des Bundestages 120 Zeitstunden umfassen soll. Details sind noch in einer Rechtsverordnung zu regeln. Absolventen der 90-Stündigen Ausbildung, die sich bereits jetzt auf die Bezeichnung Zertifizierter Mediator vorbereiten möchten, bietet die Deutsche Anwaltakademie im nächsten Jahr zwei Aufbaukurse in Berlin bzw. Mainz mit ergänzenden 30 Stunden an. Diese vermitteln die Ausbildungsinhalte, die in der künftigen Rechtsverordnung erwartet werden. Weitere Informationen finden Sie im Internet unter AnwBl 12 /

70 MN Aus der Arbeit des DAV AG Verkehrsrecht Trends und neue Entwicklungen im Verkehrsrecht 32. Homburger Tage im Herbst Forum für Gesetzesideen Die Homburger Tage sind eine der bedeutendsten Tagungen der Verkehrsjuristen in Deutschland. Es ist die Traditionsveranstaltung der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins, die dieses Jahr vom 19. bis 21. Oktober 2012 stattfand, Rechtsanwalt Justizrat Hans-Jürgen Gebhardt (Foto), langjähriger Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht und Spiritus Rector der Homburger Tage, konnte unter den knapp 150 Teilnehmern aus Anwaltschaft, Versicherungswirtschaft, Justiz und Ministerialbürokratie viel Prominenz begrüßen. Unter den Zuhörern waren zehn Bundesrichter, an ihrer Spitze der Präsident des Bundesgerichtshofs, Prof. Dr. Klaus Tolksdorf. Gebhardt betonte in seiner Begrüßung, dass sich anhand der Teilnehmerliste zeige, dass es auch den 32. Homburger Tagen gelungen sei, ein Diskussionsforum für alle am Verkehrsrecht Beteiligten zu schaffen. Da es auch Anliegen der Veranstaltung sei, Impulse an den Gesetzgeber, beispielsweise zum Angehörigenschmerzensgeld, zu senden, beschäftigten sich die Referate nicht nur mit praxisnahen Themen. Lücken im Recht schließen Richterin am BGH Angela Diederichsen (VI. Zivilsenat, Foto) listete in ihrem Eingangsreferat Ansprüche naher Angehöriger von Unfallopfern die Anspruchsgrundlagen auf, die de lege lata bereits existieren. Sie gab zahlreiche wertvolle praktische Tipps, wie Anwälte beim Tod eines nahen Angehörigen Schadensersatzansprüche geltend machen können. Sie legte überzeugend dar, dass es sich bei den Regelungen in den 844, 845 BGB um eng auszulegende Ausnahmebestimmungen handelt, die weder auf andere Schadenspositionen noch auf andere Dritte auszudehnen seien, so dass Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft einen Anspruch nicht auf 844 Abs. 2 BGB stützen könnten. Diederichsen regte an, der gesellschaftlichen Veränderung dadurch Rechnung zu tragen, dass das Gesamtkonzept der bestehenden Schadensersatzvorschriften überarbeitet werde. Sie schlug vor, 844 Abs. 2 Satz 1 BGB de lege ferenda auf faktisch bestehende und/oder vertraglich geregelte Unterhaltsberechtigungen auszuweiten, um der sozialen Realität und damit dem hohen Anteil nichtehelicher Lebensgemeinschaften Rechnung zu tragen. Diederichsen sprach sich dagegen aus, ein Angehörigenschmerzensgeld gesetzlich zu verankern. Sie hielt es für ausreichend, dass die Rechtsprechung ihre Anforderungen an den Schockschaden lockere. Dr. Gerda Müller (Vizepräsidentin des BGH a. D. und Vizepräsidentin des Deutschen Verkehrsgerichtstages) sowie Rechtsanwalt Oskar Riedmeyer (DAV-Vizepräsident) wiesen in der anschließenden Diskussion darauf hin, dass diese Position auch im Rahmen einer Expertenanhörung im Bundesjustizministerium vertreten worden sei. Alles-oder-Nichts-Prinzip Richterin am BGH Dr. Annette Brockmöller (IV. Zivilsenat) informierte in ihrem Referat über die neuere Rechtsprechung zum Versicherungsschutz nach Unfällen. Ihr Senat habe trotz des Abschieds vom Allesoder-Nichts-Prinzip entschieden, dass bei grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalles oder bei grobfahrlässiger Obliegenheitsverletzung auch nach neuem Recht eine Leistungskürzung auf Null gerechtfertigt sein könne. Weites Recht auf Akteneinsicht Richter am BGH Jürgen Cierniak (4. Strafsenat) forderte in seinem Referat Prozessuale Anforderungen an den Nachweis von Verkehrsverstößen, dem Verteidiger im Bußgeldverfahren auch bei Anwendung eines standardisierten Messverfahrens bereits im Vorverfahren Einsicht in die für das Messverfahren wichtigen Unterlagen (Messfoto, Bedienungsanleitung, Messfilm, Messprotokoll, Eichschein etc.) zu gewähren. Das Einsichtsrecht leitete er aus dem Grundsatz des fairen Verfahrens und des Gebots der Waffengleichheit her. Dieses müsse unabhängig vom Amtsermittlungsgrundsatz gewährt werden. Nach Ansicht von Cierniak liegt dann eine willkürliche Beschränkung des Einsichtsrechts vor, wenn dem Verteidiger Einsicht in die Bedienungsanleitung eines Messgeräts verweigert werde. Der Hersteller könne der Vorlage der Bedienungsanleitung nicht unter Berufung auf sein Urheberrecht widersprechen. Jörg Elsner (Vorsitzender der AG Verkehrsrecht des DAV) wies darauf hin, dass diese Argumentation eines BGH-Richters für die tägliche Arbeit der Verteidiger in Ordnungswidrigkeitenverfahren sehr nützlich sei. Schön wäre es, wenn dadurch die These Geschwindigkeitsübertretung liegt vor, wenn der Polizist das sagt widerlegt werden könnte. Im Abschlussreferat referierte Klaus-Ludwig Haus (Direktor des Landesverwaltungsamts des Saarlands a. D.) über die Gültigkeit einer im EU- Ausland erworbenen Fahrerlaubnis in Deutschland. Hierbei ging er insbesondere auf die Führerscheinrichtlinien und die Rechtsprechung des EuGH zur gegenseitigen Anerkennung von EU- Fahrerlaubnissen ein. Er stellte fest, dass er eine strenge gegenseitige Anerkennungspflicht für EU-Fahrerlaubnisse gebe. Ausnahmen von dieser seien eng auszulegen. Die Anerkennung könne nicht wegen möglicher strengerer nationaler Normen abgelehnt werden, denn das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, bedeute auch, von weniger strengen Rechtsvorschriften profitieren zu dürfen. Rechtsanwältin Bettina Bachmann, DAV, Berlin Die 33. Homburger Tage finden vom Oktober 2013 statt. 992 AnwBl 12 / 2012

71 MN Aus der Arbeit des DAV AG Mietrecht und Immobilien Wenn zwei BGH-Richter über das Mietrecht sprechen... Herbsttagung in Weimar großer Erfolg Arbeitsgemeinschaft wächst Weimar ist keine Stadt nur für Dichter und Denker. Anfang September 2012 fand dort die Herbsttagung der AG Mietrecht und Immobilien statt. Sie war ein voller Erfolg, gerade weil sie nahe an der Praxis war: Mehr als 245 Teilnehmer, Referenten und Gäste widmeten sich der Diskussion zu einem breiten Spektrum immobilienrechtlicher Fragen. Schon die Begrüßung begann mit Erfreulichem: Der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Rechtsanwalt Thomas Hannemann verkündete, was der stete Mitgliederzuwachs seit längerem versprach: Die Arbeitsgemeinschaft Mietrecht und Immobilien hat jetzt knapp mehr Mitglieder als die Arbeitsgemeinschaft Bau- und Immobilienrecht. Die Nachricht über die Erreichung dieses Etappenziels motiviert für weitere Vorhaben. Rechtsanwalt und Notar Ferréol Jay von Seldeneck eröffnete danach mit einem Vortrag zur Umlage von Betriebskosten bei neu entstehenden Vermieterpflichten. Jeder Vermieter sei gut beraten, hierzu beim Abschluss von neuen Mietverträgen klare und insbesondere vorausschauende Regelungen zu treffen. Rechtsanwalt Schäfer widmete sich dem Thema Verwertungskündigungen. Aktuelles vom BGH Ihm folgte Dr. Peter Frellesen (Richter am Bundesgerichtshof) mit Informationen zur aktuellen Rechtsprechung des VIII. Zivilsenates zum Wohnraummietrecht. Bemerkenswert war seine Schilderung, mit welchen Problemen der VIII. Zivilsenat zu kämpfen habe, nachdem er sich nach der Mietrechtsreform vertieft mit dem Wohnraummietrecht befassen musste und wie dies seine Rechtsprechung geprägt habe. Der Nachmittag wurde dem Verbraucherschutz im Beurkundungsrecht und dem so genannten Rechtsprechungsfenster gewidmet. In diesem wurde über aktuelle Entscheidungen aus dem Wohn- und Gewerberaummietrecht, dem Wohnungseigentumsrecht und dem Maklerrecht berichtet. Ein gemeinsames Abendessen mit dem inzwischen traditionellen Kickerturnier beschloss den Tag. Gewissermaßen das thematische Pendant zum Vortrag von Dr. Frellesen lieferte Dr. Claudio Nedden-Boeger (Richter am Bundesgerichtshof), der am Samstagvormittag über die aktuelle Rechtsprechung des XII. Zivilsenates zum Gewerberaummietrecht referierte. Das Erbrecht im Mietrecht Danach folgte Rechtsanwältin Dr. Stephanie Herzog über die Haftung des Erben für die Schulden bei Nachlassinsolvenz. Wer einen Erben berät, der mit Miet- oder Wohngeldschulden aus einem Nachlass oder in Verbindung mit einem Nachlass konfrontiert ist, sollte sich von dem Lehrsatz Der Erbe haftet unbeschränkt, aber jederzeit beschränkbar nicht täuschen lassen: Die Regelungen zur Begrenzung der Erbenhaftung 1 auf den Nachlass sind kompliziert, wie sich zeigte. Die Rechtsprechung des BGH zu den Grundsätzen der Haftungsbeschränkung für Erben ist auch dann zu beachten, wenn für eine Überschuldung des Nachlasses noch kein Anhaltspunkt besteht dass das Erbrecht kein einfach Ding ist und die Schnittstelle zum Erbrecht auch für Miet- und Immobilienrechtlicher Besonderheiten und Haftungsrisiken mit sich bringt, ist damit angekommen. Vorträge zum Rangvorrecht der Wohnungseigentümergemeinschaft in der Insolvenz von Prof. Dr. Florian Jacoby (Universität Bielefeld) und die Pflichten und Haftung der WEG- und Mietverwalter für die Erfüllung öffentlich-rechtlicher Vorgaben von Prof. Dr. Lehmann-Richter (Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin) rundeten die Veranstaltung ab. Rechtsanwältin Martina Walke, Frankfurt am Main Auf der diesjährigen Herbsttagung der AG Mietrecht und Immobilien referierte Rechtsanwalt und Notar Harald Schäfer (Berlin). 2 Rechtsanwalt Thomas Hannemann (Vorsitzender der AG Mietrecht und Immobilien) freute sich in seiner Begrüßung über den den großen Mitgliederzuwachs der Arbeitsgemeinschaft. 3 Dr. Claudio Nedden-Boeger (Richter am BGH XII. ZS) gehörte ebenfalls zu den Referenten der Herbsttagung wie Dr. Peter Frellesen (Richter am BGH VIII. ZS). 5 Auf der Herbsttagung sprachen außerdem Rechtsanwältin Dr. Stephanie Herzog (Würselen) Rechtsanwalt und Notar Ferréol Jay von Seldeneck (Berlin) und Prof. Dr. Florian Jacoby (Universität Bielefeld). 8 Mehr als 245 Teilnehmer, Referenten und Gäste waren zur Herbsttagung nach Weimar gekommen. 9 Weitere Referenten waren Notar Prof. Dr. Stefan Hügel (Weimar) sowie Prof. Dr. Arnold Lehmann-Richter (Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin), der mit seinem Vortrag zu den Pflichten und der Haftung des WEG- und Miet-Verwalters für die Erfüllung öffentlich-rechtlicher Vorgaben die Veranstaltung abrundete. 11 Rechtsanwältin Beate Heilmann (Geschäftsführender Ausschuss AG Mietrecht) hier im Gespräch mit einem Teilnehmer). 12 Die Stimmung bei den Mietrechtlern ist sehr gut, sicherlich auch ein Grund für den Mitgliederzuwachs. 13 Und auch aus dem Plenum wurde auf der Herbsttagung mitdiskutiert. AnwBl 12 /

72 MN Aus der Arbeit des DAV Anwaltsverband Baden-Württemberg Politik akzeptiert die Forderung nach einer RVG-Anpassung Parlamentarischer Abend in Stuttgart Zum Parlamentarischen Abend im Oktober 2012 in Stuttgart konnte der Anwaltsverband wieder rund 60 Gäste begrüßen. Zum vierten Mal in Folge trafen die aktuellen rechtspolitischen Sprecher der vier Landtagsfraktionen, weitere Landtagsabgeordnete und der amtierende Justizminister auf die Vertreter der 25 baden-württembergischen Anwaltsvereine, Präsidenten der örtlichen vier Rechtsanwaltskammern und weiterer Anwaltsinstitutionen sowie die führenden Vertreter der Richter- und Staatsanwälte. In seiner Begrüßung lobte Verbandspräsident Rechtsanwalt Prof. Dr. Peter Kothe die beabsichtigte Neuregelung von 9 a Landespolizeigesetz, mit der alle Anwälte als Berufsgeheimnisträger nun gleich zu behandeln seien. Gleichzeitig wies Kothe aber auch auf Problemstellen im neu geplanten Polizeigesetz hin, etwa die Einführung einer bloß telefonischen richterlichen Anhörung bei der Ingewahrsamnahme von Personen oder zu weitgehende Möglichkeiten zur Datenübermittlung an unbefugte Stellen. Er sprach auch die Themen Beratungs-, Prozesskostenund Verfahrenskostenhilfe an, weil es hier erneut Bestrebungen gibt, die Ausgaben zu begrenzen. Die Vergütung für Rechtsanwälte in diesem Bereich stelle inzwischen eine pro bono-tätigkeit dar. Prozesskosten- und Beratungshilfe sicherten den Zugang zum Recht für alle Bürger. Weitere Kürzungen sollten unterbleiben. Zudem warb Kothe für die RVG-Anpassung. Die Abschaffung von Widerspruchsverfahren, wie es in Bayern bereits geschehen sei, lehnte er ab. Der Vorteil des Widerspruchsverfahrens liege darin, dass nicht nur die Rechtmäßigkeit einer Maßnahme überprüft werde, sondern auch deren Zweckmäßigkeit. Widerspruchsbehörden sollten deswegen nicht nur den Ausgangsbescheid unreflektiert wiederholen, sondern von der inzwischen allseits gewünschten außergerichtlichen Streitbeilegungsmöglichkeit Gebrauch machen. Der Verbandspräsident Rechtsanwalt Prof. Dr. Peter Kothe sprach das Grußwort. Der Justizminister Rainer Stickelberger (SPD) erwiderte, dass die Neuregelung des 9 a PolG als gemeinsamer Erfolg nach dem Regierungswechsel im Frühjahr 2011 betrachtet werden könne. Zu den Datenschutzregelungen, etwa zur Vorratsdatenspeicherung, verwies er auf Innenminister Reinhold Gall. Dieser stelle Aufklärungsdefizite im Bereich der Kinderpornografie fest. Deswegen sei eine vollkommene Absage an die Vorratsdatenspeicherung nicht vorstellbar. Für die Anwaltschaft noch wichtig: Die Umstellung auf den elektronischen Rechtsverkehr werde weiter von Baden- Württemberg vorangetrieben. Hier sei Ziel, dass die Entwicklungen von der Justiz aus gesteuert würden. In ihren Statements bedankten sich alle vier rechtspolitischen Sprecher für die fachlich fundierten und engagierten Stellungnahmen des Anwaltsverbandes zu Gesetzgebungsvorhaben. Sie seien für die Entscheidungsfindung sehr hilfreich und würden Bürgerinteressen und Gemeinwohlbelange im Blick behalten. Die Sprecher gingen auf die von den Vorrednern angesprochenen Themen ein und befürworteten einhellig den neuen 9 a PolG und die Gebührenanpassung für Rechtsanwälte. Zustimmung erfahre auch die Beibehaltung von Widerspruchsverfahren, die Einführung der Landesverfassungsbeschwerde im April 2013 sowie die Abschaffung des Schlichtungsgesetzes. Konträr waren vor allem die Standpunkte der FDP-Fraktion, die eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung eher ablehnte und auch keine Rechtsschutzlücke sah, die die Landesverfassungsbeschwerde rechtfertige. Rechtsanwältin Kathrin Eisenmann, Stuttgart Landesverband Hessen Taler, Taler, du musst wandern... Immer geht es ums Geld 3. Landesanwaltstag Hessen bot aber auch viel Fortbildung Bankraub ist eine Unternehmung von Dilettanten. Wahre Profis gründen eine Bank bemerkte schon Bertolt Brecht ( ). Finanzmarktregulierung notwendiger Ordnungsrahmen oder Würgegriff? war denn auch die aktuelle Frage, der Prof. Dr. Rüdiger von Rosen (Vorstandsmitglied des Deutschen Aktieninstituts a. D.) als Festredner nachging. Zuvor hatte Rechtsanwalt und Notar Peter Schirmer (1. Vorsitzender des Landesverbandes Hessen im DAV) die Gäste zum 3. Landesanwaltstag Hessen in der Bankenstadt Frankfurt am Main herzlich begrüßt. In seinen Grußworten würdigte der Staatssekretär des Hessischen Ministeriums der Justiz für Integration und Europa Dr. Rudolf Kriszeleit die gute Zusammenarbeit zwischen Hessischem Anwaltverein und Ministerium. Er begründete die Schließungen von Gerichtsstandorten mit notwendigen Kürzungen im Haushalt und erläuterte die Forderungen der Bundesländer nach Anhebung der Gerichtsgebühren bei den Verhandlungen zum Kostenrechtsmodernisierungsgesetz. Anwaltvereine und Kammern Die Demokratie dieses Landes ist ein hohes Gut und dazu trägt eine gut funktionierende Rechtspflege maßgeblich bei, entgegnete Rechtsanwältin und Notarin Edith Kindermann (Vizepräsidentin des Deutschen Anwaltvereins). Der hohe Standard in der deutschen Rechtsprechung sei ein Pfeiler unserer Demokratie. Er sei Pendant zum staatlichen Gewaltmonopol. Das Faustrecht sei keine Alternative, auch wenn sie selbst, so die Vizepräsidentin, als Trägerin verschiedener farbiger Gürtel in unterschiedlichen Kampfsportarten damit kein Problem habe. Justiz sei eine Aufgabe staatlicher Daseinsvorsorge und könne nicht allein über einen Kostendeckungsgrad betrachtet werden. Die hervorragende Zusammenarbeit von Anwaltvereinen und Rechtsanwaltskammern in Hessen hob der Präsident der Rechtsanwaltskam- 994 AnwBl 12 / 2012

73 MN Aus der Arbeit des DAV Der 1. Vorsitzende des Landesverbandes Rechtsanwalt und Notar Peter Schirmer zusammen mit dem Festredner Prof. Dr. Rüdiger von Rosen. 2 DAV-Vizepräsidentin Rechtsanwältin und Notarin Edith Kindermann (l.) sprach für den DAV, hier zusammen mit Rechtsanwalt Kurt Degenhardt (Vorsitzender des Anwaltvereins Frankfurt am Main) und Rechtsanwältin Eva Maria Bausch (Darmstadt). mer Frankfurt am Main, Rechtsanwalt und Notar Prof. Dr. Dr. Dr. Lutz Simon in seinem Gruß hervor. Anwaltvereine wie Kammern arbeiteten mit dem jeweiligen ureigenen Schwerpunkt. Die meisten Fehler passieren am Schreibtisch, lautet eines der DAV Werbemotive. Allerdings gilt das nicht für Anwältinnen und Anwälten, die sich fortbilden. So lag ein wesentlicher Schwerpunkt des Landesanwaltstages auf der Vermittlung aktueller Kenntnisse von Rechtsprechung und Gesetzesentwicklungen, sei es im Familienrecht, Mietrecht oder dem elektronischen Rechtsverkehr. Was will ich werden?, fragt sich noch im Referendariat mancher. Einen Einblick in ihr ureigenes berufliches Nähkästchen gaben während des Landesanwaltstages Referenten aus unterschiedlichen Kanzleitypen sowie Syndikusanwälte aus verschiedenen Unternehmen. Die eigenen Fähigkeiten und Stärken zu erkennen und den dafür richtigen beruflichen Zweig zu finden, war Inhalt dieser speziell für Referendare konzipierten Veranstaltung. Rund 160 Teilnehmer informierten sich während des Landesanwaltstages und tauschten ihre Erfahrungen aus. Ein breitgefächertes Informationsangebot durch verschiedenste Aussteller rundete das umfangreiche Angebot ab. Rechtsanwältin Anette Feldmann, Wiesbaden DAV-Förderverein Mittel- und Osteuropa Sanierungsrecht in der Finanzkrise internationale Aspekte Anwälte aus Deutschland und Mittel- und Osteuropa in Prag Der DAV-Förderverein für Mittel- und Osteuropa (MOE) hat erneut ein erfolgreiches Seminar in Prag unterstützt, das von Aija (Association Internationale des jeunes Avocats) und Insol Europe organisiert wurde. Thema der Veranstaltung war Sale of a Business during the Great Financial Crisis: Transactional and Contentious Aspects. Das Seminar wurde von über 70 Teilnehmern besucht, was im Vergleich zu anderen Veranstaltungen dieser Art in der Region eine vergleichsweise hohe Zahl ist. Die Teilnehmer kamen dieses Mal nicht nur aus den westeuropäischen Ländern, vor allem aus Deutschland und der Schweiz, sondern auch aus der Tschechischen Republik, der Slowakei, Polen und Ungarn. Hier zeigt sich eine positive Entwicklung. Vor allem junge Anwälte aus Mittelost- und Osteuropa besuchen Konferenzen mit grenzüberschreitendem Hintergrund, um neue Kontakte zu knüpfen. In den vergangenen Jahren machten sich lokale Kollegen auf diesen Veranstaltungen eher rar. Für die auswärtigen Gäste ist Prag als Stadt zudem ein hoch attraktiver Anziehungspunkt in der Region und damit immer ein erfolgreicher Konferenzstandort. Gastgeber der Veranstaltung war die Tschechische Anwaltskammer, die ihren wunderbaren Plenarsaal in einem Gebäude aus den 1920er-Jahren den Gästen zur Verfügung gestellt hatte. Die Teilnehmer wurden von dem stellvertretenden Präsidenten der Tschechischen Anwaltskammer JUDr. Antonín Mokry begrüßt. Er wies darauf hin, dass die erste Veranstaltung von Aija vor knapp 20 Jahren in Prag durchgeführt wurde. Der Autor dieses Beitrages hieß die Gäste auch im Namen des Fördervereins willkommen, der die Veranstaltung maßgeblich gesponsert hat. Das akademische Programm wurde mit dem Thema des Unternehmenskaufes in der Krise eröffnet. Hier bestach vor allem der Bericht von Eddy Maas, einem ehemaligen Rechtsanwalt aus den Niederlanden, der das führende Unternehmen im Bereich des Immobiliendevelopments aufgebaut hatte. Maas berichtete unter anderem von einem erfolgreichen Turnaround- Projekt, in denen Mitarbeiter eines geplanten Bildschirmwerkes in andere Gesellschaften übertragen werden konnten. Er ist sicherlich ein Beispiel dafür, dass aus einem Anwalt auch ein sehr erfolgreicher Unternehmer in einem anderen Land und einem anderen Metier werden kann. Caroline Pluta leitete ein Panel zu Arbeitnehmerfragen im Rahmen der Insolvenz. Slavomír Čauder diskutierte zusammen mit Carlos Mack neueste Entwicklungen im Bereich der Primär- und Sekundärverfahren auf der Grundlage der Europäischen Insolvenzordnung. Spannend war am zweiten Tag der Bericht von Florian Bruder zusammen mit Barry Isaacs zum Thema Scheme of Arrangement nach dem Englischen Recht, das für die meisten Teilnehmer noch unbekannt war. Beide Vortragenden hatten sich aktiv an der Restrukturierung von Krediten eins deutschen Konzerns nach dem englischen Recht beteiligt. Darauf folgte eine spannende Podiumsdiskussion zu den Themen Anfechtungsrecht, zu dem vor allem Alexander Klauser aus Österreich über seine Erfahrungen berichtete. Informationen aus erster Hand Der Einfluss der Staatsanwaltschaft auf Insolvenzverfahren war das Thema eines Panels, in dem vor allem die Beiträge des Staatsanwalts Harald Freyer aus Stuttgart und des Richters Christian Coquoz aus Geneva von hohem Interesse waren. Sie stellten den Austausch von Informationen zwischen den Staatsanwaltschaften ihrer Länder, aber auch mit den Behörden in mittelosteuropäischen den Ländern in den Vordergrund. Den Abschluss bildete eine Podiumsdiskussion zum Thema Lehman Brothers mit Beteiligten unter anderem von den Niederländischen Antillen, der Schweiz und Luxemburg. Die Erfahrungen der unmittelbaren Beteiligten warfen für die meisten Teilnehmer ein neues Licht auf die Verflechtung dieser Finanzinstitution im Allgemeinen und die Finanzkrise des Jahres 2008 im Besonderen. Rechtsanwalt Dr. Ernst Giese, Prag AnwBl 12 /

74 MN Aus der Arbeit des DAV Anwaltsverband Baden-Württemberg Wertvolle Tipps für die Regelung der Kanzleinachfolge Seminar für erfahrene und junge Anwälte Ende April veranstalteten der Anwaltverein Stuttgart, das Forum Junge Anwaltschaft und der Anwaltsverband Baden-Württemberg in Stuttgart ein Seminar, in dem es um den Kauf und Verkauf von Anwaltskanzleien und Sozietätsanteilen ging. Die Teilnehmer setzten sich aus jüngeren und älteren Anwältinnen und Anwälten aus ganz Baden-Württemberg zusammen. Die Kanzleiberaterin Ilona Cosack aus Mainz gab wertvolle Hinweise zu Kanzleibewertungsmethoden bis hin zum Praxisbeispiel mittels der sog. Umsatzmethode sowie zu empfehlenswerten organisatorischen und strategischen Vorbereitungsmaßnahmen, wie etwa das Klären des Fremdgeldbestandes und der Außenstände oder der Wettbewerbssituation. Sie ging dabei auf die Besonderheiten von Einzelkanzleien beziehungsweise Sozietätsanteilen ein. Rechtsanwältin und Notarin Edith Kindermann aus Bremen erläuterte typische zivilrechtliche Fragen und solche zur Haftung und Vermögensschadenhaftpflichtversicherung (zum Beispiel Eintritts- und Austrittshaftung). Ihr Vortrag reichte von Verschwiegenheitsvereinbarungen über die rechtliche Situation bei Namensfortführung, insbesondere auch hinsichtlich der Internetdomain, und häufigen Fragen beim Kauf offener Honorarforderungen bis hin zu Wettbewerbsverboten für den Verkäufer. Jörg H. Rückeshäuser (vereidigter Buchprüfer und Steuerberater) aus Freiburg stellte die bedenkenswerten steuerlichen Aspekte bei der Einkommens-, Umsatz-, Schenkungs-, Grunderwerbs- und Kirchensteuer dar. Er gab hilfreiche Gestaltungshinweise sowohl für den Erwerber als auch den Veräußerer. Die Teilnehmer erhielten praktische Tipps, wie einen zwar stichtagsbezogenen, aber sanften Übergang zu planen, Diskretion über die Veräußerungsabsicht zu wahren oder mit der Berufshaftpflichtversicherung einen umfassenden Deckungsschutz zu vereinbaren. Die lebhaften konkreten Nachfragen und Diskussionsbeiträge der Teilnehmer zeigten, dass mit dem Seminarangebot ein vielseitig interessierendes Thema aufgegriffen wurde. Das Seminar wurde im Zusammenhang mit den 1. Stuttgarter Anwaltstagen für Berufseinsteiger angeboten. Am soll dies aufgrund des gelungenen Konzepts in gleicher Weise geschehen. Rechtsanwältin Kathrin Eisenmann, Stuttgart Foto: Mit dabei (v.l.n.r.): Kanzleiberaterin Ilona Coack, Steuerberater Jörg H. Rückeshäuser und DAV-Vizepräsidentin Rechtsanwältin und Notarin Edith Kindermann. DAV Griechenland Deutschland als Vorbild? Das Berufsrecht modernisieren Im März 2010 wurde der Deutsche Anwaltverein Griechenland gegründet, um die beruflichen und wirtschaftlichen Interessen der in Griechenland ansässigen deutschen und deutschsprachigen Anwältinnen und Anwälte zu vertreten. Und das ist wichtig, weil das griechische Berufsrecht nie liberalisiert wurde. Deshalb organisierte der DAV Griechenland seine zweite Veranstaltung zum Thema Deregulierung des Anwaltsberufes. Eine Chance für innovative Änderungen?. Ein liberales, freiheitlich orientiertes anwaltliches Berufsrecht ist seit der revolutionären Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vor fast 25 Jahren in Deutschland selbstverständlich. Griechenland ist noch nicht so weit. Auf der Tagung in Thessaloniki beschäftigten sich die drei Referenten mit der berufsrechtlichen Situation der Anwälte in Deutschland, Griechenland und Großbritannien. Das ermöglichte einen guten Vergleich der teils sehr unterschiedlichen Entwicklungen in den drei europäischen Ländern. Den ersten Vortrag hielt Ioannis Konstantinou (ehemaliges Vorstandsmitglied der Rechtsanwaltskammer Thessaloniki und Dikigoros, also griechischer Rechtsanwalt) zum Thema Die berufsrechtliche Situation und Reformbedürftigkeit in Griechenland. Anschließend berichtete Rechtsanwalt Prof. Ingo Hauffe (Vizepräsident der Rechtsanwaltskammer Stuttgart) über die berufsrechtliche Entwicklung in Deutschland. Abschließend beschäftigte sich Rechtsanwalt, Solicitor und Notary Public Michael Laux (auch Vorsitzender des DAV Griechenland) mit der Entwicklung des Anwaltsberufes in Großbritannien. Abraam Kosmidis, stellvertretender Vorsitzender des DAV Griechenland und zugleich Rechtsanwalt und Dikigoros, konnte mehr als 40 Teilnehmerinnen und Teilnehmer in den Räumen der Anwaltsgesellschaft Kosmidis & Partner begrüßen. Rechtsanwalt Abraam Kosmidis, Nea Michaniona, Griechenland V.l.n.r.: Rechtsanwalt Prof. Kleanthis Roussos, Rechtsanwalt Abraam Kosmidis (DAV-Griechenland), Rechtsanwalt Michael Laux (Vorsitzender des DAV Griechenland), Rechtsanwalt Prof. Ingo Hauffe (RAK Stuttgart) und Klaus Bormann (Deutsches Generalkonsulat Thessaloniki). 996 AnwBl 12 / 2012

75 MN Aus der Arbeit des DAV AG Syndikusanwälte Bonner Praxiskurs Kartellrecht ein Angebot für Syndikusanwälte Die Arbeitsgemeinschaft Syndikusanwälte bietet mehr als im Herbst ihren jährlichen Syndikusanwaltstag. In der Praxis von Syndikusanwälten spielt vor allem das Kartellrecht immer wieder eine große Rolle. Ein Praxiskurs bot mehr als reine Fortbildung. Im April 2012 war die Arbeitsgemeinschaft der Syndikusanwälte in Bonn beteiligt am Bonner Praxiskurs Kartellrecht & Compliance, mit Ausblick auf die 8. GWB-Novelle. Veranstalter war das Europa-Institut der Universität des Saarlandes, repräsentiert durch den Direktor Universitätsprofessor Dr. Torsten Stein. Für die fachliche Konzeption versicherte sich das Institut der Rechtsanwaltskanzlei Kapellmann und Partner, repräsentiert durch Rechtsanwalt Dr. Axel Kallmayer. Im Kartellrecht ist Musik Die Veranstaltung war exzellent. Sie gab einen Überblick über das Kartellrecht in den Schritten Das Kartellverbot in der praktischen Anwendung (Axel Kallmayer), Kartellrecht in Vertriebs-, Einkaufs- und Zulieferverträgen (Ivo du Mont, Kapellmann Rechtsanwälte), Missbrauch von Marktmacht (Ulrich von Koppenfels, Europäische Kommission), Fusionskontrolle in der Unternehmenspraxis (Andreas Bardong, Bundeskartellamt und Thomas Lampert, Thyssen Krupp AG), Zusammenarbeit zwischen Wettbewerbern sowie Kartellrecht in Forschungs-, Entwicklungs- und Lizenzverträgen (beides: Stefan Gehring, Bayer Material Science AG). Es fehlte nicht ein Kapitel über Die Rolle des Syndikusanwalts bei kartellbehördlichen Ermittlungen (Axel Kallmayer) sowie eines über die Arbeitsweise des Bundeskartellamts (Andreas Bardong). Anschaulich und souverän wie alles war auch der Vortrag Compliance im Unternehmen (Wirnt Galster, Heidelberger Druckmaschinen AG). Es gibt, keineswegs zu Unrecht, schon Vorfreude auf die nächste Runde in Rechtsanwalt Dr. Peter Hamacher, Köln Deutsche Anwaltakademie Oldtimerrechtstag hat sich im Fortbildungskalender etabliert Bereits zum dritten Mal trafen sich unter der Federführung von Rechtsanwalt Michael Eckert Anwälte, Verbandsvertreter und Sachverständige, um aktuelle juristische Themen rund um Oldtimer zu besprechen. Auf der Tagesordnung in Ketsch (zwischen Mannheim und Heidelberg) standen unter anderem Zulassungsfragen, rechtliche Aspekte von Oldtimerveranstaltungen sowie juristische Probleme bei einem Unfall mit Oldtimern. Intensiv diskutiert wurde auch das immer größer werdende Problem von gefälschten Oldtimern. Besonders erfreulich: Die Beschlüsse des Oldtimerrechtstags finden inzwischen auch in der obergerichtlichen Rechtsprechung zunehmend Beachtung. Auch auf dem 3. Oldtimerrechtstag wurden wieder Empfehlungen verabschiedet. Dabei geht es stets darum, die Besonderheiten von Oldtimern im Recht zu erfassen. So waren sich die Teilnehmer einig, dass die Originalität eines Oldtimers einen eigenen Faktor bei der Wertermittlung unabhängig von der Einstufung nach Zustandsnoten darstellt. Das kann dazu führen, dass ein weitgehend originales nicht (komplett) restauriertes Fahrzeug einen höheren Wert repräsentiert, als er sich allein nach der Zustandsnote ergeben würde. Der technische Zustand einerseits und die Originalität (mit der Historie) andererseits sollten daher getrennt voneinander bei der Wertermittlung berücksichtigt werden. Rechtsanwalt Michael Eckert, Heidelberg Die Beschlüsse des 3. Oldtimerrechtstag zum Minderwert nach Unfall, zur Berechnung von Nutzungsausfallentschädigungen und zur Originalität als wertbildender Faktor sind abrufbar unter Interessenten, die am 4. Oldtimerrechtstag vom September 2013 im Raum Stuttgart teilnehmen möchten, können sich mit einer registrieren lassen unter Deutscher Anwaltverein DAV-Wertung beim Berlin Marathon 2012 Als Anwalt muss man nicht nur gut sein. Es kommt auch auf Durchhaltevermögen und Schnelligkeit an. Da haben die Mitglieder der Anwaltvereine einiges zu bieten. Zum Teil absolute Topleistungen lieferten die Kolleginnen und Kollegen, die am 30. September in der Sonderwertung des Deutschen Anwaltvereins als Läufer und Skater am Berlin Marathon 2012 teilgenommen haben. Im DAV-Haus gab es am Tag danach die Auszeichnungen. Foto: Ausgzeichnet wurden unter anderem (v.l.n.r.) Christoph Wölki (3. Platz), Guido Gemoll (2. Platz), Frauke Nickelsen (1. Platz), Daniel Weißmann (3. Platz Skater) und Florian Damm (1. Platz, ganz rechts). Auch Rechtsanwalt Dr. Cord Brügmann, DAV-Hauptgeschäftsführer (2.v.r.) lief mit. Rechtsanwalt Thomas Marx (DAV-Geschäftsführung, 3.v.r.) verteilte die Preise. Mitgliederversammlung AG Erbrecht Der Geschäftsführende Ausschuss der Arbeitsgemeinschaft Erbrecht lädt alle Mitglieder herzlich zur Mitgliederversammlung am Freitag, 15. März 2013, von 17:45 bis 18:30 Uhr im Hotel Palace Berlin, Budapester Straße 45, Berlin ein. Tagesordnung 1. Geschäftsbericht des Vorsitzenden des Geschäftsführenden Ausschusses 2. Bericht des Schatzmeisters 3. Bericht des Kassenprüfers 4. Aussprache 5. Entlastung des Geschäftsführenden Ausschusses 6. Wahl der Kassenprüferin/des Kassenprüfers 7. Wahl des Geschäftsführenden Ausschusses 8. Verschiedenes Anträge von Mitgliedern sind auf die Tagesordnung zu setzen, wenn sie spätestens 21 Tage vor der Mitgliederversammlung dem Geschäftsführenden Ausschuss schriftlich vorliegen und von mindestens zehn Mitgliedern AnwBl 12 /

76 MN Aus der Arbeit des DAV unterstützt werden. Bitte richten Sie Ihre Anträge an die Anschrift: Arbeitsgemeinschaft Erbrecht im DAV, Littenstraße 11, Berlin. Die Mitgliederversammlung findet im Rahmen des 8. Deutschen Erbrechtstages statt, zu dem wir Sie vom März 2013 ebenfalls herzlich nach Berlin einladen. Das Programm und Anmeldefax finden Sie unter sowie in diesem Heft auf Seite M 421. Fragen zum 8. Deutschen Erbrechtstag 2013 beantwortet Ihnen gerne Frau Janine Sendatzki, Deutsche Anwaltakademie jurevent, Littenstraße 11, Berlin, Tel.: 030 / , Fax: 188. Mitgliederversammlung AG Transport- und Speditionsrecht Am um Uhr findet die Mitgliederversammlung der Arbeitsgemeinschaft Transport- und Speditionsrecht im Hause der Gothaer Versicherung, Gothaer Allee 1, Köln statt. Hierzu lädt der Geschäftsführende Ausschuss die Mitglieder herzlich ein. Tagesordnung 1. Begrüßung und Eröffnung durch den Vorsitzenden 2. Tätigkeitsbericht des Geschäftsführenden Ausschusses und Aussprache 3. Kassenbericht der Schatzmeisterin 2012 und Aussprache 4. Bericht des Kassenprüfers 2012 und Entlastung des Geschäftsführenden Ausschusses 5. Wahl des Kassenprüfers für das Haushaltsjahr Wahl des Geschäftsführenden Ausschusses 7. Weitere Arbeitsplanung 8. Verschiedenes Nach 6 Abs. 3 der Geschäftsordnung der Arbeitsgemeinschaft Transportund Speditionsrecht sind Anträge und Ergänzungen zur Tagesordnung bis 21 Tage vor der Mitgliederversammlung an die Geschäftsstelle des Deutschen Anwaltvereins (Rue Joseph II 40, 1000 Brüssel, Belgien) zu richten. Die Mitgliederversammlung findet im Rahmen der am 25./26. April 2013 stattfindenden Fachtagung der Arbeitsgemeinschaft Transport- und Speditionsrecht im DAV statt. Nähere Einzelheiten unter: arbeitsgemeinschaften/transport-undspeditionsrecht/aktuelles. Personalien Uwe Kärgel 70 Rechtsanwalt und Notar Uwe Kärgel feiert am 9. Dezember 2012 seinen 70. Geburtstag. Kärgel gehört zum Urgestein des Deutschen Anwaltvereins. Fast 15 Jahre lang war er Vorsitzender des Berliner Anwaltsvereins. Gewählt wurde er am 18. April 1989 rund ein halbes Jahr vor dem Fall der Berliner Mauer. Als er 2004 den Vorsitz übergab, war aus dem traditionellen jährlichen Berliner Anwaltsessen eine international bedeutende Veranstaltung geworden dank der vielen Kontakte zu Anwaltschaften in West- und Ost-Europa sowie in der Welt, zu denen er immer auch freundschaftliche Brücken aufbaute. Neben dem Engagement für den Berliner Anwaltsverein hatte Kärgel weitere vielfältige Funktionen inne, die die Bedeutung seines berufsständischen, wissenschaftlichen und politischen Einsatzes für die Berliner und bundesdeutsche Anwaltschaft verdeutlichen. Beispielhaft sollen nur genannt werden: Schatzmeisters des Deutschen Anwaltvereins und dessen stellvertretender Präsident, Präsident des Landesverbandes der Freien Berufe Berlin, Mitherausgeber der Textsammlung der Verfassungsund Verwaltungsgesetze Berlins, langjähriges Mitglied der Satzungsversammlung und Mitwirkung bei den Kongressen der International Bar Association. Die Anwaltschaft dankt Kärgel für seinen Einsatz. Rechtsanwalt und Notar Ulrich Schellenberg, Herausgeber des Anwaltsblatts Petra Heinicke Der Bundespräsident hat Rechtsanwältin Petra Heinicke das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen. Mit dem Orden werden Bürgerinnen und Bürger ausgezeichnet, die im politischen, wirtschaftlich-sozialen und geistigen Bereich Wertvolles geleistet haben. Ausgezeichnet wurde sie für ihren großen Einsatz für die Berufspolitik der Anwaltschaft sowie im Bereich der Aus- und Fortbildung. Heinicke ist unter anderem seit 1999 Vorsitzende des Münchener Anwaltvereins, seit 2001 Mitglied im DAV-Berufsrechtsausschuss, seit Anfang 2011 Mitglied im neu eingerichteten DAV-Ausschuss Anwaltliche Berufsethik und seit dem Anwaltstag 2011 Mitglied im Vorstand des DAV. Sie ist auch in der Rechtsanwaltskammer und in der Satzungsversammlung aktiv. Volker Heinz Der Bundespräsident hat Rechtsanwalt und Notar sowie Barrister-at-Law und Scriviner Notary Volker Heinz aus Berlin/ London das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen. Mit dem Orden werden Bürgerinnen und Bürger ausgezeichnet, die im politischen, wirtschaftlich-sozialen und geistigen Bereich Wertvolles geleistet haben. Gewürdigt wurde Heinz vom Bundespräsidenten für seine Verdienste als Fluchthelfer in den 1960er Jahren. Er hat während seiner Studienzeit insgesamt 63 Bürgern der DDR zur Flucht nach West-Berlin verholfen. Zusammen mit weiteren Fluchthelfern und mithilfeeinesinwest-berlinlebenden Syrers, der in der DDR als Konsul akkreditiert war, gelang es ihnen, die Flüchtlinge im Kofferraum eines Diplomatenautos über den Checkpoint Charlie in den Westenzubringen.Beidenmeistendieser Fluchtaktionen reiste Heinz nach Ost-Berlin, um alles vorzubereiten und abzuwickeln. Bei einer Aktion wurde er 1966 verhaftet. Nach einer fast einjährigen Haft in der Stasi-Untersuchungshaftanstalt Berlin-Hohenschönhausen ist Volker Heinz zu zwölf Jahren Zuchthaus verurteilt worden. Kurz nach der Verurteilung konnte er auf Beitreiben der Bundesregierung die DDR verlassen und wurde 1991 durch einen Landgerichtsbeschluss vollständig rehabilitiert. Guido Wacker Nach13JahrenAmtszeit von Rechtsanwalt Detlev Kipker führt nun Rechtsanwalt Guido Wacker den Anwaltverein Mettmann. Der 1977 gegründete Verein hat über 40 Mitglieder und liegt im Landgerichtsbezirk Wuppertal. Christine Leuker Der Forchheimer Anwaltsverein hat Rechtsanwältin Christine Leuker zur neuen Vorsitzenden gewählt. Vor ihr führte Rechtsanwalt Jürgen Schüpferling neun Jahre lang den Verein. Der 1951 gegründete Verein umfasst 34 Mitglieder und befindet sich im Landgerichtsbezirk Bamberg. 998 AnwBl 12 / 2012

77 MN Rechtsprechung Haftpflichtfragen 1000 Globalisierung und Haftung: Risiken beim grenzüberschreitenden Mandat Rechtsanwältin Antje Jungk, Allianz Versicherung, München Die Globalisierung macht auch vor der Anwaltschaft nicht halt. Ausländische RechtsordnungenkönneninvielenKonstellationeninsMandatgelangen manchmal muss auch nur im Geiste eine Grenze gequert werden. Die Autorin verrät, wo Haftungsrisiken lauern. Rechtsprechung 1003 Keine Postulationsfähigkeit des Syndikusanwalts vor dem EuGH EuGH, Urt C 422/111 P und C-423/11 P Auch die Dienstleistungsfreiheit hat ihre Grenzen in Europa: Der vor polnischen Gerichten nach polnischem Recht postulationsfähige Syndikusanwalt darf vor dem Europäischen Gerichtshof nicht auftreten. Der EuGH legt seine Satzung autonom aus. Oder: Nur der niedergelassene Anwalt zählt AGH Hamm korrigiert sich: Vorsorgeanwalt ist zulässige Werbung AGH Hamm, Urt. v AGH 29/11 Kehrtwendung: Ein Anwalt darf mit der Bezeichnung Vorsorgeanwalt auf dem Briefpapier werben. Das führt den Verkehr nicht in die Irre. Dass die Aussage keinen Informationswert hat, macht sie nicht berufsrechtswidrig hatte der AGH das noch anders gesehen. Landgericht Frankfurt am Main 1007 Einwand des Rechtsmissbrauchs in der Kostenfestsetzung BGH, Beschl. v VI ZB 59/11 Gemeinsam Abmahnen und danach getrennte Gerichtsverfahren: Das ist prozessual zulässig, kann in der Kostenfestsetzung aber als Rechtsmissbrauch gewertet werden. Folge: Die vollen Kosten gibt es nicht vom Gegner. Der BGH stellt in dieser Entscheidung Grundsätze für das Äußerungsrecht auf.

78 MN Haftpflichtfragen Haftpflichtfragen Globalisierung und Haftung: Risiken beim grenzüberschreitenden Mandat Auslandsberührungen gibt es in der Anwaltspraxis immer häufiger Rechtsanwältin Antje Jungk, Allianz Versicherung, München Die Globalisierung macht auch vor der Anwaltschaft nicht halt. Ausländische Anwälte werden in Deutschland tätig, deutsche im Ausland. Deutsche und ausländische Anwälte arbeiten ständig oder fallweise zusammen. Dies geschieht in den unterschiedlichsten Rechtsformen. Auch die Mandanten sind globaler geworden, denn auch sie agieren oft grenzüberschreitend und bedürfen entsprechender rechtlicher Beratung. Staatengrenzen werden manchmal auch nur im Geiste gequert, wenn auf einmal im Mandat ausländisches Recht anwendbar ist. Diese Entwicklung bringt Chancen und Risiken mit sich, die ein gewisses Problembewusstsein angebracht erscheinen lassen. I. Materielles ausländisches Recht Schon der ausschließlich in Deutschland tätige Rechtsanwalt kann mit ausländischem Recht konfrontiert sein, wenn der Inhalt des Mandats irgendeinen Auslandsbezug aufweist. Die Prüfung der kollisionsrechtlichen Vorschriften gehört unzweifelhaft zum Inhalt des Anwaltsvertrages. Und schon hierin liegt eine erhebliche Fehlerquelle, denn selbst Grundzüge des zum deutschen Recht gehörenden IPR sind bei weitem nicht jedem Rechtsanwalt geläufig. Zum erforderlichen Wissensstand eines Rechtsanwalts gehört auch die für eine Beratung oder Prozessführung notwendige Kenntnis der internationalen Rechtsregeln, zum Beispiel des seinerzeitigen EuGVÜ (OLG Koblenz, NJW 1989, 2699) oder jetzt der EuGVVO. Im europäischen Recht gelten auch nicht unbedingt die gleichen Grundsätze wie im nationalen Recht. Eine echte Falle ist zum Beispiel das Fristende bei Verfahren nach Art. 35 EMRK: Hier kann die Frist auch an einem Sonntag ablaufen (EGMR, NJW 2012, 2943). Noch schwieriger wird es, wenn die kollisionsrechtliche Prüfung ergibt, dass ausländisches Recht Anwendung findet. Grundsätzlich gehört die Prüfung des ausländischen Rechts zum Mandatsumfang. Wenn ein Rechtsanwalt einen Auftrag übernimmt, bei dessen Erledigung ausländisches Recht zur Anwendung kommen könnte, muss er entweder den Mandanten darauf hinweisen, dass er die ausländische Gesetzesmaterie nicht beherrscht und dass deswegen der Rat eines Fachkundigen eingeholt werden muss oder er muss sich selbst die notwendigen Kenntnisse verschaffen (OLG Hamm, Urt. v U 104/94). Eine Einschränkung des Mandats kann sich dabei auch aus den Umständen ergeben, zum Beispiel wenn es um die Wirksamkeit eines Vertrages geht, an dessen Zustandekommen ein vom Mandanten selbst beauftragter ausländischer Rechtsanwalt mitgewirkt hat (BGH, NJW 1972, 1044). Will man die Beratung im ausländischen Recht selbst fortführen, liegt die Versuchung nahe, eine Übersetzung der betreffenden ausländischen Rechtsvorschriften zu beschaffen und dann anzuwenden. Sofern keine spezifischen eigenen Kenntnisse vorhanden sind, kann das leicht schiefgehen. Kein konstruierter Lehrbuchfall, sondern eine relativ häufige Konstellation: Der deutsche Mandant hat im Ausland (mit einem anderen Ausländer) einen Unfall. Zum Beispiel hat der deutsche Mandant in Österreich einen Skiunfall mit einem niederländischen Skiläufer, der wiederum bei einem niederländischen Versicherer haftpflichtversichert ist. Da das anwendbare österreichische Recht nicht einmal übersetzt werden muss, werden viele deutsche Anwälte keine Bedenken haben, das Mandat selbst zu bearbeiten. In concreto kann das aber dazu führen, dass die Verjährungsfrage, zum Beispiel eine Unterbrechungs- oder Hemmungswirkung von Teilzahlungen durch den Versicherer, anders bewertet wird als dies als nach deutschem Recht der Fall wäre. Auch prozessual können sich andere Folgen ergeben, so zum Beispiel durch Verjährungseintritt drei Monate nach Ruhen des Verfahrens wegen Vergleichsverhandlungen nach österreichischem Recht. Interessant ist die Frage, inwieweit der Anwalt im Prozess noch verpflichtet ist, sich mit dem etwa anwendbaren ausländischen Recht zu befassen. In einer schon alten Entscheidung vom (NJW 1976, 1581) zur Anwendung türkischen Rechts bei einem Flugzeugabsturz hatte der BGH gemeint, zwar sei grundsätzlich der Richter verpflichtet, das ausländische Recht zu ermitteln, die Parteien müssten ihn hierbei aber nach ihren Kräften unterstützen. Bei der Ermittlung ausländischen Rechts sei die Partei im Rahmen des Zumutbaren zur Mitwirkung verpflichtet. Das gelte vor allem dann, wenn sie sich ohne besondere Schwierigkeiten Zugang zu den Erkenntnisquellen des fremden Rechtskreises verschaffen könne (im konkreten Fall durch ein entsprechendes Rechtsgutachten). Etwaige Versäumnisse des Gerichts schließen also die Mitverantwortung des Rechtsanwalts für eigenes Versehen nicht aus, auch nicht die fehlerhafte Interpretation eines ausländischen Gesetzes durch das Gericht, weil dies keinen ungewöhnlich schweren Fehlgriff darstelle (OLG Hamm, Urt. v U 104/94). Ebenso bürdete der BGH (NJW- RR 2003, 850) dem Rechtsanwalt die Verantwortung in einem anderen Fall auf: Dort hatte der Anwalt ein Ehescheidungsverfahren für den Mandanten betrieben. Tatsächlich lag eine Nichtehe vor, da die Ehe 1962 nur vor einem griechisch-orthodoxen Geistlichen geschlossen worden war, was seinerzeit nach deutschem Recht noch nicht anerkannt war. Für die ungünstigeren Folgen der Ehescheidung blieb die Verantwortung beim Anwalt. Der BGH sah den Zurechnungszusammenhang nicht dadurch unterbrochen, dass auch das Familiengericht die Unwirksamkeit der Eheschließung übersehen hatte. Ein besonderes Augenmerk sollte bei anwaltlicher Beratung im ausländischen Recht auf dem Versicherungsschutz liegen (ausführlich dazu Bräuer, AnwBl 2011, 688): Nach den Standardbedingungen der Berufshaftpflichtversicherungen ist die Beratung im außereuropäischen Recht vom Versicherungsschutz ausgeschlossen im Bedarfsfall sollte für eine Deckungserweiterung gesorgt werden AnwBl 12 / 2012 Globalisierung und Haftung: Risiken beim grenzüberschreitenden Mandat, Jungk

79 MN Haftpflichtfragen II. Besondere Belehrungspflichten gegenüber ausländischen Mandanten Bei jedem Mandanten richten sich Umfang und Intensität der Belehrung nach dessen Belehrungsbedürftigkeit. Bei Mandanten, die mit dem deutschen Recht wenig vertraut sind und die deutsche Sprache auch nur beschränkt beherrschen, hat der Rechtsanwalt sorgfältig darauf zu achten, ob seine Belehrungen richtig verstanden worden sind und ob sein nachfolgendes Verhalten nicht Missverständnisse erzeugt. Im konkreten Fall führte das OLG Schleswig (Urt. v U 22/06) aus, die Fristenberechnung und -kontrolle für Vaterschaftsanfechtungen mit Auslandsberührung erfordere besondere Sorgfalt, so dass trotz eines auf die Ehescheidung beschränkten Mandats ein Hinweis auf die Anfechtungsfrist hätte erfolgen müssen. Auch die Anforderungen an die faktische Beratung des Mandanten sind streng: Das AG Hamburg (Urt. v c C 12/04) meint, der Rechtsanwalt habe gegenüber ausländischen Mandanten sicherzustellen, dass diese selbst verstehen, weshalb und warum die entsprechenden Schritte erfolgversprechend sind, notfalls mit Hilfe eines Übersetzers. Der Rechtsanwalt darf sich insbesondere nicht damit begnügen, nur mit Verwandten zu verhandeln, wenn insoweit nicht eine eindeutige Vollmacht des Auftraggebers dafür vorliegt. Zu achten ist darauf, dass eine Belehrung über die anfallenden Gebühren oder deren gegebenenfalls fehlende Erstattungsfähigkeit erfolgt. Nach BGH, NJW 2005, 1373, sind die durch Einschaltung eines ausländischen Verkehrsanwalts entstehenden Kosten zwar grundsätzlich erstattungsfähig, jedoch nur in Höhe der entsprechenden Gebühren eines deutschen Anwalts. Im konkreten Fall war dies weniger als 1/10 des tatsächlich gezahlten Honorars. III. Zusammenarbeit mit ausländischen Rechtsberatern Ziff der Berufsregeln der Rechtsanwälte der Europäischen Union (CCBE) besagt: Der Rechtsanwalt hat ein Mandat abzulehnen, wenn er weiß oder wissen muss, dass es ihm an den erforderlichen Kenntnissen fehlt, es sei denn, er arbeitet mit einem Rechtsanwalt zusammen, der diese Kenntnisse besitzt. Bei der Zusammenarbeit mit (europäischen) ausländischen Kollegen sind die Berufsregeln der Rechtsanwälte der Europäischen Union (CCBE) zu beachten, die zum Teil in die jeweiligen nationalen Berufsrechte inkorporiert worden sind oder diese ergänzen (siehe 29 BORA). Unter Ziff. 5 CCBE ist das Verhalten gegenüber den Kollegen beschrieben. Sofern dem ausländischen Kollegen ein Fehler unterläuft, gilt für die Haftung im Prinzip nichts anderes, als wenn in Deutschland ein anderer Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigter beauftragt oder eine Untervollmacht erteilt wird: Maßgeblich ist, ob die Beauftragung im Sinne des 664 BGB gestattet ist, nur bei fehlender Gestattung kann es zu einer Verschuldenszurechnung über 278 BGB kommen. Die Einschaltung des ausländischen Kollegen sollte also unbedingt mit dem Mandanten abgestimmt werden. Eine eigene Prüfungspflicht besteht dann in der Regel nicht mehr. Das OLG Bamberg hatte im Urteil vom (MDR 1989, 542) gemeint: Der neben einem Schweizer Prozessanwalt bestellte deutsche Verkehrsanwalt sei nicht verpflichtet, die Verjährungsvorschriften des ausländischen Rechts zu prüfen und den Mandanten auf die drohende Verjährung hinzuweisen. Das LG München I hat in einem Urteil vom (7 O 9779/10) für die Haftung von Patentanwälten festgestellt, dass eine Pflicht des inländischen Patentanwalts, einen im Einvernehmen mit dem Mandanten eingeschalteten ausländischen Patentanwalt bei der von diesem vorgenommenen Auslandsanmeldung und Betreuung des ausländischen Patents nicht nur formal, sondern darüber hinausgehend auch inhaltlich zu überwachen, nicht bestehe. Sie sei auch nicht allein deswegen anzunehmen, weil der inländische Patentanwalt für die (Mit-)Betreuung der Auslandsanmeldung eine Grundgebühr und weitere Gebühren verlangt hat. Es bestehe in entsprechender Anwendung des 664 BGB auch keine Haftung nach 278 BGB für Fehler des ausländischen Kollegen, der im Einvernehmen mit dem Mandanten beauftragt wurde. Zu denken wäre in diesen Fällen allenfalls an ein Auswahlverschulden. Hierzu hat das LG Leipzig (MittdtschPat- Anw 2007, 84) wiederum für Patentanwälte festgestellt, dass eine Haftung nur für eigenes Verschulden bei der Auswahl des ausländischen Anwalts, der Übertragung des Auftrags oder bei Vernachlässigung etwa bestehender Überwachungspflichten in Betracht komme. Derartige Überwachungspflichten seien indes ohne ausdrückliche Vereinbarung zwischen inländischem Anwalt und Mandant nicht geschuldet. Lediglich wenn sich dem inländischen Anwalt Fehler des ausländischen Anwalts in offensichtlicher Weise aufdrängen, ergebe sich eine eigene Hinweis-, Belehrungsund Beratungspflicht. Im Übrigen erfülle der inländische Anwalt seine Pflichten aus dem Mittlungsmandat, wenn er die Empfehlungen und Verfahrensinformationen des ausländischen Anwalts rechtzeitig und vollständig an den Mandanten weiterleitet. Er sei nicht verpflichtet, alle übersendeten Anlagen oder amtlichen Verlautbarungen eigenständig zu lesen und damit auch inhaltlich zu überprüfen. Eine haftungsrechtliche Besonderheit findet sich in Ziff. 5.7 CCBE: Im beruflichen Verkehr zwischen Rechtsanwälten verschiedener Mitgliedsstaaten ist mangels anderweitiger Vereinbarung der Rechtsanwalt, der sich nicht darauf beschränkt, seinem Mandanten einen ausländischen Kollegen zu benennen oder das Mandat zu vermitteln, sondern eine Angelegenheit einem ausländischen Kollegen überträgt oder diesen um Rat bittet, persönlich dann zur Zahlung des Honorars, der Kosten und der Auslagen des ausländischen Kollegen verpflichtet, wenn Zahlung von dem Mandanten nicht erlangt werden kann. Da es sich um eine Einstandspflicht besonderer Art handelt, wird im Falle der Inanspruchnahme über die übliche Berufshaftpflichtversicherung kein Versicherungsschutz bestehen. IV. Tätigkeit im Ausland Immer häufiger werden Rechtsanwälte auch in anderen Staaten tätig. Dies kann punktuell geschehen, indem ausländische Mandanten im Einzelfall dort beraten oder indem eine Niederlassung der Rechtsanwaltskanzlei im Ausland eröffnet wird. Für das europäische Ausland ist das Tätigwerden umfassend durch EU-Recht (Richtlinien 98/5/EG, 89/48/EWG und 77/249/EWG) und die entsprechenden nationalen Gesetze geregelt. Nach dem in Deutschland geltenden EuRAG ist eine vorübergehende Tätigkeit als dienstleistender Globalisierung und Haftung: Risiken beim grenzüberschreitenden Mandat, Jungk AnwBl 12 /

80 MN Haftpflichtfragen europäischer Rechtsanwalt im Sinne der 25 ff. EuRAG erlaubt. Wer eine Niederlassung eröffnen will, muss die Aufnahme in die örtliche Rechtsanwaltskammer beantragen ( 3 EuRAG). Nach drei Jahren effektiver und regelmäßiger Tätigkeit kann dann eine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft beantragt werden ( 11 ff. EuRAG). Zu beachten ist, dass der dienstleistende europäische Rechtsanwalt in gerichtlichen Verfahren mit Anwaltszwang nur im Einvernehmen mit einem nationalen Anwalt handeln darf, der darauf hinzuwirken hat, dass die Erfordernisse einer geordneten Rechtspflege beachtet werden ( 28 Abs. 2. S. 2 EuRAG). Zwischen dem Einvernehmensanwalt und dem Mandanten kommt nach 28 Abs. 3 EuRAG kein Vertragsverhältnis zustande, wenn die Beteiligten nichts anderes bestimmt haben. Genau dies kann allerdings im Einzelfall zweifelhaft sein. Es sollte daher genau darauf geachtet werden, mit wem das Mandatsverhältnis besteht. Sofern der Einvernehmensanwalt in eigener Verantwortung handelt, z. B. Fristen überwachen oder Termine wahrnehmen soll, ist ein separates Mandatsverhältnis (siehe oben III.) anzuraten. Haftungsrechtlich interessant ist die Frage, nach welchem Recht sich die Haftung beurteilt. Meist wird im Mandatsvertrag das anwendbare Recht vereinbart (Art. 3 Rom I-VO: Rechtswahlfreiheit). Wenn das ausnahmsweise nicht der Fall ist, kommt man nach deutschem IPR (Art. 4 Rom I-VO) zu dem Recht des Landes, in dem der Dienstleister seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat bzw. zu dem die engste Verbindung besteht. Versicherungspflicht gemäß 51 BRAO besteht für den deutschen Rechtsanwalt auch dann, wenn er nur im Ausland tätig ist (BGH, NJW 1998, 1078). Der standardmäßige Versicherungsschutz gilt für das Tätigwerden im europäischen Ausland ebenso wie im Inland, nicht aber im außereuropäischen Ausland (ausführlich Bräuer, AnwBl 2011, 688), so dass im Bedarfsfall zusätzliche Deckung eingekauft werden muss, wobei natürlich auch den Anforderungen des jeweiligen ausländischen Berufsrechts Rechnung zu tragen ist. Der in Deutschland niedergelassene ausländische Rechtsanwalt benötigt ebenfalls Versicherungsschutz gemäß 51 BRAO, der niedergelassene europäische Rechtsanwalt gemäß 7 Eu- RAG zumindest gleichwertigen. V. Internationale Sozietäten Viele Anwaltskanzleien darunter praktisch alle Großsozietäten haben Büros im Ausland. In der Regel sind dies nicht nur Niederlassungen, in denen die deutschen Sozien tätig sind, sondern Zusammenschlüsse mit ausländischen Rechtsanwaltskollegen in unterschiedlichen gesellschaftsrechtlichen Ausgestaltungen. 59 a Abs. 2 BRAO erlaubt die gemeinschaftliche Berufsausübung mit ausländischen Rechtsanwälten, die sich gemäß EuRAG oder gemäß 206 BRAO in Deutschland niederlassen dürfen. Haftungsrechtlich ergeben sich hieraus viele Fragen, vor allem welches Recht auf den Mandatsvertrag Anwendung findet und nach welchem Recht sich die Sozienhaftung richtet. Die Frage des anwendbaren Rechts wird hier oft sehr komplex, wenn mehrere Rechtsanwälte aus Büros in verschiedenen Ländern tätig sind und zu unterschiedlichen nationalen oder zu internationalen Rechtsfragen beraten. Eine Rechtswahl- und Gerichtsstandsvereinbarung ist daher dringend anzuraten. Schwierig wird es auch bei der Frage, ob und gegebenenfalls welche internationalen Sozien wofür mithaften. Hier ist zunächst zu fragen, ob es sich überhaupt um eine Sozietät im engeren Sinne, also um einen gesellschaftsrechtlichen Zusammenschluss handelt. Oft wird es sich nur um Kooperationen, Netzwerke oder andere lockere Vereinbarungen handeln. Auch die EWIV ist keine Berufsausübungsgesellschaft. Sofern es sich tatsächlich um eine Gesellschaft handelt, wäre aus deutscher Sicht maßgeblich, in welchem Staat die Gesellschaft ihren Sitz hat und ob nach dortigem Recht eine Sozienhaftung (persönliche Haftung) für die betreffende Gesellschaftsform vorgesehen ist. Nach Art. 1 Abs. 2 lit. f Rom I-VO bzw. Art. 1 Abs. 2 lit. d Rom II-VO finden diese Regelungen hierauf keine Anwendung, so dass das jeweilige Gesellschaftsstatut maßgeblich ist. Die Anwendung der Sitztheorie nach der Rechtsprechung des EuGH ist dogmatisch umstritten (vgl. Teichmann, ZGR 2011, 639; BGH, WM 2011, 1808), so dass unklar bleibt, nach welchem Recht sich die persönliche Haftung tatsächlich richtet. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang die Sonderregelung des 8 Abs. 2 EuRAG. Dieser bestimmt für den niedergelassenen europäischen Rechtsanwalt, dass die persönliche Haftung durch die Rechtsform des Zusammenschlusses im Herkunftsstaat nur ausgeschlossen oder beschränkt werden kann, soweit eine dem 59j BRAO (für die Rechtsanwalts-GmbH) entsprechende Berufshaftpflichtversicherung besteht. Grundsätzlich kann man aufgrund der bei internationalen Sozietäten in Betracht zu ziehenden unterschiedlichen Rechtsordnungen nie ausschließen, dass man auch für Pflichtverletzungen der ausländischen Sozien gegebenenfalls nach dem dortigen unbekannten Haftungsrecht mit in die persönliche Haftung kommt. In der Praxis werden die angesprochenen internationalprivatrechtlichen Haftungsprobleme selten virulent, so dass es, soweit erkennbar, hierzu keine Rechtsprechung gibt. In der Regel sind internationale Sozietäten über internationale Versicherungsprogramme so versichert, dass alle Haftungsfälle für alle Sozien gedeckt sind und etwaige nationale Deckungslücken geschlossen werden. Probleme gibt es insbesondere für Versicherungskonzepte in den sogenannten non-admitted-ländern, in denen gegebenenfalls vor Ort zugelassene Versicherer das lokale Risiko absichern müssen. Dass keine Deckungslücken bestehen, sollte bei Abschluss der entsprechenden Versicherungsverträge unbedingt sichergestellt werden. Antje Jungk, München Die Autorin ist Rechtsanwältin und bei der Allianz Versicherungs-AG als Leitende Justiziarin tätig. Ihr Beitrag gibt ihre persönliche Auffassung wieder. Sie erreichen die Autorin unter der -Adresse autor@anwaltsblatt.de AnwBl 12 / 2012 Globalisierung und Haftung: Risiken beim grenzüberschreitenden Mandat, Jungk

81 MN Rechtsprechung Anwaltsrecht Keine Postulationsfähigkeit des Syndikusanwalts vor dem EuGH Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union Art. 19 Abs. 1, 3 und 4, Art. 53 Ein vor den nationalen polnischen Gerichten postulationsfähiger Rechtsberater ist als angestellter Rechtsanwalt nach der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht vor den Unionsgerichten postulationsfähig. Im Übrigen wirkt sich die Auslegung des Anwaltsbegriffs im Zusammenhang mit der Satzung nicht auf die Vertretung der Parteien vor den Gerichten eines Mitgliedstaats aus und kann daher weder den Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung noch den Subsidiaritätsgrundsatz verletzen. (Leitsatz der Redaktion) EuGH, Urt. v C-422/11 P und C-423/11 P Aus den Gründen: [1] Mit ihren Rechtsmitteln beantragen der Prezes Urzêdu Komunikacji Elektronicznej (Präsident des Amtes für elektronische Kommunikation, im Folgenden: PUKE) und die Republik Polen die Aufhebung des Beschlusses des Gerichts der Europäischen Union vom 23. Mai 2011, Prezes Urzêdu Komunikacji Elektronicznej/Kommission (T-226/10, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, im Folgenden: angefochtener Beschluss), mit dem das Gericht die Klage des PUKE auf Nichtigerklärung des Beschlusses C(2010) 1234 der Kommission vom 3. März 2010, der in Anwendung von Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste (Rahmenrichtlinie) (ABl. L 108, S. 33) verabschiedet worden war, als unzulässig abgewiesen hat. Rechtlicher Rahmen Unionsrecht [2] Art. 19 Abs. 1, 3 und 4 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, die gemäß Art. 53 dieser Satzung auf das Gericht anwendbar ist, bestimmt: Die Mitgliedstaaten sowie die Unionsorgane werden vor dem Gerichtshof durch einen Bevollmächtigten vertreten, der für jede Sache bestellt wird; der Bevollmächtigte kann sich der Hilfe eines Beistands oder eines Anwalts bedienen.... Die anderen Parteien müssen durch einen Anwalt vertreten sein. Nur ein Anwalt, der berechtigt ist, vor einem Gericht eines Mitgliedstaats oder eines anderen Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum aufzutreten, kann vor dem Gerichtshof als Vertreter oder Beistand einer Partei auftreten. [3] In der polnischen Fassung dieses Art. 19 heißt es anstatt ein Anwalt ein Anwalt oder ein Rechtsberater [,radca prawny ]. [4] Art. 113 der Verfahrensordnung des Gerichts sieht vor: Das Gericht kann jederzeit von Amts wegen nach Anhörung der Parteien darüber entscheiden, ob unverzichtbare Prozessvoraussetzungen fehlen, oder feststellen, dass die Klage gegenstandslos geworden und die Hauptsache erledigt ist... Polnisches Recht [5] Neben dem Anwaltsberuf kennt das polnische Recht den Beruf des Rechtsberaters. Rechtsberater können sich in die Liste der Rechtsberater bei der Anwaltskammer eintragen lassen und sind dann berechtigt, ihre Mandanten oder Arbeitgeber vor den polnischen Gerichten zu vertreten. [6] Der Berufsstand des Rechtsberaters wurde in Anwendung von Art. 17 Abs. 1 der Verfassung der Republik Polen geschaffen. Der Beruf des Rechtsberaters ist im Rechtsberatergesetz vom 6. Juli 1982 geregelt, und die Angehörigen dieses Berufs sind durch den Ethik-Kodex für Rechtsberater (Kodeks Etyki Radcy Prawnego) gebunden. Diese Rechtstexte enthalten zahlreiche Bestimmungen, die speziell regeln, wie die Rechtsberater juristischen Beistand zu leisten haben, und sollen sicherstellen, dass Rechtsberater unabhängig davon, ob sie aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses mit demjenigen, den sie beraten, tätig werden, ihren Beruf in völliger Unabhängigkeit ausüben können. [7] Nach Art. 193 Abs. 1 des Telekommunikationsgesetzes (Ustawa Prawo telekomunikacyjne) vom 16. Juli 2004 (Dz. U. Nr. 171, Position 1800) in der auf den Rechtsstreit anwendbaren Fassung übt der PUKE seine Tätigkeit durch das Urzêdu Komunikacji Elektronicznej (Amt für elektronische Kommunikation, im Folgenden: UKE) aus. [8] Nach Art. 25 Abs. 4 Nrn. 1 und 2 des Gesetzes für den öffentlichen Dienst (Ustawa o slu bie cywilnej) vom 21. November 2008 (Dz. U. Nr. 227, Position 1505) in seiner auf den Rechtsstreit anwendbaren Fassung ist es Sache des Generaldirektors des UKE und nicht seines Präsidenten, die Abläufe und die Kontinuität der Arbeit des Amtes, die Arbeitsbedingungen und die Arbeitsorganisation zu gewährleisten. Auch ist der Generaldirektor des UKE und nicht dessen Präsident für die Personalverwaltung und für die Vornahme dienstrechtlicher Maßnahmen gegenüber den Beschäftigten des Amtes zuständig. Klage vor dem Gericht und angefochtener Beschluss [9] Der PUKE erhob mit Klageschrift, die am 14. Mai 2010 bei der Kanzlei des Gerichts einging, Klage auf Nichtigerklärung der in Randnr. 1 des vorliegenden Urteils angeführten Entscheidung. [10] Die Klage wurde von den Rechtsberaterinnen ( radcowie prawni ) H. G. und D. P. beim Gericht eingereicht.... Zum ersten Rechtsmittelgrund des PUKE und zum ersten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes der Republik Polen: Fehlerhafte Auslegung von Art. 19 der Satzung des Gerichtshofs [21] Die Rechtsmittelführer werfen dem Gericht vor, Art. 19 der Satzung des Gerichtshofs falsch ausgelegt zu haben, soweit es angenommen habe, diese Bestimmung verlange, dass der Beistand, der eine Partei vor den Unionsgerichten vertrete, ein Maß an Unabhängigkeit von dieser Anzeige Anwaltsrecht AnwBl 12 /

82 MN Rechtsprechung Partei aufweisen müsse, das den Rechtsberaterinnen, die die Klage beim Gericht eingereicht hätten, fehle. [22] Die beiden Rechtsberaterinnen hätten zum UKE in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden, nicht zum PUKE. Innerhalb des UKE unterständen sie dem Generaldirektor, der allein für den Geschäftsbetrieb dieses Amtes und insbesondere für die Personalverwaltung zuständig sei. Jedenfalls gewährleisteten die Rechtsvorschriften über die Ausübung des Rechtsberaterberufs die vollkommene Unabhängigkeit ihrer juristischen Tätigkeit selbst gegenüber ihrem Dienstherrn. [23] Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass, wie das Gericht in Randnr. 17 des angefochtenen Beschlusses zutreffend festgestellt hat, die Vorstellung von der Funktion des Rechtsanwalts in der Unionsrechtsordnung, die sich aus der gemeinsamen Rechtstradition der Mitgliedstaaten ergibt und auf die Art. 19 der Satzung des Gerichtshofs fußt, die eines Organs der Rechtspflege ist, das in völliger Unabhängigkeit und im höheren Interesse der Rechtspflege die rechtliche Unterstützung zu gewähren hat, die der Mandant benötigt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 18. Mai 1982, AM & S Europe/Kommission, 155/79, Slg. 1982, 1575, Randnr. 24, und Akzo Nobel Chemicals und Akcros Chemicals/Kommission, Randnr. 42, sowie Beschluss vom 29. September 2010, EREF/ Kommission, Randnr. 52). [24] Das Erfordernis der Unabhängigkeit des Rechtsanwalts setzt aber das Fehlen jedes Beschäftigungsverhältnisses zwischen ihm und seinem Mandanten voraus (vgl. Beschluss vom 29. September 2010, EREF/Kommission, Randnr. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung). Wie das Gericht in Randnr. 18 des angefochtenen Beschlusses zu Recht entschieden hat, wird der Begriff der Unabhängigkeit des Rechtsanwalts nämlich nicht nur positiv definiert, d. h. unter Bezugnahme auf die berufsständischen Pflichten, sondern auch negativ, d. h. durch das Fehlen eines Beschäftigungsverhältnisses (Urteil Akzo Nobel Chemicals und Akcros Chemicals/Kommission, Randnr. 45). [25] Das gilt gleichermaßen in einer Situation wie derjenigen der Rechtsberaterinnen in der vorliegenden Rechtssache, in der die Anwälte von einer Organisationseinheit, die mit der von ihnen vertretenen Partei verbunden ist, beschäftigt werden. Das Beschäftigungsverhältnis der Rechtsberaterinnen mit dem UKE kann nämlich selbst dann, wenn eine formelle Trennung zwischen diesem und dem PUKE vorliegt, die Unabhängigkeit der Rechtsberaterinnen möglicherweise beeinträchtigen, da die Interessen des UKE mit denen des PUKE weitgehend übereinstimmen. Es besteht nämlich die Gefahr, dass die beruflichen Ansichten der Rechtsberaterinnen zumindest teilweise von ihrem beruflichen Umfeld beeinflusst werden.... Zum dritten Rechtsmittelgrund des PUKE: Verletzung der Grundsätze der begrenzten Einzelermächtigung und der Subsidiarität [38] Der PUKE rügt eine Verletzung des sich aus Art. 5 Abs. 1 und 2 EUV in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 EUV ergebenden Grundsatzes der begrenzten Einzelermächtigung. Indem das Gericht die Anwendung von Art. 19 Abs. 3 der Satzung des Gerichtshofs auf Anwälte beschränkt habe, die nicht auf der Grundlage eines Arbeitsvertrags tätig würden, habe das Gericht in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten, zu bestimmen, ob eine Person ein Anwalt sei, eingegriffen und damit den Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung verletzt. Das Unionsrecht könne nicht die Voraussetzungen für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufs festlegen. [39] Der angefochtene Beschluss verletze auch den Subsidiaritätsgrundsatz, denn die Behauptung, es sei unmöglich, das Ziel der Unabhängigkeit der Anwälte oder Rechtsberater auf nationaler Ebene zu verwirklichen, sei durch nichts gerechtfertigt. [40] Hierzu genügt der Hinweis, dass die vorliegenden Rechtsmittel nicht die Organisation der Ausübung des Anwaltsberufs im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats zum Gegenstand haben, sondern die Parteivertretung vor den Unionsgerichten, wie sie in der Satzung des Gerichtshofs vorgesehen ist. Im Übrigen wirkt sich die Auslegung des Anwaltsbegriffs im Zusammenhang mit Art. 19 der Satzung nicht auf die Vertretung der Parteien vor den Gerichten eines Mitgliedstaats aus und kann daher weder den Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung noch den Subsidiaritätsgrundsatz verletzen. [41] Folglich ist der dritte Rechtsmittelgrund des PUKE als unbegründet zurückzuweisen. Zum vierten Rechtsmittelgrund des PUKE und zum zweiten Rechtsmittelgrund der Republik Polen: Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit [42] Die Rechtsmittelführer tragen vor, dass die Auslegung von Art. 19 Abs. 3 und 4 der Satzung des Gerichtshofs, wonach die Rechtsberater, die mit einer Partei in einem Beschäftigungsverhältnis stünden, diese nicht vor den Unionsgerichten vertreten könnten, nicht durch die Notwendigkeit gerechtfertigt sei, die Rechtspflege in der Union zu schützen oder zu gewährleisten, dass die Parteien in den Genuss der Dienste eines unabhängigen Rechtsberaters kämen. Eine solche Auslegung verletze somit den in Art. 5 Abs. 4 EUV verankerten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. [43] Es gebe mildere materielle und formelle Mittel, mit denen sich dasselbe Ziel die Unabhängigkeit des Parteivertreters in einem Verfahren vor den Unionsgerichten erreichen lasse, ohne dass es erforderlich sei, den gesamten Berufszweig der Rechtsberater, die ihren Beruf auf der Grundlage eines Arbeitsvertrags ausübten, auszuschließen. Solche Mittel seien in Polen durch die verschiedenen gesetzlichen und standesrechtlichen Bestimmungen zur Regelung der Ausübung des Rechtsberaterberufs zur Verfügung gestellt worden. [44] Hierzu ist festzustellen, dass jedenfalls nicht ersichtlich ist, dass die materiellen und formellen Mittel, auf die sich die Rechtsmittelführer berufen, die Unabhängigkeit des Anwalts in gleichem Maße gewährleisten können wie das Fehlen jedes Beschäftigungsverhältnisses zwischen dem Anwalt und seinem Mandanten. [45] Daher sind der vierte Rechtsmittelgrund des PUKE und der zweite Rechtsmittelgrund der Republik Polen als unbegründet zurückzuweisen. Anmerkung der Redaktion: Siehe zu dem Urteil die Besprechung von Marx in diesem Heft (AnwBl 2012, 956). Der Volltext ist im Internet abrufbar unter (AnwBl Online 2012, 299) AnwBl 12 / 2012 Anwaltsrecht

83 MN Rechtsprechung AGH Hamm korrigiert sich: Vorsorgeanwalt ist zulässige Werbung GG Art. 12 Abs.1; BRAO 43b; UWG 5; BORA 6, 7 Die Bezeichnung VorsorgeAnwalt oder Vorsorgeanwalt auf dem Briefpapier eines Rechtsanwalts ist zulässig, denn auch eine nach Art und Ton sachlich gehaltene Bezeichnung ohne ausreichenden eigenen Informationswert ist nicht berufswidrig, solange sie nicht den rechtssuchenden Bürger gefährdet, täuscht oder etwas vorspiegelt, was der betreffende Rechtsanwalt nicht bietet. (Leitsatz der Redaktion) (nicht rechtskräftig) AGH Hamm, Urt. v AGH 29/11 Sachverhalt: 3. Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben lässt sich auch im Hinblick auf den Wandel anwaltlicher Tätigkeiten und der gesellschaftlichen Entwicklung ein Verbot der Bezeichnung Vorsorgeanwalt auf dem Briefkopf, sowie es der Senat in der Entscheidung vom noch angenommen hatte, nicht mehr haften. Der Senat geht zwar nach wie vor davon aus, dass die Bezeichnung Vorsorgeanwalt aus der Sicht der rechtssuchenden Bürger nicht ohne Weiteres erkennen lässt, welche spezieilen Dienstleistungen und Kenntnisse der Kläger anbietet. Auch kommt der Begriff der Vorsorge in vielen unterschiedlichen Lebensbereichen vor, wie die Beklagte zutreffend dargestellt hat. Es bleiben deutliche Zweifel, ob der Rechtssuchende die vom Kläger ausgeübten Tätigkeiten aus dem Begriff VorsorgeAnwalt auf dem Briefkopf des Klägers ableiten kann, ob er also allein aus der Bezeichnung VorsorgeAnwalt verwertbare, konkrete Schlüsse auf den Tätigkeitsbereich des Rechtsanwaltes ziehen kann. So sind Teii des Vorsorgerechtes unter anderem Vorsorgevollmachten, Patientenverfügungen, die zugrundeliegenden Rechtsverhältnisse, deren Auswirkungen und das Betreuungsrecht, sowie damit im Zusammenhang stehende Themen des Pflege-, Patienten- und Heimrechts. Es bleiben deutliche Zweifel, ob der rechtssuchende Bürger diese Tätigkeitsbereiche allein aufgrund der Bezeichnung Vorsorgeanwalt erkennen kann. Dies führt jedoch nicht dazu, dass die Bezeichnung VorsorgeAnwalt als nicht sachliche Information zu verbieten und die Werbung mit der Bezeichnung VorsorgeAnwalt vor diesem Hintergrund berufswidrig ist, Denn auch eine nach Art und Ton sachlich gehaltene Bezeichnung ohne ausreichenden eigenen Informationswert ist nicht berufswidrig, solange sie nicht den rechtssuchenden Bürger gefährdet, täuscht oder etwas vorspiegelt, was der betreffende Rechtsanwalt tatsächlich nicht bietet. Von einer solchen Irreführung ist vorliegend nicht auszugehen. Zum einen wird ein Teil der angesprochenen Rechtssuchenden eine gewisse Vorstellung haben, was mit Vorsorge im Zusammenhang mit anwaltlicher Beratung und Tätigkeit gemeint sein könnte, selbst wenn er keine konkrete Vorstellung über den Umfang und das gesamte Gebiet hätte. Das ist aber auch nicht erforderlich; auch in anderen Gebieten, wie z. B. dem Verwaltungsrecht, wird kein Bürger erkennen können, wie umfassend dieses Rechtsgebiet ist. Zum änderen wird auch ein rechtssuchendef Bürger nichtgetäuscht; er weiß möglicherweise nicht, was unter Vorsorge im Zusammenhang mit anwaltlicher Tätigkeit zu verstehen ist und welche Leistungen hierunter fallen können: Insofern ist die Bezeichnung Vorsorgeanwalt allein nicht klar und aussagekräftig. Das rechtfertigt für sich genommen aber noch nicht das Verbot dieser Bezeichnung. Jedenfalls liegt aber keine Täuschung, Irreführung oder Gefährdung vor. Denn der Begriff VorsorgeAnwalt beschreibt richtig und ausreichend präzise die Tätigkeiten, auch wenn man hierauf aus dem alleinigen Begriff ohne weitere Erläuterungen vielleicht nicht käme. Spätestens mit Erläuterung, wie sie sich z.b, aus der Werbung (Bl. 5 der GA) ergeben, wird dies darin hinreichend deutlich. Auch wenn die Bedeutung der Bezeichnung VorsorgeAnwalt also nicht vollkommen selbsterklärend ist, stellt dieser Begriff vor dem, durch die Entscheidung des BGH betonten, verfassungsrechtlichen Hintergrund keine Gefährdung des rechtssuchenden Publikums dar. 4. Vor diesem Hintergrund hält der Senat nicht mehr an der in seiner Entscheidung vom dargestellten Rechtsauffassung fest. Auch wenn nach Auffassung des Senates nach wie vor davon auszugehen ist, dass der juristische Laie aus dem Begriff Vorsorgerecht ebenso wie aus dem Begriff Vorsorgeanwalt nicht in der Lage ist zu ersehen, welche Tätigkeit der Rechtsanwalt, schwerpunktmäßig betreibt, so ist doch dem Kläger zuzugeben, dass der rechtssuchende Bürger nicht getäuscht wird. Das führt dazu, dass die aus Art. 12 GG hergeleitet Freiheit zur Berufsausübung über das Interesse der Beklagten und letztlich der Allgsmeinheit gestellt werden kann und muss, nur Anwälte mit klaren Tätigkeitsbezeichnungen tätig sein zu lassen. Insgesamt ist damit festzuhalten, dass die vorn BGH betonte Ausstrahlung des Grundrechts der Berufsfreiheit so stark ist, dass eine bloße Unklarheit nicht zwingend zur Unzulässigkeit einer Bezeichnung auf dem Briefkopf eines Rechtsanwaites führt. 5. Der Senat geht davon aus, dass in Zukunft eine Bezeichnung wie Vorsorgeanwalt in der Öffentlichkeit stärker bekannt werden wird, weil aufgrund der demographischen Entwicklung der Beratungsbedarf zu Erbrecht, Vorsorgerecht, Betreuungsverfügungen etc. zunehmen wird; diese Entwicklung wird erfahrungsgemäß auch dazu führen, dass die Medienpräsenz eines soichen Begriffes stark zunimmt, so dass der Begriff selbst für die rechtssuchende Bevölkerung immer stärker bekannt werden wird. Auch damit verringert sich die Gefahr, dass der Begriff selbst nicht aussagekräftig ist und als solcher auch in Zukunft nicht von rechtssuchenden Bürgern verstanden wird. Mitgeteilt von Rechtsanwalt Dr. Michael Kleine-Cosack, Freiburg i. Br. Anmerkung der Redaktion: Die Entscheidung ist beachtlich. Mit Verweis auf das aktuelle Urteil des Anwaltssenats des BGH zum anwaltlichen Werberecht (BGH, AnwBl 2012, 840) ändert der AGH Hamm seine Rechtsprechung hatte er die Bezeichnung Vorsorgeanwalt noch für berufsrechtswidrig gehalten (BRAK-Mitt 2011, 154). Im Rahmen des anwaltlichen Berufsrechts wendet der AGH Hamm jetzt auch die Irreführungsgrundsätze des normalen Werberechts des UWG an. Und siehe da: Werbende Anpreisungen sind unproblematisch, solange dem Bürger nicht etwas falsches vorgespiegelt wird. In diesem Fall war klar, dass der Anwalt mit Vorsorgefällen reichlich Erfahrung hatte. Der AGH Hamm hat die Berufung zugelassen. Bei Redaktionsschluss stand noch nicht fest, ob Berufung eingelegt worden ist. Der Volltext ist im Internet abrufbar unter (AnwBl Online 2012, 304). Anwaltsrecht AnwBl 12 /

84 MN Rechtsprechung Anwaltshaftung Keine überspannten Anforderungen an Berufungsbegründung ZPO 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 und 3 a) Wendet sich der Berufungsführer gegen eine ihm nachteilige Beweiswürdigung des erstinstanzlichen Gerichts, so genügt er den Anforderungen an die Zulässigkeit seiner Berufung, wenn er deutlich macht, dass und aus welchen Gründen er die Beweiswürdigung für unrichtig hält. Eine noch weiter gehende Auseinandersetzung mit der (Beweis-)Würdigung durch das Erstgericht ist grundsätzlich nicht erforderlich. Es kommt insoweit auch nicht darauf an, ob die Berufungsbegründung inhaltlich schlüssig ist und begründeten Anlass für eine erneute und vom Erstgericht abweichende Würdigung (Feststellung) gibt. b) Ergibt sich die Entscheidungserheblichkeit eines Rechtsverstoßes oder einer beanstandeten Tatsachenfeststellung unmittelbar aus dem Prozessstoff, so bedarf sie keiner gesonderten Darlegung in der Berufungsbegründung. BGH, Beschl. v III ZB 24/12 Sachverhalt: [1] I. Die Klägerin nimmt die Beklagte aus einem von ihr geltend gemachten abgetretenen Recht ihres Ehemanns, des Zeugen R. M., unter dem Vorwurf einer fehlerhaften Kapitalanlageberatung im Zusammenhang mit der Zeichnung einer Beteiligung über DM zuzüglich 5 % Agio an dem Medico Fonds Nr. 31, einem geschlossenen Immobilienfonds, auf Schadensersatz in Anspruch. [2] Das Landgericht hat die Klage nach persönlicher Anhörung der Klägerin und Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeugen R. M. und K. H. mit der Begründung abgewiesen, dass es der Klägerin nicht gelungen sei, einen Abtretungsvertrag zwischen ihr und ihrem Ehemann hinsichtlich der streitgegenständlichen Schadensersatzansprüche nachzuweisen; es lägen erhebliche Widersprüche zwischen den Angaben der Klägerin bei ihrer persönlichen Anhörung und den Bekundungen des Zeugen M. vor. [3] Das Oberlandesgericht hat die hiergegen eingelegte Berufung der Klägerin nach vorherigem Hinweis als unzulässig verworfen und hierzu ausgeführt, dass die Berufungsbegründung den Anforderungen nach 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO nicht genüge. Die Berufungsbegründung setze sich mit der ausführlichen Beweiswürdigung des Landgerichts nicht auseinander und lege nicht dar, weshalb diese Beweiswürdigung unrichtig sein solle. Darüber hinaus fehle es an der Darlegung der Entscheidungserheblichkeit des behaupteten Rechtsverstoßes. Aus der Berufungsbegründung erschließe sich nicht, dass bei Bejahung der Aktivlegitimation das Landgericht zu einem für die Klägerin günstigeren Ergebnis hätte kommen müssen. [4] Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin.... Aus den Gründen: [10] b) Den Erfordernissen nach 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 und 3 ZPO hat die Berufungsbegründung der Klägerin noch genügt. [11] aa) Die Klägerin hat in ihrer Berufungsbegründung zu erkennen gegeben, dass sie die Würdigung des Berufungsgerichts bekämpfen möchte, wonach sie einen Abtretungsvertrag zwischen ihr und ihrem Ehemann hinsichtlich der streitgegenständlichen Schadensersatzansprüche nicht nachgewiesen habe. Sie hat in diesem Zusammenhang im Einzelnen auf die Aussage des Zeugen M. Bezug genommen und dessen Bekundung zum Zeitpunkt der Abtretung mit dem Hinweis auf die Angabe zur Abtretung der Schadensersatzforderung im Mahnantrag zu stützen versucht. Sie hat gemeint, hiernach ergebe sich insgesamt ein genügender Nachweis für ihre Aktivlegitimation, zumal eine Abtretung auch formlos wirksam sei. Auf diese Weise hat die Klägerin schon hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass und aus welchen Gründen sie die Würdigung des Landgerichts für unrichtig und eine erneute ihr günstige Würdigung (Feststellung) durch das Berufungsgericht für geboten hält. Damit ist den Anforderungen von 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 und 3 ZPO entsprochen. Für die Zulässigkeit der Berufung ist eine noch weiter gehende Auseinandersetzung mit der (Beweis-)Würdigung durch das Erstgericht nicht erforderlich; es kommt insoweit auch nicht darauf an, ob die Berufungsbegründung inhaltlich schlüssig ist und begründeten Anlass für eine erneute und vom Erstgericht abweichende Würdigung (Feststellung) gibt. [12] bb) Soweit das Berufungsgericht in der Berufungsbegründung eine Darlegung der Entscheidungserheblichkeit des behaupteten Rechtsverstoßes vermisst, hat es worauf die Rechtsbeschwerde mit Recht hinweist nicht berücksichtigt, dass sich die Entscheidungserheblichkeit der Aktivlegitimation der Klägerin unmittelbar aus dem Prozessstoff ergibt und somit keiner gesonderten Darlegung bedarf (vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom 18. September 2003 V ZB 9/03, NJW 2003, 3765 und vom 11. Mai 2004 XI ZB 39/03, BGHZ 159, 135, 138). Das Landgericht hat die Begründetheit der Klage allein mangels Nachweises der Aktivlegitimation der Klägerin verneint und dementsprechend ausdrücklich offen gelassen, ob eine der Beklagten zurechenbare Pflichtverletzung vorliegt oder ein etwaiger Schadensersatzanspruch verjährt ist. Bei dieser Lage ist es nicht geboten, dass der Berufungsführer ausdrücklich noch einmal sein gesamtes erstinstanzliches Vorbringen zu den Voraussetzungen des von ihm verfolgten Klageanspruchs das mit der (zulässigen) Berufung ohnehin vollständig in die Berufungsinstanz gelangt (BGH, Urteile vom 12. März 2004 aao S. 278 und vom 22. Mai 2012 II ZR 35/10 juris Rn. 29 mwn) wiederholt und auf diese Weise die Entscheidungserheblichkeit seiner Aktivlegitimation dar. Der Volltext ist im Internet abrufbar unter (AnwBl Online 2012, 308) Vorbringen im ersten Termin niemals verspätet nach 282 Abs. 1 ZPO ZPO Abs. 1 ZPO ist nur dann einschlägig, wenn innerhalb einer Instanz mehrere Verhandlungstermine stattfinden; ein Vorbringen im ersten Termin zur mündlichen Verhandlung kann niemals nach 282 Abs. 1 ZPO verspätet sein (Bestätigung von BGH, Urteil vom 4. Mai 2005 XII ZR 23/03, NJW-RR 2005, 1007). BGH, Beschl. v VIII ZR 273/11 Der Volltext ist im Internet abrufbar unter (AnwBl Online 2012, 310) AnwBl 12 / 2012 Anwaltshaftung

85 MN Rechtsprechung Fristensache: Anwalt muss im Internet Zweitfax des Gerichts suchen ZPO 85 Abs. 2, 233 Von einem Prozessbevollmächtigten, dem es trotz zahlreicher Anwählversuche nicht gelingt, einen Antrag auf Verlängerung der Frist zur Begründung der Berufung am letzten Tag dieser Frist per Telefax an eine vom Berufungsgericht genannte Telefaxnummer zu übermitteln, kann verlangt werden, dass er über den Internetauftritt des Berufungsgerichts eine etwa vorhandene weitere Telefaxnummer des Berufungsgerichts ermittelt und den Verlängerungsantrag an diese Telefaxnummer übermittelt. BGH, Beschl. v VII ZB 25/12 Der Volltext ist im Internet abrufbar unter (AnwBl Online 2012, 311). Fristensachen: Keine allgemeine Überwachungspflicht bei Weisungen ZPO 233 Ein Rechtsanwalt ist zur gesonderten Überprüfung der weisungsgemäßen Erstellung, Vorlage und Absendung eines fristgebundenen Schriftsatzes durch qualifizierte Mitarbeiter nur verpflichtet, wenn ihm aufgrund der ihm bekannten Umstände ein von diesen begangener Fehler offenbar wird. BGH, Beschl. v XII ZB 528/11 Der Volltext ist im Internet abrufbar unter (AnwBl Online 2012, 313). Konkrete Einzelanweisung muss wirklich umfassend sein ZPO 233 Eine Wiedereinsetzung in die versäumte Frist scheidet aus, wenn den Anwalt selbst ein Verschulden trifft, weill er eine Einzelanweisung erteilt hat (hier: nur OLG auf einen Entwurf einer Berufung, die fachlich an das erstinstanzliche LG Aschaffenburg war), die nicht konkret war. (Leitsatz der Redaktion) BGH, Beschl. v IX ZB 251/11 Der Volltext ist im Internet abrufbar unter (AnwBl Online 2012, 315). Blankounterschrift nicht per se unzulässig FamFG 117; ZPO 233, 236 Erfährt das Rechtsmittelgericht aus der Glaubhaftmachung eines Wiedereinsetzungsantrags, dass die nachgeholte Rechtsmittelschrift mit einer Blankounterschrift versehen wurde, kann es ohne Hinweis an den Beteiligten regelmäßig nicht davon ausgehen, der Rechtsanwalt habe den Schriftsatz nicht vollständig geprüft und die Rechtsmittelschrift sei daher nicht formwirksam. BGH, Beschl. v XII ZB 642/11 Anwaltsvergütung Einwand des Rechtsmissbrauchs in der Kostenfestsetzung ZPO 91 Abs. 2 Satz 1, 103; BGB 242 a) Ein Kostenfestsetzungsverlangen kann als rechtsmissbräuchlich anzusehen sein, wenn der Antragsteller die Festsetzung von Mehrkosten beantragt, die dadurch entstanden sind, dass er einen oder mehrere gleichartige, aus einem einheitlichen Lebensvorgang erwachsene Ansprüche gegen eine oder mehrere Personen ohne sachlichen Grund in getrennten Prozessen verfolgt hat. b) Gleiches gilt für Erstattungsverlangen in Bezug auf Mehrkosten, die darauf beruhen, dass mehrere von demselben Prozessbevollmächtigten vertretene Antragsteller in engem zeitlichem Zusammenhang mit weitgehend gleichlautenden Antragsbegründungen aus einem weitgehend identischen Lebenssachverhalt ohne sachlichen Grund in getrennten Prozessen gegen den- oder dieselben Antragsgegner vorgegangen sind. c) Erweist sich das Kostenfestsetzungsverlangen als rechtsmissbräuchlich, muss sich der Antragsteller kostenrechtlich so behandeln lassen, als habe er ein einziges Verfahren geführt. BGH, Beschl. v VI ZB 59/11 Aus den Gründen: [8] b) Denn der Einwand der Antragsgegnerin ist im Kostenfestsetzungsverfahren jedenfalls unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs zu berücksichtigen. [9] aa) Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesverfassungsgerichts unterliegt jede Rechtsausübung auch im Zi-vilverfahren dem aus dem Grundsatz von Treu und Glauben abgeleiteten Missbrauchsverbot (BGH, Beschlüsse vom 10. Mai 2007 V ZB 83/06, BGHZ 172, 218 Rn. 13 f.; vom 2. Mai 2007 XII ZB 156/06, NJW 2007, 2257 Rn. 12 f.; Urteil vom 19. Dezember 2001 VIII ZR 282/00, BGHZ 149, 311, 323; BVerfG, NJW 2002, 2456, jeweils mwn). Als Ausfluss dieses auch das gesamte Kostenrecht beherrschenden Grundsatzes ist die Verpflichtung jeder Prozesspartei anerkannt, die Kosten ihrer Prozessführung, die sie im Falle ihres Sieges vom Gegner erstattet verlangen will, so niedrig zu halten, wie sich dies mit der Wahrung ihrer berechtigten Belange vereinbaren lässt. Ein Verstoß gegen diese Verpflichtung kann dazu führen, dass das Festsetzungsverlangen als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren ist und die unter Verstoß gegen Treu und Glauben zur Festsetzung angemeldeten Mehrkosten vom Rechtspfleger im Kostenfestsetzungsverfahren abzusetzen sind (BGH, Beschlüsse vom 31. August 2010 X ZB 3/09, NJW 2011, 529 Rn. 10; vom 2. Mai 2007 XII ZB 156/06, aao Rn. 12 ff.; KG, KG-Report 2002, 172, 173; 2000, 414, 415; OLG Stuttgart, OLG-Report 2001, 427 Rn. 12; OLG München, OLG-Report 2001, 105; Münch-KommZPO/ Anzeige Der Volltext ist im Internet abrufbar unter (AnwBl Online 2012, 317). Anwaltshaftung AnwBl 12 /

86 MN Rechtsprechung Giebel, aao Rn. 41, 48, 110; Musielak/Lackmann, ZPO, 9. Aufl., 91 Rn. 9; Jaspersen/Wache in Vorwerk/Wolf, aao, 91 Rn. 152 (Stand: April 2012); Baumbach/Lauterbach/Albers/ Hartmann, ZPO, 70. Aufl., 91 Rn. 140; von Eicken/Mathias, Die Kostenfestsetzung, 20. Aufl., Rn. B 362; vgl. auch Senatsurteil vom 1. März 2011 VI ZR 127/10, AfP 2011, 184). [10] bb) So kann es als rechtsmissbräuchlich anzusehen sein, wenn der Antragsteller die Festsetzung von Mehrkosten beantragt, die dadurch entstanden sind, dass er einen oder mehrere gleichartige, aus einem einheitlichen Lebensvorgang erwachsene Ansprüche gegen eine oder mehrere Personen ohne sachlichen Grund in getrennten Prozessen verfolgt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Mai 2007 XII ZB 156/06, NJW 2007, 2257 Rn. 13; OLG Düsseldorf, JurBüro 1982, 602; 2002, 486; 2011, 648, 649; KG, KG-Report 2002, 172, 173; 2000, 414, 415; OLG München, OLG-Report 2001, 105 f.; OLG Stuttgart, OLG-Report 2001, 427, 428). Gleiches gilt für Erstattungsverlangen in Bezug auf Mehrkosten, die darauf beruhen, dass mehrere von demselben Prozessbevollmächtigten vertretene Antragsteller in engem zeitlichem Zusammenhang mit weitgehend gleichlautenden Antragsbegründungen aus einem weitgehend identischen Lebenssachverhalt ohne sachlichen Grund in getrennten Prozessen gegen den- oder dieselben Antragsgegner vorgegangen sind (vgl. OLG Frankfurt am Main, JurBüro 1974, 1599; OLG Stuttgart, OLG-Report 2001, 427, 428; OLG München, OLG- Report 2001, 105 f.; KG, KG-Report 2000, 414, 415; 2002, 172, 173; MünchKommZPO/Giebel, aao Rn. 110; Musielak/ Lackmann, aao; Jaspersen/Wache in Vorwerk/Wolf, aao Rn (Stand: April 2012)). [11] cc) Auf der Grundlage der vom Beschwerdegericht getroffenen Feststellungen kann nicht abschließend beurteilt werden, ob das Festsetzungsverlangen des Antragstellers, soweit es auf die Erstattung der durch die getrennte Rechtsverfolgung entstandenen Mehrkosten gerichtet ist, als rechtsmissbräuchlich anzusehen ist. Zwar stimmten die Gegenstände aller fünf Verfahren nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts inhaltlich überein. Angegriffen war jeweils dieselbe Aussage in einem Halbsatz eines Artikels, deren weitere Verbreitung der Antragsgegnerin in jeweils gleichlautenden Unterlassungsverfügungen verboten wurde. Auch sind sachliche Gründe für eine getrennte Geltendmachung der jeweiligen Unterlassungsansprüche nicht ersichtlich. Insbesondere begründet die Aktenbearbeitung und Abwicklung eines Verfahrens, in dem fünf Antragsteller gleichgerichtete Ansprüche aus einem identischen Lebenssachverhalt gegen eine Antragsgegnerin verfolgen, keine erhöhten Anforderungen, die eine getrennte Rechtsverfolgung als sachgemäß erscheinen lassen könnten (vgl. BGH, Urteil vom 17. November 2005 I ZR 300/02, NJW-RR 2006, 474, 476). Das Beschwerdegericht hat aus seiner Sicht folgerichtig aber keine Feststellungen zum zeitlichen Zusammenhang der Verfahren und zu der Frage getroffen, ob der Antragsteller und seine Angehörigen von denselben Prozessbevollmächtigten vertreten wurden (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Juli 2010 V ZB 153/09, aao; KG Berlin, KG-Report 2002, 172, 173; OLG München, OLG-Report 2001, 105, 106). [12] 3. Der angefochtene Beschluss war aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen, damit es die erforderlichen Feststellungen treffen kann ( 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Sollte sich das Festsetzungsverlangen als rechtsmissbräuchlich erweisen, müsste sich der Antragsteller kostenrechtlich so behandeln lassen, als hätten er und seine Angehörigen als Streitgenossen ein einziges Verfahren geführt (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Mai 2007 XII ZB 156/06, juris Rn. 6 f. (insoweit nicht in NJW 2007, 565 abgedruckt); KG, KG-Report 2000, 414, 416; 2002, 172, 174; OLG München, OLG-Report 2001, 105; MünchKommZPO/Giebel, aao, 91 Rn. 110; Jaspersen in Vorwerk/Wolf, aao, 104 Rn. 25 (Stand: April 2012)). Er könnte die Kosten der Rechtsverfolgung dann nicht in voller Höhe erstattet verlangen, sondern nur anteilig unter Berücksichtigung der Kosten der Parallelverfahren, d. h. ihm stände ein Anspruch auf Ersatz von einem Fünftel der bei Führung eines Verfahrens entstandenen (fiktiven) Kosten zu (vgl. KG, KG-Report 2002, 172, 174). Anmerkung der Redaktion: Der BGH hat in dieser Entscheidung offen gelassen, ob die Kostenfestsetzung in den parallelen Verfahren rechtsmissbräuchlich gewesen ist. Diese Leitsatzentscheidung enthält daher nur die Beurteilungsgrundsätze. In zwei weiteren Verfahren entschieden am gleichen Tag hat er dann auch in der Sache durchentschieden und in diesen beiden konkreten Fällen den Rechtsmissbrauch bejaht (siehe dazu BGH, Beschl. v VI ZB 60/11, AnwBl 2012, 1008, in diesem Heft). Der Volltext ist im Internet abrufbar unter (AnwBl Online 2012, 320). Gemeinsame Abmahnung und getrennte Verfahren: Rechtsmissbrauch ZPO 91 Abs. 2 Satz 1, 103; BGB 242 Die Aktenbearbeitung und Abwicklung eines einstweiligen Verfügungsverfahrens in einer presserechtlichen Unterlassungssache, in dem zwei Antragsteller gleichgerichtete Ansprüche aus einem identischen Lebenssachverhalt gegen eine Antragsgegnerin verfolgen, begründet keine erhöhten Anforderungen, die eine getrennte Rechtsverfolgung als sachgemäß erscheinen lassen könnten. (Leitsatz der Redaktion) BGH, Beschl. v VI ZB 60/11 Aus den Gründen: [11] c) Nach diesen Grundsätzen ist das Festsetzungsverlangen der Antragstellerin, soweit es auf die Erstattung der durch die getrennte Rechtsverfolgung entstandenen Mehrkosten gerichtet ist, als rechtsmissbräuchlich anzusehen. Die Antragstellerin und ihre Schwester haben die Antragsgegnerin mit gleichlautenden Antragsbegründungen vom selben Tag beim Landgericht Berlin auf Unterlassung derselben Behauptung in Anspruch genommen, wobei sie von denselben Prozessbevollmächtigten vertreten wurden. Das Landgericht hat der Antragsgegnerin die weitere Verbreitung der angegriffenen Behauptung in jeweils gleichlautenden Unterlassungsverfügungen vom selben Tag untersagt. Zuvor hatten die Prozessbevollmächtigten ein einheitliches Abmahnschreiben im Namen beider Schwestern an die Antragsgegnerin der Verfahren gerichtet. Sachliche Gründe für eine getrennte Geltendmachung der jeweiligen Unterlassungsansprüche sind weder ersichtlich noch dargetan. Insbesondere begründet die Aktenbearbeitung und Abwicklung eines Verfahrens, in dem zwei Antragsteller gleichgerichtete Ansprüche aus einem identischen Lebenssachverhalt gegen eine Antragsgegnerin verfolgen, keine erhöhten Anforderungen, die eine getrennte Rechtsverfolgung als sachgemäß 1008 AnwBl 12 / 2012 Anwaltshaftung

87 MN Rechtsprechung erscheinen lassen könnten (vgl. BGH, Urteil vom 17. November 2005 I ZR 300/02, NJW-RR 2006, 474, 476). [12] Eine andere Beurteilung ist entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch nicht deshalb geboten, weil die Antragsgegnerin in der Beschwerdeinstanz nicht die Verbindung der Verfahren gemäß 147 ZPO angeregt hatte. Eine Verbindung mehrerer Prozesse kommt ausweislich des klaren Wortlauts des 147 ZPO nur zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung in Betracht. Eine Verbindung entscheidungsreifer Sachen ist dagegen unzulässig (vgl. BGH, Urteil vom 30. Oktober 1956 I ZR 82/55, NJW 1957, 183; Münch-KommZPO/Wagner, 3. Aufl., 147 Rn. 1; Leipold in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., 147 Rn. 4; Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl., 147 Rn. 5; Musielak/Stadler, aao, 147 Rn. 1; Dörr in Prütting/Gehrlein/Dörr, ZPO, 4. Aufl., 147 Rn. 1). Abgesehen davon hätte eine nachträgliche Verbindung die bereits entstandenen Verfahrensgebühren unberührt gelassen (vgl. BGH, Urteil vom 17. November 2005 I ZR 300/02, NJW-RR 2006, 474, 476). [13] Die Antragstellerin muss sich deshalb kostenrechtlich so behandeln lassen, als hätten sie und ihre Schwester ein einziges Verfahren als Streitgenossen geführt (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Mai 2007 XII ZB 156/06, juris Rn. 6 f. (insoweit nicht in NJW 2007, 565 abgedruckt); KG, KG-Report 2000, 414, 416; 2002, 172, 174; OLG München, OLG Report 2001, 105; MünchKomm-ZPO/Giebel, aao, 91 Rn. 110; Jaspersen in Vorwerk/Wolf, aao, 104 Rn. 25 (Stand: April 2012)). Sie kann die Kosten der Rechtsverfolgung nicht in voller Höhe erstattet verlangen, sondern nur anteilig unter Berücksichtigung der Kosten des Parallelverfahrens, d. h. ihr steht ein Anspruch auf Ersatz der Hälfte der bei Führung eines Verfahrens entstandenen (fiktiven) Kosten zu (vgl. KG, KG-Report 2002, 172, 174). [14] Hätten die Antragstellerin und ihre Schwester nur ein einziges Verfahren als Streitgenossen geführt, wären Gesamtkosten in Höhe von 2.453,10 Euro entstanden. Die Gebühren der Prozessbevollmächtigten der Antragstellerinnen wären gemäß 22 Abs. 1 RVG nach einem Gesamtgegenstandswert von Euro zu berechnen gewesen, der sich aus einer Addition der auf die einzelnen Unterlassungsanträge entfallenden Gegenstandswerte in Höhe von jeweils Euro ergibt. Entstanden wären mithin Kosten in Höhe einer 1,3-fachen Verfahrensgebühr gemäß 2, 13 RVG i. V. m. RVG-VV Nr von 1.459,90 Euro, einer 0,5-fachen Verfahrensgebühr gemäß 2, 13 RVG i. V. m. RVG-VV Nr von 561,50 Euro sowie Post- und Telekommunikationspauschalen für jede Instanz gemäß RVG-VV Nr in Höhe von jeweils 20 Euro, also insgesamt 2.061,40 Euro netto = 2.453,07 Euro brutto. Ein Mehrvertretungszuschlag gemäß RVG-VV Nr wäre dagegen nicht angefallen, da der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit hinsichtlich der einzelnen Antragsteller nicht derselbe war (Nr Abs. 1 RVG- VV; vgl. auch BVerfG NJW 1997, 3431; KG, KG-Report 2002, 172, 174; Hartmann, Kostengesetze, 42. Aufl., VV 1008 Rn. 3). Auf jede der beiden Antragstellerinnen wäre damit ein Kostenanteil von 1.226,54 Euro entfallen. Kosten des Zweitanwalts in der Kostenerstattung I ZPO 91 Abs. 2 Satz 2 Zur Erstattungsfähigkeit von Mehrkosten gemäß 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO, die durch einen Anwaltswechsel entstanden sind. BGH, Beschl. v XII ZB 183/11 Sachverhalt: Die Parteien streiten im Kostenfestsetzungsverfahren um die Berechtigung von Mehrkosten, die durch einen Anwaltswechsel der Beklagten entstanden sind. In dem zugrunde liegenden, im Juni 2004 begonnenen Rechtsstreit hatte die Rechtsanwältin, die den Beklagten im Rahmen der bewilligten Prozesskostenhilfe beigeordnet worden war, ihre Zulassung im Juni 2006 zurückgegeben, weil sie in finanzielle Schwierigkeiten geraten war. Das Landgericht hatte den Beklagten daraufhin Rechtsanwalt T. beigeordnet. Aus den Gründen: [17] bb) Wirtschaftliche Schwierigkeiten eines Rechtsanwalts stellen regelmäßig keinen achtenswerten Grund im Sinne von 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO für die Aufgabe der Zulassung dar. Der Rechtsanwalt hat vielmehr seine für die Aufrechterhaltung des Kanzleibetriebs erforderliche Leistungsfähigkeit sicherzustellen. Ob in Fällen, in denen die wirtschaftlichen Schwierigkeiten auch auf unvorhersehbaren persönlichen Gründen beruhen, eine abweichende Beurteilung geboten ist, muss hier nicht entschieden werden, weil das Oberlandesgericht solche entscheidungserheblichen Gründe nicht festgestellt hat und solche auch nicht ersichtlich sind. Anmerkung der Redaktion: Ein Wechsel der Kanzlei im Mandat verursacht Mehrkosten. Wenn ein Einzelanwalt seine Zulassung freiwillig zurückgibt, ist der Anwaltswechsel für den Mandanten sogar zwingend. Doch das bedeutet nicht, dass diese Mehrkosten für die Partei in der Kostenfestsetzung automatisch erstattungsfähig sind. Künftig entscheidet der Rechtspfleger, ob die freiwillige Rückgabe der Zulassung durch den Rechtsanwalt aus achtenswerten Gründen erfolgte und damit die Mehrkosten erstattungsfähig sind. Das ist das beachtenswerte Ergebnis des XII. Zivilsenats des BGH. Nach Auffassung des Senats stellen dabei wirtschaftliche Schwierigkeiten eines Rechtsanwalts regelmäßig keine achtenswerten Gründe dar, selbst wenn die Zulassungsrückgabe so rechtzeitig erfolgt, dass damit ein Widerruf wegen Vermögensverfall vermieden werden kann und die Not auch durch persönliche unvorhergesehene Umstände ausgelöst worden ist. Der Rechtsanwalt hat vielmehr seine für die Aufrechterhaltung des Kanzleibetriebs erforderliche Leistungsfähigkeit sicherzustellen. Schafft er es nicht, hat er den Anwaltswechsel verschuldet. In dem vorliegenden Fall war offensichtlich bei einer Anwältin einiges zusammen gekommen. Aufgrund des schlechten Gesundheitszustandes ihres Vaters war sie umgezogen und die Kanzlei war wohl ein wirtschaftlicher Misserfolg. Die Lehre: Wer als Anwalt oder Anwältin in wirtschaftliche Not gerät und an Berufsaufgabe denkt, sollte den Ausstieg Anzeige Anmerkung der Redaktion: Das parallele Verfahren zu dieser Sache hat der BGH am gleichen Tag zum Akenzeichen VI ZB 61/11 genauso entschieden. Der Volltext ist im Internet abrufbar unter (AnwBl Online 2012, 322). Anwaltshaftung AnwBl 12 /

88 MN Rechtsprechung rechtzeitig und ordentlich vorbereiten. Auf das die Zulassungsrückgabe achtenswert im Sinne des BGH erfolgt. Dazu siehe die Entscheidung des IV. Zivilsenats des BGH in diesem Heft AnwBl 2012, 1010 mit der Anmerkung der Redaktion und einem praktischen Tipp. Assessorin Sabrina Reckin, Berlin Der Volltext ist im Internet abrufbar unter (AnwBl Online 2012, 325). Kosten des Zweitanwalts in der Kostenerstattung II ZPO 91 Abs. 2 Satz 2 a) Die Mehrkosten für einen zweiten Rechtsanwalt sind erstattungsfähig, wenn der erste Prozessbevollmächtigte seine Zulassung zur Anwaltschaft aus achtenswerten Gründen zurückgegeben hat und dies bei Übernahme des Mandats noch nicht absehbar war. b) Dies ist im Kostenfestsetzungsverfahren zu prüfen. BGH, Beschl. v IV ZB 3/12 Aus den Gründen: [16] bb) Es kommt daher für die Erstattungsfähigkeit auch im Falle einer Rückgabe der Anwaltszulassung darauf an, ob dieser Umstand ein Verschulden begründet. [17] War die spätere Rückgabe der Zulassung bei der Erteilung des Mandats an den Anwalt noch nicht absehbar, so scheidet ein Verschulden der Partei selbst von vornherein aus. Das gilt ebenso, wenn die Rückgabe zwar für den Anwalt absehbar war, er aber die Partei hierüber nicht informierte. [18] Dagegen kommt ein Verschulden des Anwalts in Betracht, wenn er in einem solchen Fall die gebotene Information der Partei unterließ oder wenn er die Zulassung später aus nicht achtenswerten Gründen aufgegeben hat und deshalb das übernommene Mandat nicht zu Ende führen konnte. Liegen dagegen achtenswerte Gründe für die Rückgabe der Zulassung vor, so kann dieser Umstand dem Anwalt nicht als vorwerfbares Verschulden angelastet werden. [19] So liegt der Fall hier. Die Übernahme der Pflege der eigenen Mutter wegen Ausfalls der bisherigen Pflegeperson (hier Tod des Vaters) stellt auch wenn sie aus freien Stücken geschieht einen anerkennenswerten Grund für die Aufgabe der Anwaltstätigkeit dar, und zwar auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass übernommene Mandate nicht zu Ende geführt werden können. Hierdurch entstehende Mehrkosten eines Prozesses sind von den Betroffenen hinzunehmen. [20] cc) Der Erstattungsfähigkeit der Mehrkosten für einen zweiten Anwalt steht schließlich nicht entgegen, dass die freiwillige Aufgabe der Zulassung des Rechtsanwalts stets in den Risikobereich der von ihm vertretenen Partei fiele. Vielmehr ist dieses Risiko für den Fall eines nicht verschuldeten Anwaltswechsels durch die ausdrückliche Regelung in 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO der im Prozess unterlegenen Partei zugewiesen. Anmerkung der Redaktion: Wie in der Entscheidung des XII. Zivilsenats des BGH (in diesem Heft AnwBl 2012, 1009) geht es wieder um die Frage, wann die Kosten eines zwingenden Anwaltswechsels wegen Zulassungsrückgabe in der Kostenfestsetzung erstattungsfähig sind. Auch der IV. Zivilsenat will, dass der Rechtspfleger darüber entscheidet, ob die Zulassung aus achtenswerten Gründen erfolgt ist. Während der XII. Zivilsenat einen harten Maßstab angelegt hat (und die unvorhersehbaren persönlichen Gründen bei der Anwältin wenig Beachtung gefunden haben), ist der IV. Zivilsenat des BGH bei der Aufgaben aus freien Stücken großzügiger. Die Rückgabe der Zulassung zwecks Übernahme der Pflege der Mutter wegen Ausfalls der bisherigen Pflegeperson durch Tod des Vaters ist für ihn achtenswert. Ein Verschulden des Rechtsanwalts an der Rückgabe der Zulassung soll in diesem Fall nicht vorliegen. Es bleibt damit als praktischer Tipp: Vor der Zulassungsrückgabe ist die Anwältin oder der Anwalt gut beraten, genau abzuwägen, welche der oftmals mehreren Gründe am Ende für die Rückgabe der Zulassung durchschlagend sind. Je persönlicher und ethisch hochstehender diese sind, umso höher die Chance, dass sie auch vom Rechtspfleger im ersten Durchgang als achtenswert anerkannt werden. Assessorin Sabrina Reckin, Berlin Der Volltext ist im Internet abrufbar unter (AnwBl Online 2012, 327). Fotonachweis Seiten 935, 941, 946, 955, 960, 963, 965, 968, 975, 979, 981, 983, 992 (Gebhardt), 998 (ohne Kärgel), 1002, M 399, M 402, M 404, M 426: privat; Seiten 956, 978, 987, 989, 992 (Diederichsen), 993, 997, 998 (Kärgel): Andreas Burkhardt/Berlin; Seite 976: Prof. Dr. Benno Heussen; Seite 990: Amnesty International/privat; Seite 995: André Hirtz; Seiten 994, 996 (oben): Kathrin Eisenmann; Seite 996: DAV-Griechenland; Seite 999: Landgericht Frankfurt am Main Impressum Herausgeber: Deutscher Anwaltverein e.v., Littenstr. 11, Berlin (Mitte), Tel. 0 30/ , Fax: 030 / , anwaltsblatt@anwaltverein.de. Redaktion: Dr. Nicolas Lührig (Leitung, v. i. S. d. P.), Udo Henke und Manfred Aranowski, Rechtsanwälte, Anschrift des Herausgebers. Redaktionssekretariat: Steffi Köhn, Sandra Petzschner, Kristina Wolf Verlag: Deutscher Anwaltverlag und Institut der Anwaltschaft GmbH, Wachsbleiche 7, Bonn, Tel / , Fax: 02 28/ ; kontakt@anwaltverlag.de, Konto: Sparkasse Bonn Kto.-Nr , BLZ Anzeigen: adsales&services,ingrida.oestreich(v.i.s.d.p.),pikartenkamp 14, Hamburg, Tel. 0 40/ , Fax: 040 / , anzeigen@anwaltsblatt-media.de. Technische Herstellung: L.N. Schaffrath GmbH & Co. KG, Marktweg 42 50, Geldern, Tel.: 02831/ , Fax: 02381/ , harhoff@schaffrath.de. Erscheinungsweise: Monatlich zum Monatsanfang, bei einem Doppelheft für August/September. Bezugspreis: Jährlich 140, E (inkl. MwSt.) zzgl. Versandkosten, Einzelpreis 14,50 E (inkl. MwSt.). Für Mitglieder des Deutschen Anwaltvereins ist der Bezugspreis im Mitgliedsbeitrag enthalten. Bestellungen: Über jede Buchhandlung und beim Verlag; Abbestellungen müssen einen Monat vor Ablauf des Kalenderjahres beim Verlag vorliegen. Zuschriften: Für die Redaktion bestimmte Zuschriften sind nur an die Adresse des Herausgebers zu richten. Honorare werden nur bei ausdrücklicher Vereinbarung gezahlt. Copyright: Alle Urheber-, Nutzungs- und Verlagsrechte sind vorbehalten. Das gilt auch für Bearbeitungen von gerichtlichen Entscheidungen und Leitsätzen. Der Rechtsschutz gilt auch gegenüber Datenbanken oder ähnlichen Einrichtungen. Sie bedürfen zur Auswertung ausdrücklich der Einwilligung des Herausgebers. ISSN w 1010 AnwBl 12 / 2012 Anwaltshaftung

89 MN Bücher & Internet Kanzleimanagement Anwaltsrecht Kanzleimarketing Management von Anwaltskanzleien Leo Staub/Christine Hehli Hidber Schulthess Verlag, Zürich 2012, 1031 S., geb ,00 Euro Berufsrecht der Anwaltschaft Wieland Horn/Martin W. Huff 13. Aufl., Deutscher Anwaltverlag, Bonn 2012, 502 S., kart ,90 Euro Kanzleimarketing David Hoeflmayr 4. überarb Aufl., Erich Schmidt Verlag, Berlin 2012, 238 S., kart ,00 Euro Kanzleimanagement ist für Autoren ein undankbares Thema. Erfahrene Kanzleimanager (und -managerinnen) werfen den Autoren häufig vor, dass ihre Beiträge nur an der Oberfläche kratzten oder schlicht banal seien. Wer sich mit bestimmten Facetten des Kanzleimanagements jedoch noch nicht ausführlich beschäftigt hat, findet wenn die Neugierde reicht in solchen Beiträgen viel Neues. In diesem Sammelwerk sind Beiträge von an die 80 Autoren versammelt. Es geht um Themen wie Festlegung der Kanzleistrategie, Anwaltsmarketing, Entwicklung von Geschäftsmodellen, Leadership in der Anwaltskanzlei, dem Risikomanagement, den Softskills, aber auch ums Geld (Accounting, Billing und Finance), sowie die Zukunft des Anwaltsmarkts. Die Mischung der Autoren (darunter viele nationale Managing-Partner deutscher Top-Kanzleien) sichert ein breites Spektrum. Ansatz, Tiefe und Qualität der Beiträge variiert zwar erheblich, gleichwohl gibt es aber gerade wegen der Heterogenität einiges zu entdecken. Die Vielfalt des Marktes spiegelt sich in der Vielfalt der Management-Ideen. Auf jeden Fall ist beachtlich: Die Autoren teilen manchmal mehr Know-how als erwartet und wer ein wenig Hintergrundwissen zu einzelnen Autoren hat, kann sich an höchstinteressanten Facetten freuen. An dem Werk werden Anwälte nicht vorbeikommen, die sich mit dem Kanzleimanagement aus Sicht des deutschsprachigen Marktes beschäftigen möchten. Gerade Kanzleimanager in mittelständischen Kanzleien erhalten einen kleinen Einblick, wie die Top- Kanzleien denken und was sie bewegt. Rechtsanwalt Dr. Nicolas Lührig, Berlin Neben den einschlägigen Gesetzen, Verordnungen und Satzungen des Berufsrechts ist neu hinzugekommen in der aktuellen Auflage die Vorschrift des 6 SGB VI, der die Befreiung in der gesetzlichen Rentenversicherung regelt (zusammen mit dem Merkblatt der Deutschen Bundesversicherung Bund, Stand Mai 2011). Das neue Mediationsgesetz (vom Bundestag im Sommer verabschiedet) wurde im Anhang abgedruckt. Mit Markierungen am Seitenrand wird der Zugriff auf die einzelnen Gesetze erleichtert. Die Texte entsprechen der Rechtslage vom und (BORA, FAO, Schlichtungsstelle). Kanzleimarketing Anwalts-Marketing Werner Pepels/Brundhilde Steckler (Hrsg.) 2. überarb. Aufl., Verlag C.H. Beck, München 2012, XXIV, 379 S., kart ,00 Euro Was macht das Kanzleimarketing aus? Wie entwickle ich ein individuelles Marketing-Profil? In 15 Kapiteln gibt die Neuauflage dieses Sammelwerks Antworten. Weitere Themen sind unter anderem das Marketing durch Fachanwaltschaften (Spezialisierung), die durch des RVG entstandenen Möglichkeiten bei der Honorargestaltung (Stichwort Vergütungsvereinbarung und Erfolgshonorar), anwaltliche Berufsethik, Kanzleiorganisation und Qualitätsmanagement, Direktmarketing, Werbung und Öffentlichkeitsarbeit, Kooperationen und anwaltliches Personalmarketing. Ein Dauerthema ist die Frage nach einem passenden Konzept für das Kanzleimarketing sowie der Mandantengewinnung und -betreuung. Neu aufgenommen wurde das Thema Social Media Marketing, die Kapitel zum Berufsrecht und zum Internet sind weiter vertieft worden. Zahlreiche Checklisten, Praxisbeispiele und Prozessbeschreibungen helfen dem Leser auf dem Weg zu seinem Kanzleimarketing. Kommunikation Zwei für alle Fälle Hartwin Möhrle/Knut Schulte (Hrsg.) 1. Aufl., Frankfurter Allgemeine Buch-Verlag, Frankfurt am Main 2011, 192 S., geb ,90 Euro Bei der Übernahme von Unternehmen, in Restrukturierungsprozessen, bei Compliance-Sachverhalten oder Genehmigungsverfahren, bei Gerichtsprozessen es geht mal mehr, mal weniger darum, legales und legitimes Handeln in Einklang zu bringen. Dabei soll dieses schmale Bändchen ein Wegweiser sein für die Zusammenarbeit von Juristen und Kommunikatoren. Qualität und Erfolg hängen davon ab, ob interne und externe Anwälte sowie Kommunikationsverantwortliche eng zusammenarbeiten und in die Entscheidungsund Gestaltungsprozessen gemeinsam mit eingebunden werden. Die Kurzbeiträge in diesem Buch vermitteln unterschiedliche Perspektiven auf das Thema Recht und Kommunikation aus Sicht der verschiedenen Beteiligten. M 422 AnwBl 12 / 2012

90 MN Bücher & Internet Anwaltsmeinung Anwaltsmeinung Zukunft Recht kurios Jobst-Hubertus Bauer Verlag C. H. Beck, München 2012, 292 S., brosch ,80 Euro Mandanten-Schwarzbuch Heinrich Stader Libelle-Verlag, Langwil 2009, 76 S., geb ,90 Euro CyberAge Norbert Hering/Hartwig von Schubert Wolters Kluwer Verlag, Köln 2012, 256 S., geb ,00 Euro Was verbirgt sich unter Justitias Augenbinde? Jobst-Hubertus Bauer, renommierter Arbeitsrechtsanwalt und Partner einer großen Kanzlei, lässt den Leser teilhaben an Anekdoten, selbst Erlebtem und Gesammelten, das ihm über Jahre hinweg unterkam. So kommt der Gesetzgeber mit absurden bis hin zu makabren Regelungen einfachster Sachverhalte ebenso zu Wort, wie der allzu forsch auftretende Anwalt. Daneben blühen hier unfreiwillig komische oder bewusst humorvolle Stilblüten aus deutschen Amtsstuben und Gerichten auf. Auch dichtende Prozessvertreter und Richter sind mit ihren poetischen Leistungen vertreten. Sogar Anwaltswitze haben den Weg in die Varia gefunden. Wer einmal Jobst- Hubertus Bauer als Anwalt oder Referent live erlebt hat, wird ihn in dem Band gut wiedererkennen. Anwaltskarriere Traumjob: Rechtsanwalt Carmen Schön 1. Aufl., Stark Verlag, Hallbergmoos 2012, 233 S., brosch ,95 Euro Wie werden junge Anwältinnen und junge Anwälte in einer der großen Wirtschaftskanzleien Partner? Und wie drinbleiben und aufsteigen? Carmen Schön, Managementtrainerin für Großkanzleien und Unternehmen, zeigt in ihrem Ratgeber den Weg zum Traumjob. Aus erster Hand erklärt die Autorin, welche Erwartungen der potentielle Arbeitgeber an den Bewerber stellt. Heinrich Stader beschreibt mit grimmigem Humor, was Anwälte in ihrer Rechtspraxis so manchem Mandanten gern einmal gesagt hätten. Gespickt mit Zitaten und Literaturverweisen spricht er über Aberglauben und Impertinenz der juristischen Laien im Zeitalter von Barbara Salesch und Kollegen. Anwaltspraxis Kanzlei-Knigge Horst Hanisch 2. Aufl., Springer Gabler Verlag, Wiesbaden 2013, XVIII, 202 S., brosch ,95 Euro Wie man sich taktvoll, sicher und gewandt im Umgang mit Partnern und Mandanten gibt, erläutert Horst Hanisch. So klärt er grundsätzliche Fragen der Etikette und Netikette. Reiseführer Themse, Tod und Tower Barbara Sternthal C.H.BeckVerlag, München 2012, 139 S., geb ,00 Euro Der juristische Reiseführer Themse, Tod und Tower von Barbara Sternthal führt kreuz und quer durch London. Für Juristen mit einer Vorliebe für Geschichte und Geschichten. Hering (Kybernetiker und Ingenieur) und von Schubert (Evangelischer Militärdekan) entwickeln die Cyber-Welt bis zu bisher unbekannten Formen des Cyber-War und reflektieren die politisch-ethische Seite. Für Neugierige. Anwaltskrimi Drahtzieher Klaus Erfmeyer Seinen siebenten Kriminalfall löst der Dortmunder Rechtsanwalt Stephan Knobel. Schauplatz ist das unmittelbare Umfeld der Thyssen Krupp AG. Es geht um die Finanzkrise und deren Auswirkungen. Spannend. Anwaltsroman Von Prinzen und Erbsen Birte Meyer Gmeiner-Verlag, Meßkirch 2012, 324 S., Paperback ,90 Euro Edition Löwenherz, München 2012, 352 S., Paperback ,95 Euro Von Prinzen und Erbsen handelt der Fortsetzungsroman von Rechtsanwältin Birte Meyer um die quirlige Münchener Anwältin Katharina Beck. Wer bei Himmel auf Rührei schmunzelte, wird auch diesmal nicht enttäuscht. M 424 AnwBl 12 / 2012

91 MN Bücher & Internet Mediation finden sich unter anderem eine weiterführende Literaturliste, ein Glossar und eine Mediatorenliste. 7 Das Mediationsgesetz ist Ende Juli in Kraft getreten. Damit ist nicht nur endlich die europäische Mediationsrichtlinie in Deutschland umgesetzt worden, vielmehr hat der Gesetzgeber die Mediation umfassend geregelt und aus dem Gerichtsmediator ist der Güterichter geworden. Die Autorin gibt einen ersten wenn auch unvollständigen Überblick über das Angebot zur Mediation im Netz. Die Szene lebt. I. Gesetze Mediationsgesetz Der vollständige Gesetzestext findet sich im gewohnten Portal Gesetze im Internet. Für alle, die weitere Informationen (zum Beispiel zum Gesetzgebungsverfahren) suchen, sei noch einmal auf das kostenfreie Gesetzgebungsportal des Beck-Verlages hingewiesen. Das Gesetzgebungsverfahren findet sich unter dem Bereich Entwicklungsgeschichte. Unter der Rubrik weitere Materialien wird auch auf Stellungnahmen der Verbände (darunter auch der DAV) verwiesen. II. Organisationen 2 Deutsches Forum für Mediation Die Dachorganisation stellt auf ihren Seiten die zahlreichen Mitgliedsverbände einzeln vor. Somit bietet das Forum einen guten Einstieg zu Organisationen, die sich der Mediation in unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern und mit verschiedenen Ausbildungsschwerpunkten widmen. der Fernuniversität Hagen und in Kooperation mit dem Dachverband Deutsches Forum für Mediation war die DGM Ausrichter des Mediatorentages in Bonn ( 4 Centrale für Mediation CfM Adressaten dieser Seite sind neben Mediatoren ausdrücklich auch fachfremde Interessenten. Mediation und andere Methoden konsensualer Streitbeilegung sollen durch das Angebot gefördert werden, was durch das Fortbildungsangebot unterstrichen wird. Für Mitglieder ist hier das Volltextarchiv der Zeitschrift für Konfliktmanagement (ZKM) freigeschaltet. Andere Interessenten können die Inhaltsverzeichnisse einsehen. 5 Mediation DACH Mediation DACH ist ein Beispiel für eine international ausgerichtete Organisation, die ihre Mitglieder international vernetzt. Sie ist Ausrichter des Mediationspraxistags, wo Mediatoren aller Fachrichtungen Fallbeispiele vortragen. Eucon Institut Das Europäische Institut für Conflict Management (EUCON) hat einen klaren Fokus im Bereich der Wirtschaftsmediation. Neben Informationen über die Organisation ist im Bereich Akademie das Fortbildungsangebot einsehbar. Ein Mediatorenpool, aufgeschlüsselt nach Standort und Fachgebiet, vervollständigt das Angebot. III. Weiterbildung 8 Deutscher Anwaltverein Die Arbeitsgemeinschaft Mediation des Deutschen Anwaltvereins bietet eine Seite mit Hinweisen zu Veranstaltungen wie beispielsweise ihrer Jahrestagung. Auf den Seiten der Deutschen Anwaltakademie wird der Fachlehrgang Mediation vorgestellt ( Ein weiteres Angebot besteht über das Deutsche Anwaltsinstitut der Rechtsanwaltskammern ( institut.de). 9 elles.shtml; dung/mediation/profil/ Hochschulen Nicht rein juristisch ausgerichtet sind die Fortbildungsangebote der Fernuniversität Hagen sowie der Hochschule Wismar. Die in der Regel berufsbegleitende Mediatorenausbildung wird auch an hochschulfremden Standorten angeboten, wie München, Frankfurt am Main, Köln und Düsseldorf. 3 Deutsche Gesellschaft für Mediation Hier werden ausführliche Informationen über den Verband geboten. Ein Mediatorenverzeichnis, ein vierteljährlich erscheinender Newsletter und ein ausführliches Linkverzeichnis runden das inhaltliche Angebot ab. Zusammen mit 6 Integrierte Mediation Wichtiges Gründungsthema der integrierten Mediation war das Mediieren im Gerichtsverfahren. Die Seiten bieten ausführliche Informationen zu Mediationsverfahren, zur Geschichte und Entwicklung der Mediation sowie zur Ausbildung. Im Servicebereich des Vereines Für das Anwaltsblatt im Internet: Rechtsanwältin Janine Ditscheid, Dipl.-Bibliothekarin, Köln Sie erreichen die Autorin unter der -Adresse autor@anwaltsblatt.de. M 426 AnwBl 12 / 2012 Mantel

92 MN Schlussplädoyer Stellt sich den Fragen des Anwaltsblatts: Rechtsanwalt Martin Schafhausen aus Frankfurt am Main ist Mitglied im Vorstand des Deutschen Anwaltvereins. Außerdem gehört er dem Genderausschuss und den Geschäftsführenden Ausschüsse der Arbeitsgemeinschaften Ausländer- und Asylrecht sowie Sozialrecht an. Er ist seit 1995 Rechtsanwalt und arbeitet in einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit acht Sozien. Seine Schwerpunkte liegen auf dem Gebiet des Arbeits- und Sozialrechts. Er ist Mitglied im Deutschen Anwaltverein, weil es bei Plagemann Rechtsanwälte einfach dazu gehört. Warum sind Sie Anwalt geworden? Hätte die Justiz im Referendariat um mich geworben, wäre ich drei Jahre später Anwalt geworden. Schon einmal überlegt, die Zulassung zurück zu geben? Nein, gibt es Alternativen? Ihr größter Erfolg als Anwalt? Erfolge liegen im Kleinen: Meinen Mandanten den Zugang zum Recht erfolgreich verschafft zu haben. Ihr Stundensatz? Sozialrecht eben. Angemessen, oft auch Kompensation für die viel zu niedrigen gesetzlichen Gebühren. Ihr Traummandat? Nicht selten, Mandanten, die dem anwaltlichen Rat folgen. Was sollen Ihnen Ihre Kollegen einmal nicht nachsagen? Ihn konnte man nicht fragen. Welches Lob wünschen Sie sich von einem Mandanten? Mir reicht ein: Ich komme wieder. Mitglieder Service DAV-Haus Littenstr. 11, Berlin Deutscher Anwaltverein Tel.:030/ ,Fax: Redaktion Anwaltsblatt Tel.:030/ ,Fax: Deutsche Anwaltakademie Tel.:030/ ,Fax: Deutsche Anwaltadresse Tel.: 0 30/ , , Fax: adresse@anwaltverein.de DAV-Fortbildungsbescheinigung Tel.:030/ ,Fax:-163 fortbildung@anwaltverein.de Arbeitsgemeinschaften im DAV Infos unter Tel.: 0 30/ , Fax: DAV Büro Brüssel Tel.: + 32 (2) , Fax: - 13 bruessel@eu.anwaltverein.de, Deutscher Anwaltverlag Wachsbleiche 7, Bonn Tel.:0228/ ,Fax:-23 kontakt@anwaltverlag.de, DAV-Fortbildungsbescheinigung Um die Qualität anwaltlicher Dienstleistung sichtbar zu machen und das Fortbildungsengagement der Anwaltschaft weiter zu fördern, stellt der DAV eine Fortbildungsbescheinigung aus. Neben der Urkunde, die aufzeigt, in welchem Bereich sich die Rechtsanwältin/ der Rechtsanwalt fortgebildet hat, wird die Fortbildungsbescheinigung unter M 430 AnwBl 12 / 2012 Mantel

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