Boomregion Nummer drei
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- Anke Hase
- vor 8 Jahren
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1 STANDORT Boomregion Nummer drei Für Tianjin auch»kleine«investoren interessant»schade, dass Sie jetzt schon kommen.«diese für mich etwas ungewöhnliche Begrüßung durch den stellvertretenden Direktor der Verwaltungskommission der Tianjiner Vorzeigewirtschaftszone TEDA, Zhang Jun, hat aber ihren Grund. Anfang Januar liefen noch die Vorbereitungen für die diesjährige Tagung des Nationalen Volkskongresses, auf dem das neue Fünfjahresprogramm der wirtschaftlichen Entwicklung verabschiedet wird, auf Hochtouren. So viel war aber schon klar: Das Programm sieht vor, das Binhai-Gebiet mit Tianjin zur dritten Boomregion Chinas zu entwickeln. Schnell macht dann auch das Wort vom»zweiten Pudong«die Runde. Die Ziele sind ehrgeizig. Jutta Ludwig, Geschäftsführerin der Deutschen Handelskammer in Peking bezweifelt aber, dass es Tianjin gelingen kann, Shanghai nachzuahmen. Die Bedingungen seien ganz andere, die Strukturen auch. Auch wenn es den Anschein hat, aber die Tianjiner Behörden selbst sprechen gar nicht davon, an der Bohai-Bucht dem Shanghai-Modell zu folgen.»das wäre völlig falsch«, meint zum Beispiel der für die Gewinnung ausländischer Investitionen verantwortliche Vizechef der Tianjiner Kommission für Handel, Chen Liming. Es geht um etwas ganz anderes. Nachdem in den 80er Jahren das Perlfluss-Delta mit Kanton und Shenzhen als Motoren zum Vorreiter der Reformen wurde und in den 90er Jahren von Shanghai aus der Wirtschaftsboom den Jangtse hinauf getragen wurde, sei nun das Jahrzehnt Tianjins und der Bohai-Bucht angebrochen. So formuliert es Chen, der den Vergleich nur hinsichtlich der»drachenkraft«gelten lassen will, die, wie in der Vergangenheit von Shanghai aus, im kommenden Jahrzehnt auch von Tianjin aus entfaltet werden soll und kann. Standort mit Potenzial Die Binhai-Region soll den Kern dieses neuen Wachstumsmotors bilden: Östlich der Stadt Tianjin gelegen, umfasst das Gebiet mit dem Tianjiner Hafen, der Tianjiner Wirtschaftsentwicklungszone TEDA, der Freihandelszone im Hafen, den Bezirken Tanggu, Hangu und Dagang sowie dem Industriegebiet am Unterlauf des Haihe insgesamt Quadratkilometer und erstreckt sich entlang der Küste über 153 Kilometer. Das Potenzial ist Büroservice in Beijing Firmenadresse, Sekretariat, Auftragsbearbeitung, Übersetzungen: Wir bieten Ihnen maßgeschneiderten Büroservice in Beijing. Gern erwarten wir Ihre Anfrage: InterTraining Kaiserstr. 28, Brühl aber weit größer. Jutta Ludwig sieht es vor allem in dem Dreieck Peking, Tianjin und Tangshan. Die Ausstrahlung reicht aber viel weiter: Vom Hafen Qinhuang dao im Norden der Bohai-Bucht bis Yantai, das auf der nördlichen Seite der Shandong-Halbinsel liegt, vor allem aber in den gesamten Nordosten Chinas hinein, der nach wie vor von der Schwerindustrie geprägt ist und dringender Modernisierung bedarf. Tianjin und das neue Binhai-Gebiet sollen die Motoren dieser Entwicklung werden. Dabei kann die Region auf wachsendes Interesse ausländischer Investoren bauen.»tianjin ist ein gefragter Standort«, konstatiert beispielsweise Gudrun Seitz, die die Repäsentanz des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau in Peking leitet. Da sei vor allem die gut ausgebaute Infrastruktur mit dem Hafen, der in den vergangenen Jahren im Wettbewerb mit anderen Häfen Chinas deutlich aufgeholt hat, einem leistungsfähigen Flughafen und einem Straßennetz, das bis zu den Olympischen Spielen 2008 an Leistungskraft zunehmen wird. Bis dahin wird eine zweite Autobahn Tianjin mit Peking verbinden. Vor allem wird dann aber auch eine Schnellbahnver- Fotos: CC/pt (oben) / TEDA (rechte Seite) / Karte: CC/Udo Zelmer 8 CHINACONTACT
2 STANDORT bindung die Fahrt zwischen beiden Metropolen von heute mehr als einer Stunde auf eine knappe halbe verkürzen. Personal ist kein Problem Auf der anderen Seite verfügt Tianjin über eine Wirtschaftsstruktur, die der deutschen ähnelt, und anders als Shanghai und vor allem das Perlfluss-Delta über eine industrielle Tradition. Das ist vor allem mit Blick auf die Arbeitskräfte wichtig, die für komplizierte technische Prozesse das notwendige Verständnis zugespitzt dargestellt schon in den Genen haben. Dass sie dafür in vielen Fragen etwas schwerfälliger sind als Südchinesen, darauf müsse sich der Investor einstellen und sie mit entsprechenden Anreizen aus der Reserve locken, meint Tang Yi, Geschäftsführer der Zollern (Tianjin) Machinery Co., Ltd., die seit nunmehr neun Jahren in der TEDA Antriebstechnik, Getriebe und Winden produziert. Dass auch in Personal investiert werden muss, steht außer Frage. Gerade im Bereich Berufsbildung hat sich Deutschland mit dem deutsch-chinesischen Berufsbildungszentrum in Tianjin einen guten Namen gemacht. Im Übrigen hat die»schwerfälligkeit«der Tianjiner auch etwas Gutes. Sie sind sehr bodenständig. Job-Hopping ist kein Thema, sagt zum Beispiel der Geschäftsführer der Tianjin GMS Machine Tool Service Co., Ltd., Sun Jinghe. Das 1992 auf Initiative deutscher Werkzeugmaschinenhersteller gegründete Unternehmen für Inbetriebnahme und Wartung deutscher Maschinen beschäftigt heute 20 Service-Techniker, die eigenverantwortlich arbeiten. Für Sun ist das ein Grund dafür, dass das Team zwar wächst, aber es noch keiner verlassen hat. Tianjin setzt auf zunehmendes ausländisches Engagement, um im kommenden Jahrzehnt zu einem Fertigungszentrum von internationaler Bedeutung aufzusteigen, ein leistungsfähiges Finanz- und Dienstleistungszentrum mit moderner Infrastruktur zu werden, das sich zudem durch eine saubere Umwelt auszeichnet. Platz auch für kleine Projekte Allein im dieses Jahr beginnenden Fünfjahresprogramm-Zeitraum sollen 56 Milliarden US-Dollar ausländische Kann bei Container- und Schüttgutumschlag im Wettbewerb mit den Häfen im Süden Chinas aufschließen der Tianjiner Hafen. Direktinvestitionen in die Stadt fließen, wobei das Volumen jährlich um 15 Prozent steigen soll. Die Chancen stehen gut, meinen nicht nur die Verantwortlichen der lokalen Behörden. Gerade für Unternehmen des Maschinenbaus, einer deutschen Domäne, biete Tianjin ideale Bedingungen, so Gudrun Seitz. Denn hier fänden die Hersteller ein gutes Netzwerk von Lieferanten und Abnehmern. Das war auch für die Zollern der entscheidende Punkt, sich für den Standort zu entscheiden:»in Peking sitzen zu viele Beamte und kaum Praktiker. Und in Shanghai geht bei Investitionen mit einem Volumen von weniger als einer Million US-Dollar nichts«, sagt Geschäftsführer Erich J. Koch. Tianjin unterscheide sich von anderen Regionen dadurch, dass bei kleineren Projekten nicht sofort abgewunken werde, so Gudrun Seitz. Auch Zollern hat in der TEDA klein begonnen mit einer Anfangsinvestition von US-Dollar. Das hat die Verwaltung der Zone nicht daran gehindert, den süddeutschen Investor»an die Hand zu nehmen«und sich um ihn wie um einen Großinvestor zu kümmern. Und zwar bei allen Problemen.»Ich wäre zufrieden, wenn das auch in Deutschland so laufen würde«, sagt Koch. Ähnliche Erfahrungen hat auch Markus Bruska, Technischer Direktor der Inovan (Tianjin) Contact Technology Co., Ltd., gemacht: Im Standortvergleich hat die TEDA die Ja, informieren Sie uns über die Asien-Specials des OWC-Verlages. Besonderes Interesse besteht an folgenden Ländern: Indien Taiwan Japan Vietnam Korea VR China... Firma Abteilung Herr/Frau Straße PLZ ASIEN-SPECIALS OWC Asien ist seit Jahren die Region mit der höchsten Wachstumsdynamik. Neben China- Contact (monatlich) und TaiwanContact (zweimal pro Jahr) wird der OWC-Verlag ab 2006 weitere Asien-Specials publizieren. Ort Telefon Verlag für Außenwirtschaft GmbH Hohenzollernstraße 11-13, D Düsseldorf Telefon (0211) , Fax (0211) Internet: CHINACONTACT 9
3 STANDORT Auch die»kleinen«sind in TEDA willkommen: Zollern, Inovan und Bornemann (von links nach rechts) haben gute Erfahrungen gemacht. besten Karten, meint er, sie biete besten Service und ein gutes Umfeld. Für TEDA-Vizechef Zhang Jun ist es selbstverständlich, dass die»kleinen«wie die»großen«behandelt werden. Ihnen sei es zu verdanken, dass der»investitionsmotor«auf Hochtouren laufe. Er gibt aber zu, dass gerade für den Mittelstand die TEDA selbst mit relativ hohen Kosten verbunden sei. Das liegt an der Beschaffenheit des Bodens im Küstengebiet, die zur Folge hat, dass der Bau der Produktionshallen recht kapitalintensiv ist. Es sei schon ein Unterschied, ob Motorola investiert oder ein mittelständisches Familienunternehmen. Damit aber das Jahr 2006 an der TEDA zum»jahr des europäischen Mittelstandes«wird, wie Zhang Jun die diesjährige Strategie der Zone umschreibt, sollen zusätzliche Flächen im Westen der TEDA ausgewiesen werden, deren Erschließung mit geringeren Kosten verbunden sind. Noch entfallen 70 Prozent des Produktionsvolumens in der Zone auf die drei Motorola-Werke, Samsung und Toyota. Viel wichtiger sei es aber, so Zhang, Tianjin in Europa besser bekannt zu machen,»da ist in der Vergangenheit noch zu wenig passiert«. Wenn Zhang von Tianjin spricht, meint er die TEDA. Nur 17 Prozent der Investitionen in der Zone kommen aus Europa, aber 30 Prozent aus den USA. Das Verhältnis soll sich in den nächsten Jahren deutlich ändern. Zhang wünscht sich auch noch mehr Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen, damit die TEDA zu einem integrierten Hightech-Standort wird. Selbstverständlich ist die TEDA nicht die einzige Wirtschaftszone in Tianjin,»aber die Beste«, so Zhang Jun.»Unabhängige Vergleiche der staatlich genehmigten Wirtschaftszonen bescheinigen der TEDA durchweg gute Noten.«Mit einem Wachstum des Bruttosozialproduktes von 20 Prozent im vergangenen Jahr ist die Zone Tianjins Motor. Ein Drittel des Tianjiner BIP wird in der TEDA erwirtschaftet. Von Tianjin in die Region Daran haben auch deutsche mittelständische Unternehmen ihren Anteil. Zollern ist zum Beispiel vor drei Jahren in größere Produktionshallen umgezogen. Nun steht ein weiterer Umzug in diesem Frühjahr an. Wurde anfangs nur für den chinesischen Markt montiert, folgte später das Engineering. Mit einer jährlichen Verdopplung der Umsätze, die 2005 ein Volumen von etwa sechs Millionen Euro erreichten, hat das Unternehmen inzwischen neue Horizonte im Blick. Von Tianjin aus sollen in Zukunft auch die Länder in der asiatisch-pazifischen Region bedient werden.»wir haben hier einen neuen Markt erschlossen und sichern damit zu Hause in Deutschland Arbeitsplätze«, unterstreicht Koch. Auch Inovan, ein»neuling«in Tianjin, hat den asiatischen Markt im Blick. Der Hersteller von Stanzgittern für die Kondensatorenproduktion ist 2005 seinem Kunden, der amerikanischen AVX, nach Tianjin gefolgt, die in der Region keinen vergleichbaren Lieferanten gefunden hatte. Wenn Ende März weitere Maschinen installiert worden sind, wird das Unternehmen zwei Millionen Euro investiert und Kapazitäten für wöchentlich 50 Millionen Stanzgitter aufgebaut haben. Dann sollen auch andere Kunden gewonnen werden, Siemens zum Beispiel oder Bosch. Globale Überlegungen haben auch den Pumpenbauer Bornemann nach Tianjin gebracht. Chinas wachsende Rolle in der weltweiten Ölindustrie bedeutet für Bornemann einen lukrativen Markt. Nachdem Bornemann sechs Jahre in Tianjin Pumpen für Öltanker und die Ölindustrie in Lizenz hat fertigen lassen, hat sich das Unternehmen 2004 für die Gründung einer Tochtergesellschaft entschieden und 4,5 Millionen Euro investiert.»um im Markt bestehen zu können, mussten wir nach China gehen. Mit made in Germany hätten wir keine Chance«, sagt General Manager Carlos J. Zamorano.»Tianjin war die erste Wahl«, auch wenn es in der Stadt kein Marine-Business gibt. Das sei in Shanghai und Dalian konzentriert. Tianjin,»das wegen seiner Schwerindustrie oft als Aschenputtel bezeichnet wird«, habe dagegen Tradition im Pumpenbau. Das sei wichtiger. Denn Pumpenbau ist keine Serienfertigung, für jedes Projekt müssen die Pumpen spezifiziert werden. Nachdem im späten Frühjahr 2005 die Produktion mit der Fertigung von Bauteilen für die Montage in Deutschland gestartet war, sollen im Mai die ersten Pumpen für den chinesischen Markt ausgeliefert werden. Eingesetzt werden sie im Sudan, in Kasachstan oder im Iran, überall dort, wo China an der Ölförderung beteiligt ist. Für Zamorano ist das eine Herausforderung. Denn die Kunden chinesische Ölgesellschaften will längst nicht mehr europäische Servicetechniker, sondern chinesische.»ohne Sprachkenntnisse ist das schwierig. Wer versteht im Iran oder im Sudan Chinesisch?«Dieses Problem ist aber zu meistern, glaubt Zamorano. Schließlich will das Unternehmen in Zukunft auch in Korea, Japan und Singapur Kunden bedienen. pt Fotos: Zollern (links) / CC/pt (Mitte) / Bornemann (rechts) 10 CHINACONTACT
4 Institut für Außenwirtschaft GmbH, Düsseldorf 2006, CHINA Investitions- und Standortführer Foreign Trade Institute, Düsseldorf 2006 Investment and Location Guide NEU Erscheinungstermin Januar 2006 CHINA Investitions- und Standortführer 2006 Peking? Kanton? Oder doch Shanghai? Warum nicht Yantai oder Ji'nan? Die Standortfrage gehört zu den kompliziertesten, wenn die Entscheidung für ein Engagement in China gefallen ist. Zu berücksichtigen ist, wo es für das konkrete Projekt den richtigen Partner gibt, wo der Markt ist und wie die Beschaffung effizient organisiert werden kann, nicht zuletzt auch, welche logistischen Herausforderungen zu bewältigen sind. Dass zudem noch mehr als 170 Wirtschaftsentwicklungszonen im ganzen Land um Investoren buhlen, macht es nicht einfacher, eine Entscheidung zu fällen. Wir helfen Ihnen, sich im Dschungel der Möglichkeiten zurechtzufinden. Der neue Investitions- und Standortführer China 2006 wird auf CD-ROM (selbstinstallierende Access-Datenbank) in einer DVD- Box mit umfangreichem Booklet geliefert, beinhaltet eine umfangreiche Liste von Firmen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz in China sowie den Leitfaden Investieren in China: Rechtliche und steuerliche Grundzüge. BESTELLUNG Ja, liefern Sie uns den Investitions- und Standortführer China 2006 auf CD-ROM zum Preis von 128,-. Dieser Preis beinhaltet die Versandkosten und im Inland die gesetzliche Mehrwertsteuer. Auslandslieferung gegen Vorkasse. Luftpost + 10,- Firma Herr/Frau Abt./Funktion Straße PLZ/Ort Telefon/Fax Unterschrift Richten Sie Ihre Bestellung bitte an: Institut für Außenwirtschaft GmbH Hohenzollernstraße D Düsseldorf Germany info@ifa-d.com Herausgeber: Institut für Außenwirtschaft GmbH, Düsseldorf und Wirtschaftszeitschrift in Zusammenarbeit mit: Far Eastern Limited
5 DAS INTERVIEW Unseren eigenen Weg gehen Tianjin soll in den kommenden Jahren zum Zentrum einer dritten Boomregion in China heranwachsen, die der wirtschaftlichen Entwicklung im gesamten Nordosten neue Impulse verleiht. Dabei setzt die Stadt nicht nur auf Investitionen großer Konzerne, sondern auch auf den Mittelstand, sagt Chen Liming im ChinaContact- Interview. Chen Liming ist Vizedirektor der Tianjiner Kommission für Handel. net.cn CC: Herr Chen, wie würden Sie einem ausländischen Unternehmen, das in China einen Standort für Investitionen sucht, die Vorteile Tianjins erläutern? CHEN LIMING: Tianjin ist wie jede andere Stadt in China an ausländischen Investitionen interessiert. Im Prinzip finden ausländische Investoren überall dieselben Rahmenbedingungen. Unterschiede gibt es lediglich in der Infrastruktur und auch beim Zugang zu Rohstoffen. Letzten Endes muss der Investor sich selbst ein Bild machen und entscheiden, was für ihn wichtig ist. Ob zum Beispiel die Nähe zum Hafen oder Flughafen besondere Bedeutung hat. Wichtig ist aber auch, wie das industrielle Umfeld aussieht, ob es Zulieferer und einen Markt gibt. Darauf legen wir großen Wert, wenn wir mit ausländischen Investoren sprechen, denn das ist der Schlüssel für ihren Erfolg.Daneben ist es wichtig, dass die Logistik kostengünstig ist und bequem organisiert werden kann. Das ist ebenso ein Faktor im Wettbewerb der Standorte wie das Vorhandensein von gut ausgebildetem Personal. CC: Das ist die Theorie. Wodurch zeichnet sich aber Tianjin im Vergleich zu anderen Standorten aus? CHEN LIMING: In erster Linie ist es die Nähe zu Peking, das nicht nur politisches und kulturelles Zentrum ist, sondern auch wissenschaftliches. Pekings Hightech-Potenzial bietet eine gute Ergänzung zu Tianjin, das über einen dynamisch wachsenden Hafen und eine gute industrielle Tradition verfügt. Der Hafen ist nicht nur Tianjins Hafen, er ist der Hafen für Peking und die ganze Region. Von Tian jin aus erreichen Sie den gesamten nordchinesischen Markt. Tianjin und Peking haben zusammen eine Bevölkerung, die der Taiwans entspricht. Das sagt etwas über das Potenzial des hiesigen Marktes. Und es ist sicherlich auch nicht übertrieben zu behaupten, dass sich in dieser Region die am besten ausgebildete Bevölkerung Chinas konzentriert. Das Interesse ausländischer Investoren an Tianjin hat übrigens in den Ist ein ausländisches Unternehmen bei seinem Engagement in Tianjin nicht erfolgreich, ist das auch für uns ein Misserfolg. vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Mehr als sieben Milliarden US-Dollar wurden allein im vergangenen Jahr hier investiert. Die Feiertage nicht einbezogen, waren das pro Tag etwa 30 Millionen und pro Stunde anderthalb Millionen US-Dollar. Das ist das Tianjiner Tempo, das wir mit Sicherheit auch den Vorteilen verdanken, die wir haben. CC: Sie sprachen von Tianjins industrieller Tradition als einem Vorteil,... CHEN LIMING:... der uns von vielen anderen Standorten im Land unterscheidet. Industrie hat in der Stadt Tradition. Alle wichtigen Branchen Chinas sind hier vertreten. In den Industrieunterneh men werden 60 Prozent unseres Brut tosozialproduktes erwirtschaftet. Das bedeutet für Investoren auch, dass sie hier nicht nur gute Fachkräfte vorfinden, sondern auch eine entwickelte Zulieferindust rie. Im Unterschied zum Perlfluss- oder Jangtse-Delta ist unsere Region zudem weniger dicht besiedelt. Damit können wir für Neuansiedlungen Flächen zu deutlich günstigeren Bedingungen anbieten. Auch das ist ein Vorteil. CC: Zwar sind alle Regionen bemüht, ausländische Investoren anzusiedeln, oft werden die Investoren dann aber mit ihren Problemen allein gelassen. CHEN LIMING: Da unterscheiden wir uns auch von unseren Wettbewerbern. Ich meine, entscheidend ist, dass wir für die Investoren da sind und sie in allen Belangen unterstützen auch nachdem die Verträge perfekt sind. Sind Investoren nicht erfolgreich, er wirtschaften sie keine Gewinne, betrachten wir das auch für uns als Niederlage. CC: Vielerorts wird besonders auf die so genannten»fortune 500«-Unternehmen, die großen Konzerne»geschielt«. Kleine und mittelständische Unternehmen scheinen dagegen oft weniger interessant zu sein. CHEN LIMING: Nicht in Tianjin. Wir sind sowohl an den großen Unternehmen als auch an den kleinen interessiert. Denn wir glauben, dass die Großen ohne die Kleinen nicht Foto: CC/pt 12 CHINACONTACT
6 DAS INTERVIEW erfolgreich sein können. Die Kleinen brauchen aber auch die Großen. Nehmen Sie zum Beispiel Toyota. Mit der Ansiedlung sind gleichzeitig auch einige Zulieferer nach Tianjin gekommen. Für Toyota war das eine Voraussetzung. Ohne Toyota würden aber auch die kleineren Unternehmen nicht den Schritt nach Tianjin wagen. Im Übrigen realisieren 114 der 500 großen Konzerne in Tianjin etwa 300 Projekte. Insgesamt haben hier aber rund ausländische Unternehmen investiert. CC: Heißt das auch, Sie gewähren kleinen Unternehmen mit Projekten, die ein relativ geringes Volumen haben, denselben Service wie den großen Konzeren? CHEN LIMING: Denselben. Denn eine ausgewogene Wirtschaft, die wir anstreben, braucht sowohl kleine als auch große Unternehmen, braucht sowohl kleine als auch große Projekte. Mit anderen Worten: Wir stellen keine Bedingungen an das Investitionsvolumen, schauen aber, dass das Projekt in unsere Wirtschaftsstruktur passt und unseren Zielen der wirtschaftlichen Entwicklung entspricht. CC: Der Mittelstand ist bei Ihnen also in guten Händen. CHEN LIMING: Auf alle Fälle. Denn wir wissen auch, dass der Mittelstand Ein»zweites Pudong«werden zu wollen ist der falsche Ansatz. Wir müssen unseren eigenen Weg gehen. Einen neuen und modernen. mehr Unterstützung braucht als die großen Konzerne. Den Mittelstand zu fördern, ihm zu helfen, den Markt zu erschließen, ist unser besonderes Anliegen. Dafür haben wir eine spezielle Strategie entwickelt. CC: Nach dem Perlfluss- und dem Jangtse-Delta soll die Binhai-Region mit Tianjin im Zentrum in den kommenden Jahren zur dritten Boomregion aufsteigen. Manch einer spricht vom»zweiten Pudong«. Pudong zu kopieren, das kann doch nicht das Ziel sein? CHEN LIMING: Nein. Und ich würde auch nie sagen, dass wir ein zweites Pudong werden wollen. Das wäre aus meiner Sicht ein falscher Ansatz. Wir können nicht wiederholen, was in Pudong gemacht wurde. Denn die Zeit ist eine andere, die Bedingungen sind es auch. Wir müssen hier unsere eigenen Vorteile zur Geltung bringen, die sich von denen in Pudong unterscheiden. Der einzige Vergleich, den ich zulassen würde, ist, dass die Binhai-Region ebenso wie Pudong zu einem»drachenkopf«wird, der der wirtschaftlichen Entwicklung in der Bohai-Bucht einen ähnlichen Impuls verleiht, wie es bei Pudong für die Jangtse-Region der Fall ist. Ansonsten müssen wir unseren eigenen Weg gehen. Einen neuen und modernen. Mit Chen Liming sprach Peter Tichauer CHINACONTACT 13
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