Das Bildungswegmodell

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1 Das Bildungswegmodell 1. Vorstufe des Bildungswegmodells Der sokratische Entwicklungsgradmesser Abb. 6: Der sokratische Entwicklungsgradmesser Vier Abschnitte Wir finden eine in vier Abschnitte unterteilte Linie vor, die zwischen voraussetzungslosem Anfang und Ende verläuft. Nach Sokrates ist es die Geteilte Linie. Zuerst wurde die Linie getreu nach Sokrates in das Gebiet des Sichtbaren und das Gebiet des Denkbaren in zwei ungleiche Abschnitte geteilt. Jedes dieser zwei Gebiete wurde nun im gleichen Verhältnis dieser Teilung wiederum unterteilt. So nimm sie denn wie eine in zwei ungleiche Abschnitte geteilte Linie und teile jeden dieser Abschnitte, von denen der eine das Gebiet des Sichtbaren, der andere - 1 -

2 das des Denkbaren darstellt, wieder nach dem nämlichen Verhältnis (Platon, Der Staat. Sechstes Buch, 1988 Bd. V ( v. Chr.), S. 264 f., 509 St. f.). Daraus ergeben sich vier Abschnitte, später werden sie als Bereiche benannt, die jeweils im Verhältnis zueinander stehen. Abschnitt 4. steht dabei im gleichen Verhältnis zu Abschnitt 3. wie Abschnitt 2. zu Abschnitt 1. steht und beide Paare stehen im gleichen Verhältnis zueinander wie der Bereich des Sichtbaren zum Bereich des Denkbaren steht. Die Abschnitte sind verschieden groß, also ungleich. So nimm sie denn wie eine in zwei ungleiche Abschnitte geteilte Linie (ebd. S.265). Die Größe der Abschnitte ist bedingt durch die Wertabstufung der Erkenntnisgebiete, weil nach Sokrates das Gebiet des Sichtbaren geringwertiger als das des Denkbaren ist. Das gleiche Verhältnis wiederholt sich in jedem Abschnitt (vgl. Anm. zu Platon, Der Staat. Sechstes Buch, 1988 Bd. V ( v. Chr.), S. 501). Der Bereich des Sichtbaren Abschnitt 4. Der erste Abschnitt, den Sokrates im Bereich des Sichtbaren beschreibt, wurde als 4. nummeriert, es ist der Bereich der Bilder der von mir als Anschauungswelt bezeichnet wird. und so wird dir, nach Maßgabe des gegenseitigen Verhältnisses von Deutlichkeit und Undeutlichkeit, im Gebiete des Sichtbaren der eine Abschnitt Bilder liefern. Ich verstehe aber unter Bildern erstens die Schatten, dann die Abspiegelungen im Wasser und auf den Oberflächen dichter, glatter und glänzender Körper und alles Ähnliche (Platon, Der Staat. Sechstes Buch, 1988 Bd. V ( v. Chr.), S. 265 f., 509 St. f.). Abschnitt 3. Der zweite Abschnitt im Bereich des Sichtbaren wurde als 3. nummeriert, er umfasst das, was abgebildet wird, die Gegenstände etc. und wird von mir als Welt des Seins bezeichnet. Sokrates. Als den anderen Abschnitt setze den, der die Gegenstände selbst umfasst, wovon dies die Bilder waren, also die uns umgebende Tierwelt und das ganze Gewächsreich und jede Art von Erzeugnissen des menschlichen Kunstfleißes (ebd. 265 f.). Der Bereich des Denkbaren Auch dieser Bereich ist in zwei Abschnitte geteilt. Nun fasse anderseits die Teilung des Denkbaren ins Auge nach ihrer Besonderheit (ebd.265). den einen Teil muss die Seele so aufsuchen, dass sie das, was die frühere Teilung in dem einen Abschnitt bot, nämlich wirkliche Gegenstände, bloß als Bilder benutzt, indem sie von bloßen Voraussetzungen ausgehend, nicht zum Anfang zurückschreitet, sondern nach dem Ende hin vorschreitet [Erfahrungswelt, Anm. d. Verf.], - 2 -

3 den anderen aber so, dass sie von der Voraussetzung aus zum voraussetzungslosen Anfang zu gelangen sucht und ein Verfahren einschlägt, das ohne Bilder, wie sie im ersten Abschnitt gebraucht wurden, sich lediglich auf reine Begriffe in ihrem inneren gegenseitigen Zusammenhang stützt [Erkenntniswelt, Anm. d. Verf.] (ebd. S. 266). Und so wie sich der Bereich der Bilder als 4. zu dem verhält, dem es nachgebildet ist als dem Bereich des Sichtbaren als 3. (als Voraussetzung für 4.), verhält sich nun als Art des Denkbaren und der bloßen Meinung der Bereich 2., später bezeichnet als Erfahrungswelt, zu 1. als dem Bereich des Gedachten, später als Erkenntniswelt bezeichnet. verhalte sich bei dieser Teilung das Nachgebildete zu dem, dem es nachgebildet ist, ebenso wie das Gebiet der bloßen Meinung zu dem des Gedachten (ebd.). Abschnitt 2. Der erste Abschnitt im Bereich des Denkbaren als Bereich der Meinung wurde mit 2. nummeriert und wird von mir als Erfahrungswelt bezeichnet. Es gibt zwei Richtungen, welche die Seele in der Erfahrung einschlägt, sie besucht den Anfang als Bild-gebende Stütze, wobei sie sich auf die Welt der Bilder stützt und sie wird auch als zum Bereich des Denkbaren gezählt, d.h. sie streckt sich zum voraussetzungslosen Anfang aus, bei der die Seele sich des Verstandes und der Begriffe bedient. Die Welt der Erfahrung zum Bereich des Denkbaren gehörend, stützt sich auf bloße Voraussetzungen, die zum Bereich des Sichtbaren gehören, Dieses bezeichnete ich zwar als eine Art des Denkbaren, aber so, dass die Seele dabei gezwungen ist, die Untersuchung auf bloße Voraussetzungen zu stützen, indem sie nicht auf den Anfang zurückgeht denn sie kann über ihre Voraussetzungen in der Richtung nach oben hin nicht hinaus sondern sich der sinnlichen Gegenstände, deren Abbilder die unteren Dinge sind [ ] als Bilder bedient (Platon, Der Staat. Sechstes Buch, 1988 Bd. V ( v. Chr.), S. 267 f., 509 St. f.) Dabei bewegt sich die Seele also zum Ende. Sokrates. den einen Teil muss die Seele so aufsuchen, dass sie das, was die frühere Teilung in dem einen Abschnitt bot, nämlich wirkliche Gegenstände [Sein, Anm. d. Verf.], bloß als Bilder [Anschauung, Anm. d. Verf.] benutzt, indem sie von bloßen Voraussetzungen ausgehend, nicht zum Anfang zurückschreitet, sondern nach dem Ende hin vorschreitet (Platon, Der Staat. Sechstes Buch, 1988 Bd. V ( v. Chr.), S. 266 f., 510 St. f.). Abschnitt 1. Der zweite Teil des Denkbaren ist der denkende Verstand wurde als 1. nummeriert und von mir als Erkenntniswelt bezeichnet. Der denkende Verstand als zweiter Abschnitt des Denkbaren strebt zum voraussetzungslosen Anfang also zur Erkenntniswelt

4 den anderen aber so, dass sie von der Voraussetzung [Erfahrungswelt, Anm. d. Verf.] aus zum voraussetzungslosen Anfang [Erkenntniswelt, Anm. d. Verf.] zu gelangen sucht und ein Verfahren einschlägt, das ohne Bilder, wie sie im ersten Abschnitt gebraucht wurden, sich lediglich auf reine Begriffe in ihrem inneren gegenseitigen Zusammenhang stützt (ebd.). Für den denkenden Verstand gibt es zwar Voraussetzungen als Unterlagen, Stufen und Aufgangsstützpunkte, damit er bis zum Voraussetzungslosen vordringen und an den Anfang des Ganzen gelangen kann, aber er sieht die Voraussetzungen nicht als unbedingt Erstes und Oberstes an. Der Verstand erfasst mit der Macht der Dialektik unmittelbar. Unter dem zweiten Abschnitt des Denkbaren meine ich das, was der denkende Verstand unmittelbar selbst erfasst mit der Macht der Dialektik, indem er die Voraussetzungen nicht als unbedingt Erstes und Oberstes ansieht, sondern in Wahrheit als bloße Voraussetzungen, d.h. Unterlagen, gleichsam Stufen und Aufgangsstützpunkte, damit er bis zum Voraussetzungslosen vordringend an den wirklichen Anfang des Ganzen gelange (Platon, Der Staat. Sechstes Buch, 1988 Bd. V ( v. Chr.), S. 267 f., 511 St. f.). Wenn der Verstand an den Anfang gelangt ist, steigt er wieder herab und bedient sich dabei der Begriffe, die den inneren Zusammenhang in sich tragen, ohne dabei selbst sinnlich zu werden. und wenn er ihn [den Anfang] erfasst hat, an alles sich haltend, was mit ihm in Zusammenhang steht, wieder herabsteige ohne irgendwie das sinnlich Wahrnehmbare dabei mit zu verwenden, sondern nur die Begriffe selbst nach ihrem eigenen inneren Zusammenhang, und mit Begriffen auch abschließe (ebd.). Verhältnisse und Voraussetzungen Hier soll zunächst festgestellt werden, dass alle Relationen wiederum zueinander im Verhältnis stehen. Wirst du nun auch ohne Bedenken einräumen, hinsichtlich der Wahrheit [Welt des Seins, Anm. d. Verf.] und ihres Gegenteils [Anschauungswelt, Erscheinung, Anm. d. Verf.] verhalte sich bei dieser Teilung das Nachgebildete [Anschauungswelt, Anm. d. Verf.] zu dem, dem es nachgebildet [Welt des Seins, Anm. d. Verf.] ist, ebenso wie das Gebiet der bloßen Meinung [Erfahrungswelt, Anm. d. Verf.] zu dem des Gedachten [Erkenntniswelt, Anm. d. Verf.]? (ebd. S. 266). Die verschiedenen Bereiche stehen nicht nur im Verhältnis zueinander, sondern bilden auch Voraussetzungen füreinander. 3. als Welt des Seins ist Voraussetzung von 4. als Anschauungswelt verhalte sich bei dieser Teilung das Nachgebildete zu dem, dem es nachgebildet ist (vgl. S. 266). 4. als Anschauungswelt ist Voraussetzung von 2. als Erfahrungswelt Art des Denkbaren [Erfahrungswelt, Anm. d. Verf.] aber so, dass die Seele dabei gezwungen bloße Voraussetzungen zu stützen, sich der sinnlichen Gegenstände, - 4 -

5 deren Abbilder die unteren Dinge sind [ ] als Bilder bedient (Platon, Der Staat. Sechstes Buch, 1988 Bd. V ( v. Chr.), S. 267 f., 511 St. f.). 2. als Erfahrungswelt ist Voraussetzung, Stufe, Aufgangsstützpunkt von 1. als Erkenntniswelt aber nicht unbedingt als Erstes und Oberstes. indem er die Voraussetzungen nicht als unbedingt Erstes und Oberstes ansieht, sondern in Wahrheit als bloße Voraussetzungen, d.h. Unterlagen, gleichsam Stufen und Aufgangsstützpunkte (ebd. S. 267). Und von der Voraussetzung [Erfahrungswelt, Anm. d. Verf.] aus zum voraussetzungslosen Anfang [Erkenntniswelt, Anm. d. Verf.] zu gelangen sucht (ebd. S. 266). 1. als Erkenntniswelt ist das, wonach sich die Erfahrungswelt 2. ausstreckt. von der Voraussetzung [Erfahrungswelt, Anm. d. Verf.] aus zum voraussetzungslosen Anfang [Erkenntniswelt, Anm. d. Verf.] zu gelangen sucht (ebd. S. 266). Von 1 steigt er mit den Begriffen aus dem letzten Entwicklungszyklus herab zum Ende. und wenn er ihn [den Anfang] erfasst hat, an alles sich haltend, was mit ihm in Zusammenhang steht, wieder herabsteige ohne irgendwie das sinnlich Wahrnehmbare dabei mit zu verwenden, sondern nur die Begriffe selbst nach ihrem eigenen inneren Zusammenhang, und mit Begriffen auch abschließe (ebd. S. 267). Vom voraussetzungslosen Anfang steigt der Verstand herab unter Verwendung der neu gewonnen Begriffe in die Anschauungswelt, in der sich die Welt des Seins als Lebenswelt abbildet. Die ursprünglichen Gefühle und Anschauungen, die zu den Begriffen geführt haben, sind in den Begriffen aufgehoben und kommen zurück zum Ursprungort und doch auf eine höhere Ebene. Das Handeln und die Anschauung ändern sich durch die Begriffe. (Nach Freire stehen Aktion, als das Handeln in der Lebenswelt/ der Welt des Seins und Reflexion als Voraussetzung für Erkenntnis, die zur Sprache/ Begriffe führt, im Verhältnis zueinander und nur dadurch verändert sich die Welt). Warum heißt das Modell Entwicklungsgradmesser? Der Ausdruck Entwicklung zeigt hier schon, dass diese Skizze, die genau entlang der Angaben Sokrates entstand, Grundlage ist für das spätere Entwicklungsmodell in Kapitel Das Bildungswegmodell als Entwicklungsmodell Die Welt eines Babys Abb. 14 und das dieses wiederum nur im Vergleich zu Kapitel Das erweiterte Bildungswegmodell Erkenntnisgewinn und Heilung Abb. 15 verstanden werden kann. Gradmesser bezieht sich auf das Verhältnis der verschiedenen Bereiche zueinander, das wird auch hier schon sichtbar. Dass diese Verhältnisse ausschlaggebend für Entwicklungsprozesse des Menschen sind, soll später vertieft werden. Das heißt, wenn sich eine Unterteilung ändert, verändern sich auch die anderen beiden im gleichen Verhältnis. Das Sichtbare verhält sich zum Denkbaren wie die Meinung/Erfahrung zur Vernunft/Erkenntnis und wie das Verhältnis der Bilder/Abbilder/Anschauung zu den Gegenständen als dem Sein. Daraus lässt sich ableiten und wird später bei den folgenden Graphiken klar: In dem Maße, wie der - 5 -

6 Mensch sich die Wirklichkeit durch Erkenntnis aneignet, kann sich seine Persönlichkeit entwickeln. Sokrates spricht von einem voraussetzungslosen Anfang, welcher der Sonne als dem Guten entspricht, nach welcher sich der Mensch als zu dem Wahren und dem, was Kant als das a priori bezeichnet, ausstreckt. Der Begriff Voraussetzungslos wird in ein anderes Licht gerückt, wenn statt des a priori als das was von früher her ist, der Idealbegriff der Anschauungen und Begriffe übersetzt wird mit das zu unserem Wesen zugehörige, wie Kranz es vorschlägt (vgl. Kranz, 1979, S. 153). Die Suche des Menschen nach seinem eigenen Wesen als Einheit und Vollständigkeit im Voraussetzungslosen wird dadurch zwar verständlich, gestaltet sich aber im gleichen Maße als aussichtslos, weil der Mensch nur als Fragmentierter und Fragmentierender gleichwohl nur denkbar, wie auch nur lebensfähig ist. Damit ist eine Paradoxie verbunden. Denn je größer das Streben des Menschen nach Vollständigkeit und Vervollkommnung durch Erkenntnis ist, die seine Persönlichkeit wachsen lässt, umso mehr geschieht Fragmentierung im Entscheidungsprozess von Zuordnung. Erklärt sich dadurch Sokrates Weisheit, weil er von sich behauptete, Ich weiß, dass ich nichts weiß? Der voraussetzungslose Anfang ist nun getreu nach Sokrates oben eingezeichnet. Das Ende befindet sich unten, da wo man normalerweise den Anfang vermuten würde. Denn wenn oben das Voraussetzungslose ist, sind unten die Voraussetzungen zu finden, was ja auch tatsächlich so ist, wenn wir bedenken, dass sich unser Leben auf Abbilder und Spiegelungen stützt. Da ich finde, dass die Skizze des Sokrates den prozesshaften Verlauf nur ungenügend widergibt, der für Bildungs- und Transformationsprozesse zugrunde liegt, werde ich die Skizze zwar als Vorlage verwenden, aber als Fläche modifizieren, ohne den sokratischen Gedanken dabei aus den Augen zu verlieren. Dafür werde ich mich nochmals dem Text des Sonnengleichnisses zuwenden und dabei die vorgefundenen Vorgaben in meine Sprache übersetzen. 1.1 Vom Sonnengleichnis des Sokrates zu einem Bildungswegmodell Was Du ererbt von Deinen Vätern, erwirb es, um es zu besitzen (Goethe J. W., 1996 (1797), S. Faust, 1. Aufzug, 1.Szene). Dieser Spruch ist für mich bei dem Erarbeiten dieses Bildungswegmodells sehr bedeutsam geworden. Sokrates Zeichenanweisung liegt seit mehr als zweitausend Jahren vor, doch für mich war sie eine großartige und beglückende Entdeckung. Wie durch einen öffnenden Schlüssel erklären sich wie von selbst Zusammenhänge, die vorher nur schemenhaft und undeutlich sichtbar waren. Dabei finden sich außerdem viele Denkmodelle plötzlich logisch begründet und einander nicht mehr ausschließend in einem Modell zusammen. Auszüge des sechsten Buches aus Platons Staat von Platon sollen gleichermaßen wie in der vorherigen Abbildung, die nach genauen sokratischen Anweisungen erfolgte, in diesem Kapitel ein von mir nun modifiziertes Modell - 6 -

7 begründen, welches von Sokrates als das Sonnengleichnis bekannt wurde. Zusammenhänge in gelingenden aber auch nicht gelingenden Bildungsprozessen werden in dem Bildungswegmodell zunächst ihren gebührenden Platz vorrangig einnehmen. Dafür werden wie bei einer Momentaufnahme Berührungen zwischen verschiedenen Elementen graphisch dargestellt, die in jedem Bildungsprozess eine entscheidende Rolle spielen. Zunächst aber erfolgt eine Interpretation und Erörterung des Sonnengleichnisses. 1.2 Das Sonnengleichnis als Fläche Entwurf eines Bildungswegmodells Die Bedingung des Lichts, der Sonne, ist die Bedingung der Möglichkeit des Sehens. Wir sehen nur, indem wir Abstand haben. Sokrates. [ ] Halte dir also gegenwärtig, dass, wie gesagt, es sich dabei um zwei Mächte handelt, [ ] dass die eine über [ ] den Bereich des Denkbaren herrscht, die andere über das Sichtbare [ ] (Platon, Der Staat. Sechstes Buch, 1988 Bd. V ( v. Chr.), S. 264 f., 509 St.f.). Diese in der ganzen Arbeit immer wieder unter verschiedenen Aspekten angesprochenen Bereiche sind: 1. der Bereich des Denkbaren, welcher der Erfahrung und der Vernunfttätigkeit zugeordnet werden kann, und 2. der Bereich des Sichtbaren, der entsprechend dem Sein und der Anschauung zugeordnet werden kann. So nimm sie denn wie eine in zwei ungleiche Abschnitte geteilte Linie und teile jeden dieser Abschnitte, von denen der eine das Gebiet des Sichtbaren, der andere das des Denkbaren darstellt, wieder nach dem nämlichen Verhältnis und so wird dir, nach Maßgabe des gegenseitigen Verhältnisses von Deutlichkeit und Undeutlichkeit [ ] (ebd.). Wenn Sokrates hier zwei ungleiche Abschnitte vorstellt, darf das nicht überlesen werden. Die Linie ist in ungleiche Abschnitte geteilt. Die jeweiligen Abschnitte werden wiederum nach dem gleichen Verhältnis geteilt. Wie groß das Verhältnis zueinander ist, bleibt hierbei ungesagt. Wir können davon ausgehen, dass das Verhältnis änderbar ist. Das ist jetzt schon wichtig zu bedenken, weil sich daraus Rückschlüsse insbesondere zur Entwicklung des Subjektiven, der Persönlichkeitsentwicklung ziehen lassen, wie wir später sehen werden. Wenn demnach der Bereich des Sichtbaren dreißig Prozent hätte und der Bereich des Denkbaren siebzig Prozent, so wäre auch jeweils der Bereich des Sichtbaren nochmal im Verhältnis dreißig zu siebzig aufgeteilt und der Bereich des Denkbaren auch noch einmal nach dem gleichen Verhältnis. Im gleichen Verhältnis wie Sichtbares und Denkbares zueinander stehen, befinden sich die Abbilder/Bilder/Anschauung im Verhältnis zum Original/Sein und die bloße Meinung/Vorstellung zur Vernunft/Erkenntnis/Ideen, wobei jeweils das Denkbare, das Sein und die Vernunft, den größeren Part der Gesamtlänge ausmachen, die ich nun in meinem Bildungswegmodell als Fläche darstelle. Die Umsetzung des Sonnengleichnisses als Fläche: - 7 -

8 Abb. 7: Das Sonnengleichnis als Fläche Entwurf eines Bildungswegmodells Sokrates sagt: So nimm sie denn wie eine in zwei ungleiche Abschnitte geteilte Linie und teile jeden dieser Abschnitte (ebd.). Ich teile nun nicht, wie Sokrates es vorschlägt eine Linie, sondern eine Fläche, genauer gesagt, ein Quadrat in zwei ungleiche Teile durch eine senkrechte Linie und habe somit zunächst den linken kleineren Teil als sichtbaren Bereich und den rechten größeren Teil als denkbaren Bereich dargestellt. Beide Flächen teile ich dann durch eine waagerechte Linie entsprechend der vorherigen Größenverhältnisse in einen oberen größeren und einen unteren kleineren Bereich auf. Durch die Flächendarstellung sind jetzt nicht nur der Bereich des Sichtbaren und des Denkbaren zu sehen, sondern auch der Subjektive Bereich und der Objektive Bereich. Insgesamt sind es also die vier oben genannten umfassenderen Bereiche und vier kleinere Bereiche als Welt des Seins, Anschauungswelt, Erfahrungswelt und Erkenntniswelt dargestellt, allerdings als Fläche und nicht wie bei Sokrates durch Markierungen auf einer Linie. Alle Längenverhältnisse auf der geteilten Linie nach Sokrates entsprechen aber genau den Flächenverhältnissen meines modifizierten Modells. a. Entsprechend ist das Größenverhältnis vom sichtbaren zum denkbaren Bereich - 8 -

9 b. gleich dem Größenverhältnis des Anschauungsbereiches (Abspiegelungen) zum Sein (Gegenstände) c. gleich dem Größenverhältnis vom Erfahrungsbereich (Meinung) zum Erkenntnisbereich (Vernunft). Durch die Flächendarstellung lassen sich im Gegensatz zur linearen Darstellung weitere Verhältnisse erkennen: d. Entsprechend ist das Größenverhältnis vom subjektiven Bereich zum objektiven Bereich e. gleich dem Größenverhältnis vom Anschauungsbereich zum Erfahrungsbereich, f. gleich dem Größenverhältnis vom Sein zur Erkenntniswelt. Genau wie bei Sokrates sind zwei Bereiche davon gleich groß, nämlich der Bereich der Erfahrung (Meinung) und der Bereich des Seins (Gegenstände). Der Bereich der Erkenntnisse steht als Quadrat einem kleineren Quadrat der Anschauungen diagonal gegenüber; der Bereich des Seins als Rechteck steht dem Bereich der Erfahrung als gleich großem Rechteck ebenfalls diagonal gegenüber. Diese gesamten Angaben stimmen immer genauso, auch wenn sich die Linien später verschieben. In dem Maße, wie sich die senkrechte Linie nach rechts verschiebt, verschiebt sich auch die waagerechte Linie nach oben. Ich habe aber schon voraus gegriffen, was jetzt durch Sokrates weiter erklärt wird: Ich verstehe aber unter Bildern erstens die Schatten, dann die Abspiegelungen im Wasser und auf den Oberflächen dichter, glatter und glänzender Körper und alles Ähnliche [Bereich der Anschauung, Anm. d. Verf.] (ebd.). Als den anderen Abschnitt setze den, der die Gegenstände selbst umfasst [Bereich des Seins, Anm. d. Verf.], wovon dies die Bilder waren, also die uns umgebende Tierwelt und das ganze Gewächsreich und jede Art von Erzeugnissen des menschlichen Kunstfleißes (ebd.). Sokrates beschreibt hier das Verhältnis der beiden Bereiche des Sichtbaren. Darin wird die von Plessner beschriebene exzentrische Positionierung deutlich, die er als das dem Menschen eigentümliche beschreibt. Das, was der Mensch voraussetzt aus seinen Erfahrungen und seiner Intentionalität, muss ihn nur als Bilder erkennen lassen, was als Welt des Seins tatsächlich ist und ihm als Welt gegenüber tritt durch das, was Natur ist und auch was vom Menschen geschaffen wurde als Kultur. Der Mensch benutzt in seiner Anschauungswelt die wirklichen Gegenstände, also das Original als bloßes Bild. Darin liegt, dass das, was der Mensch wahrnimmt, durch Intentionalität und Verwertungssinn beeinflusst ist und zur Interpretation führen muss, er somit nur ein Bild sehen kann und nicht das, was wirklich ist. Wenn Erkenntnis gelingen soll, müssen wir uns mit der Grundlage und Voraussetzung des Lebens, die in der Anschauung, der Wahrnehmung und den Sinnen vorliegt, beschäftigen. Ohne diese Grundlage kann es für uns Menschen weder Erfahrung noch Erkenntnis geben. Sokrates spricht dann über die Teilung des Denkbaren: - 9 -

10 den einen Teil muss die Seele so aufsuchen, dass sie das, was die frühere Teilung in dem einen Abschnitt bot, nämlich wirkliche Gegenstände, bloß als Bilder benutzt, indem sie von bloßen Voraussetzungen ausgehend, nicht zum Anfang zurückschreitet, sondern nach dem Ende hin vorschreitet [Erfahrungswelt, Anm. d. Verf.], den anderen aber so, dass sie von der Voraussetzung aus zum voraussetzungslosen Anfang zu gelangen sucht und ein Verfahren einschlägt, das ohne Bilder, wie sie im ersten Abschnitt gebraucht wurden, sich lediglich auf reine Begriffe in ihrem inneren gegenseitigen Zusammenhang stützt [Erkenntniswelt, Anm. d. Verf.] (ebd.). Das Denken ist im ersten Teil zwar auch schon in Form von Vorstellungen vorhanden, ist aber noch an direkte Anschauungen geknüpft, die mit Bildern verbunden sind. Das bedeutet, dass sich der erste Teil des Denkbaren als Erfahrungsbereich darstellt, die die Grundlage für die Erkenntniswelt bildet, welche dann im zweiten Teil des Denkbaren anzusiedeln ist. In der Welt der Erfahrung finden wir Vorstellungen vor, die noch in den bildlichen Anschauungen als in dem Konkreten verhaftet sind und die Axiome bilden. Erkenntnis stützt sich dann lediglich auf reine Begriffe, die in sich den sich gegenseitig stützenden Zusammenhang tragen, haben also quasi eine Art Vehikelfunktion. Wie der Zusammenhang aussieht, ist vielfach besprochen worden, es ist Inhalt und Form, bzw. nach Schiller Stoff und Form, Zeichen und Symbol. Auf der Bildungs- und Entwicklungsspirale des Bildungswegmodelles stehen auf der Pfeilspitze Begriffe, die somit durch alle Bereiche wandern. Sokrates. So verstehe denn auch folgendes. Unter dem zweiten Abschnitt des Denkbaren meine ich das, was der denkende Verstand unmittelbar selbst erfasst mit der Macht der Dialektik, indem er die Voraussetzungen nicht als unbedingt Erstes und Oberstes ansieht, sondern in Wahrheit als bloße Voraussetzungen, d.h. Unterlagen, gleichsam Stufen und Aufgangsstützpunkte, damit er bis zum Voraussetzungslosen vordringend an den wirklichen Anfang des Ganzen gelange (ebd.). Das was der denkende Verstand durch die Dialektik erfasst, stützt sich auf die Voraussetzungen der Anschauungs- und Erfahrungswelt, um weiter gehen zu können bis zum Voraussetzungslosen. In den Begriffen verbirgt sich das Anschauliche, wird als Inhalt transportiert und ist deswegen nicht mehr vorrangig. Die Erkenntnis sucht in den Bereich der Ideen hinein bis zum Voraussetzungslosen vorzudringen auf der Suche nach Wahrheit. Sokrates drückt damit aus, dass sich das Erfahrene über sich und seine Vorstellungen hinausgehend zu einer hohen Abstraktionsebene der Erkenntnisse ausstreckt, die ihn an das Allgemeine als das über ihn hinausgehende anschließt. Das subjektiv Begründete ist die Voraussetzung, um Voraussetzungsloses zu erkennen

11 und wenn er ihn erfasst hat, an alles sich haltend, was mit ihm in Zusammenhang steht, wieder herabsteige ohne irgendwie das sinnlich Wahrnehmbare dabei mit zu verwenden, sondern nur die Begriffe selbst nach ihrem eigenen inneren Zusammenhang, und mit Begriffen auch abschließe (Platon, Der Staat. Sechstes Buch, 1988 Bd. V ( v. Chr.), S. 267 f., 511 St.f.). Hier wird der zirkulär wachsende Charakter des Sonnengleichnisses deutlich. Wenn Erkenntnis gewonnen wurde, wird diese durch Begriffe mit hineingenommen in die Lebenswelt der Erfahrungen und der Anschauungen, drückt sich im Subjektiven aus und führt somit über Veränderungen des Denkens, zur Veränderung des Blicks auf die Welt und sowohl zur Identitätsbildung, als auch dadurch zur Veränderung der Welt. Später wird mittels der Graphiken die Identitätsbildung durch Erkenntnisgewinn durch die Vergrößerung des subjektiven Bereiches dargestellt. Die Begriffe bilden die Transportmittel der neu gewonnen Erkenntnis, die sich durch Sprache als einen inneren und einen äußeren Dialog mit der Wirklichkeit darstellt Die vier Seelenzustände nach Sokrates Und so lass denn jenen vier Abschnitten auch vier Seelenzustände entsprechen, Vernunfttätigkeit dem obersten, mathematische Verstandestätigkeit dem zweiten, dem dritten aber weise den Glauben und dem vierten die bildliche Erkenntnis zu und ordne sie nach dem Verhältnis, dass du ihnen (stufenweise) denjenigen Grad von Deutlichkeit beimisst, welcher dem Anteil entspricht, den ihre Objekte an der Wahrheit haben (Platon, Der Staat. Sechstes Buch, 1988 Bd. V ( v. Chr.), S. 268 f., 511 St.f.). Die vier Seelenzustände wurden bereits in Abb. 6 Der sokratische Entwicklungsgradmesser benannt. Sie sind wie folgt zuzuordnen: Vernunfttätigkeit Welt der Erkenntnis, die nach dem Voraussetzungslosen strebt. Durch die Vernunfttätigkeit finden wir die Welt der Logik, der Dialektik und der Begriffe vor. Es ist die Welt, die sich nach dem a priori als, von früher her oder als zu unserem Wesen zugehörig Kranz bevorzugt letztere Übersetzung eines Idealbegriffes (vgl. Kranz, 1979, S. 153) ) ausstreckt, dort aber niemals anlangt, weil Ichwerdung Fragmentierung bedeutet (genau wie auch Sprache nur fragmentiert gesprochen werden kann). Bei der Vernunfttätigkeit werden die Voraussetzungen aus der sinnlichen und dinglichen Welt nicht mehr als unbedingt Erstes und Oberstes angesehen, sondern nur als Aufgangsstützpunkte, um zum Voraussetzungslosen, als zum Früheren als dem Vollständigen, vorzudringen. Erkenntnisse lassen die Seele hoch hinaufsteigen, so hoch, dass sie vielleicht keine Lust mehr hat, wieder zurück zur Erde zu kommen, sich sozusagen versteigen kann. Deswegen spricht Sokrates darüber, dass die Seele sich an alles haltend was 1 Vergleiche dazu Kapitel 16.2 Aufsteigen vom Allgemeinen zum Konkreten zurück zur Lebenswelt

12 mit dem Voraussetzungslosen zusammenhängt, wieder herabsteigt mit den Begriffen, die ohne direkte sinnliche Wahrnehmung verwendbar sind, denn die ist ja in den Begriffen inhaltlich enthalten. Es ist der Weg, den auch Lanwer (vgl. Lurija zit. in Lanwer, 2008, S. 38) beschreibt, bei dem die sinnliche Erscheinung in die Abstraktion übergeht und diese in die höhere begriffliche Form des Konkreten bringt. Somit wird das, was Sokrates als Abstieg bezeichnet, von Lanwer Aufstieg der Abstraktion genannt als Verbindung der Abstraktion mit Begriffen der Lebenswelt und des Konkreten. Je tiefer wir Verbindungen und Beziehungen abstrakt verstehen, umso reicher wird unser begriffliches Verständnis des Dinges, Prozesses. Logos fasst beides zusammen, das Prinzip der Verständlichkeit, die in der Sache steckt, und Sprache als Mittel, durch das sich die Sache erschließt und mitteilbar wird (vgl. Hentig, 1992, S. 13). Mathematische Verstandestätigkeit Welt der Erfahrung, die auf Axiomen ausgehend von den Abbildern beruht. Wenn wir heute von Mathematik sprechen, ist es kaum vorstellbar, dass sich dieser Bereich mit dem Bereich der Erfahrungen deckt. Doch bei genauerem Hinsehen stützen sich auch unsere Erfahrungen auf Axiome, genau wie die Mathematik und bilden sich über sinnlich Wahrnehmbares. Im Erfahrungsbereich entstehen unbewiesene Vorstellungen durch persönliche Axiome, die als Voraussetzungen vom Subjekt angenommen werden. Sokrates versuchte allerdings die Menschen in ihren Meinungen, die sich auf das Besondere/Subjektive stützten, zu verwirren, um sie dadurch zu einer höheren Stufe zu bringen, nämlich zur Erkenntnis des Allgemeinen, zur Wahrheit. Die Erfahrung ist aber deswegen nicht überflüssig, sondern im Gegenteil die Stufe, die die Seele nicht überspringen darf und kann, um zu Erkenntnissen zu gelangen. Eine Erfahrung und die Meinungsbildung sind nur dann hinderlich, wenn sich der Mensch daran klammert, so als ob die eigene Meinung schon die Erkenntnis der Welt beinhalte. Glauben Eintritt in die Welt des Seins, in die Wirklichkeit Vielleicht ist das der Bereich, mit dem wir heute in dem Zeitalter, in dem Aufklärung fast ein Gebot darstellt, die meisten Schwierigkeiten haben. Deswegen möchte ich Buber, dem ich an dieser Stelle unbedingt zustimme, zitieren: Was ich damit meinte, war eine einfache Feststellung: dass Glaube nicht ein Gefühl in der Seele des Menschen ist, sondern sein Eintritt in die Wirklichkeit, in die ganze Wirklichkeit, ohne Abstrich und Verkürzung (Buber, Gottesfinsternis, 1994 (1953)). Von Hentig schreibt, dass das hebräische Wort für glauben häämin bedeutet, sich auf etwas zu verlassen (vgl. Hentig, 1992, S. 27). Auf die Wirklichkeit kann man sich nur glaubend verlassen, ansonsten machen wir keine Erfahrung mit ihr, weder sinnlich noch denkend, weil wir uns gegenüber dem, was wir sinnlich wahrnehmen, verhalten, selbst wenn wir es als Unsinn gedanklich verwerfen. Deswegen hat auch unser Denken sein Fundament in dem Glauben

13 Bildliche Erkenntnis die Wirklichkeit wird über die Sinne erkannt und abgebildet im Bereich der Anschauung. Wenn sich die Wirklichkeit über unsere Sinne durch die Welt der Anschauung in uns abbildet, fühlen wir Erkenntnis in uns aufsteigen, die zwar noch vorbegrifflich ist, aber die dem entspricht, was Buber Umfassung nennt. Wir bekommen durch die Beziehung zur Wirklichkeit, auch wenn sich diese nur als Abbild erfassen lässt und in welcher noch kein Urteil durch wertendes Verwerfen oder Bejahen enthalten ist, bildliche noch nicht reflektierte Erkenntnisse. Die verschiedenen Seelenzustände dürfen nicht alleine gesehen werden, sondern gehören in einen Zusammenhang, den die bewegte Seele durchlaufen muss. Sokrates spricht von dem Aufsuchen der verschiedenen Welten: den einen Teil muss die Seele so aufsuchen ( ) den anderen aber so (Platon, Der Staat. Sechstes Buch, 1988 Bd. V ( v. Chr.), S. 266 f., 510 St.f.) Bildung für alle Anknüpfung an die Lebenswelt und wenn er ihn erfasst hat, an alles sich haltend, was mit ihm in Zusammenhang steht, wieder herabsteige (Platon, Der Staat. Sechstes Buch, 1988 Bd. V ( v. Chr.), S. 264 f., 509 St.f.). Der Schritt des Herabsteigens von der Erkenntniswelt zurück zur Basis, den Sokrates beschreibt, ist vielleicht der, welcher am allerwichtigsten ist bezüglich der am Anfang des Gesamtkapitels angerissenen Problematik mit und in der Schule. 2 Aus den Textpassagen des Sonnengleichnisses s. Fußnote wird deutlich, dass es sich bei dem Bildungsweg um einen Kreislauf handelt. Der Lehrer muss, so sieht es auch Pauli in von Aquin, immer wieder die Vorstellungskraft der Schüler beanspruchen und die Möglichkeit zur Anschauung geben. Nur auf diesem Wege kann es gelingen, Abstraktionsleistungen und Prinzipienbildung zu veranlassen (vgl. Pauli im Vorwort in Aquin, 2006 ( ), S. XVIII). Was der Lehrer dem Schüler niemals abnehmen kann, ist, dass der Schüler Prinzipien selbst anerkennt und sich daraus ergebende Folgen ableitet, um daraus sein Wissen zu begründen. Es gilt deswegen in Bildungsprozessen, dialogische Räume zu eröffnen, in denen Sachthemen aus der Lebenswelt des Kindes und über den Handlungsbezug veranschaulicht werden, damit das Kind über seine eigene Erfahrung mit dem 2 den einen Teil muss die Seele so aufsuchen, dass sie das, was die frühere Teilung in dem einen Abschnitt bot, nämlich wirkliche Gegenstände, bloß als Bilder benutzt, indem sie von bloßen Voraussetzungen ausgehend nicht zum Anfang zurückschreitet, sondern nach dem Ende hin vorschreitet, den anderen aber so, dass sie von der Voraussetzung aus zum voraussetzungslosen Anfang zu gelangen sucht und ein Verfahren einschlägt, das ohne Bilder, wie sie im ersten Abschnitt gebraucht wurden, sich lediglich auf reine Begriffe in ihrem inneren gegenseitigen Zusammenhang stützt. [ ] damit er bis zum Voraussetzungslosen vordringend an den wirklichen Anfang des Ganzen gelange, und wenn er ihn erfasst hat, an alles sich haltend, was mit ihm in Zusammenhang steht, wieder herabsteige ohne irgendwie das sinnlich Wahrnehmbare dabei mit zu verwenden, sondern nur die Begriffe selbst nach ihrem eigenen inneren Zusammenhang (Platon, Der Staat. Sechstes Buch, 1988 Bd. V ( v. Chr.), S. 264 f., 509 St. f.)

14 Gegenstand befähigt wird, Prinzipien anzuerkennen und Erkenntnis zu gewinnen, statt etwas zu übernehmen. Dabei erweist sich die Logik als Prinzip der Verständlichkeit und Sprache/Begriffe als Mittel, durch das sich die Sache erschließt und mitteilbar wird. Die sprach- und handlungsfähigen Subjekte müssen sich aus dem Horizont ihrer jeweils geteilten Lebenswelt auf etwas in der objektiven Welt beziehen können, wenn sie sich in der Kommunikation miteinander über etwas verständigen oder im praktischen Umgang mit etwas zurechtkommen wollen (Habermas, 2001, S. 16). Die Begriffe werden im Erkenntnisbereich immer wieder neu abstrahiert, als Sprache, die aus der Lebenwelt kommt. Sie sind Bedeutungsträger nicht nur für Kinder, die sich als Herabsteigende wie Sokrates sagt, immer wieder bewähren müssen in der Lebenswelt, um von dort erneut aufzusteigen. Dabei führt der Weg des Kindes über den subjektiven Bereich der Anschauungen und seinen damit verknüpften Vorstellungen, welche im Höhlengleichnis als Höhle beschrieben wird heraus, und es kann Sprache finden, die gleichzeitig auf es selbst verweist aber auch über es hinaus führt. Sprach- und handlungsfähige Subjekte können sich nur aus dem Horizont ihrer jeweiligen Lebenswelt heraus auf Innerweltliches richten. [ ] Die lebensweltlichen Kontexte [ ] erschließen die Welt aus den Perspektiven sinnstiftender Traditionen und Gewohnheiten (Habermas, 2001, S. 23). Die Verknüpfungen der neuen Begriffe mit den bereits vorhandenen Begriffen ermöglichen Verständlichkeit und ein Licht geht auf. Mit der Eröffnung derartiger Lernräume steht und fällt Sinngebung und Motivation, aber es sind die inneren Bilder, die in Lernprozessen zunächst angesprochen werden müssen. Die daraus resultierende Motivation äußert sich gegenstands- und tätigkeitsbezogen und ist von positiven Gefühlen begleitet, da das Lernen als Handlung auf das Selbst zurückgeführt werden kann. Deci/Ryan sprechen von Autonomie und Kompetenz (vgl. Deci/Ryan zit. Nach Heckhausen & Heckhausen, 2010, S. 334), die zur der Empfindung hinzukommen und als solche ein extrinsisch motiviertes Verhalten mit der Absicht begleiten, positive Folgen durch eine Lernhandlung herbeizuführen oder negative Folgen zu vermeiden (vgl. Schiefele, 1988, S. 59). Im Höhlengleichnis, auf das ich an dieser Stelle schon vorgreifen will, sagt Sokrates, dass sich für die Gründer der Stadt die Aufgabe ergibt den besten Köpfen die Beschäftigung mit derjenigen Wissenschaft zur Pflicht zu machen, die wir im Vorhergehenden für die wichtigste erklärten, nämlich dass sie sich der Betrachtung des höchsten Gutes widmen und jenen Anstieg nach der Höhe vollziehen (Platon, Der Staat. Sechstes Buch, 1988 Bd. V ( v. Chr.), S. 276 f., 519 St.f.). Sokrates setzt sich zunächst dafür ein, dass helle Köpfe in die Wissenschaften eingewiesen werden, wir würden heute sagen, studieren sollen. Haben sie aber nach gelungenem Anstieg sich genügend damit bekannt gemacht, so dürfen wir ihnen nicht mehr erlauben, was ihnen jetzt erlaubt wird (ebd.). Wenn sie aber ihr Studium beendet haben, hat Sokrates etwas mit ihnen vor, was ihr Leben verändern wird

15 Glaukon. Was denn? Sokrates. Dort dauernd zu verweilen und sich zu weigern, wieder zurückzukehren zu jenen Gefesselten und teilzunehmen an ihren Mühsalen und Auszeichnungen, mögen diese nun von geringerem oder von höherem Wert sein (ebd.). Hier nun drückt Sokrates aus, dass die Studierten, die Wissenschaftler, die Lehrer in die Lebenswelten zurück gehen müssen, von denen sie sich durch Abstraktionsleistungen wie Eremiten durch ihre rein geistige Tätigkeit entfernt haben. Er beschreibt auch die Mühsal, die damit verbunden ist, sich erneut die Hände schmutzig machen zu müssen. Es wird verschiedenes ausgedrückt dadurch, nämlich erstens, dass es wichtig ist für den Menschen selbst mit den anderen Menschen in Kontakt zu stehen, statt alleine in seinem Elfenbeinturm der Erkenntnisse zu verweilen. Zweitens, dass es für den Menschen selbst wichtig ist, seine Erkenntnisse immer wieder mit dem Leben in Verbindung zu bringen, um sie zu verwirklichen und gegebenenfalls zu revidieren, um nicht stehen zu bleiben, sondern weiter zu wachsen. Drittens, um die Welt durch eigene gewonnene Erkenntnisse und Ideen zu bereichern und viertens, um Menschen aus ihrer Höhle ins Licht zu führen. Glaukon versteht das nicht ganz. Glaukon. Wie? Wir sollen ihnen also Unrecht zufügen und ihnen ein schlechteres Leben auferlegen, während sie doch ein besseres führen könnten? (ebd.). Die Frage ist sehr berechtigt. Denn es kann schmerzen, auf Ablehnung zu stoßen, wenn Menschen sich gar nicht für neue Erkenntnisse interessieren. Es kann auch unbequem sein, sich mit der harten Realität auseinandersetzen zu müssen, die in einem behüteten Elfenbeinturm des Wissens keinen Platz hat. Und Glaukon kann nicht ganz begreifen, wieso der Mensch nicht auf seinen geistigen Höhen bleiben kann. Sokrates. Es ist dir wohl entfallen, mein Lieber, dass unser Staatsgesetz nicht darauf abzielt, dass es einer Klasse im Staate besonders wohl ergehe, sondern dies Wohlergehen soll dem Staat als Ganzem zukommen; darauf wirkt das Gesetz hin, indem es die Bürger dazu bringt einander wechselseitig zugutekommen zu lassen, was ein jeder förderliches für das Gemeinwesen zu leisten vermag (ebd.). Hier entfaltet Sokrates mit wenigen Worten das Recht des Menschen auf Bildung und auf die Pflicht der bereits Gebildeten und deswegen Verantwortlichen, anderen Menschen über den Bildungsweg zur Befreiung und damit zu einem guten Leben zu verhelfen. Dem Anderen, als dem noch nicht Gebildeten zur Bildung zu verhelfen, bedeutet in dem Sinne insbesondere für Lehrer, sich vom Erkenntnislevel in die Lebenswelt des Kindes zu begeben, um den noch zu Bildenden nicht Erkenntnis überzustülpen, sondern ihn abzuholen aus seiner Lebenswelt, ihn zu fördern und mit ihm seinen Bildungsweg zu gehen, bis er selbst soweit ist, dass er sich die Fesseln abnehmen lässt und zur Erkenntnis, also zum Licht strebt. Deutlich wird dabei auch die soziale Dimension dieser Orientierung Sokrates die nicht nur an der Lebenswelt des Menschen interessiert ist, sondern Bildung für alle und das ausnahmslos als gesetzlich verankertes

16 Selbstverständnis markiert, ohne ein Wort über Inklusion oder Integration zu verlieren. Diejenige Bildung allein, die da strebt und die es wagt, sich allgemein zu machen und alle Menschen ohne Unterschied zu erfassen, ist ein wirklicher Bestandteil des Lebens und ist ihrer selbst sicher (Fichte, 1925 (1808), S. 199). Wie lange werden wir wohl noch brauchen, um zu verwirklichen, was Sokrates vor zwei Jahrtausenden und Fichte vor fast einem Jahrhundert schon vertraten? Beschreibung der vier Bereiche des Bildungswegmodells Sokrates skizziertes Bild hört sich linear an, allerdings beschreibt er das Verhältnis der Bereiche zueinander. Wenn er von zwei ungleichen Abschnitten spricht, ist davon auszugehen, dass sich diese Ungleichheit nicht nur auf den Inhalt, also das Denkbare und Sichtbare, sondern auch auf die Größe der Abschnitte bezieht. Und diese beiden ungleichen Abschnitte sind nach Maßgabe desselben Verhältnisses wieder aufgeteilt. Sokrates hat die Größenverhältnisse nicht beschrieben. Ich gehe aber davon aus, dass der Bereich des Denkbaren größer ist als der des Sichtbaren, denn der Bereich des Denkbaren geht über das Sichtbare hinaus. Wieso sage ich das so? Das Denkbare schließt das Sichtbare über die Begriffe mit ein. Das was man denkt, muss aber nicht sichtbar sein. In dem Sichtbaren ist andererseits ein Teil des Denkbaren als Idee eingebettet. Aber nicht alle Ideen realisieren sich und bleiben deswegen als Möglichkeiten nichtmaterialisiert, unverwirklicht, und das trifft auch zu, wenn der Mensch noch nicht so weit entwickelt ist und er mehr sieht und fühlt als denkt, wie z.b. am Anfang des Lebens. Mit fortgeschrittener Reife kann der Mensch mehr denken als sehen, das bedeutet, dass er sich zunehmend das Denkbare aneignet und wie auch Piaget bekundet, die Fähigkeit zum Abstrahieren erwirbt (vgl. Piaget, 2010 ( ), S. 73). Das subjektive Wachstum, welches damit verbunden ist, wird insbesondere in dem Entwicklungsmodell (Abb. 14) im Vergleich mit dem erweiterten Bildungswegmodell (Abb. 15) zu sehen sein. Wenn über das Denkbare gesprochen wird, wird aber nicht über die Fähigkeit gesprochen, sondern über den ganzen Bereich, sowohl der Erfahrung als auch der Erkenntnis. Das mehrdimensionale Bild ist dabei als Aktionsbild zu verstehen, aber zunächst beschreibe ich die Momentaufnahme, die wie ein Ausschnitt als festhaltendes Bild eines Filmes oder Theaterstückes zu betrachten ist. Sokrates hat eben keine starre, sondern eine bewegte und bewegende Wirklichkeit gemeint und diese stelle ich nun an der von mir aufgezeigten Stelle als Bildnis dar. Nach Sokrates im Sonnengleichnis zeigt eine Linie nach oben. Unten befindet sich das Ende, oben der Anfang. Wenn ich von einem prozesshaften Verlauf ausgehe, dann gibt es keinen Anfang und auch kein Ende, da die Bereiche nicht in einer Linie dargestellt sind, sondern als Flächen. Man kann aber durchaus am rechten oberen Quadranten das Voraussetzungslose als Anfang verorten und am linken unteren Quadranten die Voraussetzungen als Ende

17 Wie schon mitgeteilt, teilt die Linie zwei Bereiche, den sichtbaren Bereich und den denkbaren Bereich, die wiederum auch unterteilt sind in einen oberen Bereich des Voraussetzungslosen als Objektives und den unteren Bereich der Voraussetzungen als Subjektives. So ergeben sich vier miteinander zusammenhängende Bereiche. Wie man an der Abb. 7 erkennen kann, sind Welt des Seins und Erfahrungswelt gleich groß. Sie wachsen im Verhältnis miteinander. Es lässt sich von der Graphik dementsprechend ablesen: Die Welt des Seins spiegelt sich in der Welt der Erfahrung (deswegen die gleiche Größe). Sie kann auch als Lebenswelt des Menschen angesehen werden, die durch die Einbildungskraft nach Hegel als Objektives gesetzt wird. Somit kann sie nur so groß sein, wie die Erfahrungswelt des Menschen auch ist. In der Erfahrungswelt trifft sich durch Anschauung und Denken/Erkenntnis die Welt des Seins wieder, die quasi wie auseinandergefallen scheint, aber doch als Unmittelbarkeit alles in sich trägt, denn Erfahrung entsteht durch Anschauung und Denken, wie wir von Kant wissen (vgl. Kant I., 2010 (1781), S. 168). 1. Anschauungswelt: Ich fange mit meiner Beschreibung der Bereiche im linken unteren Bereich auf der Seite des Sichtbaren an. Hier finden wir die Bilder, Schatten, Abbilder als Spiegelungen. Es ist das Nachgebildete und Widergespiegelte des Seins, welches durch die Sinne wahrgenommen wird. Die Anschauungen dienen als Voraussetzungen für den rechten unteren Bereich der Erfahrung, der sich der sinnlichen Gegenstände durch die Abbilder bedient. Ontologisch betrachtet, tritt an die Stelle eines transzendentalen Idealismus, der das Ganze der erfahrbaren Gegenstände als eine Welt für uns, eben als erscheinende Welt konzipiert, ein interner Realismus. Demnach ist alles real, was in wahren Aussagen dargestellt werden kann (Habermas, 2001, S. 18). An die Stelle des Seins, das der Mensch wegen der exzentrischen Positionierung nicht unmittelbar erleben kann, tritt die Welt der Abbildungen, der Erscheinungen als vermittelte Wirklichkeit. Diese interpretierte Welt wird dennoch als real von dem Menschen erlebt. 2. Erfahrungswelt: Dieser Bereich des Denkbaren wird von der Seele so aufgesucht, dass er sich der Bilder des linken unteren Abschnitts bedient. Die Seele nutzt die Abbilder, indem sie sich darauf stützt, und formt daraus Meinungen als ersten Schritt im Gebiet des Gedachten. Die Meinung wird als subjektives Denken bezeichnet. Aus dieser Sicht verliert auch die Unterscheidung zwischen Erscheinung und Ding-an-sich ihren Sinn. Erfahrungen und Urteile sind nun mit einer realitätsbewältigenden Praxis rückgekoppelt. Sie stehen über das problemlösende, am Erfolg kontrollierte Handeln in Kontakt mit einer überraschenden Realität, die sich unserem Zugriff widersetzt oder eben mitspielt (Habermas, 2001, S. 18). Es sind zwei Richtungen, welche die Seele vom rechten unteren Bereich aus beschreitet; zum Einen bewegt sie sich im Erfahrungsbereich zurück zum Bereich

18 der sichtbaren Bilder als Abbilder, zum anderen folgt sie dem Bereich des Denkbaren in den Bereich der Erkenntnis und bildet Vorstellungen. 3. Erkenntniswelt: Die Erkenntniswelt ist im rechten oberen Bereich des Modells angesiedelt. Im zweiten Schritt des Gedachten versucht die Seele von den Vorstellungen zur Erkenntnis bis zum voraussetzungslosen Anfang zu gelangen, bewegt sich in Richtung des rechten oberen Bereichs, als zu dem Bereich der Ideen, die vom Voraussetzungslosen zeugen, wie die Strahlen von der Sonne. So kann der Verstand, indem er die Voraussetzungen nicht als unbedingt Erstes und Oberstes ansieht, sondern nur als Unterlagen, Stufen und als Aufgangsstützpunkte, zum Voraussetzungslosen durchdringen und Erkenntnisse gewinnen, die als objektives Denken bezeichnet werden. Dabei stützt sich die Seele lediglich auf reine Begriffe in ihrem gegenseitigen Zusammenhang durch die Macht der Dialektik. 4. Voraussetzungsloser Anfang, die Ideen: Die Ideen sind im rechten oberen Bereich auf der Seite des Denkbaren anzutreffen. Dort befindet sich der absolut voraussetzungslose Bereich, welcher als nichtbedingter Bereich auch alle nicht oder noch nicht verwirklichten Ideen als das absolut Mögliche, durch die Grenzenlosigkeit und Unbegrenztheit umfasst. Aus diesem Absoluten gehen die Ideen hervor, die nach Sokrates allem Sein zugrunde liegen. Andererseits werden durch die menschliche Erkenntnis auch Ideen geboren. In diesen Bereich versucht die Seele durch Vernunfttätigkeit hin zu gelangen, um dann wieder mit Hilfe von Begriffen in die Lebenswelt zurückzugehen. Die Idee ist das, was das Sein erschafft. 5. Welt des Seins: Auf der Seite des Sichtbaren befindet sich oben links in der Graphik die Welt des Seins. Es ist der Bereich der Gegenstände, die uns umgebende Tierwelt, das ganze Gewächsreich, jede Art von Erzeugnissen des menschlichen Kunstfleißes und alles das, wovon der Mensch sich Bilder macht. Dieser Bereich ist der sichtbaren Seite zugeordnet und ist der Ausgangspunkt für die Abbilder, die sich darunter im linken unteren Bereich befinden. Die Objektivität der Welt bedeutet, dass diese uns als eine für alle identische Welt gegeben ist (Habermas, 2001, S. 17). Zurück zur Lebenswelt mit dem konkret Begrifflichen bzw. dem begrifflich Konkreten Wenn der denkende Verstand den voraussetzungslosen Bereich wenigstens ansatzweise erfasst hat, kann er den spiralförmigen Weg auf einer höheren, weiterentwickelten Ebene über die Welt des Seins wieder herabsteigen 3 und dabei die Begriffe selbst in den Bereich des Konkreten bringen und somit das Konkrete nicht nur anschaulich, sondern begrifflich erfassen. Die Begriffe, die über 3 Das wieder Herabsteigen ist aber genauer betrachtet ein Hinaufsteigen zum Konkreten, wie in dem Kapitel 16.2 Aufsteigen vom Abstrakten zum Konkreten zurück zur Lebenswelt aufgezeigt wurde

19 den Dialog gewonnen werden, sind es, welche die Verbindung zwischen Erfahrung und Erkenntnis schaffen. 4 Die vier Farben haben keine Vorlage durch Sokrates, sondern wurden von mir eher intuitiv ausgesucht, obwohl sich dazu einiges überlegen lässt: Die Welt des Seins ist rot und entspricht dem Leben als dem Bewegten und dem Bewegenden in seiner ganzen Fülle. Die Anschauungswelt ist blau in der Farbe des Wassers, denn Sokrates spricht von Spiegelungen auf dem Wasser. Im griechischen Bühnenbild übrigens kommt der Mensch von links unten aus dem Wasser, dem Bild der Urmutter. Die Erfahrungswelt ist grün. Sie wächst als die Welt, die dem Menschen sozusagen seine Wurzeln als Geschichte gibt. Grün wird aus blau und gelb gemischt, Grundlagen der Erfahrung (grün) sind Anschauung (blau) und Denken (gelb). Adorno betrachtet den Inhalt von Erfahrung als ein Entstehen, in dem sich subjektive und objektive Momente gleichsam chemisch verbinden (vgl. Adorno, 1956, S. 81). Die Erkenntniswelt ist sonnengelb, weil sie an die Sonne angeschlossen ist, als das was bei Platon die Wahrheit, das Unendliche und Voraussetzungslose ist. Das Voraussetzungslose ist weiß, denn im Weiß sind alle anderen Farben enthalten. Die Farben fließen an den Bereichsübergängen ineinander. Dadurch wird die Verbindung zwischen den Bereichen sichtbar. 4 Sokrates: und wenn er ihn erfasst hat, an alles sich haltend, was mit ihm in Zusammenhang steht, wieder herabsteige ohne irgendwie das sinnlich Wahrnehmbare dabei mit zu verwenden, sondern nur die Begriffe selbst nach ihrem eigenen inneren Zusammenhang, und mit Begriffen auch abschließe (Platon, Der Staat. Sechstes Buch, 1988 Bd. V ( v. Chr.), S. 267 f., 511 St. f.). Bezug zum Sonnengleichnis wird deutlich

20 1.2.4 Begriffszuordnungen und Zusammenhänge zum Bildungswegmodell Ideen Bereich Voraussetzung Mittel Wirkung Absolutes, Voraussetzungslos es Öffnung, Dialog Inspiration, Durchdringung Welt des Seins Idee Unmittelbarkeit Seiendes Anschauungswelt Sein Sinne, Wahrnehmung Erfahrungswelt Anschauung, Wahrnehmung, Erlebnis, Ereignis Denken von Voraussetzung ausgehend Erkenntniswelt Erfahrung Reflexion, Begriffe, dialektisches Denken, Vernunfttätigkeit, Streben nach Voraussetzungslose m Abbilder, Widerspiegelunge n, Nachgebildetes Meinung, Vorstellung Allgemeines, Abstraktion, Begriffe, Objektives, Erkenntnisgewinn Abb. 8: Begriffszuordnungen und Zusammenhänge zum Bildungswegmodell

21 1.3 Das Bildungswegmodell Abb. 9: Das Bildungswegmodell Der sokratische Dialog als mäeutischer Kontext, wie wir ihn hier in dem Schaubild verdeutlicht sehen, bewegt sich auf einer Straße, die zu keinem Zeitpunkt in Objekt und Subjekt zerfällt. Denn der Dialog ist der Subjekt- Objektwelt immer vorgelagert, verweist über sie hinaus und relationiert das Subjektive und das Objektive bis zur Unkenntlichkeit durch die Beziehung, die sich in einem Dritten vollzieht, als dem sogenannten Zwischen bei Buber und der Grenze zwischen Wissen und Nichtwissen bei Sokrates. Das Neue, was sich dabei entfaltet, bedarf sozusagen der Anerkenntnis des Nichtwissens. Das, was sich auf dem Bildungsweg hier dargestellt als Bildungs- und Entwicklungsspirale abspielt, ergibt sich aus dem Sonnengleichnis von Sokrates. Wenngleich er nicht von einem Weg spricht, sondern von einer Linie zwischen den

22 Bereichen, spricht er doch von der Bewegung der Seele zwischen den Bereichen. Ich möchte an dieser Stelle nochmals das Bild von Nebel aufgreifen vom Spalt, der in jede Richtung führt als eine Helle, die gegeneinander abgesetzte Momente deutlich erfasst und eine Durchklärung zwischen Drinnen (als Subjektives und Voraussetzung) und Draußen (als Objektives und Voraussetzungsloses) möglich macht, die Bahnen der Existenz (Anschauung) sichtbar werden lässt und im Gedächtnis (durch die Begriffe) aufbewahrt und ein schnelles Hin und Her zwischen den Bereichen ermöglicht (Nebel, 1969, S. 87). Fichte spricht von einer Leiter im selben Sinne dass man auf jede Bestimmung des Bewusstseins wieder reflektieren, und ein neues Bewusstsein des ersten Bewusstseins erzeugen könne, dass man dadurch das unmittelbare Bewusstsein stets um eine Stufe höher rückt, und das erst verdunkelt, und zweifelhaft macht; und dass diese Leiter keine höchste Stufe hat (Fichte, 2008 (1800), S. 110 f.). Die zirkuläre linksdrehende Bildungs- und Entwicklungsspirale hat keine höchste Stufe, sondern nur einen voraussetzungslosen Anfang, in einem Raum aller Möglichkeiten. Begriffe als Vehikel transportieren durch den Dialog Bedeutungskonstitution und Symbolisierung von Welt und ermöglichen Sinnbildungsprozesse und Aneignung von Welt. Die Begriffe befinden sich auf der Spitze des Pfeiles der spiralförmigen Bildungs- und Entwicklungsspirale. Sie sind die Vehikel der Seele und sie können über den Dialog alle Bereiche des menschlichen Daseins, die als die vier Welten im Modell zu sehen sind, miteinander verbinden. Dieser Weg, innerer breiter Spalt nach Nebel, Leiter nach Fichte oder Sonnenstrahl nach Sokrates, stellt die Verbindung zwischen Inhalt und Form, Erfahrung und Erkenntnis, dem Konkreten und dem Allgemeinen her und leitet Sinnbildungs- und Aneignungs- und Änderungsprozesse in die Wege. Zwischen allen Bereichen gibt es Durchlässigkeit und Prozesshaftigkeit. 5 Begriffe stellen als wanderndes Verbindungselement die Brücke zwischen Anschauung und Abstraktion her und lassen Bildungsprozesse in ihrer Begründung wurzeln. Mit Hilfe der Dialektik im Sinne eines sokratisch argumentativ geführten Diskurses, in dem Widersprüche durchdacht, durchdrungen und willkommen geheißen werden, also dem vielfach besprochenen mäeutischen Kontext, kann Meinung durch Bezugnahme auf die Anschauungen überprüft und zu Erkenntnissen transformiert werden, um so von den Voraussetzungen zu dem Voraussetzungslosen, als dem Gültigen vorzudringen. Dabei geht der Weg der Seele immer wieder den Weg zurück zu den Voraussetzungen, bleibt reflexiv in Kontakt und in ständiger Überprüfung des Konkreten und Individuellen, ansonsten würde das, was Erkenntnis war, nur noch eine aufgeblasene Begriffswelt im Sinne 5 Im erweiterten Bildungswegmodell Abb. 5 in Kapitel wird der Spalt, die Leiter oder der sokratische Sonnenstrahl durch die Einzeichnung einer Entwicklungslinie vertieft verdeutlicht als hervorgehobener Aspekt der Bildungs- und Entwicklungsspirale. Vergleiche auch Kapitel Faktoren der Bildungs- und Entwicklungsspirale des Bildungsweges

23 toter Wörter Wygotski (vgl. Wygotski L. S., 1974, S. 109) darstellen und sich ohne Bezug zur Wirklichkeit im luftleeren Raum bewegen, somit zu einer bloßen Meinung regredieren. Selbst große Gelehrsamkeit kann nicht viel mehr wert sein als bloße Meinung, wenn sie ohne Bezug zur Wirklichkeit abgespalten bleibt. Das Hin- und Herbewegen der bewegten Seele dagegen kann nach Nebel wie eine frei fließende Energie angesehen werden (vgl. Nebel, 1969, S. 87), die es den Menschen gelingen lässt, statt fester dogmatischer Bilder ein bestimmendes Thema immer wieder in verschiedenen Variationen wie bei der Musik erklingen zu lassen. Wenn wir das in Verbindung bringen wollen mit einer mehrdimensionalen Bildungsidee als einem Musikstück, ist dieses Bildungs-Kunstwerk nie gleichförmig reproduzierbar, sondern nach Gesetz und Zufall (Aleatorik) operierend, immer wieder verschieden in seinen ästhetischen Resultaten, so wie es auch John Cage anregt. 6 Bei diesem Bildungswegmodell geht es somit nicht darum, immer nur im Wissendrang nach vorne zur Erkenntnis vor zu preschen, sondern darum, dem Prozess seine subjektive Zeit zu lassen, Pausen einzulegen oder wenn nötig zurückzugehen oder zu verweilen, um sich erschüttern zu lassen, zu spüren und zu schauen, was draußen und drinnen ist, sich inspirieren zu lassen durch Ideen und somit die ganze Fähigkeit des Menschen, kreativ zu spielen, zur Wirkung zu bringen, um im Spiel die scheinbar feststehenden Fakten neu zu bewegen. Das Besondere des Bildungswegmodells ist, dass es Entwicklungs- und Beziehungs- bzw. in gleicher Weise Begegnungs- und Bildungsgeschehen unter dem Primat des Dialogischen zusammenbindet. Die damit erreichte Qualität des Menschlichen sprengt wegen des forcierten Beziehungsbegriffs alle bisherigen Formen der Qualitätssicherung in der pädagogischen Praxis und macht diese bewertbar als instrumentell reduktionistisch und unter dem Gesichtspunkt Beziehungsqualität zu hundert Prozent unbrauchbar. Bei diesem Ansatz geht es grundsätzlich um einen Grundsatzwechsel, der von Arbeiten wie von Krawitz Pädagogik statt Therapie (vgl. Krawitz, 1997) bereits vorgezeichnet wurde. Im Hinblick auf den Grundsatzwechsel bleibt zu erwähnen, dass die Untersuchungen von Kuhn Die Struktur wissenschaftlicher Revolution gezeigt haben, dass der Grundsatzwechsel in den Naturwissenschaften nicht aus der formalen Struktur der Logik der Forschung, sondern aus historischen Konventionen, die im Subjektiven wurzelten, entstanden sind (vgl. Kuhn, 1973, passim). Die Seele, von der Sokrates spricht, die körperliche Verfassung der Subjekte und die sozialen Bedeutungen von beidem gehen nicht nur bis in die individuellen Bildungsgeschichten hinein, sondern sind grundlegend. Wenn ein verbindender Grund des Seins und des Seienden fehlt oder auseinander fällt, imponiert 6 John Cage gilt als Schlüsselfigur der Fluxusbewegung und Improvisationsmusik, insbesondere der Alleathorik, einer Musik, die das Verhältnis von Gesetz und Zufall sehr ernst nimmt (vgl. Metzger, 2012)

24 bestenfalls beim einzelnen Individuum eine melancholische Sammlung von Eigenschaften, denen ein verbindender Grund des Seins und des Seienden fehlt (vgl. Illich, 2007, passim). Subjektivität ist somit die Grundlage so paradox das erscheinen mag der Objektivität, nach welcher der zu Bildende und der ihm zur Seite Stehende strebt. Erklärung ist demnach eine Klärung der allgemeinen Bedeutung für denjenigen, welcher auf der Suche nach Sinn verstehen will. Das Bemühen um Verstehen wird durch die Suche nach Sinn aufrechterhalten. Somit kann Verstehen als Sinnerleben bezeichnet werden, als ein emotional positiv getöntes Erleben eines kognitiven Prozesses (vgl. Vollstedt & Vorhölter, 2008, S. 25 ff.). Dabei kann Erleben von Sinn zwar durch entsprechende Angebote initiiert werden, ist aber nicht planbar, da nur das Subjekt selbst Sinn erleben kann

25 1.4 Der Deduktions-Induktions-Kreislauf im Bildungswegmodell Abb. 10:Der Deduktions-Induktions-Kreislauf im Bildungswegmodell

26 In diesem Kapitel nehme ich den schon in Abb. 5 aufgezeigten sokratischen Kreislauf zwischen Deduktion und Induktion 7 in das Bildungswegmodell auf. Die genauen Erläuterungen zu Abb. 5 liegen bereits in dem Kapitel Beschreibung der vier Bereiche des Bildungswegmodells vor, so dass ich sie hier nicht mehr erläutern brauche. Der Bezug zwischen hypothesenüberprüfender und hypothesengenerierender Methode wurde deutlich, wie auch die Gefahr des Auseinanderreißens der sich gegenüberliegenden Seiten des Konkreten als Besonderes und des Allgemeinen, durch das Spannungsfeld, das sich aus dem dialektischen Gehalt des Prozesses ergibt. Das Ich werde am Du Bubers (vgl. Buber, 1965, S. 84) gilt nicht nur im ganz persönlichen Bereich zwischen Subjekt und Objekt, sondern auch in der Welt der Wissenschaft im Hinblick z.b. auf Deduktions- und Induktionsprozesse. In Bezug auf Bildung heißt Deduktion im eigentlichen Modus, Überprüfung von Hypothesen mit der Folge von Anwendung oder Nichtanwendung des bereits so vielfältig vorliegenden Wissens, um dadurch unreflektiertes und nicht haltbares Wissen auszuschließen. Zum Selbstverständnis jedes Lernprozesses sollte demnach bereits vorliegendes Wissen durch die Reflexion modifiziert bzw. interiorisiert werden durch die eigenen Erfahrungen oder Anwendungen des Lernenden. Daraus erfolgt dann, dass der Lernende, indem er induktiv Schlussfolgerungen zieht, Erkenntnisse gewinnt, die allgemeine Gültigkeit haben können, unabhängig von eigenen subjektiven Erfahrungen. Somit taucht der Lernende sowohl deduktiv als auch induktiv in den Bildungsweg ein, der bereits in Abb. 9 aufgezeigt wurde und der in Abb. 15 erweitert wird. Zur Zeit Sokrates standen die Sophisten auf der Seite der Phänomene, des Scheins. Von Hentig nennt sie die Rationalisten, Empiriker, die Positivisten, die Demokraten und die stärkste Meinungsmacht. Deswegen war ein Kernsatz der sokratischen Denk- und Lebensweise Das nicht geprüfte Leben ist nicht lebenswert (vgl. Platon, Apologie, 1988 Bd. I ( v. Chr.), S. 57, 38 St.) und bezeugte das absolute Gegenteil der Despotie der einen Wahrheit. Denn alles, was wir wahrnehmen, steht in Bezug auf etwas, denn die Sinne können uns nicht sagen, wie etwas an sich ist als das unmittelbare Sein. Um uns aber vor der unreflektierten Setzung des Unendlichen zu behüten, setzt die Deduktion den Nachweis des subjektiven Charakters der Kategorie voraus (vgl. Adorno, 1956, S. 38). Adorno warnt also vor der unreflektierten Übernahme des Wissens und des Allgemeingültigen und betont, dass, bevor es subjektiv Anerkennung finden darf, es zuerst auf seine Gültigkeit überprüft werden muss (vgl. ebd.). 7 In dem Kapitel Der sokratische Kreislauf als Zusammenspiel zwischen Deduktion und Induktion Abb. 5, habe ich das Deduktions-Induktions-Modell bereits ausführlich beschrieben

27 Aber wer überzeugt ist, dass es die Wahrheit nicht gibt, wird nicht nach ihr suchen, andererseits, wer diese voraussetzt, kann in gefährlicher Gewissheit enden. Bei Sokrates finden wir beides, Eine Widerlegung des Skeptizismus und ein Erkenntnis-Verfahren, das uns verwehrt, mit schlechterem als Wahrheit vorliebzunehmen (Hentig, 2003, S. 51). Sokrates setzt an Stelle der sich gegenseitig relativierenden oder aufhebenden Behauptungen, die sich für Wahrheit halten, die Suche nach Wahrheit und dem Allgemeingültigen, als ständige dialektische Annäherung an diese, obwohl sie nicht zum Ziel kommt bzw. kommen kann. Somit stellt sich die Suche nach Erkenntnis entsprechend von sokratisch angewandter Deduktion und Induktion in Verbindung mit dem Bildungsweg, als Kreislauf dar zwischen dem Konkreten auf das wir uns beziehen wie Sokrates zu dem allgemein Gültigen, wenn wir unseren Fokus erweitern; was aber dann zum Dogma würde, wenn es nicht wiederum an der Lebenswelt überprüft würde. Objekt und Subjekt stehen dabei immer miteinander in Wechselbeziehung und Gegenseitigkeit. Das Wesen der Erkenntnis ist der Dialog und nicht die von einer autonomen Subjektivität ausgehende begreifende Beherrschung des Objekts (vgl. Gadamer, 1996, S. 96). Dabei bleiben wir aber nicht an einer Stelle stehen, sondern bewegen uns wie beim hermeneutischen Zirkel immer eine Stufe weiter, die dennoch immer wieder in Frage gestellt werden muss, um Stillstand zu vermeiden und Erkenntnisse zu gewinnen. Es handelt sich also bei dem Deduktions-Induktions-Kreislauf, der dem mäeutischen Bildungsweg entspricht, um ein prozesshaftes Geschehen, und nicht mehr, wie bei dem Entwicklungsgradmesser der ersten Skizze Abb. 6, um eine Linearität

28 2. Pädagogische und therapeutische Transformationsarbeit Bildung und Heilung entlang des Höhlengleichnisses Wenn gewöhnlich die Erkenntnisse der Wissenschaften in Sätzen ausgesprochen, dem Menschen als greifbare Ergebnisse zur Verwendung vorgesetzt werden, ist die Lehre eines Denkers das in seinem Sagen Ungesagte, dem der Mensch ausgesetzt wird, auf dass er dafür sich verschwende. Damit wir das Ungesagte eines Denkers, welcher Art es auch sei, erfahren und inskünftig wissen können, müssen wir sein Gesagtes bedenken (Heidegger, 1997 ( ), S. 5). In dem Sinne liegt in allen Gleichnissen ein Geheimnis zugrunde, welches es hermeneutisch zu entziffern gilt, so auch in dem Höhlengleichnis von Sokrates. Das Gleichnis weist dabei viele verschiedene Ebenen, Dimensionen und Facetten auf, von denen ich nur einige aufgreifen werde, weil sie entweder im Kontext meiner Arbeit liegen oder als Grundlage meines Entwurfes mäeutischer Transformationsarbeit dienen. Dabei gehe ich entlang des Höhlengleichnisses an vielen Stellen den Weg der Abduktion, den Peirce beschreibt (Peirce C. S., 1983, S. 95) Stufenweise geht ein Licht auf Wie sokratisches Denken in unserer heutigen Bildungslandschaft Anwendung finden kann, wurde bereits durch das Bildungswegmodell klar, welches ich aus dem Sonnengleichnis entwickelt habe. Im Folgenden nun werde ich mich mit Sokrates Höhlengleichnis beschäftigen, welches wohl bekannter ist als das Sonnengleichnis und dabei aber weiter auf das Bildungswegmodell zurückgreifen, dieses nach jeweiligem Bedarf modifizierend. Sokrates macht kein Geheimnis daraus, wozu er das Höhlengleichnis darstellt. Er will Glaukon 9 den Unterschied zwischen Menschen, die im Besitz der vollen Bildung sind und solchen, denen es daran mangelt, klar machen. Sokrates. Nächstdem mache dir nun an folgendem Gleichnis den Unterschied des Zustandes klar, in dem sich unsere Natur befindet, wenn sie im Besitze der vollen Bildung ist und anderseits, wenn sie derselben ermangelt (Platon, Der Staat. Siebentes Buch, 1988 Bd. V ( v. Chr.), S. 269, 514 St.). Daraus lässt sich schließen, wie auch Picht es tut, dass Bildung und Bildungslosigkeit bei Platon mit dem Wesen des Menschen untrennbar verknüpft ist. Picht schreibt, dass wir das Wesen des Menschen nur zu Gesicht bekommen, wenn wir es unter diesem Hinblick anschauen (vgl. Picht, 1996, S. 43). Was das aber genau bedeutet, werden wir uns durch die Beschäftigung mit dem Höhlengleichnis erschließen. 8 Abduktion wird in dem Kapitel Das Wesen der Erkenntnis als Verknüpfungszusammenhang von Inhalt und Form beschrieben. 9 Interessanterweise ist Glaukom heute ja als Grüner Star mit einem Sehproblem verbunden. Konnte es Sokrates gelingen, dem Glaukon die Augen zu öffnen? 28

29 Platons sokratisches Höhlengleichnis unterscheidet drei Hauptperioden. Als Frühzeit benennt Gundert die Zeit, in welcher die Gesprächspartner noch in der Höhle gefangen sind. Die Mitteldialoge entwickeln vor Freunden den Entwurf philosophischen Lebens mit offenem Ausblick auf das Ziel. Die Spätdialoge betreffen die dialektische Arbeit selbst mit Schülern, die schon mitten im Lernen sind. Allen Dialogen gemeinsam ist die Art, wie der Gesprächsführer sich auf genau das einlässt, was der Andere begreifen kann (vgl. Gundert, 1971, S. 8). Für den Lehrer heißt das, das jeweils aktuelle Einzelne für den Lernenden in Stufen zu verpacken, die den Schüler zu einem noch unbekannten komplizierteren Ganzen führen können. Dabei geht es nicht um eine Erledigungsmaschinerie, die Wagenschein bemängelt, sondern darum, Sinn zu haben für den werdenden, erwachenden Geist des Kindes und ebenfalls für das Fach, dass sich am und mit dem Kind entwickeln kann. Dabei verfällt der Lehrer oft in den Fehler, unbekannte, aber schon auf ihm und somit auch auf dem Schüler lastende Wissens-Stockwerke durch Hast und Ungründlichkeit erklimmen zu wollen. Und so verstopft der Lehrer durch additive Bildungsvorhaben den Durchblick oder der Schüler wird verblendet. Wenn der Weg aus der Höhle ins Licht zu hastig geschieht, kann dieser nichts mehr oder nur sehr schwer etwas erkennen. Pädagogik hat wie bei Sokrates mit dem Werdenden zu tun, dem werdenden Menschen und dem werdenden Wissen in ihm, welches Verweildauer benötigt. Sokrates pädagogische Größe liegt darin, dass der Schüler auf den Weg des Selbstdenkens geführt wird, statt in die Verblendung. Dabei wird jede notwendige Station des Lernens von Plattform zu Plattform ohne Hektik durchleuchtet, wobei dem Schüler gleichsam ein Licht aufgeht (vgl. Wagenschein, 1982, S. 9 f.). Alles hängt von der Kunst ab, die Schüler auf sich zu stellen, ohne dass sie dadurch allein gehen, um so die Selbständigkeit zu entwickeln, eines Tages das Alleingehen zu wagen (vgl. Nelson, 1931, S. 140) Die Höhle Wohnstätte der mit Leib und Seele Gefesselten Sokrates beschreibt die Wohnstätte der Gefesselten: Stelle dir Menschen vor in einer unterirdischen Wohnstätte mit lang nach aufwärts gestrecktem Eingang, entsprechend der Ausdehnung der Höhle; von Kind auf sind sie in dieser Höhle festgebannt mit Fesseln an Schenkeln und Hals; sie bleiben also immer an der nämlichen Stelle und sehen nur geradeaus vor sich hin, durch die Fesseln gehindert, ihren Kopf herumzubewegen; von oben her aber aus der Ferne von rückwärts leuchtet ihnen ein Feuerschein (Platon, Der Staat. Siebentes Buch, 1988 Bd. V ( v. Chr.), S. 267, 514 St.). Wenn die gefesselten Menschen ein Bild für uns als wirkliche Menschen sind, muss die Höhle das sein, was wir als unsere Behausung ansehen, als den sichtbaren Kosmos und als das, was wir unter der Welt verstehen. Platon unterscheidet nach Picht den sinnlich sichtbaren Bereich der Abbilder, von dem nur mit dem Auge des Geistes zu schauenden Bereich. In philosophischer Tradition 29

30 wird dieser Gegensatz ausgedrückt als mundus sensibilis zum mundus intelligibilis (vgl. Picht, 1996, S. 48). Das Feuer, welches hinter den Gefangenen brennt, gilt als Bild für die mit unseren Sinnen wahrnehmbare Sonne, nicht die Sonne selbst. Man könnte auch sagen, das Feuer entspricht dem, was wir kulturell herstellen. Demgegenüber ist das Tageslicht, welches durch die obere Höhlenöffnung fällt, das Licht der intelligiblen Welt also der Wahrheit, die durch die Sonne im Gleichnis dargestellt wird. Das Licht der Wahrheit ist nicht die Wahrheit selbst. Das Tageslicht entspricht somit dem Sein, von dem wir uns Abbilder machen und welches durch die dahinterliegende Sonne erst erscheinen kann. Sokrates erschließt uns selber, was mit Wohnstätte der Gefesselten und dem Lichtschein des Feuers gemeint ist: Die durch das Gesicht uns erscheinende Raumwelt setze der Wohnstätte der Gefesselten gleich, den Lichtschein des Feuers aber in ihr der Kraft der Sonne (Platon, Der Staat. Siebentes Buch, 1988 Bd. V ( v. Chr.), S. 273, 517 St.). Wenn Sokrates von Gesicht spricht, meint er unsere Sinne, die uns die Welt durch unsere Anschauung erscheinen lassen. Das Höhlenfeuer ist zwar nur ein künstliches Feuer, von Menschen angefertigt, aber auch das zeigt nach Sokrates schon als Kultur die Kraft der Sonne, der Natur. Die Sonne ist das Bild für das, was alle Ideen sichtbar macht, ist im Gleichnis ein Symbol der Idee aller Ideen und sowohl bei Heidegger als auch bei Picht das Gleichnis für das Gute. Von der Sonne kommt her, was zu sehen ist; vom Guten kommt her, was zu denken ist, und das Gute ist nicht eingeschränkt auf den Bereich des Denkbaren (Tödt, 1987, S. 9). Zuerst nimmt der Mensch mit seinen Sinnen wahr, dann ordnet er denkend ein, nimmt fortan anders wahr als bislang, durchdenkt es wieder und so bedingen sich das Sichtbare und Denkbare gegenseitig und beides ist das Gute. Was sich mir also als richtig darstellt, ist dies: in dem Gebiete des Denkbaren zeigt sich zuletzt und schwer erkennbar, die Idee des Guten; hat sie sich aber einmal gezeigt, so muss sich bei einiger Überlegung ergeben, dass sie für alle die Urheberin alles Rechten und Guten ist, indem sie im Sichtbaren das Licht und den Quell und Herrn desselben (die Sonne) erzeugt, in dem Denkbaren aber selbst als Herrscherin waltend uns zu Wahrheit und Vernunft verhilft, so dass also diese Idee erkannt haben muss, wer einsichtig handeln will, sei es in persönlichen oder in öffentlichen Angelegenheiten (Platon, Der Staat. Siebentes Buch, 1988 Bd. V ( v. Chr.), S. 273, 517 St.). Sokrates hält Ideen für die Quelle des Sichtbaren. Der Bereich der Ideen als das Licht der Sonne nicht die Sonne selbst lässt den Bereich des Sichtbaren sehen und verhilft im Bereich des Denkbaren zur Vernunft und Einsicht. Die Idee ist nach Koch/Oberauer die Wahrheit als Selbstdarstellung (vgl. Koch & Oberauer, 2003, S. 165). Ideen bedeuten nicht nur bloße Gedankengebilde, sondern Wirkliches selbst, was sich im Sein manifestiert. Demnach stellen sich Ideen wie Strahlen der Sonne dar. Die Sonne selbst stellt somit das Absolute, Umfassende und Voraussetzungslose dar. Die platonische Idee ist das Original und der Ursprung des Dinges; sie ist das Verständige am Ding, der Vernunftgrund seines Daseins; das feste unterstützende Prinzip, kraft dessen 30

31 es existiert. Sie ist die dem Ding innewohnende und es zum Guten bestimmende Kraft, sein Ideal, seine Vollendung (Popper, 1957 (1945), S. 53). Sokrates hat zwar vor die Idee noch das Voraussetzungslose gesetzt, aber durch die Idee sieht er alles Sein als Sichtbares begründet. Wir kommen zurück zu dem Bild des Menschen als Gefangenem in einem Aufenthaltsbereich, der Höhle genannt wird. Nach Heidegger stellt das Höhlengewölbe das Himmelsgewölbe dar. Die Menschen sind an die Erde Gebundene und was sie angeht und interessiert, ist für sie das Wirkliche, das Seiende selbst, auch wenn es sich nur als Schein wahrnehmen lässt. In der Höhle finden sie ihre verlässliche Welt, fühlen sich in ihr zu Hause und merken nichts von ihrem Schattendasein (vgl. Heidegger, 1997 ( ), S. 15 f.). Die Höhle erscheint mir wie der Lebensraum der Möglichkeiten bzw. Unmöglichkeiten, in denen Menschen sich befinden, und die sie entweder selber erschaffen haben oder in welcher sie gezwungenermaßen leben. Die Gefangenen werden als unbeweglich dargestellt, weil sie auf denselben Sitz gefesselt sind. Dennoch schildert nach Picht das Gleichnis den Verkehr unter den Gefangenen als das Getümmel eines ständigen Wettstreites (vgl. Picht, 1996, S. 48). Doch bei allem Hin und Her der Politik und der Geschäfte sind die Menschen dennoch unbeweglich in Bezug zu dem, was sie für die Wirklichkeit halten, können ihre Einstellung nicht ändern und sich nicht umkehren. So bleibt ihnen trotz all ihrer Betriebsamkeit jene Bewegung versagt, die nach Platons Lehre die Grundbewegung der Seele, also das Leben ist. Das Leben der Seele ist ihre Fähigkeit, sich selbst zu bewegen (ebd., S. 49). Wenn die Seele sich aber an einem Ort aufhält, der diese Fähigkeit fesselt, dann kann der Aufenthalt nach Picht mit dem Reich der Toten verglichen werden. Der Zustand des Todes ist dabei ein Synonym für die entstandene Unbeweglichkeit der Seele. Picht führt deswegen aus, dass die unterirdische Höhle für die Griechen ein Bild sein könnte für das Reich der Toten (vgl. Picht, 1996, S. 48) und zitiert Euripides. 10 : Wer aber weiß, ob nicht das Leben Totsein ist, das Totsein aber Leben. 11 Auch wir sind ja in Wahrheit vielleicht tot. Ich habe nämlich auch schon einmal von einem Weisen gehört, dass unser Leib ein Grabhügel ist usw. (Euripides zit. in ebd., S. 47). 12 Die 10 Dieses Zitat des Euripides weist auf eine religiöse Kultur einer bestimmten griechischen Richtung hin, nach der die Ansicht existierte, dass die Seele im Körper als Gefängnis Buße tun muss (vgl. Picht, 1996, S. 48). 11 Beim Lesen des Textes drängt sich die Frage auf, ob nicht genau das, was heute exzessiv als Lebensschauplätze (Disko, Warenhäuser, Internet etc.) ausgerichtet wird, in Wirklichkeit Todesschauplätze sind, die den Menschen in die Fremdbestimmung, Entfremdung von sich selbst und Bewegungslosigkeit im Sinne der unbewegten Seele führen. 12 Klingt hier so etwas wie Todessehnsucht mit? Es erinnert jedenfalls an Freud, der den Todestrieb als ein Streben des Menschen der Zurückführung des Lebens in den anorganischen Zustand des Unbelebten, der Starre und des Todes ansah (Freud S., 2010 (1920), passim). 31

32 Metapher Grabhügel im Zitat weist auf einen Grenzbereich der Seele hin, die sich schon bei lebendigem Leib tot fühlen kann. Ist hier von Zombies oder Untoten die Rede, die nicht mehr wissen, ob das Leben Totsein ist oder ob das Totsein Leben ist? Viele Menschen fühlen sich heute tatsächlich halbtot und die Ursachen sind vielfältig. 13 Wenn der Leib als Grabhügel dargestellt wird, gewinnt man den Eindruck einer Gespaltenheit zwischen der Seele und dem Körper. Wodurch aber vollzieht sich Spaltung, wenn man davon ausgeht, dass Körper und Seele bei einem gesunden Mensch eine Einheit bilden? Ich gehe davon aus, dass die Spaltung sich erst in dem Augenblick vollzieht, wenn es den unterirdischen Kräften die als ein Symbol des Unbewussten und Abgespaltenen, als Schattengestalten gelten können, gelingt, - den Körper zu entseelen und abzuspalten, weil die Kräfte des Todes, 14 die Kräfte der Trennung bedeuten. Dann fühlt sich der Körper wie ein Grabhügel an nämlich dem Tode nahe leblos, der Seele beraubt wie ein Zombie und gefangen in sich selbst. Die Seele aber fühlt sich ebenfalls gefangen, weil sie ihrer Handlungsfähigkeit beraubt ist ohne ihren Körper. Unsere Kultur bietet die beste Bühne für derartige Dramen, die teilweise bewusst inszeniert werden von handfesten Wirtschaftsinteressen wenn auch unterschwellig so, dass alles unsichtbar im Dunklen und Unterirdischen bleiben kann in Menschen, die nur noch Schatten ihrer selbst sind. Von Benedetti werden Schattenlandschaften auch Todeslandschaften genannt (vgl. Benedetti, 2003, passim). Anteile und Fähigkeiten von Menschen erscheinen dabei ungelebt, unbelebt und wie tot. Körper, Seele als auch der Verstand und soziale Fähigkeiten spielen zusammen, d.h. aber nicht, dass die Auswirkungen von Unbelebtheit immer alle Bereiche des Menschen gleichermaßen als Störung betreffen. Die menschlichen Seinsbereiche und Fähigkeiten wirken als System eher so zusammen, dass der Mensch sich in der Welt trotz seiner Schatten zurecht finden kann, wie an dem Beispiel Blindheit deutlich wird. Ein Blinder entwickelt oft ein ausgesprochen feines Tastempfinden und Hörvermögen. So kann es z.b. auch sein, dass ein Kind aufgrund einer Notsituation eine überdurchschnittliche Intelligenz entwickelt eben aus einer Überlebensstrategie heraus. Für die unterirdische Höhle, die nach Picht als das Reich der Toten nach Picht benannt wird, bevorzuge ich den Ausdruck Reich der Schatten. Dieser Ausdruck bezieht sich sowohl auf die äußere Höhle im Sinne Heideggers als die Lebenswelt des Menschen als auch auf die innere Höhle als Seelenlandschaft. C. G. Jung hat wohl das Höhlengleichnis vor Augen gehabt, wenn er den Schatten als das Gegenstück der Persona darstellt. Nach ihm steht der Schatten für sozial- 13 Wo dafür Wurzeln zu suchen sein können, habe ich schon in Kapitel Aufsteigen vom Allgemeinen zum Konkreten Anwendung für Bildungsprozesse bezugnehmend auf Buber ausgeführt. 14 Die Kräfte des Todes sind vielfältig in unserer Zeit. Angefangen von Traumen, die Menschen erleben bis hin zu Entfremdungsprozessen, Konsumorientierung, Süchte, den Körper nur noch von außen betrachten und behandeln, Isolierung usw. 32

33 unerwünschte und von daher unterdrückte, negativ empfundene Züge der Persönlichkeit, die in das Unbewusste abgeschoben werden, weil sie gesellschaftlich unerwünscht sind. In dem Sinne ist der Schatten alles das, was der Mensch auch ist, aber auf keinen Fall sein will (Jung, 2011, S. passim). 15 Schatten sind unter dem Fokus von Jung also als abgespaltene Anteile von gesellschaftlich unerwünschten Verhaltensweisen zu betrachten und gehören somit der Schattenlandschaft der Seele an, wiewohl sie auch einen gesellschaftlichen Aspekt aufzeigen. Schattenarbeit bedeutet, sich mit seinen inneren Schatten zu beschäftigen. Das werden wir später, in Verbindung mit mäeutischer Transformationsarbeit noch besprechen. Im uns bekannten Höhlengleichnis geht es vorerst darum, dass der Mensch seine Schatten durch seine ihm angelegten Fesseln für die Wirklichkeit hält, weil es keine Vergleichbarkeit gibt und er sich deswegen von ihnen in einen Abgrund ziehen lassen kann, aber auch, dass er Befreiung von seinen Fesseln benötigt, um seine Lebenswirklichkeit zu entfalten und persona zu werden. Doch dazu gehört auch, sich mit gesellschaftlichen Fesseln zu beschäftigen, durch die veranlasst wird, dass es Schatten gibt. Um sich zur persona entwickeln zu können, müssen die Schatten angeschaut werden, denn sie sind es, die die Lebenswirklichkeit mitbestimmen. Als Fessel kann aber auch bezeichnet werden, dass der sichere Tod über jedem Menschen wie ein Damoklesschwert schwebt, von dem es kein Entkommen gibt. Das psychische Unterirdische bzw. Unbewusste des Menschen ist angesichts des Sterbenmüssens durch Verunsicherungen gekennzeichnet, die den Menschen oft an der falschen Stelle nach einem Ausweg suchen lassen. Der Begriff Pichts unterirdisch drückt aus, dass es eine Unterwelt gibt, die unsichtbar, aber dennoch immer unterschwellig und unberechenbar präsent ist, weil es nicht nur ein Wissen darüber gibt, dass der Körper sterblich ist, sondern auch weil lebensfeindliche Praktiken, Menschen in den Sog ziehen können. Unter dem Hügel als Ausdruck für den Körper, befindet sich ein Grab. Das Grab ist nicht direkt sichtbar, sondern gut versteckt. Und so versucht sich die Seele über alle unterschwelligen Ängste gegenüber Unberechenbarkeit und drohender Unbeweglichkeit zu erheben und das Leben mit und durch den Körper, oft durch Funktionalisierung des schönen Hügels, irgendwie einzurichten. Doch wie schafft es der Mensch, angesichts des drohenden Sterbens, sich lebendig zu fühlen und mit der eigenen Lebenssubstanz zu verbinden? Heinrich von Kleist hat dazu ein sehr passendes Gedicht geschrieben, das trotz des Lebensgefühls der Unsicherheit und der Verunsicherung, eine erstaunliche Heiterkeit ausdrückt: 15 In Bezug auf die Schattenwelt des Höhlengleichnisses könnte über die Schatten Jungs, mit Sicherheit ein neues Buch geschrieben werden. In diesem Kapitel soll es aber nicht in erster Linie um die Persönlichkeitsanteile gehen, die ein Schattendasein im Unbewussten führen, wenngleich diese auch wenigstens als Hintergrundwissen - mit Berücksichtigung finden. Die Schattenarbeit findet im Hauptkapitel 17.5 Ein Entwurf mäeutischer Transformationsarbeit Vertiefung. 33

34 Ich komme, ich weiß nicht, von wo? Ich bin, ich weiß nicht, was? Ich fahre, ich weiß nicht, wohin? Mich wundert, dass ich so fröhlich bin" (Kleist, 2002 (1802)) Unser Leben ist begrenzt und der Körper ist sterblich. Was danach kommt, kann niemand mit Sicherheit sagen, auch wenn es darüber vielfältige Überzeugungen gibt. Ich fahre, ich weiß nicht, wohin? drückt das aus. So kann die Aussage: von einem Weisen gehört, dass unser Leib ein Grabhügel ist, so interpretiert werden, dass es weise ist für den Menschen, sich bewusst zu machen, dass sich der Körper wie ein Hügel über einem Grab befindet, in dem er irgendwann liegen wird. Dieser Gedanke löst aber bei vielen Menschen manchmal auch unbewusste Verdrängungsmechanismen aus. Nach Buber gilt, - wie schon an anderer Stelle besprochen, dass nur die mit ihrer Lebenssubstanz Verwirklichenden neue lebensfähige Wirklichkeit stiften (Buber, 1962 Bd. 1, S. 814). Sich irgendwie im Leben einzurichten mit Hilfe unserer bestehenden Verdrängungskultur, ist aber nicht damit gemeint. Die Hör- und Schausüchtigen sind jene, die sich vom schönen Schein hinreißen lassen und nur dem nachjagen, was den schönen Schein erzeugt (Picht, 1996, S. 50). 16 Buber spricht ebenfalls davon, dass Menschen mit einem Trupp mitmarschieren und sieht dabei die Gefahr der Täuschung (Buber, 1962 Bd. 1, S. 814). Sich mit dem eigenen Tod zu beschäftigen, statt im Takt einer Verdrängungskultur mit zu marschieren, gilt als weise, und schließt nicht aus, sondern ermöglicht es sogar, das Leben substantiell zu schützen, zu bewahren und zu entfalten. Dabei alle erdenkliche Unterstützung zu geben, ist mit Sicherheit Aufgabe von Pädagogen insbesondere in der Schule, aber auch von Therapeuten und im weitesten Sinne von allen, die im Umgang mit Menschen mäeutisch wirksam werden können, die eigene Lebenssubstanz zur Welt zu bringen. Euripides, auf den sich das vorhergehende Zitat Pichts bezieht, hat vor Sokrates gelebt, kann diesen also nicht gemeint haben, wenn er von einem Weisen spricht. Aber Sokrates scheint die Aussage über den Grabhügel auch zu kennen, denn im Kratylos äußert sich Sokrates zu solchen, die den Leib als ein Grabmal betrachten, scheint sich aber davon kritisch zu distanzieren. Denn einige erklären den Leib für ein Grabmal der Seele, als läge sie während ihres jetzigen Lebens im Grabe. Und weil die Seele durch ihn, den Leib, kundgibt, was sie kund zu geben hat, so werde er auch aus diesem Grunde mit Recht [ ] (Zeichen, Kundgebung) genannt. [ ] Der 16 In der heutigen Zeit drückt sich der schöne Schein durch den Körper- und Fitnesskult aus, in dessen Bann Beauty-Stars gefeiert werden und alles dafür subtil und unter falschen Vorzeichen getan wird, den Körper als Objekt abzuspalten. Unter dem Vorwand, ihn zu hegen und zu pflegen, wird die Kauflust von Menschen angetrieben, von der ein riesiger Wirtschaftszweig profitiert. 34

35 Leib aber sei eine sie festhaltende Umwallung, gleichsam ein Gefängnis, um darin bewahrt zu werden (Platon, Kratylos, 1988 Bd. II ( v. Chr.), S. 65). Der Begriff Grabmal ist nicht gleichbedeutend mit Grab, aber er steht dem Grab sehr nahe ist sozusagen wie ein Gedenkstein des Sterbens. Das heißt, wenn von Grabmal gesprochen wird bezüglich unseres Körpers, kann damit ausgedrückt werden, dass der Körper dem Tode immer ziemlich nahe ist, sich ständig in Gefahr befindet und deswegen der Aufsicht und Fürsorge einer Seele bedarf, die sich seiner beschützend annimmt. Doch nicht nur der Körper bedarf der Seele, um sich lebendig zu fühlen, sondern auch die Seele braucht den Körper, um einen Raum zu haben, in und mit dem sie sich bewegen kann, damit sie Ausdruck findet. Es ist ja auch der Körper, der der Seele ihre Höhenflüge ermöglicht, wenn sie sich ganz und gar mit ihm verbindet. Der Leib, in dem die Seele begraben ist, wie Picht es fälschlicher Weise ausdrückt, stellt aber den Körper als Gefängnis entsprechend der Höhle des Höhlengleichnis dar, und so müsste dementsprechend, wenn Sokrates von den Gefangenen bzw. von den Gefesselten spricht, nicht von den wirklichen Menschen, sondern von der Seele des Menschen die Rede sein (vgl. Picht, 1996, S. 48). Diese Einstellung Pichts kann ich so nicht nachvollziehen, weil die Höhle nicht als Körper angesehen werden kann, wenn Sokrates sagt, sie sei die Wohnstätte der Gefangenen, und in diesem Sinne ist sie die Lebenswelt, bzw. wie weiter vorne schon besprochen, die Schattenwelt der Menschen. Die Gefangenen symbolisieren auch nicht nur die Seele, sondern die ganzen Menschen als bio-psycho-soziales Wesen, die folglich sowohl mit Leib und Seele leiden, als auch soziale Probleme haben. Wohl aber kann dann der Körper wie eine Höhle als Ort des Todes bezeichnet werden, wenn das eintritt, was ich als Spaltung bezeichnet habe, bei der die Seele leblos und unbeweglich wird, wenn sie des Körpers beraubt wird oder sich des Körpers berauben lässt und diesen in Folge dessen nicht mehr oder nur noch mechanisch bewegen kann, so dass sich dieser anfühlt, wie ein Gefängnis einer gefesselten Seele, die sich von ihm abgewendet hat, ihn nicht mehr erforscht und bewegt. Andererseits wähnt sich die Seele dadurch wie in einem Gefängnis. Wenn der Körper wie bei Picht aber mit der Höhle und diese mit dem Reich der Toten verglichen wird, weil der Körper die Seele fesselt, oder wenn davon ausgegangen wird, dass der Körper ein Grabhügel ist, wie soll der Mensch dann mit dieser Vorstellung oder Verhaftung den Körper überhaupt wahrnehmen? Es wird nicht gelingen, weil alles Wahrgenommene von Abspaltungs-Vorstellungen gefiltert wird. Somit kann kein Zeichen und keine Kundgebung, die die Seele über den Körper ausdrücken will, wahrgenommen werden und die Verbindung des Körpers zur Seele wird abgeschnitten. Wie sollen aber in diesem Zustand Fesseln gelöst werden? Der Weg, den wohl auch Picht meint, wenn er von der Klarheit spricht, geht dann nur noch über den Verstand, dass das, was ist, durch den von der Sinnlichkeit 35

36 befreiten Geist in noch höherer Klarheit erkannt werden kann 17 (Picht, 1996, S. 214). Der Sokratische Kreislauf (Abb. 15) aber ist durchbrochen, die Spaltung zwischen Körper und Seele hergestellt. Und wenn der Mensch dann versucht, die Verstandesergebnisse über das Sein als seine Vorstellungen und über seine Wahrnehmung zu reflektieren, fehlt ihm die wichtigste Quelle dafür: die Zeichen und Kundgebungen seiner Seele, weil sie im Körper nicht ankommen können. 18 Statt eines inneren und selbstverantwortlichen Gerichtshofes als Verbindung zur eigenen Lebenssubstanz, regiert ein herrschender Apollon. 19 Auf diesem Weg wird er die Fesseln nicht abwerfen können. Vielleicht brauchen Lebensanteile kein Schattendasein 20 zu fristen, wenn es durch die Verbindung zur eigenen Lebenssubstanz gelingt, selber zu entscheiden, was erwünscht oder unerwünscht ist, statt dieses einer anonymen Gesellschaft oder einer dafür stellvertretenden Person zu überlassen. Es gilt aber dabei auch, um an die vorhergehenden Gedanken noch mal anzuschließen, das Geschenk des Körpers anzunehmen und die Seele mit Hilfe des Körpers und den Körper mit Hilfe der Seele von den Fesseln zu befreien. Dazu muss der Mensch auf die Zeichen und Kundgebungen seiner Seele, die mit seinem Leib korrespondieren will, achten und diese nicht nur wahr, sondern auch ernst nehmen. Es kann somit in der Aussage Pichts darüber, dass der Körper als Gefängnis der Höhle entspricht, eine Quelle von fatalen Folgen liegen. Wenn angenommen werden soll, dass das Höhlengleichnis sich gegen den Körper richtet, weil dieser ja, so wie Picht es beschreibt, als Ursache aller Qualen einer gefesselten Seele angesehen werden müsste, würde das einer Körperfeindlichkeit entsprechen, die ich nirgendwo im Höhlengleichnis untermauert vorfinden kann. Wenn wir diese Gedanken weiter ausbauen würden, könnte nur der Tod die Erlösung unserer Seele bedeuten, wie ja auch durch manche, insbesondere pietistischchristliche Kreise vertreten wird. Es ist aber wohl so, dass, wenn die Seele sich als gefesselt erlebt, sie auch die Höhle (Körper) wenn wir denn schon das Synonym Pichts für den Körper darstellen wollen als Gefängnis erleben wird. Die Höhle (als Körper nach Picht) kann nicht erkundet und der Aufgang zum Licht nicht gefunden werden, wenn die Gefangenen (die Seele nach Picht) erstarrt und unbeweglich nur in eine Richtung schauen und so erscheint die Höhle (der Körper) zwar wie ein Gefängnis als die Ursache der Gefangenheit, aber es sind selbst wenn wir der Ansicht von Picht folgen, nur die Fesseln, welche die Gefangenschaft 17 Weitere Aspekte dazu in Kapitel Schattenbilder, Verstrickungen und Entdeckung des Wesentlichen. 18 Siehe auch Fußnote über Alexithymie in Kapitel Konsumorientierung durch Störung des Bildungsprozesses. 19 Vergleiche auch Kapitel Instanzen des Urteilens. 20 In dem Zusammenhang beziehe ich mich auf C.G. Jung, nach dem der Schatten alles das ist, was der Mensch auch ist, aber auf keinen Fall sein will, weil es gesellschaftlich unerwünscht ist (vgl. Jung, 2011, passim). 36

37 ausmachen. Erst wenn die Fesseln gelöst werden, wie wir des Weiteren noch eruieren werden, kann die Höhle wirklich wahrgenommen werden. Also selbst wenn die Höhle, wie Picht es annimmt, den Körper darstellt, ist diese nicht die Ursache der Gefangenschaft und für die Fesseln der Seele. Ich halte es aber dennoch für abwegig, die Höhle als Körper zu bezeichnen und sehe die Gefangenen nicht wie Picht nur als Seele an, sondern in ihnen die Menschen sowohl mit Leib und Seele. Es sollte genau gelesen werden, was Sokrates mit kritischem Unterton im Kratylos feststellt. Denn einige erklären den Leib für ein Grabmal der Seele, als läge sie während ihres jetzigen Lebens im Grabe (vgl. Platon, Kratylos, 1988 Bd. II ( v. Chr.), S. 65). Sokrates spricht von Menschen, die eine Einstellung zu sich selbst haben, als wären sie schon tot. Diese Menschen betrachten den Leib nicht nur wie ein Grabmal, sondern behandeln ihn auch schon so, während sie doch eigentlich ihr Leben auch körperlich entfalten könnten. Wie ist das aber zu erklären? Eine Ursache liegt mit Sicherheit darin, dass viele Menschen von durchaus heilsbewussten Menschen von Kindheit an die Vorstellung einsuggeriert bekommen, der Körper sei ein Grabmal und deswegen gehen sie entsprechend mit ihm um. Und weil die Seele durch ihn, den Leib, kundgibt, was sie kund zu geben hat, so werde er auch aus diesem Grunde mit Recht [ ] (Zeichen, Kundgebung) genannt (ebd.). 21 Wenn der Mensch aber nur hört, was seinen eingepflanzten oder übernommenen Vorstellungen (eines Apollon) entspricht, kann er den Ruf der Seele, von dem Sokrates spricht, nicht hören und dem eigenen inneren Präsidenten nicht folgen. Nebel interpretiert Hegel bezüglich selbstverantwortlicher Sittlichkeit und expliziert, dass das innere Selbst durch einen eigenen inneren Gerichtshof als Entscheidungstribunal mit eigenem Präsidenten seine eigene unabhängige Beurteilungsfähigkeit finden kann. Er beschreibt den Weg der Reflexion und der Bewusstseinsbildung dabei als Ausweg aus diesem Dilemma. 22 Viele Menschen fühlen sich dagegen so unlebendig, weil sie wie im Höhlengleichnis als Gefesselte nur in eine Richtung Starrende, sich selbst Entfremdete, Gebundene, Konsumorientierte - wie in Abb. 11 bis Abb. 13 aufgezeigt wird, Blockierte, Süchtige, Leistungsorientierte, Verkopfte und Erstarrte etc. nur noch vegetieren, statt als bewegte Seele in einem bewegten Körper zu leben. Der Ort, der die Fähigkeit der Bewegung fesselt, ist demnach ein Ort der 21 Gegen die Spaltung in Körper und Seele bezieht der Begriff Psychosomatik Stellung. Er verweist auf die Ganzheit und Einheit von Psyche (Geist, Seele) und Soma (Körper). Gleichzeitig bleibt dennoch die Möglichkeit bestehen, Psyche und Soma jeweils getrennt zu betrachten und in ihren Beziehungen zueinander zu untersuchen. Scheinbar besteht ein Konsens darüber, was psychosomatische Krankheiten sind: organische Erkrankungen, die nicht allein durch somatische Faktoren bedingt sind und erklärt werden können, sondern deren Auftreten in Zusammenhang gebracht werden muss mit psychischen Gegebenheiten ( Franke, 1981, S. 11). 22 Vergleiche auch Kapitel Instanzen des Urteilens. 37

38 Sucht, des Konsums, der Entfremdung und von allem, was in die Gebundenheit, Fesselung und Abhängigkeit, statt in die Bewegung führt. Dieser Ort als deformierte Lebenswelt kann als Reich der Toten bezeichnet werden. An anderer Stelle der Arbeit wurde und werden die Ursachen näher erklärt, weshalb Menschen sich nicht mehr bewegen, sondern wie Tote in Erstarrung und Bewegungslosigkeit verfallen können. Dementsprechend erstarrt fühlen diese Menschen, die im Höhlengleichnis als Gefesselte dargestellt sind, ihre Seele und mit der Seele auch den Körper, denn das eine ist vom anderen nicht zu trennen. Das kann sogar so weit führen, dass Menschen ganz und gar unempfindlich und gefühllos werden, bzw. sich und entsprechend auch andere Menschen überhaupt nicht mehr fühlen. Sokrates spricht wie ein Psychosomatiker 23 unserer Zeit und bemerkt, dass die Seele durch unseren Körper sprechen will, und sich bemerkbar macht indem sie etwas kundgibt durch Zeichen und Kundgebungen und somit sozusagen durch den Körper an unser Selbst oder die Vernunft appelliert, etwas im Leben zu verändern. Dieser Appell an die Vernunft kann über negative Körperempfindungen, wie Schmerz, Unwohlsein, Müdigkeit, Abgeschlagenheit oder Krankheit, kundgetan werden. Wird die Lebenssituation darauf hin nicht verändert, die Zeichen der Seele also nicht erhört, könnte das zur Folge haben, dass die Seele ihren Körper obwohl er ihr zur Hilfe kommen will wie ein Grab oder ein Gefängnis, dem sie entfliehen möchte aber nicht kann empfindet. Nicht der Körper ist aber in diesem Fall 24 Gefängnis oder der Auslöser dafür, dass er wie ein Gefängnis empfunden wird, sondern der die eigene Vernunft beherrschende Apollon mit seinen lebensfeindlichen Einstellungen. Wenn die Problemsituation nicht beachtet wird, bleibt der Körper in seiner negativen Empfindung und die seelischen Probleme verstärken sich. Die Seele wird dann eine noch stärkere Kundgebung über den Körper ausdrücken. Wird auch darauf nicht reagiert, kommt es zu einer weiteren sich verstärkenden Rückkopplung, die immer so weiter gehen kann, bis dass das gesamte Körper-Seele-System in ein Chaos oder sogar in den Tod stürzt. In dieser Rückkopplung ist auch die umgekehrte Kundgebung enthalten, d.h. auch der Körper gibt, um es mit Sokrates zu sagen, der Seele kund, wenn er Probleme durch Alterserscheinungen, Krankheit, körperliche Überlastung etc. hat und braucht die Unterstützung der Seele und der Vernunft. Wenn allerdings der Körper als Speicherort von nicht integrierten Erlebnissen, diese als Schatten festhält und entsprechend Schmerzen 23 Gegen die Spaltung in Körper und Seele bezieht der Begriff Psychosomatik Stellung. Er verweist auf die Ganzheit und Einheit von Psyche (Geist, Seele) und Soma (Körper). Gleichzeitig bleibt dennoch die Möglichkeit bestehen, Psyche und Soma jeweils getrennt zu betrachten und in ihren Beziehungen zueinander zu untersuchen. 24 Dass diese Rückkopplung auch anders herum läuft, wird durch den Exkurs in dem folgenden Kapitel Exkurs Einige Gründe von Diskrepanzen zwischen Körper und Kopf verdeutlicht. Dort wird unter anderem sichtbar, dass natürlich auch der Körper seine Grenzen signalisiert z.b. bei Erschöpfung und Appelle an die Seele sendet. 38

39 signalisiert, sich panzert oder sogar empfindungslos wird, braucht es Hilfe von außen durch mäeutische Transformationsarbeit. Ob in Krankheit oder Gesundheit, geht es immer darum, die Beziehung zwischen Seele und Körper nicht zu übersehen oder zu verletzen, sondern diesem Prinzip Aufmerksamkeit zu schenken. In dem Sinne braucht die Seele den Körper nicht mehr als Feind und Grabmal anzusehen, sondern kann mit Hilfe der Vernunft mit ihm zusammen Lebensdramen, Verstrickungen, Abspaltungen und Blockaden auflösen und verändern. Dabei verliert ein Apollon vielleicht seine Macht, Schatten können erlöst und integriert 25 und Verhältnisse wieder in echte Lebensschauplätze verwandelt werden. Diese hier aufgezeigte Logik baut auf das sokratische Bildungswegmodell auf. Demnach liegen die wichtigsten Aufgaben für Erziehung und Bildung darin, Menschen in der Verbindung zu ihrer eigenen Lebenssubstanz zu bestärken. Denn nur demjenigen, der mit der eigenen Lebenssubstanz verbunden ist, kann es gelingen, lebensfähige Wirklichkeit zu stiften. Erst dadurch kann verhindert werden, dass Menschen einem einheitlichen Marschtakt folgen, sich nur noch mechanisch wie Gefesselte in einer Höhle bewegen und sich deswegen schon zu Lebzeiten innerlich wie tot fühlen (Buber, 1962 Bd. 1, S. 814 f.). Schattenbereiche bedürfen der Loslösung und Entfesselung der Schatten, wie in Kapitel 17.5 Ein Entwurf mäeutischer Transformationsarbeit beschrieben und durch Kapitel Traumalinien als Lern- und Entwicklungsblockaden Abb. 13 deutlich wird. Das wird durch das Höhlengleichnis deutlich. Durch mäeutische Transformationsarbeit, die sowohl der Seele als auch dem Körper gilt, kann bewirkt werden, dass die Seele sich im Körper wieder zu Hause fühlt und der intelligente Körper kein Gefängnis zu werden braucht. Damit das gelingt, braucht es ein Bündnis der Liebe und Achtsamkeit gepaart mit gegenseitiger Zuwendung zwischen Seele und Körper, die nur als Verbündete Lebensraum schaffen und den Weg ins Licht finden können. Die Verbindung kann sich zum Beispiel so äußern, dass die Seele dem Körper erlaubt, sich zu bewegen, damit sie Lust hat, in ihm zu wohnen Exkurs Einige Aspekte von Diskrepanzen zwischen Körper und Kopf Den Leib als Grabhügel, Grabmal oder wie Picht, als Gefängnis zu bezeichnen, könnte so verstanden werden, als ob der Leib die Beweglichkeit der Seele fesselt. In dem Sinne könnte man sowohl dem Euripides, als auch dem Picht, der Euripides zitiert hat, Körperfeindlichkeit vorwerfen. Aber es scheint noch andere Dimensionen zu geben, die bei diesen durchaus symbolischen Begriffen, die analog des Gleichnisses nicht wörtlich zu nehmen sind, leicht übersehen werden können. Wenn wir als bewegte Seele Raum und Zeit durchqueren können, 25 Vergleiche zur Vertiefung Kapitel Gefühl, Gestaltgebung, Ansprache und Reflexion zur Transformation von Schatten. 39

40 was hindert uns dann tatsächlich daran? Unser Körper. Er erinnert uns daran, dass er versorgt werden will. Es ist auch überhaupt nicht auszuschließen, sondern vermutlich im Gegenteil sehr oft der Fall, dass ein älterer Mensch, der seelisch reif und weise ist, noch eine sehr bewegte Seele in sich trägt, die meint, noch Bäume ausreißen zu können. Wird er seinen Körper nicht als Gefängnis betrachten, weil die Seele von etwas träumt, was der Körper aber nicht mehr kann? Vielleicht wird er den Körper auch als Grabmal empfinden, weil er seinem tatsächlichen Grab sehr nahe steht durch seine körperliche Zerbrechlichkeit. Und auch ein sich vor Schmerzen windender kranker Mensch, wird den Körper als Last empfinden und möchte ihm entfliehen, obwohl er sich vielleicht nichts sehnlicher wünscht, als dass der Körper wieder schmerzfrei und gesund, wie zu anderen erlebten Zeiten, nicht nur zur Verfügung steht, sondern auch genossen werden kann. Des Weiteren könnte wohl bei den Begriffen Grabmal - Grabhügel für Körper auch der Gedanke dahinter stehen, der der menschlichen Hoffnung entspricht, dass zwar unser Körper sterblich ist, die Seele aber unsterblich. Denn der Mensch vermag sich den eigenen Tod kaum vorstellen. Auch bei diesem Gedanken liegt nahe, den Körper als etwas dem Tode Verfallenes zu betrachten, in dem eine Seele wohnt, die gleich einem Fisch in der Pfütze, die Weiten des Ozeans ahnt, für die sie geschaffen scheint. Ein weiterer Aspekt, den ich ebenfalls nur kurz anreißen kann, ist, dass der Mensch und nicht nur Kant nach einem a priori sucht, als etwas ursprünglich hinter den Dingen Liegendes, nach dem er sich richten will, weil er in seiner Freiheit und seinem Zwang, sich selber bestimmen zu müssen, oft völlig überfordert ist. Denn durch das Sonnengleichnis wissen wir, dass wir nur die Spiegelungen und Abbilder, statt des Seins, als das zu unserem Wesen zugehörige wahrnehmen können. Den Körper tangiert diese Suche keinesfalls, aber die Seele als bewegte Kraft könnte sich von der Schwerkraft des Körpers auf die Erde zurückgeholt fühlen und diesen vielleicht als Hindernis betrachten, welcher als das Tierische in ihm, das Göttliche und Geistige verhindern will. So fühlt sich der Mensch nicht nur in seinem Narzissmus verletzt, sondern auch leidend an seiner Fragmentierung und seiner exzentrischen Positionierung. Nahe bei diesem Aspekt liegt, dass wir wegen unserer exzentrischen Positionierung, auf Beziehung angewiesen sind. Denn nur über die Beziehung können wir uns die Welt, die für uns Bedeutung erhält, sinnvoll aneignen. Diese existentielle Notwendigkeit könnte uns dabei den Körper als Grab oder Gefängnis erscheinen lassen. Die von Anfang an erlebte Abhängigkeit gegenüber anderen Menschen und den Gegebenheiten auf der Welt, die wir seelisch aber auch körperlich lebensnotwendig brauchen, kann dadurch als Unfreiheit erlebt werden und eine Sehnsucht nach grenzenloser Freiheit und einem körperlosen Zustand hervorrufen. Denn wenn der Körper durch Mangelversorgung und sei es durch Schlafentzug sterben müsste, ist auch die Seele betroffen. Das heißt, ob 40

41 wir wollen oder nicht, der Körper muss ganz einfach versorgt werden. Viele Menschen, die die Askese suchen, versuchen sich die Freiheit ihrer Seele dadurch zu erwerben, indem sie scheinbar aller Bedürfnisse omnipotent Herr werden und dadurch scheinbar bedürfnislos sind. Eine narzisstische Befriedigung kann sich seelisch bei der erworbenen Unabhängigkeit dadurch einstellen, dass der asketische Mensch den Eindruck gewinnt, nicht mehr dem Körperverlangen ausgeliefert zu sein, sondern dieses zu beherrschen. Der zuletzt dargestellte Aspekt beinhaltet natürlich auch den enormen Geldund Zeitaufwand, den der Körper fordert. Und wer hätte es sich nicht schon gewünscht, nicht mehr schlafen zu müssen nur reines Geistwesen zu sein gerade wenn es etwas Wichtigeres zu tun gibt, als zu schlafen. Zu anderen Zeiten wünscht sich der Mensch dagegen vielleicht, in einen Tiefschlaf verfallen zu können, um sich allen Stresses erledigen zu können und kann es nicht. Der Aspekt, der durch die exzentrische Positionierung bedingt ist, ist die Wahrheitssuche und die Sehnsucht nach dem Erkennen des Voraussetzungslosen, wie wir es bei Sokrates kennengelernt haben, als die Suche nach dem, was hinter allen Vorstellungen liegt, die uns Menschen gefangen halten in einem Kreislauf, aus dem wir kaum heraus kommen. Indem der Mensch nach Erkenntnissen strebt, kann es passieren, dass er seinen Körper komplett ausschaltet bzw. nicht mehr auf seine körperlichen Bedürfnisse achtet. In unserer Kultur werden schon kleine Kinder gezwungen still zu sitzen, um nur ihren Kopf zu benutzen. Dabei wird nicht bedacht, dass in einem bewegten Körper sich Gedanken lieber bewegen. Nicht nur Boris und Lena Nikitin haben nachgewiesen wie die Bewegung des Körpers die Lernfähigkeit von Kindern fördert (vgl. Nikitin, 1977, passim). Andererseits sehen wir an Stephen Hawking die Beweglichkeit des Geistes und Verstandes, auch wenn sein Körper kaum Bewegungschance hat. Daran wird jedenfalls erkennbar, wie trotz der körperlichen Unbeweglichkeit, dennoch die geistige Beweglichkeit des Menschen erhalten bleiben kann. Es ließe sich ein ganzes Buch über weitere Aspekte bezüglich der Spaltung von Körper und Kopf und maßgebliche Gründe dafür schreiben. Deswegen beende ich diesen Exkurs nun ziemlich abrupt. Die Spaltung zwischen Körper und Kopf führt häufig zu ausuferndem Verhalten, sowohl in die eine wie auch in die andere Richtung, wie ja auch in unserer Gesellschaft beobachtet werden kann. Management am Morgen erfordert einen kühlen Kopf und der One-Night-Stand abends verhilft zur körperlichen Befriedigung, bei welcher die Seele nur störend wäre. Solche Menschen entwickeln oft Blockaden zwischen Kopf und Körper. Erst wenn eine Verbindung der menschlichen Bereiche wie Anschauung als Bereich der Sinne und der Körpererfahrung, Erfahrung als Vorstellungswelt und Erkenntnis als Bereich der Verstandestätigkeit zueinander hergestellt wird weil es der bewegten Seele gelungen ist, zu gesunden ist die Diskrepanz zwischen Körper und Seele keine Frage mehr. Stattdessen kann sich Harmonie und Wohlbefinden einstellen. Und sowohl die Seele als auch der Körper fühlen sich 41

42 durch das Gleichgewicht wechselseitiger Inspiration, kohärent und gesund (s. a. Abb. 15) Schattenbilder, Verstrickungen und Entdeckung des Wesentlichen Sokrates sagt im Höhlengleichnis, dass die Gefesselten, die einander nur als Schatten wahrnehmen können, nichts weiter sind als unseresgleichen (vgl. Platon, Der Staat. Siebentes Buch, 1988 Bd. V ( v. Chr.), S. 269, 515 St.). Er vergleicht den Zustand der Gefesselten mit dem Zustand der Menschen, was nach der Auseinandersetzung mit der Anthropologie Plessners einleuchtend ist. Auch wir können nur den Schein der Wirklichkeit, hier als Schatten dargestellt, wahrnehmen. Sokrates führt im Gespräch mit Glaukon weiter aus: Zwischen dem Feuer aber und den Gefesselten läuft oben ein Weg hin, längs dessen eine niedrige Mauer errichtet ist ähnlich der Schranke, die die Gaukelkünstler vor den Zuschauern errichten, um über sie weg ihre Kunststücke zu zeigen. Glaukon. Das steht mir alles vor Augen. Sokrates. Längs dieser Mauer so musst du dir nun es weiter vorstellen tragen Menschen allerlei Gerätschaften vorbei, die über die Mauer hinausragen und Bildsäulen und andere steinerne und hölzerne Bilder und Menschenwerk verschiedenster Art, wobei, wie begreiflich, die Vorübertragenden teils reden, teils schweigen (Platon, Der Staat. Siebentes Buch, 1988 Bd. V ( v. Chr.), S. 269, 515 St.). Wenn Sokrates im Höhlengleichnis sagt, dass die Gefesselten, die einander nur als Schatten wahrnehmen können, nichts weiter sind als unseresgleichen (vgl. Platon, Der Staat. Siebentes Buch, 1988 Bd. V ( v. Chr.), S. 269, 515 St.), betrifft das auch die Menschen in unserer Zeit. Sokrates teilt die Vorübertragenden ein in solche, die reden und solche, die schweigen. Picht hält diejenigen, die die Bilder vorbeitragen und dabei sprechen, für Dichter und Sophisten, also für diejenigen, die die Vorstellungen der Menschen beeinflussen (vgl. Picht, 1996, S. 50). Sie bestimmten zur Zeit Sokrates das, was dem Menschen als das ihn Umgebende erschien. Heute ist für diesen Mainstream die Welt der Medien zuständig, bei Kant waren es Autoritätspersonen, welche die Menschen beeinflussten und den Schweigenden 26 das Denken abnahmen. Schweigen steht für die Unmündigkeit derjenigen, die sich nach dem richten, was gesprochen, geschrieben und bestimmt wird. Picht erklärt: 26 Faulheit und Feigheit sind die Ursachen, warum ein so großer Teil der Menschen, nachdem sie die Natur längst von fremder Leitung freigesprochen, dennoch gerne zeitlebens unmündig bleiben; und anderen so leicht wird, sich zu deren Vormündern aufzuwerfen. Es ist so bequem, unmündig zu sein. Habe ich ein Buch, das für mich verstanden hat, einen Seelsorger, der für mich Gewissen hat, einen Arzt, der für mich die Diät beurteilt u.s.w., so brauche ich mich ja nicht selbst zu bemühen (Kant I., 2010 (1784), S. 9 f.). 42

43 Alles, was Menschen überhaupt wahrnehmen können, erscheint ihnen im Lichte des Göttlichen. Sind aber ihre Götter nur ein Schein, so ist alles Übrige nur ein Schein des Scheines. Die Hör- und Schausüchtigen sind jene, die sich vom schönen Schein hinreißen lassen und nur dem nachjagen, was den schönen Schein erzeugt (Picht, 1996, S. 50). Diejenigen der Vorübertragenden im Höhlengleichnis, die schweigen, sind nach Picht die schausüchtigen Praktiker, die selber nichts verkünden wie die Sophisten, sondern als ausführende Organe das tun, was ihnen gesagt wird (vgl. ebd.). Freire spricht in dem Fall von einer Kultur des Schweigens. Wenn Menschen heute noch trotz der schon lange zurück liegenden Aufklärungszeit, das, was ihnen vorgesetzt wird z.b. über die Medien wie von einer göttlichen Autorität gegeben ansehen, dann so, als ob es die letztendgültige Wahrheit ist, weil sie wie ja auch Kant es in seiner Aufklärungsschrift bemängelte zu bequem oder unfähig sind, sich ihres eigenen Verstandes zu bedienen. Deswegen jagen sie lieber falschen Göttern 27 nach, die sie für diejenigen halten, welche die Wahrheit vermitteln. Oft sind es die Vorstellungen von Meinungsmachern, welche sich zwar als Wissende darstellen, die aber in dem sokratischen Sinne nur Sophisten sind. Dennoch dienen die Vorstellungen von Sophisten vielen Menschen auch heute noch als Maßstab von Lebenshaltung und Handeln, so wie den Schweigenden im Höhlengleichnis die Praktiker, deren Vorstellungen die Schweigenden als Grundlage ihrer Aktivitäten aufgriffen. Doch Aktion ohne Reflexion kann als bloßer Aktionismus bezeichnet werden, wie schon an anderer Stelle dieser Arbeit besprochen wurde. Ein sokratisches Infragestellen des wahr Scheinenden, als das, was Menschen für unumstößlich empfinden, auch wenn es nicht reflektiert und überprüft und damit nicht haltbar ist, ist notwendig, um sich von einem delphischen Apollon zu lösen. Dann trifft ein, was Nebel ausspricht: Das Erkennen des inneren Selbst, welches an die Stelle des vorher herrschenden Apollon tritt (vgl. Nebel, 1969, S. 193). Ein Licht kann dem Menschen aufgehen und damit kommen wir wieder zum Höhlengleichnis zurück. Glaukon. Ein sonderbares Bild, das du da vorführst, und sonderbare Gestalten! Sokrates. Nichts weiter als unseresgleichen. Denn können denn erstlich solche Gefesselten von sich selbst sowohl wie gegenseitig voneinander etwas anderes gesehen haben als die Schatten, die durch die Wirkung des Feuers auf die ihnen gegenüberliegende Wand der Höhle geworfen werden? Glaukon. Wie wäre das möglich, wenn sie ihr Leben lang den Kopf unbeweglich halten müssen? (Platon, Der Staat. Siebentes Buch, 1988 Bd. V ( v. Chr.), S. 269, 515 St.). Im Höhlengleichnis werden die Menschen als Wesen geschildert, die von sich selbst und ihren Mitmenschen nur die Schatten wahrnehmen können, denn das gegenseitige Anschauen ist definitiv nicht möglich, weil sie dazu verdammt sind, 27 Der delphische Apollon offenbart sich als Forderer der absoluten Areté und als Richter über alles, was der Mensch sein und leisten kann (Nebel, 1969, S. 193). Dem inneren Reich als das Bewusste der Bewusstheit kann der Mensch sich erst zuwenden, wenn er es schafft, sich von seinem verinnerlichten Apollon zu lösen. 43

44 festgebannt mit Fesseln an Schenkeln und Hals in eine Richtung zu schauen und bewegungslos zu sein. Weder Laufen noch Bewegung des Kopfes ist möglich, um den Anderen zu sehen und wahrzunehmen. Was aber passiert, wenn Menschen einander nur als Schatten wahrnehmen können statt deren Persönlichkeit mit vielen Facetten? An Stelle echter Begegnung tritt Projektion, der Andere kann nicht erkannt werden in seinem Selbstsein, und es gibt auch kein inneres Gegenüber. In sich selbst gefangen, vereinsamt der Mensch innerlich und kennt nichts anderes, wenn er von Kindheit an in dieser Höhle festgebannt ist, wie Sokrates berichtet (vgl. Platon, Der Staat. Siebentes Buch, 1988 Bd. V ( v. Chr.), S. 269, 514 St.). Picht erinnert daran, dass die Seelen der Toten bei Homer im lichtlosen Reich des Hades nur wie Schattenbilder des vollen wirklichen Lebens flattern dürfen (Picht, 1996, S. 58). Dabei gehen die Menschen mit sich selbst und ihren Mitmenschen um, als ob sie nur das unwirkliche und wesenlose Dasein der Schatten im Hades hätten ja, sie verstricken sich gerade durch diesen Umgang in die Fesseln, die sie nur Schatten wahrnehmen lassen (ebd.). Menschen sind so oft verstrickt durch ihre Fesseln und gehen entsprechend mit sich selbst und ihren Mitmenschen um, als ob es nur das wesenlose Dasein der Schatten gibt und verstricken sich so immer mehr. Im Schatten, von denen im Höhlengleichnis die Rede ist, liegt das Licht verdeckt und in gebrochener Form vor und will als das Wahre erkannt werden. Durch mäeutische Transformationsarbeit kann, wie später in dieser Arbeit dargelegt wird, Kontakt zu den inneren Schattengestalten aufgenommen werden, die dadurch, dass sie angeschaut werden, eine Gestalt erhalten. Sichtbar werdend, können sie sich in ihrem Wesen zeigen, und der hinter den Schatten liegenden Idee näherkommend, Transformation erfahren. Denn alles, was sich als Schatten verbirgt, verweist auf eine dahinterliegende Wirklichkeit. Auch Picht spricht sich dafür aus, dass nicht die Trennung zwischen der Gegend oberhalb und innerhalb der Höhle, sondern im Gegenteil die Vermittlung zwischen dem reinen Lichte der Wahrheit und dem Scheinwesen des Scheines die Aufgabe ist, die Platon lösen will. Da gilt es denn vor allem einzusehen, dass die Schatten nicht schlechthin nichtig und unwahr sind. In ihrem Umriss zeigt sich immer noch die Gestalt dessen, was wahrhaft ist (Picht, 1996, S. 211). Das Problem des Schattens tritt dadurch auf, dass der Schatten selbst für das Wesentliche gehalten wird, bzw. gar nicht als Schatten erkannt wird. Durch diesen Aspekt wird die Macht des Schattens deutlich, der ja im Verborgenen arbeiten kann, ohne erkannt zu werden. Denn es gilt für den Menschen oft nur das Vordergründige, als das, was das Auge gegenwärtig sehen kann, und nicht das, in was der Mensch verstrickt ist. Er meint aber das Wahre zu sehen, weil die sinnliche Gegenwart eine Aufdringlichkeit hat, die unseren Blick von der wahren Wirklichkeit ablenkt (ebd., S. 213). Es sind die Abbilder des Seins, die im Sonnengleichnis auch als Spiegelungen des Seienden beschrieben werden und 44

45 nach Plessner durch die exzentrische Positionierung bedingt, dem Menschen als die Wirklichkeit erscheinen. Auch Erkenntnisgewinn kann diese Bedingung des Menschen nicht auflösen, doch es ist seine Ausgangsposition, die ihn nach einem Weg aus dem Schattenreich oder Scheinreich suchen lässt. Und so beschreibt Sokrates durch das Höhlengleichnis den Weg ins Licht, der wie ein Hoffnungsstrahl aufleuchtet. Pichts Aussage aber weckt auch die Vorstellung von einem Menschen, der sozusagen nicht über den Tellerrand blickt und ohne seinen Horizont zu erweitern, immer das für wirklich hält, was ihm gerade passiert. Die Frage stellt sich natürlich, was anders soll ein Mensch für wirklich halten, als das, was er gerade wahrnimmt und erlebt? Er muss es erst mal für die wahre Wirklichkeit halten, denn eine andere Wirklichkeit hat er zunächst nicht. Denn das, was der Mensch erlebt, prägt seine Auffassung von Wahrheit mehr als alle Bücher dieser Welt es sei denn, er gewinnt Abstand dazu, betrachtet das Erlebte aus der Distanz und überprüft es mit Hilfe seiner Vernunftfähigkeit. Und genau darum ging es Sokrates. Er versuchte Menschen durch Reflexion aus voreiligen Vorstellungen, die nach Plessner aus dem, was dem Menschen durch kulturelle Prägung und Deutung als Wahrheit erscheinen kann, zu befreien und zur Selbsterkenntnis zu führen. Anschauungen und Erfahrungen müssen also angeschaut und reflektiert werden, wenn Reifungs- und Bildungsprozesse stattfinden sollen. Mit Sicherheit geht es aber gerade im Höhlengleichnis nicht darum, die Sinnlichkeit wegen ihrer Aufdringlichkeit zu vermeiden, sondern eben genau darum, diese in aller Tiefe zu durchleben, damit sie überhaupt Stütze so steht es im Sonnengleichnis für Erkenntnisprozesse werden kann. Picht führt aus: Der Trug der Gefesselten liegt also nicht darin, dass sie Unwahres sehen, er liegt darin, dass der übermächtige Glanz der Aspekte sie das, was in den Aspekten erscheint, nicht mehr sehen lässt (Picht, 1996, S. 214). Demnach blendet das, was im übermächtigen Glanz der Sinne, des Schmerzes und der Lust derart stark erscheint, die Seele so, dass sie nur noch Schattenhaftes erkennen kann und für die Wirklichkeit hält. Das macht nach Picht die wirkliche Tragik der Gefangenschaft aus (vgl. ebd.). Die Übermacht der Erfahrung der Sinne in Lust und Schmerz lässt die Seele vergessen, 28 dass das, was ist, durch den von der Sinnlichkeit befreiten Geist in noch höherer Klarheit erkannt werden kann 29 (ebd.). Wenn der Mensch durch den übermächtigen Glanz der Sinne in die totale Gegenwärtigkeit eintaucht z.b. beim Orgasmus, befindet er sich ganz im 28 Zur Erinnerung: So tilgt die Vermittlung im Vollzug ihn, den Menschen, als das hinter sich stehende vermittelnde Subjekt, es vergisst sich (er vergisst sich nicht!) und die naive Direktheit mit der ganzen Evidenz, die Sache an sich gepackt zu haben, kommt zustande (Plessner, 2004 (1982), S. 39). Die Welt, in der wir leben, ist eine kulturell geschaffene Symbolwelt, ein Amalgam aus äußerer und innerer Welt: ein Übergangsraum, in dem innere Bilder und äußere Gegebenheiten zusammengehen (Combe & Gebhard, 2007, S. 25). 29 Vergleiche dazu Kapitel Die Höhle Wohnstätte der Gefesselten. 45

46 Augenblick des Seins in der Unmittelbarkeit, die für ihn sonst kaum erreichbar ist und für ihn sind geistige Erkenntnisoperationen in dem Moment wohl (verständlicherweise) kein Thema. Auch Schmerz kann den Menschen ganz und gar in das Erleben des Augenblicks ziehen. Aber auch andere durch die Sinne ausgelöste Gefühle können den Menschen so in Beschlag nehmen, dass er total vergisst, dass die Welt, in der er lebt, eine kulturell geschaffene Symbolwelt ist, die insofern Interpretation ist von etwas, was als Eigentliches für den Menschen eben nur über dessen Deutung fassbar ist. Gefühle ziehen den Menschen in das gegenwärtige Erleben der bewegten Seele, die in den verstandesmäßig zugeordneten Begriffen in denen die sinnlichen Aspekte aufbewahrt sind dann zur Ruhe kommt. Wenn der Mensch durch seine Gefühle in den Augenblick als das eintaucht, was bei Buber auch Umfassung (vgl. Buber, 1978, S. 36 ff.) genannt wird, ist dieses Augenblickserleben allerdings immer nur von kurzer Dauer, d.h. es ist schon vorbei, sobald durch die Verstandestätigkeit bewusst wird, wie etwas ist 30. Dann bewegt sich der Mensch wieder im Interpretationsraum, der in der Zeitdimension von Vergangenheit und Zukunft stattfindet. Das Erlebte wird Erfahrung durch die Interpretation und Deutung, und Vorstellungen entstehen, die dann als solche die Klarheit des Geistes verhindern können, wie wir durch Sokrates wissen. Nach Picht verhindert aber der sinnliche Aspekt, als das, was wir durch unsere Sinne wahrnehmen, die Klarheit, die in dem durch Sinnlichkeit befreiten Geist zu finden ist. Die Befreiung bringt er wohl mit den Begriffen, in denen die Gefühle zur Ruhe gekommen sind und der Verstandestätigkeit, in Zusammenhang. Das hört sich fast nach einer Rangordnung Pichts an, so als ob er dem Geist eine höhere Wertigkeit zuspricht als der Sinnlichkeit, den Gefühlen und der Körperlichkeit, die somit als etwas Minderwertiges aufgefasst werden könnten. Sollten wir nach Picht denn nur noch platonisch lieben, um den klaren Blick nicht zu verlieren? Und liegt nicht auch in dem Erleben des totalen Augenblicks, der nicht bewertet wird, so etwas wie Befreiung? Sokrates hat jedenfalls in seinem Sonnengleichnis durch die Benennung der Seelenzustände des Menschen, Erkenntnis nicht nur der Welt der Vernunft und Verstandestätigkeit zugeordnet, sondern bildliche Erkenntnis auch mit dem Anschauungsbereich als dem Bereich der Sinne und der Sinnlichkeit verbunden, wie in Abb. 3 bereits zu sehen war. Buber vertritt die Auffassung: Vor der Unmittelbarkeit der Beziehung wird alles Mittelbare unerheblich (Buber, 1962 Bd. 1, S. 85). Und das klingt nun wirklich nicht mehr nach einem Schattendasein, sondern nach Befreiung. Für einen Moment öffnet sich für den Menschen so immer wieder als kleiner Spalt die Unmittelbarkeit, die Plessner verwehrt sieht für 30 Diese Zusammenhänge wurden durch Buber als das Beziehungs- und Distanzierungsprinzip dargestellt und sind niemals statisch, sondern bedingen einander prozesshaft. Vergleich dazu auch Kapitel Konkretes und Abstraktes in gegenseitiger Abhängigkeit (vgl. Buber, 1978, S. 36 ff.). 46

47 den Menschen, der sich in der Höhle befindet und ein schattenhaftes, mittelbares Dasein fristen muss. Es ist der ewige Spagat zwischen Herz und Vernunft, der Extremisten, Fundamentalisten und allen denen dialektisches Denken suspekt erscheint nur einen gangbaren und erstarrten Weg aufzeigen lässt. Und manchmal siegen die Kopflastigen als die Vergeistigten, manchmal die Asketen, manchmal auch die Gefühls- und Körperfetischisten, aber selten die Dialektiker, weil diese keine extreme Richtung vertreten, außer der, dass ein Bereich den anderen bedingt. Denn das Leben vollzieht sich in der Bewegung zwischen Herz und Kopf, zwischen Konkretem und Allgemeinem, zwischen Liebe, Gefühl und Vernunft, zwischen Körper und Seele etc. und das eine ist nicht vom anderen zu trennen, ohne Fesseln und ein Totenreich herzustellen. Die Bildungs- und Entwicklungsspirale im Bildungswegmodell in Abb. 9 und Abb. 15 zeigt auf, wie die bewegte Seele sich durch alle Welten des Menschen bewegen darf und muss und keine minderwertiger ist als die andere. Um in die ganze Fülle des lebendigen Seins einzutauchen, und dazu gehören sowohl Lust als auch Schmerz bleibt das aufgezeigte Spannungsfeld unverzichtbar. Im Zusammenhang mit den Schatten und deren Schein zitiert Picht, was fast wie Befreiung klingt, aus Pindars achtem Pythischem Siegeslied: Tageswesen was ist einer? Was einer nicht? eines Schattens Traum, der Mensch. Wenn aber der Glanz, der Gottgegebene, kommt, leuchtend Licht liegt auf den Männern und liebliches Leben (Pindar zit. in Picht, 1996, S. 58). Bahnt sich hier ein gangbarer Weg für den Menschen an, den Geist zu befreien, damit Erkenntnis der Wirklichkeit statt Scheinwissen erlangt werden kann? Meint Picht damit den Weg ins Licht? Zwischen den Schattengestalten, die die Abbilder der Menschen darstellen, und den Schattenbildern der vorübergetragenen Gegenstände muss im Hinblick auf den Umgang damit unterschieden werden. Gegenstände lassen sich als Objekt durch Distanz erkennen, die zu ihnen hergestellt wird. Wie aber kann ein Mensch erkannt werden, wenn er ein Schattendasein führt? Und wie kann er seine eigenen Schatten als solche erkennen? Buber schreibt: Wesenheiten werden in der Gegenwart gelebt, Gegenständlichkeiten in der Vergangenheit (Buber, 1962 Bd. 1, S. 86). Hier drückt Buber aus, dass bei der Suche nach dem Wesenhaften zwischen Gegenständen und Wesenheiten unterschieden werden muss, die der Gegenwärtigkeit anderer Menschen bedürfen, von denen sie erkannt werden wollen. Wenn die lebendigen Wesenheiten die Menschen aber nicht als Wesen erkannt werden, sondern objekthaft ein Abbild darstellen und somit funktionalisiert werden, wird mit ihnen umgegangen, als ob sie im lichtlosen Reich des Hades nur wie Schattenbilder des vollen wirklichen Lebens flattern dürfen (Picht, 1996, S. 58). Es kann zunächst notwendig sein auf dem Weg der Erkenntnis der Wirklichkeit, Distanz zu eigenen Schattengestalten herzustellen, die wir z.b. mit Menschen verbinden, die wir ablehnen, um diese dadurch von ihrem Schattendasein zu befreien und einer schwierigen Beziehung 47

48 z.b. wieder eine neue Chance zu geben. Das bedeutet, auch scheinbar bekannte Menschen zunächst als Fremde und Unbekannte vor sich selbst hinzustellen, 31 um sie so immer wieder neu kennenlernen zu können. Vereinnahmung und Verdinglichung werden so abgelöst durch die Möglichkeit des Werdens und der Veränderung. Vereinnahmung kann in dem Denken liegen, dass man schon weiß, wer der Andere ist. Um das Wesen des Anderen wirklich kennenzulernen als das, was die Wirklichkeit des unbekannten Anderen ausmacht mit all dem, was noch überraschen kann, ist es wichtig, sich mit allen Sinnen dem Unbekannten zu öffnen und sich so auf ihn einzulassen, als sähe man ihn wertfrei und das erste Mal, noch ohne Vorurteil. So kann sich das Schattenbild, welches im Hinterkopf ist, in ein Wesen der Wirklichkeit verwandeln. Das kann aber nur dann stattfinden, wenn die Sinne, die durch bereits erfahrene, übernommene oder eigene falsche oder kranke Vorstellungen eingeschränkt werden, reflektiert und neu geöffnet werden für den kostbaren Augenblick. Die bekannten biblischen Verse wie: Du sollst Dir kein Bildnis machen (Bibel, 1976, S. 5. Mose 5,8) und Adam erkannte sein Weib (Bibel, 1976, S. 1. Mose 4,1) könnte man angesichts des Wunsches, als Wesen selbst erkannt zu werden vom Anderen und diesen ebenfalls in seinem Wesen zu erkennen, in der von mir aufgestellten Versreihenfolge anwenden. Prinzipiell können alle eigenen inneren Schattengestalten in dieser Weise zunächst distanziert und dann einlassend so angeschaut werden, dass deren Gestalt und das Wesentliche als das, was die Schatten wirklich ausdrücken wollen, gesehen werden kann, wie ich später mit der mäeutischen Transformationsarbeit ausführen werde. Wenn Picht schreibt, dass das, was ist, durch den von der Sinnlichkeit befreiten Geist in noch höherer Klarheit erkannt werden kann 31 Distanzierungsprinzip und Beziehungsprinzip bedingen nach Buber einander. Buber zeigt zwei Zustände des Menschen auf. Der Zustand, der durch das ICH-DU Beziehung ermöglicht und das Wesen den Anderen unmittelbar erleben lässt, wird abgelöst durch das ICH-ES. Buber wehrt sich gegen die Verdinglichung des Menschen, dennoch zeigt er, dass es auch immer wieder eine Ablösung der ICH-DU-Beziehung durch den ICH-ES-Zustand gibt, der durch das Distanzierungsprinzip gekennzeichnet ist. Das aber ist die erhabene Schwermut unsres Loses, dass jedes Du in unsrer Welt zum Es werden muss. So ausschließlich gegenwärtig es in der unmittelbaren Beziehung war: sowie sie sich ausgewirkt hat oder vom Mittel durchsetzt worden ist, wird es zum Gegenstand unter Gegenständen, zum vornehmsten etwa, dennoch zu einem von ihnen, in Maß und Grenze gesetzt. [ ] Echte Anschauung ist kurz bemessen; das Naturwesen, das sich mir eben erst im Geheimnis der Wechselwirkung erschloss, ist nun wieder beschreibbar, zerlegbar, einreihbar geworden, der Schnittpunkt vielfältiger Gesetzeskreise. Und die Liebe selber kann nicht in der unmittelbaren Beziehung verharren; sie dauert, aber im Wechsel von Aktualität und Latenz. Der Mensch, der eben noch einzig und unbeschaffen, nicht vorhanden, nur gegenwärtig, nicht erfahrbar, nur berührbar war, ist nun wieder ein Er oder eine Sie, eine Summe von Eigenschaften, ein figurhaftes Quantum geworden. Nun kann ich aus ihm wieder die Farbe seiner Haare, die seiner Rede, die seiner Güte holen; aber solang ich es kann, ist er mein Du nicht mehr und noch nicht wieder (Buber, 1962 Bd. 1, S. 89). 48

49 (Picht, 1996, S. 214), trifft das nur in dem Maße zu, wie ich zunächst Distanz zu dem von mir gemachten Abbild des Menschen herstellen kann, um mich dann, aber erst dadurch, ganz und gar gegenwärtig einlassen zu können. Buber spricht sich prinzipiell dagegen aus, Menschen wie Dinge anzuschauen: Diese grundhafte Zwiefältigkeit wird auch nicht durch die Anrufung einer Ideenwelt als eines Dritten und Übergegensätzlichen überwunden. Denn ich rede von nichts anderem als von dem wirklichen Menschen dir und mir, von unserem Leben und unserer Welt, nicht von einem Ich an sich und nicht von einem Sein an sich. Für den wirklichen Menschen aber geht die eigentliche Grenze auch quer durch die Welt der Ideen. Freilich, mancher, der sich in der Welt der Dinge damit begnügt, sie zu erfahren und zu gebrauchen, hat sich einen Idee-Anbau oder - Überbau aufgerichtet, darin er vor der Anwandlung der Nichtigkeit Zuflucht und Beruhigung findet. Er legt das Kleid des üblen Alltags an der Schwelle ab, hüllt sich in reines Linnen und erlabt sich am Anblick des Urseienden oder Seinsollenden, an dem sein Leben keinen Anteil hat. Auch mag ihm wohltun, es zu verkünden (Buber, 1962 Bd. 1, S. 86). Es ist die Welt der Ideen, bei welcher der Mensch vor der Nichtigkeit und dem Schein Zuflucht finden kann. Wenn Buber den Begriff Nichtigkeit gebraucht, ist anzunehmen, dass er damit bekundet, dass der Mensch nur den Schein und eben nicht die Wirklichkeit erkennen kann, und er deswegen den Weg zu den Ideen, als das hinter dem Schein Liegende sucht. Wenn der Mensch aber eine gewisse Befriedigung erfährt durch den Anblick des Urseienden d.h. des Allgemeinen, Wahren, Abstrakten dann nur so, wie Buber es beschreibt. Der Alltag als das Konkrete, das Besondere wird abgelegt und der Mensch hüllt sich zwar in ein sauberes weißes Linnen, aber an dem Leben in seiner Veränderlichkeit und Bewegtheit hat er auf diesem Weg keinen Anteil. Menschen lassen sich überhaupt nicht als Idee abbilden, ohne nur als Schein gesehen und so in ihrem wahren lebendigen Wesen verkannt zu werden. Denn sobald das Wesen, welches eine bewegte Seele hat, nur als Ding und wir müssen an dieser Stelle auch sagen als Fall, Klient, Patient, Schüler etc. angeschaut wird, geht es ins Schattenreich der toten weil bewegungslosen Dinge über, weil das Wesen dadurch der Bewegung entzogen wird, dass es entweder in ein Bild als Anschauung oder in eine Idee als Abstraktion hineingepresst wird. Der so angeschaute Mensch fühlt sich wie ein Schatten, weil er nicht gesehen wird, sondern nur sein Schatten. Deswegen mahnt Buber: Aber die Es-Menschheit, die einer imaginiert, postuliert und propagiert, hat mit einer leibhaften Menschheit, zu der ein Mensch wahrhaft Du spricht, nichts gemein. Die edelste Fiktion ist ein Fetisch, die erhabenste Fiktivgesinnung ist ein Laster. Die Ideen thronen ebensowenig über unsern Köpfen, wie sie in ihnen hausen; sie wandeln unter uns und treten uns an; beklagenswert, wer das Grundwort [ICH-DU, Anm. d. Verf.] ungesprochen lässt, aber erbärmlich, wer sie statt dessen mit einem Begriff oder einer Parole anredet, als wäre es ihr Name! (Buber, 1962 Bd. 1, S. 87). Starke Worte, die zu Herzen gehen, gebraucht Buber, 49

50 wenn die Absicht bestehen sollte, Gestalten aus dem Schattenreich durch Ideen befreien zu wollen, die diese wiederum fesseln wie eine Diagnose z.b. durch das ICD 10 (Weltgesundheitsorganisation, 2008, passim). 32 Gerade so sehen die Gestalten in der Höhle einander nur als erstarrtes Abbild und somit als Schatten an, der Bewegung ihrer Seele beraubt. Die Befreiung aus dem Schattendasein kann nach Buber nur über die Begegnung mit dem lebendigen Menschen im Dialog stattfinden, in dem der andere endlich angeschaut wird. Die Entfesselung der Gestalten als Schatten in der Höhle, wird nämlich gerade dadurch verhindert, dass die Menschen durch die Fesseln und Bindungen, man könnte auch sagen durch die Verstrickungen und Loyalitäten, mit denen sich der Mensch affiziert, einander nicht anschauen und sich so immer mehr verstricken in ihren Stricken und Fesseln. Die Bewegungslosigkeit kann nur dann aufgehoben werden, wenn die Liebe nach Buber dem Ich nicht anhaftet wie einem Gegenstand, bei welcher Art von falscher Liebe das Du wiederum nur als Inhalt zum Gegenstand gemacht würde, sondern wenn die Liebe zwischen Ich und Du als ein Wesensakt verstanden wird, der die Unmittelbarkeit und Wesensbegegnung durch den Akt zwischen Ich und Du stiftet. Buber führt aus: Der Wesensakt, der hier die Unmittelbarkeit [Hervorh. d. Verf.] stiftet, wird gewöhnlich gefühlhaft verstanden und damit verkannt. [ ] Liebe ist ein welthaftes Wirken. Wer in ihr steht, in ihr schaut, dem lösen sich Menschen aus ihrer Verflochtenheit ins Getriebe [aus dem Schattendasein, Anm. d. Verf.]; [ ] einer um den andern wird ihm wirklich und zum Du, das ist, losgemacht, herausgetreten, einzig und gegenüber Wesen (ebd.). Buber zeigt einen Weg auf, die Gestalten in der Höhle zu befreien. Der Weg geschieht über die lebendige Begegnung im Zwischen, denn Alles wirkliche Leben ist Begegnung (Buber, 1962 Bd. 1, S. 85). So kann das Ich, statt des Schattens, werden und wachsen. Identität bildet sich. Somit gilt: Diese Erkenntnis wird durch nichts in Frage gestellt; denn sie umfasst das Ganze: sie überwindet die Relation in der Unbedingtheit des Allumfangens. [ ] Diese Erkenntnis ist ohne Sucht und ohne Suchen. Sie ist bei sich selbst. [ ] Sie ist ohne Wissenswahn. Sie hat die Dinge, sie weiß sie nicht. Sie vollzieht sich nicht durch Sinne und Geisteskräfte, sondern durch die Ganzheit des Wesens. Sie lässt die Sinne gewähren, aber nur wie spielende Kinder; [ ] Sie lässt die Geisteskräfte gewähren, aber nur wie Tänzer, die ihre Musik zum Bilde machen. [ ] Diese Erkenntnis ist nicht Wissen, sondern Sein (Buber, 1962 Bd. 1, S. 1044). Erkenntnis ist also nicht zu verwechseln mit Gelehrsamkeit und Wissenswahn. Sie kann sich nur vollziehen durch das Spielerische und Tänzerische im Umgang mit der Ganzheit des bewegten Wesens. 32 Der Taschenführer ICD-10 dient zur Klassifikation psychischer Störungen 50

51 2.1.4 Von der Verhaftung an Meinungen zur Umwendung der Seele Nach diesem Ausflug der Unterscheidung zwischen Gegenständen und Gestalten geht es weiter im Höhlengleichnis. Sokrates. Und ferner: gilt von den vorübergetragenen Gegenständen nicht dasselbe? Glaukon. Auch von ihnen haben sie nur Schatten gesehen. Sokrates. Wenn sie nun miteinander reden könnten, glaubst du nicht, dass sie der Meinung wären, die Benennungen, die sie dabei verwenden, kämen den Dingen zu, die sie unmittelbar vor sich sehen? Glaukon. Notwendig (Platon, Der Staat. Siebentes Buch, 1988 Bd. V ( v. Chr.), S. 270, 515 St.). Sokrates zeigt auf, dass die Gefesselten in ihren Meinungen verhaftet sind und das, was sie wahrnehmen, für die Wahrheit halten. Sokrates. Ferner: wenn der Kerker auch einen Widerhall von der gegenüberliegenden Wand her ermöglichte, meinst du da, dass wenn einer der Vorübergehenden gerade etwas sagte, sie dann die gehörten Worte einem anderen zulegen würden, als dem jeweilig vorüberziehenden Schatten? Glaukon. Nein, beim Zeus. Sokrates. Durchweg also würden diese Gefangenen nichts anderes für wahr gelten lassen, als die Schatten der künstlichen Gegenstände. Glaukon. Notwendig (ebd.). Die Schatten fallen als Bild der Gegenstände, die sich hinter dem Rücken der Gefangenen darstellen, auf die Wand der Höhle. Das Wirkliche sind die Gegenstände, die aber für die Gefangenen nicht sichtbar sind, und die sie nur als Schatten wahrnehmen können. Die Folgerungen aus der vorher geschilderten Situation in der Höhle werden hier aufgezeigt, nämlich, dass es sich bei dem, was für das gegenwärtig Seiende gehalten wird, nur um Schatten handelt, die an die Wand der Höhle fallen. Sokrates stellt sich nun vor, einer von den Gebundenen würde entfesselt und genötigt aufzustehen, den Hals umzuwenden, sich dann in Bewegung zu setzen, um nach dem Lichte empor zu blicken. Er würde das alles nur unter Schmerzen verrichten können, da die Bewegungen ungewohnt sind, und wäre geblendet von dem Glanze des Lichtes, somit nicht imstande, Dinge zu erkennen, deren Schatten er vorher sah. Sokrates fragt Glaukon: Was glaubst Du wohl, würde er sagen, wenn man ihm versichert, er hätte damals lauter Nichtigkeiten gesehen, jetzt aber, dem Seienden nahegerückt und auf Dinge hingewandt, denen ein stärkeres Sein zukäme, sehe er richtiger? (Platon, Der Staat. Siebentes Buch, 1988 Bd. V ( v. Chr.), S. 270, 515 St.). Sokrates fragt nun, was passieren würde, wenn einer der Gefangenen entfesselt würde, um sich in Bewegung zu setzen und nach dem Licht zu blicken 51

52 und überlegt, was der nun sagen würde, der nach der Entfesselung nur unter Schmerzen und von dem Glanz geblendet nicht imstande ist, die Dinge zu erkennen, deren Schatten er vorher sah. Sokrates: Und wenn man zudem noch ihn auf jedes der vorübergetragenen Menschenwerke hinwiese und ihn nötigte auf die vorgelegte Frage zu antworten, was es sei, meinst Du da nicht, er werde weder aus noch ein wissen und glauben, das vordem Geschaute sei wirklicher als das, was man ihm jetzt zeige? Glaukon. Weitaus (ebd.). Es ist das Ansinnen des Lehrers, den Menschen in die Freiheit zu führen, und er stellt ihm bezüglich der Gerätschaften eine Frage nach der anderen, damit der Schüler sie erkennt. Allerdings kann der Befragte nicht antworten und befindet sich in jener Verlegenheit, die den sokratischen Dialog auszeichnet (vgl. Picht, 1996, S. 65). Doch der befreiungswillige Helfer wir können auch sagen der Pädagoge, Lehrer oder Therapeut meint es gut, weil er weiß, was der zu Befreiende wissen könnte und er unbedingt will, dass dieser sein Ziel erreicht. So lässt er ihn nicht los, sondern versucht im Gegenteil, ihn zu seinem Glück zu zwingen. Mit Gewalt und Druck versucht er zu bezwecken, dass der Schüler noch höher hinauf in das Licht blickt. Sokrates: Und wenn man ihn nun zwänge, seinen Blick auf das Licht selbst zu richten, so würden ihn doch seine Augen schmerzen und er würde sich abwenden und wieder jenen Dingen zustreben, deren Anblick ihm geläufig ist, und diese würde er doch für tatsächlich gewisser halten als die, die man ihm vorzeigte? (ebd.). Sokrates vertieft den konjunktivistischen Gedankenaspekt drastisch weiter und fragt, was passieren würde, wenn man nicht eher ruhen würde, bis man ihn an das Licht der Sonne gebracht hätte, indem man ihn den steilen Aufgang hinauf schleppen würde und resümiert: Würde er diese Gewaltsamkeit nicht schmerzlich empfinden und sich dagegen sträuben, und wenn er an das Licht käme, würde er dann nicht, völlig geblendet von dem Glanze, von alledem, was ihm jetzt als das Wahre angegeben wird, nichts, aber auch gar nichts zu erkennen vermögen? (ebd., S. 271). Sokrates berichtet von dem Resultat eines solchen Zwangsbefreiungsversuches: Der Zwangs-Befreite sträubt sich und flieht, kehrt also zu seinen vorherigen Überzeugungen zurück, weil er meint, dass sei in höherem Grade wahr, als das jetzt Gezeigte, das er doch noch nicht einmal richtig sehen kann. Außerdem mag er auch nicht alle Sicherheiten aufgeben, die mit seinen alten Überzeugungen zusammenhängen. Er hat seine Eigenlogik, von der er selbst mehr überzeugt ist als von dem Neuen. Gut gemeint ist nicht gleichzusetzen mit gut. Was wirklich gut ist, legt Sokrates am Ende des Gleichnisses durch seine eigene Bildungsauffassung dar. Eine Entfesselung kann demnach nicht dadurch geschehen, dass jemand ins Licht gezerrt wird, damit er die Sonne sieht. Solche Bildungsgesuche oder Heilungsversuche müssen 52

53 zwangsläufig scheitern, denn sie sind für den Menschen schmerzhaft, weil gewaltsam und, wie Freire ausführte, führen sie in die Fremdbestimmung, auch wenn sie noch so gut gemeint sind. So ist ein Mensch, der zwar die Sonne sehen könnte, wenn er ihr aus der Höhle kommend ausgesetzt würde, zunächst blind und kann gar nichts erkennen, weil er geblendet wird durch das ungewohnte Licht, an welches sich die Augen erst gewöhnen müssen. Und auch wenn die Professionellen meinen, jemand wisse nun sehr viel, da er über bestimmte Begriffe verfügt, kann es sein, dass der Proband dennoch blind ist, weil er zwar ans Sonnenlicht gezerrt wurde, aber die Sonne nicht sehen kann. Sokrates stellt fest: Er würde sich also erst daran gewöhnen müssen, wenn es ihm gelingen soll die Dinge da oben zu schauen. Zuerst würde er wohl am leichtesten die Schatten erkennen, darauf die Abbilder der Menschen und der übrigen Dinge im Wasser, später dann die wirklichen Gegenstände selbst; in der Folge würde er dann zunächst bei nächtlicher Weile die Erscheinungen am Himmel und den Himmel selbst betrachten, das Licht der Sterne und des Mondes schauend, was ihm leichter werden würde als bei Tage die Sonne und das Sonnenlicht zu schauen (Platon, Der Staat. Siebentes Buch, 1988 Bd. V ( v. Chr.), S. 271, 516 St.). Zuletzt würde er dann imstande sein, die Sonne selbst zu schauen, um sich dann klar zu machen, dass sie es ist, die die Urheberin jener Erscheinungen ist, die vorher in der Höhle angeschaut werden konnten. Sokrates fragt weiter, ob dieser Mensch in Erinnerung an seine erste Wohnstätte nun über die Veränderung glücklich ist, und Glaukon bestätigt das (vgl. ebd. S. 271, 516 St.). Losgelassenwerden ist noch nicht die wirkliche Freiheit meint Heidegger (vgl. Heidegger, 1997 ( ), S. 23). Bildungsprozesse, die glücken sollen, müssen dementsprechend von der Lebenswirklichkeit und den daraus abgeleiteten Schlussfolgerungen ausgehen. Der Weg ins Licht darf niemals abrupt erfolgen, sondern kann nur stufenweise mit Pausen auf verschiedenen Plateaus gelingen, auf denen Verweilen und Rückblick zum Vorherigen Platz hat. Und dafür brauchen Menschen, ob durch Bildungs- oder Heilungsarbeit, ihre jeweils ganz eigene Zeit und keinen Druck. Sokrates will aber noch weiteres von Glaukon wissen: Und nun bedenke auch noch folgendes: wenn ein solcher wieder hinabstiege in die Höhle und dort wieder seinen alten Platz einnähme, würden dann seine Augen nicht förmlich eingetaucht werden in Finsternis, wenn er plötzlich aus der Sonne dort anlangte? (Platon, Der Staat. Siebentes Buch, 1988 Bd. V ( v. Chr.), S. 272, 515 St.). Sokrates fragt sich, was passieren wird, wenn nun derjenige, der aus der Sonne kommt, noch bevor sich seine Augen an die Dunkelheit angepasst haben mit den Gefesselten in der Deutung der Schattenbilder wetteifern müsste. Die Gewöhnung würde Zeit erfordern und er würde sich wohl lächerlich machen, denn es würde heißen, sein Aufstieg nach oben sei schuld daran, dass er mit verdorbenen Augen wiedergekehrt sei. Und wenn sie den, der es etwa versuchte sie zu entfesseln und 53

54 hinaufzuführen irgendwie in die Hand bekommen und umbringen könnten, so würden sie ihn doch auch umbringen? (ebd., S. 273, 517 St.). Hier spricht Platon durch Sokrates scheinbar verschlüsselt über dessen Tod. Das Drama des Menschen, dass er an seinen eigenen Meinungen festhalten will, koste es was es wolle, und wenn es die Freiheit ist, mit der er bezahlt, liegt darin bedingt, dass er für wahr hält, was er anschaut, seinen Sinnen mehr traut als einer dahinterliegenden Wirklichkeit, die er nicht erkennen kann. Deswegen sucht er in seiner eigenen Wahrheit seine Sicherheit. Der sokratische Weg, der den Menschen zunächst in Verwirrung führt, um ihm die Augen zu öffnen, ist somit kein einfacher und mitunter auch schmerzhaft. Wenn einer von ihnen entfesselt und genötigt würde, plötzlich aufzustehen, den Hals umzuwenden, sich in Bewegung zu setzen und nach dem Lichte empor zu blicken, und alles dies nur unter Schmerzen verrichten könnte (Platon, Der Staat. Siebentes Buch, 1988 Bd. V ( v. Chr.), S. 270, 515 St.). Der Wille zur Veränderung sollte deswegen in dem Menschen selbst liegen, dennoch bedarf es Jemanden, der nicht nur weiß, wie der Mensch nach oben gelangen kann, sondern der ihn auch behutsam und seinem eigenen, ihm gemäßen Tempo, nach oben geleitet. Der Aufstieg nach oben aber und die Betrachtung der oberen Welt musst du der Erhebung der Seele in das Reich des nur Denkbaren vergleichen. [ ] Was sich mir also als richtig darstellt, ist dies: in dem Gebiete des Denkbaren zeigt sich zuletzt und schwer erkennbar die Idee des Guten; [ ] hat sie sich aber einmal gezeigt, so muss sich bei einiger Überlegung ergeben, dass sie für alle die Urheberin alles Rechten und Guten ist, indem sie im Sichtbaren das Licht und den Quell und Herrn desselben (die Sonne) erzeugt, in dem Denkbaren aber selbst als Herrscherin waltend uns zu Wahrheit und Vernunft verhilft, so dass also diese Idee erkannt haben muss, wer einsichtig handeln will sei es in persönlichen oder in öffentlichen Angelegenheiten (Platon, Der Staat. Siebentes Buch, 1988 Bd. V ( v. Chr.), S. 273, 517 St.). Heidegger sieht in den im Gleichnis genannten Dingen, die außerhalb der Höhle sichtbar werden, ein Bild für das Seiende des Seienden, das sich durch sein Aussehen zeigt. Aussehen heißt griechisch idéa. Die am Tag liegenden Dinge außerhalb der Höhle veranschaulichen demnach die Ideen. Der Mensch ahnt aber zunächst nichts davon, dass er alles nur im Lichte von Ideen sieht. Das was ihm als das allein Wirkliche erscheint, bleibt aber nur die Abschattung der Idee. Dieses Schattenhafte hält den Menschen in einem Gefängnis. So lässt er alle Ideen hinter sich (vgl. Heidegger, 1997 ( ), S. 16). Die Ideen entsprechen dem rechten oberen Bereich meines auf das sokratische Sonnengleichnis aufgebauten Bildungswegmodells, welches ich bereits durch Abb. 9 vorgestellt habe. Im linken oberen Bereich des Modells befinden sich demnach die seienden Dinge, die Originale als von den Ideen sozusagen initiiert. Von diesen Dingen 54

55 entstehen die Abbilder des Menschen, die mit dem Schattenhaften Heideggers gleichgesetzt werden können. Sie befinden sich in dem linken unteren Bereich meines Modells s. Abb. 9. und Abb. 15. Was Heidegger nun über die Anschauung und Wahrnehmung des Menschen ausführt, entspricht der exzentrischen Positionalität Plessners: Hätte nach Platon der Mensch nicht diese, d.h. das jeweilige Aussehen von Dingen, Lebewesen, Menschen, Zahlen, Göttern im Blick, dann vermöchte er niemals dieses und jenes als ein Haus, als einen Baum, als einen Gott zu vernehmen (ebd.). Das bedeutet, dass der Mensch seiner Sinne und auch seiner Interpretationen bedarf, um überhaupt etwas als anwesend zu erkennen. Allerdings erscheinen dem Menschen die Dinge nur, vermitteln sich somit über seine Anschauung. Gewöhnlich meint der Mensch, er sehe doch geradehin dieses Haus und jenen Baum und so jegliches Seiende. Zunächst und zumeist ahnt der Mensch nichts davon, dass er alles, was ihm da in aller Geläufigkeit für das Wirkliche gilt, immer nur im Lichte von Ideen sieht. Jenes vermeintlich allein und eigentlich Wirkliche, das sogleich Sichtbare, Hörbare, Greifbare, Berechenbare, bleibt aber nach Platon stets nur die Abschattung der Idee und somit ein Schatten. Dieses Nächste und doch Schattenhafte hält den Menschen tagtäglich in der Haft. Er lebt in einem Gefängnis und lässt alle Ideen hinter sich (ebd.). Wenn der Mensch sein Gefängnis nicht erkennt, hält er seine Erfahrungen für ein Regelwerk unter dem Himmelsgewölbe und betrachtet das Sichtbare als den Spielraum und Boden seiner Beurteilungen. Der Höhlenmensch vermag nicht einmal die Möglichkeit zu ahnen, sein Wirkliches könnte gar nur das Schattenhafte sein. Wie soll er auch von Schatten wissen, wenn er sogar das Höhlenfeuer und dessen Licht nicht kennen will (vgl. Heidegger, 1997 ( ), S. 16). Sokrates kommt nach der Ausführung des Höhlengleichnisses wieder auf die Bildung zu sprechen. Die Bildung ist nicht das, wofür sie gewisse Leute verheißungsvoll ausgeben. Ihre Verheißung nämlich lautet etwa dahin, sie pflanzten der Seele, in der es ursprünglich kein Wissen gebe, dies Wissen ein, etwa wie wenn sie blinden Augen die Sehkraft einsetzen (Platon, Der Staat. Siebentes Buch, 1988 Bd. V ( v. Chr.), S. 274, 518 St.). Sokrates spricht hier aus, was auch heute noch dann Gewicht hat, wenn Kindern Wissen eingepflanzt werden soll. Sokrates ging aber vor über 2000 Jahren schon davon aus, dass jeder Seele Wissenskraft innewohnt, durch welche sie zu Kenntnissen gelangen kann, wie auch die Gefesselten Augen besaßen, die sehen konnten, die aber durch ihre Verhältnisse gehindert wurden, zu sehen. Nur bedarf es nach Sokrates im Bereich des Werdens Hilfestellung, bis die Seele fähig geworden ist, die Betrachtung des Seienden und des Hellsten unter dem Seienden auszuhalten, dies aber ist, wie wir behaupten, das Gute. [ ] Es wäre demnach die Bildung eine Kunst [ ] die Art und Weise nämlich, wie es am leichtesten und wirkungsvollsten umgewendet wird [das Sehorgan, das sich an das Helle gewöhnen muss, Anm. d. Verf.], nicht aber eine Kunst, die darin bestände, ihm diese Sehkraft erst einzupflanzen; diese hat es 55

56 vielmehr schon; es ist nur nicht nach der richtigen Seite hingewendet und blickt nicht dahin, wohin es sollte, und dass dies geschehe, das ist eben, was unsere Kunst der Erziehung bewirken will (ebd., S. 275). Bildung hat nicht darin ihr Wesen, bloßes Wissen in die unvorbereitete Seele wie in einen leeren Behälter zu schütten. Echte Bildung ergreift und verwandelt die Seele selbst in einem mäeutischen Transformationsprozess. Umwendung meint die eingewöhnende Versetzung aus dem Bereich, in welchem das konkrete Leben Erfahrungen hervorbringt, welches dem Bereich zugewendet wird, in welchem sich Erkenntnis entwickeln kann. Im Sinne der Paideia, hat Fink sie bildhaft aufgezeichnet: als eine Umwendung der ganzen Seele, als einen Umbruch des Menschen bis in seine Wurzeln [ ] eine Wandlung des menschlichen Wesens, eine Metamorphose des Daseins. Und diese Verwandlung vollzieht sich wie eine Mysterieninitiation: Welt und Leben und alle Dinge gewinnen eine neue, tiefere und ungeahnte Bedeutung, es ist wie ein Erwachen aus langem, dumpfem Schlaf und wirren Träumen, ja wie eine Geburt ; die Sonne eines neuen Welttags geht auf, das Licht eines ursprünglicheren Seinsverständnisses zerreißt wie ein Blitz die trübe Dämmerung des bisherigen Umgangs mit dem Seienden. Aus einem zwielichtig fahlen, gleichsam nächtlichen Tag wird der Mensch emporgeführt zum wahren Tag. Er macht die Erfahrung, wie es in Wahrheit um das Seiende steht, gewinnt die Einsicht in die Schattenhaftigkeit dessen, was ihm bislang für seiend galt, begegnet im Erstaunen des Denkens den Urbildern und zuletzt dem Ursprung, dem alles entspringt (Fink, 1970, S. 29). Und dieser Auftrag heißt in der Übersetzung des platonischen Begriffs Paideia durch Heidegger Geleit zur Umwendung des ganzen Menschen in seinem Wesen (vgl. Heidegger, 1997 ( ), S. 19). Heidegger führt weiter aus: Umwendung des ganzen Menschen im Sinne der eingewöhnenden Versetzung aus dem Bezirk des zunächst Begegnenden in einen anderen Bereich, darin das Seiende erscheint (ebd., S. 20). Wie im Bildungswegmodell dargestellt, findet so ein verwandelnder Übergang von dem Bereich des Sichtbaren und Anschaulichen zum Bereich des Denkbaren und der Erkenntnis statt. Im Höhlengleichnis ist der Bereich des Sichtbaren der Bereich, in welchem die Menschen durch das Sichtbare noch gefangen sind in ihrer Lebenswelt und ihren Erfahrungen als dem Ort des Scheinbaren und der Vorstellungen. Es ist der Bereich, in welchem die Menschen wie im Mutterleib noch keine eigene Verantwortung übernehmen, sondern alles wird so, wie es ist, unreflektiert und nur als Schatten des Wirklichen angeschaut, so wie vielleicht ein Baby noch im Mutterleib die Welt da draußen nur als Schatten wahrnimmt. Aber wenn der Bewegungs- und Wachstumsdrang einen Menschen dazu bringt, sich der Fesseln und des Gebundenseins an die Enge zu entledigen, braucht er eine Hebamme, die ihn langsam an das Tageslicht geleitet. Sokrates hat in seinem Bildungsvorhaben, das durchaus auch als Heilungsvorgang in therapeutischen Prozessen zu betrachten ist, darauf geachtet, dass der Übergang von der Höhle ins Licht allmählich stattfand, von der Dunkelheit als Schattenreich zum nächtlichen 56

57 Himmel mit den Sternen und dem Mond und erst später ganz allmählich wechselte er mit seinen Anvertrauten in den Bereich der Sonne. Die Umwendung, wie Finke sie beschreibt (ebd.), hört sich an wie ein Fanfarenstoß. Picht dagegen beschreibt die Umkehrung der Seele weniger glorreich. Das Erste, was der Mensch dabei zu Gesicht bekommt, ist sein eigenes Leben. Er, der sich frei fühlte und gefesselt war, ist nun von den Fesseln gelöst und fühlt sich unfrei. Durch die Umwendung wird ihm ein Zustand bewusst, in dem er zwar zuvor schon befangen war aber befangen war, ohne von seiner Befangenheit etwas zu ahnen (Picht, 1996, S. 94). Wenn ein Mensch sehend wird, muss das nicht unbedingt mit positiven Gefühlen einhergehen, sondern es bedeutet oftmals zunächst Trauer und Schmerz über das, was war oder nicht sein konnte. Erst wenn sich ein Mensch auch mit seinen unangenehmen Gefühlen aufgehoben weiß, ist es für ihn möglich, mehr und mehr bislang Verdrängtes anzuschauen, zu bewältigen und Neuland zu entdecken. Für den Menschen bedarf es deswegen eines Ortes, der bekannt ist und an dem er Vertrauen entwickeln kann, um sich dem Unbekannten als dem Verborgenen und noch nicht zur Welt gekommenen erkennend zu öffnen. Diesen Ort kann ein Klient optimalerweise in dem Setting als Gestaltungsraum für bislang ungelebte Möglichkeiten durch seinen Therapeuten finden und der Schüler durch seinen Lehrer. Ein Leben lang braucht der Mensch die Weite und Freiheit des Universums, welcher als Bereich des Grenzenlosen und alles Möglichen auch solche Ideen zulässt, die sonst keinen Raum hätten. Genauso gut benötigt er aber auch die Höhle als Heimat, als Verwurzelung, als das Bekannte, was ihm Sicherheit verleiht und in der auch heimliche Gefühle Platz haben dürfen. Die grenzenlose Freiheit alleine würde beängstigen, die Enge der Höhle trotz der Geborgenheit am Wachstum hindern. Erst durch die Dialektik von Höhle und unendlicher Weite, man kann auch sagen durch Erfahrung und Erkenntnis, findet der Mensch sowohl Geborgenheit als auch Freiheit und somit Wachstums-, Entwicklungs- und Transformationsgrundlagen, durch welche Sinnbildungs- und Bildungsprozesse gelingen können. 57

58 2.2.Die Verdrehung des gesunden Bildungsweges Die Umkehrung des sokratischen Kreislaufes als Entfremdungsspirale drückt aus, dass nicht die eigene Wahrnehmung und die Lebenswelt die Grundlagen für Erkenntnisse des Menschen bilden, sondern dass fremdes Wissen welches nicht aus eigener Erkenntnis erwachsen ist, die Lebenswirklichkeit dominiert Fremdbestimmung durch Trennung von Leben und Wissen Abb. 11: Verdrehung des gesunden Bildungsweges Dieses Modell sollte vom Leser unbedingt mit Abb. 15 verglichen werden, um durch die Differenzen zwischen dem einen und dem anderen Modell und die Aussagen dieses Modells in aller Tiefe erfassen zu können. Fettmarkierungen bei folgenden Erklärungen sind Ausdruck von Abb. 11, Unterstreichungen betonen das, was auf dem gesunden Bildungsweg (Abb. 15) vorzufinden ist. 58

59 Erklärungen zu Abb. 11 Zunächst fällt auf, dass sich die Bildungsspirale statt nach links hier in die falsche Richtung, nämlich nach rechts dreht. Daran wird ersichtlich, dass Erkenntnisse in die Erfahrungswelt eingetrichtert werden sollen, statt dass der Erfahrene sich nach den Angeboten der Erkenntniswelt ausstrecken kann. Somit können weder Anschauungen, noch Erfahrungen für Bildungsprozesse genutzt werden, wie es auf dem gesunden Bildungsweg (Abb. 15) geschieht. Die Bezeichnungen auf der Spirale haben sich ebenfalls verändert. An die Stelle der Begriffe treten hier leere Begriffe an die Pfeilspitze der Spirale. Statt der Bewegung der Seele und des Bildungsprozesses sieht man hier Identitätsverlust und Sinnverlust. Statt dass der DIALOG alle Bereiche des Lebens durchzieht, wird der Mensch hier durch extrinsische Motivation angetrieben. Der subjektive Bereich ist hier zusammengedrückt, durch das Fressen fremden Wissens und Entfremdungsprozesse. Denn wie sich unschwer erkennen lässt, verlaufen die Pfeile zwischen dem objektiven Bereich und dem subjektiven Bereich von oben nach unten. Der Bereich, der in Abb. 15 als Entwicklungszone bzw. Wachstumszone gekennzeichnet wird und auf dem gesunden Bildungsweg dialogisch verläuft die Pfeile zeigen dort in beide Richtungen ist hier als eine Unterdrückungslinie zu sehen die Pfeile zeigen nur von oben nach unten. Auch hier gibt es die Zonen als auch. Wegen des Druckes von oben (Unterdrückung) kommen sie allerdings nicht zu ihrer eigentlichen Geltung. Bereich bildet bei dem erweiterten Bildungsmodell Abb. 15 die Aktionszone, die hier Entfremdungszone ist. Durch Entfremdungsprozesse ist die eigene Aktivität des Menschen hier behindert. Aktion ist lediglich Aktionismus. Die Linie, die bei dem erweiterten Bildungsmodell Abb. 15 den Namen Reflexionszone mit der Zahl trägt, ist hier durch das Fressen fremden Wissens still gelegt und anstelle von Reflexion steht hier Verbalismus. Der subjektive Bereich ist in diesem Modell besetzt. An der Stelle des subjektiven Bereiches steht zur Hälfte die Kultur des Schweigens, keine Sprache heißt: Persönlichkeitswachstum kann nicht stattfinden. Erklärens- und Verstehensprozesse entfallen hier vollkommen. An die Stelle von Sinnbildungsprozessen durch das Distanzierungsprinzip Bubers tritt gesellschaftlicher Sinn, an die Stelle von Aneignungsprozessen durch das Beziehungsprinzip tritt der gesellschaftliche Bereich mit Hilfe der Medien, Computer etc. 59

60 Vorschau auf Abb. 15: Das erweiterte Bildungswegmodell Erkenntnisgewinn und Heilung Hier wird im Miniaturformat vorausblickend schon das gesunde Bildungswegmodell gezeigt, um dem Leser den Vergleich mit Abb. 11 zu erleichtern. Es wird später wesentlich größer nochmals gezeigt und auch erklärt werden. Wenn wir bei Freire vorfinden, dass Aktion und Reflexion Kennzeichen eines gelingenden Dialoges sind (vgl. Freire, 1985, S. 71f), muss es nicht weiter verwundern, wenn bei ausbleibendem Dialog wie hier im Abb. 11 dargestellt wird, Aktion und Reflexion des Menschen keine Chance haben und somit weder genügend Weltaneignung, Interiorisation noch Erkenntnisgewinn stattfinden kann. Die Verdrehung des gesunden und mäeutischen konzipierten Bildungsweges bedeutet: Diktatur, Infiltration, Fremdbestimmung, Entfremdung, Pseudowachstum statt echtes Wachstum, Geleertheit statt Gelehrtheit, Anhäufung leerer Begriffe statt Lebendigkeit, Kenntnisanreicherung und Dogmen statt Erkenntnisgewinn. Statt dass Erfahrungen als Grundlage für Erkenntnisse dienen, werden Erkenntnisse in die Erfahrungswelt hinein gedrückt. Dialogorientierung als Verbindung von Reflexion und Aktion zerfällt in leeren Verbalismus und Aktionismus. Statt Sinnbildungsprozesse zu ermöglichen, wird fremder Sinn infiltriert. Sprachliche Ausdrucksfähigkeit wird durch eine Kultur des Schweigens verhindert. Aneignung von Welt findet nur als Fremdbestimmung und insbesondere als Medienkonsum durch Ersatzwelten statt. Die Welt wird durch 60

61 die Augen eines Fremden gesehen. Sinnverlust, Identitätsverlust und extrinsische Motivation erleichtern das Fressen fremden Wissens. Das in der Graphik dargestellte Problem hat es auch zur Zeit Sokrates schon gegeben, denn er beschreibt die Einpflanzung des Wissens als das, was gewisse Leute vielversprechend als Bildung ausgeben: Sokrates. [ ] Die Bildung ist nicht das, wofür sie gewisse Leute verheißungsvoll ausgeben. Ihre Verheißung nämlich lautet etwa dahin, sie pflanzten der Seele, in der es ursprünglich kein Wissen gebe, dies Wissen ein, etwa wie wenn sie blinden Augen die Sehkraft einsetzten (Platon, Der Staat. Siebentes Buch, 1988 Bd. V ( v. Chr.), S. 274, 518 St.). Lebenswelt und Wissen zerfallen in zwei Teile, die scheinbar objektive Welt dominiert die subjektive Welt. Es findet somit kein Aneignungs-, sondern ein Fremdbestimmungsprozess statt. Deswegen ist nach Sokrates Bildung wie folgt anzusehen: Sokrates: Unsere vorliegende Untersuchung dagegen zeigt, dass man diese, der Seele eines jeden innewohnende Wissenskraft und das Organ, durch welches ein jeder zu Kenntnissen kommt, ganz ähnlich wie wenn man das Auge nicht anders aus dem Dunklen nach dem Hellen umwenden könnte als mitsamt dem ganzen Leibe, so sie mitsamt der ganzen Seele aus dem Bereiche des Werdenden nach der anderen Seite umkehren muss, bis sie fähig geworden ist die Betrachtung des Seienden und des Hellsten unter dem Seienden auszuhalten; dies aber ist, wie wir behaupten, das Gute. Nicht wahr? Glaukon. Ja. Es wäre demnach die Bildung eine Kunst der Umkehrung dieses Organs, die Art und Weise nämlich, wie es am leichtesten und wirkungsvollsten umgewendet wird, nicht aber eine Kunst, die darin bestände, ihm diese Sehkraft erst einzupflanzen; diese hat es vielmehr schon; es ist nur nicht nach der richtigen Seite hingewendet und blickt nicht dahin wohin es sollte, und dass dies geschehe, das ist eben, was unsere Kunst der Erziehung bewirken will (ebd., S. 274f.). 33 Solange der Mensch behandelt wird wie ein Blinder, dem die Sehkraft eingepflanzt werden soll, obwohl er die Sehkraft schon hat, findet Entfremdung statt. Das bedeutet, dass der Einzelne sein Selbst aufgibt und zugunsten dessen, was die Schule/o.a. behauptet, eigene Erkenntnisse verleugnet, um dadurch Niederlagen zu vermeiden und zum Erfolg zu gelangen (vgl. Herndorn, 1972, S. 193). Ich möchte noch einen Schritt weiter gehen, Entfremdung bedeutet nicht nur eigene Erkenntnisse zu verleugnen, sondern auch an solchen gehindert zu werden. James Thurber saß einmal an seinem Fenster und beobachtete, wie Männer Ulmen fällten, um einen Bauplatz für eine Heilanstalt freizumachen, in der man Menschen einsperren wollte, die dadurch zum Wahnsinn getrieben worden waren, dass dauernd Ulmen gefällt wurden (Herndorn, 1972, S. 14). Das Fällen von Ulmen ist gleichzusetzen mit der Ignoranz von Lebensräumen und das Einsperren 33 Der zweite Teil dieses Zitates wurde bereits einige Seiten vorher besprochen, wurde aber hier der besseren Klarheit wegen, nochmal aufgegriffen. 61

62 von Menschen in Heilanstalten mit dem Versuch, Kinder, die ihrer Lebenswelt beraubt wurden, nun durch Fremdwelten zu sozialisieren. Die Konsternierung mancher Lehrer ist dann groß, wenn Kinder Ausnahmen bilden: Piston tat nichts, was Piston nicht tun wollte; und was Piston tun wollte, das tat Piston auch (Herndorn, 1972, S. 17). Es kann sein, dass auf eine solche Feststellung ein Hilferuf an die Eltern erfolgt: Sehr geehrte Eltern! Ihr Sohn Leonhard folgt leider nur dann aufmerksam dem Unterricht, wenn er interessant ist (Becker J., 1983, S. 39). Solche Briefe können einhergehen mit vielen anderen Machtinstrumenten, wie Bloßstellung vor der Klasse, Selektion und schlechten Noten und wenn alles nichts hilft, dem Verweis von der Schule. Wenn so der Ort, in dem Kinder aufs Leben vorbereitet werden sollen, ein Lernort der Zurichtung wird, entartet er zu einem Überlebensort statt Lebensort. Dort werden Kinder mit dem Ziel abgegeben, einen Lebensbaum zu einem Bonsai zuzurichten, damit er gesellschaftsfähig wird. So finden wir auch in Kants Pädagogik, dass Wildheit die Unabhängigkeit von Gesetzen ist. Deswegen müsse die Disziplin den Menschen den Gesetzen der Menschheit unterwerfen und ihn den Zwang der Gesetze fühlen lassen (vgl. Kant I., 1803, S. 6). Dieses muss aber frühe geschehen. So schickt man z.e. Kinder anfangs in die Schule, nicht schon in der Absicht, damit sie dort etwas lernen sollen, sondern damit sie sich daran gewöhnen mögen, still zu sitzen und pünktlich das zu beobachten, was ihnen vorgeschrieben wird, damit sie nicht in Zukunft jeden ihrer Einfälle wirklich auch und augenblicklich in Ausübung bringen mögen (ebd.). Es ist kaum zu glauben, dass derselbe Kant eine Rede der Aufklärung zur Mündigkeit geschrieben hat, in der er forderte, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen. Wenn Kinder ihre eigenen Gedanken haben dürfen, wie Gibran es beschreibt, müssen sie später als Erwachsene nicht erst wieder mühsam dahin gebracht werden, selbständig zu denken. Khalin Gibran würde bezugnehmend auf Piston sagen: Denn sie haben ihre eigenen Gedanken. [ ] Denn ihre Seele wächst auf im Hause der Zukunft, das ihr nicht einmal in euren Träumen besuchen könnt. Ihr dürft danach streben, so zu sein wie sie, aber versucht nicht, sie euch gleich zu machen. Denn das Leben geht weder rückwärts noch verweilt es in der Vergangenheit (Gibran, 2005 (1923), S. 22). Das Hauptproblem der Fremdbestimmung zeigt sich in dem Bestreben, Kinder gleich machen zu wollen. Der Versuch der Homogenisierung erfolgt an einem Maßstab, den Curricula bestimmen und der vom Lehrer als verbindlich ausgeführt wird, weil er meint, es seinem Berufsethos schuldig zu sein, dass Kinder 62

63 Leistungsprodukte herstellen, denn Kinder sollen ja lebenstüchtig werden. Allerdings gibt es auch zum Glück viele Ausnahmen. Von Hentig schreibt in dem Vorwort des Buches von Herndorn dazu: Die Schule überleben : Es gibt Pädagogen, die die Schule als Mittel und Prinzip der sich selbst reproduzierenden Industriegesellschaft ablehnen das verschulte, vom Lehren abhängig gewordene Lernen überhaupt und die darum die Gesellschaft insgesamt entschulen, die Schulen abschaffen wollen (von Hentig zit. in Herndorn, 1972, S. 5). Wenn in der Schule aus gesellschaftlichen Machtinteressen eine künstliche Spaltung zwischen Lebenswelt und Wissen gesetzt wird, bedeutet das, fremdes Wissen stellvertretend für das selbst zu erwerbende Wissen zu implantieren. Lehrer wundern sich dann darüber, dass Kinder demotiviert sind, kein Interesse zeigen, Lernblockaden oder schlimmstenfalls Aggressionen zeigen und wenden sich meist hilfesuchend an die Eltern, weil sie meinen, diese seien schuld an dem Dilemma. Viele Eltern fühlen sich aber ebenfalls überfordert, geraten in Ängste darüber, dass ihre Kinder nicht gesellschaftsfähig sind, keine Leistungen zeigen und wohl auf der Straße landen werden, machen deswegen den Kindern ihrerseits Druck und nicht selten geben sie den Lehrern Narrenfreiheit bzw. legen ihre eigentliche Verantwortung in die Hände der Lehrer, damit aus den Kindern doch noch etwas Ordentliches wird. Wenn Lebenswelt und Wissen auseinanderfallen, stattdessen Wissen in die Köpfe infiltriert werden soll und damit das natürliche, als ein dem Menschen innewohnendes Prinzip der Entwicklung missachtet wird, wird der Mensch psychisch oder körperlich krank, entwickelt Lernblockaden statt Fähigkeiten und kann nur noch extrinsisch statt intrinsisch lernen. Er wird zu einem Roboter gesellschaftlichen Wissens degradiert und fühlt sich nicht nur wie ein Zombie, sondern kann auch als solcher zum Amokläufer werden, um damit seiner Zerrissenheit ein Ventil und Ausdruck zu verleihen. 34 Denn wenn die eigene Lebenswirklichkeit abgespalten wird, weil der Mensch nur noch über den gesellschaftlichen Machtapparat funktionieren soll, liegt eine Lebenslogik von Gewalt nahe, der er selbst zum Opfer fiel. In dem Versuch, dieses System zu zerschlagen, könnte ein Amoklauf insofern wie ein letzter Aufschrei der gequälten Seele betrachtet werden. Manche Kinder allerdings lassen es zu, dass sie mit Wissen angefüllt werden, weil es ihrer natürlichen Sehnsucht entspringt, sich an das allgemeine Wissen anzuschließen, ohne welches der Mensch nicht überlebensfähig werden kann. Ein Sich zurechtzufinden und Erfolg haben, muss der Mensch aber oft damit bezahlen, dass das angereicherte Wissen nicht in den Kontakt zu natürlichen Erkenntnissen, zur inneren Erlebniswelt oder zur umgebenden Welt gebracht werden kann. Die Weiterentwicklung des Menschen bleibt dann auf der Strecke, denn die Begriffe, die Gelehrsamkeit begründen 34 Es ist zu vermuten, dass ein Amokläufer Mobbing-Opfer war. Demnach kann der Amoklauf als erweiterter Selbstmord bezeichnet werden (vgl. Schäfer & Gabriela, 2012, S. 26). 63

64 sollten, sind leer. Freud sagte: Wenn wir abstrakt denken, sind wir in Gefahr, die Beziehungen der Worte zu den unbewussten Sachvorstellungen zu vernachlässigen (Freud S., Das Unbewusste, 1913). Goethe lässt Mephisto in seiner Kritik einer mechanistischen Weltsicht sagen: Wer will was Lebendigs erkennen und beschreiben, sucht erst den Geist herauszutreiben, dann hat er die Teile in der Hand, fehlt leider! Nur das geistige Band [Faust I, Anm. d. Verf.] (Goethe J. W., 1996 (1797), S. Vers 1896). Zwar geht das durchaus ernst zu nehmende, berechtigte und auch sinnvolle Anliegen der Schule dahin, Kinder gesellschaftsfähig werden zu lassen und auf das Leben vorzubereiten. Wenn dieses Bestreben allerdings den Verlust menschlicher Lebenswirklichkeit bedeutet, wird der Mensch eben nicht zur Entfaltung seiner Fähigkeiten geführt, sondern zum funktionierenden Wissensspeicher getrimmt. Dieses Abfüllen des Menschen mit Wissen führt zu Entfremdungsprozessen des Menschen, da er seine Lebenswirklichkeit nicht in Übereinstimmung bringen kann mit seinem aufgesetzten und deswegen fremden Wissen. Der Mensch hat nur noch Teile in der Hand, wie Goethe schreibt, die verbindungslos zersplittern, wenn der Bezug durch das geistige Band des Menschen fehlt. Von Hentig betrachtet die Trennung von Wissen und Sein als den zweiten Sündenfall des Menschen. Das geschah nicht erst heute, sondern schon durch die Sophisten, welche die Suche nach Wahrheit aufgegeben haben und sich im Wissen einrichteten. Wissen war zu einer Macht geworden und ist es bis heute in unserer Zivilisation geblieben, als Weg sich der Wirklichkeit zu bemächtigen. Unsere Schule ist eine Sophistenschule, weil sie Wissen vermittelt (vgl. Von Hentig, 1966, S. 140). Eine willkürliche Verschiebung oder Nichtbeachtung des sokratischen Gradmessers, der im Sonnengleichnis aufgezeigt wurde, lässt Chaos, Stillstand oder Ungleichgewichte entstehen, die sich in der Schule durch Lernblockaden, Unmotiviertheit, Gewalt, Mobbing, möglicherweise auch ADS/ADHS, psychosomatischen Leiden etc. ausdrücken können. In einer Zeit, in welcher also ADHS- Phänomene wie Pilze aus dem Boden schießen, Kinder immer mehr psychisch krank werden, die Gewalttätigkeit zu- und Mobbing 35 überhandnimmt, liebende Eltern und auch Lehrer nicht mehr wissen, 35 Karl Gebauer hat die Thematik des Mobbings auf verschiedenen Ebenen durchdrungen. Er nennt als Ursache von Mobbing einen entwicklungspsychologischen Aspekt, der sich bei dem Täter als eine innere Leere, die mit Unsicherheit einhergeht, ausdrückt. Dieser innere Leere will der Täter dann laut Gebauer durch Mobbing in Allmachtsgefühle verwandeln (vgl. Gebauer K., 2009, S. 32). 64

65 wie sie den Kindern aus dem Dilemma heraus helfen können, muss deswegen mehr denn je danach gefragt werden, wie die Umkehrung des sokratischen Kreislaufes als Entfremdungsspirale verhindert werden kann. Schon Galileo Galilei, der Physiker, Astronom und Philosoph erkannte: Man kann einen Menschen nichts lehren, sondern ihm helfen, es in sich selbst zu entdecken (Galileo Galilei ). Wirkliche Bildungsprozesse vollziehen sich im Kind in seiner gesamten Persönlichkeit und beruhen auf der Entdeckungsfreude des Lebens. Erweiternd lässt sich sagen, dass solche Bildungsprozesse auch am jeweiligen Entwicklungsstand der auch Krankheiten mit einbezieht, orientiert sind. Die falsche Richtung der nach Sokrates begründeten Bildungsspirale ist dagegen krankmachend und benötigt eine Umkehrung wie durch Abb. 15 Das Bildungswegmodell - Erkenntnisgewinn und Heilung in dieser Arbeit noch aufgezeigt werden wird. Von Hentig beschreibt sehr treffend, was das für das Kind bedeutet: Bildung ist ein individueller, sich an und in der Person, am Ende durch sie vollziehender Vorgang. Ich bilde mich, lautet die richtige Beschreibung. Eine Form, die mir ein anderer aufprägt, macht mich nicht zu einem Gebildeten, sondern zu einem Gebilde. Und die Ertüchtigung für eine gesellschaftliche Tätigkeit ist etwas ganz anderes und heißt Ausbildung (Hentig, 2003, S. 13). Kinder sind darauf angewiesen zu lernen, um in der Gesellschaft ihren Platz zu finden, weil der Mensch nur so auf dem Weg der kulturellen Einbindung überlebensfähig ist und sich selbst bestimmen kann (s.a. Plessner passim). Wie aber wird es möglich, die Freiheit, auf die doch alles ankommt, mit dem Zwang zu vereinbaren, der sich aus der lebensnotwendigen Bewegung in der Gesellschaft ergibt? Wir finden nicht nur bei Winnicott in Becker sondern auch bei Thomas von Aquin: In jedem Schritt; mit dem wir uns lernend die Möglichkeit aneignen in dieser Welt unserem Wesen gerecht leben zu können, begegnen sich [ ] ein Moment der Aneignung und der Anerkenntnis (Pauli im Vorwort in Aquin, 2006 ( ), S. XX). Die Anerkenntnis ist demnach als ein Freiheitsakt zu sehen, der nur durch eine einzige Instanz zu nötigen ist, nämlich durch die Vernunft selbst, die das Objektive als das, was angeeignet werden kann, als Objektives bewusst erkennt. In dem Sinne führt auch Krawitz aus, dass Erziehung und dialogischer Unterricht dem Aufbau eines Vernunftwillens dienen müssen, der den Prinzipien der Wahrheit verpflichtet bleibt, um sich so von jeder Form der Fremdbestimmung zu lösen. Er versteht Emanzipation in einem idealistischen Verständnis des Begriffs: emancipatio, Entlassung aus der (väterlichen) Gewalt, Befreiung aus der Abhängigkeit und der Fremdbestimmung fremden Denkens und Geführtwerdens zur Freiheit als Autonomie des Vernunftwillens (Krawitz, 1980, S. 280). Durch mangelnden Bezug der Schule auf die Lebenswelt der Schüler entsteht Langeweile, die wiederum Aggressionen auslösen kann. Jannan erklärt diese Zusammenhänge als eine der Ursachen von Mobbing (vgl. Jannan, 2010, S. 29). 65

66 Sokrates hat in seinem Sonnengleichnis sowie in seinem Höhlengleichnis einen Weg aufgezeigt, wie es gelingen kann, Kinder nicht am Lernen und Leben zu hindern, sondern der bewegten Seele zu folgen. Diese Bewegung der Seele wird durch das Bildungswegmodell als dialogorientierter Prozess aufgezeigt, der dem gesunden Weg von Entwicklung entspricht. Eine Umkehrung des Kreislaufes kann zur Regression führen, dem Gefühl auf der Stelle zu treten oder immer wieder an die gleiche Stelle zu geraten. Langeweile, Süchte und Konsumorientierung treten häufig entsprechend der vorgegebenen Logik als Heilungsversuch auf. Doch statt dadurch auf der Entwicklungsspirale weiter zu kommen, führt die Fahrt auf der Abwärts-, die auch Teufelsspirale genannt werden kann, erst recht bergab. Den sokratischen Kreislauf umzukehren, d.h. die Entwicklungsspirale in die falsche Richtung zu drehen, bedeutet symbolisch ausgedrückt, die Swastika als Glücksbringer in ein Hakenkreuz zu verwandeln, als Zeichen von Diktatur und Entfremdung. Es gilt, sich aus den Strukturen der Diktatur und von dem falschen Kreuz zu befreien, was auf vielen Schultern lastet und den Kindern ungefragt aufgebürdet wird. Wenn die Bildungsspirale in die falsche Richtung läuft, entsteht ein Missverhältnis zwischen Erfahrung und Erkenntnis, das Abstraktionsvermögen wird durch leere Begriffe ersetzt, wie auf Abb. 11 zu erkennen ist. Das sokratisch begründete und von mir weiterentwickelte Modell zeigt dagegen auf, wie Erkenntnisse als schulische Lerninhalte an die Lebenswirklichkeit gekoppelt werden müssen, um Menschen so zu befähigen, selbst über Anschauung und Erfahrung, Erkenntnisse zu gewinnen. Wissenschaft muss mehr sein als Beschaffung von Daten und die Feststellung von Beziehungen; Daten und Beziehungen, die kein Denken auslösen, sind nicht wert, gewusst zu werden (Hentig, 2003). Thomas von Aquin betont, dass Wissen eine bestimmte Art ist, sich im Geiste auf Sachverhalte zu beziehen. Deswegen ist es dem Lehrer unmöglich, sein Wissen als seine derartige Beziehung zu Sachverhalten einfach in den Schüler zu verpflanzen, sondern er hat vielmehr die Aufgabe dem Schüler ebenfalls eine solche Sachverhaltsbeziehung zu ermöglichen. Somit muss Wissensvermittlung als Wissenstransfusion scheitern und hinterlässt in derartigem Bemühen lediglich Leere (vgl. Aquin, 2006 ( ), S. 9). Freire zeigt ebenfalls in seinem Buch (Freire, Pädagogik der Unterdrückten. Bildung als Praxis der Freiheit, 1985, passim) Wege auf, wie Menschen sich aus Fremdbestimmung durch Bewusstseinsbildungsprozesse (Conscientizacáo) lösen können. 36 Und nochmal Denn nur die mit ihrer Lebenssubstanz Verwirklichenden werden neue lebensfähige Wirklichkeit stiften (Buber, 1962 Bd. 1, S. 814 f.). Vom Lehren 36 Verweis auf das Kapitel 5.6 Exteriorisation, Conscientizacáo und sokratischer Prozess zur Bewusstseinsbildung. 66

67 Dann sagte ein Lehrer: Sprich zu uns vom Lehren. Und er sagte: Niemand kann euch etwas offenbaren, was nicht bereits in der Dämmerung eures Wissens angelegt ist. Der Lehrer, der im Schatten des Tempels inmitten seiner Schüler wandelt, gibt nicht sein Wissen, sondern vielmehr seinen Glauben und seine Barmherzigkeit weiter. Ist er tatsächlich weise, so lädt er euch nicht ein, das Haus seiner Weisheit zu betreten, sondern führt euch an die Schwelle eures eigenen Geistes. Der Astronom kann euch sein Verständnis des Weltalls darlegen, aber geben kann er euch sein Verständnis nicht. Der Musiker kann euch vom Rhythmus erzählen, der das Weltall erfüllt, aber geben kann er euch weder das Ohr, das den Rhythmus einfängt, noch die Stimme, die ihn widerhallen lässt. Und wer in der Wissenschaft der Zahlen bewandert ist, kann vom Reich der Gewichte und Maße erzählen, aber er kann euch nicht dorthin führen. Denn die Vorstellungskraft eines Menschen leiht keinem anderen ihre Schwingen (Gibran, 2005 (1923), S. 63 f.). Lernen ist als Sonderform von Erkennen die synthetische Leistung des subjektiven Bewusstseins und Handeln eine verbindliche Tätigkeit autonomer Willensaktivität und muss deswegen immer selbstgewählten und eigenverantworteten Maximen folgen (vgl. Krawitz, 1980, S. 294). 67

68 2.2.2 Konsumorientierung durch Störung des Bildungsprozesses Abb. 12: Konsumorientierung durch Störung des Bildungsprozesses Fettmarkierungen sind Ausdruck von Abb. 12, Unterstreichungen betonen das, was im gesunden und erweiterten Bildungswegmodell Abb. 15 vorzufinden ist. Auf der Abb. 12 sieht man den Zerfall des Menschen in verschiedene Bereiche/Welten. Die reine Konsumierung sowohl im Bereich des Wissens als auch im Bereich der Bilder ist gekennzeichnet durch einen fehlenden Dialog zwischen der Lebenswelt und der Wissenswelt. Der dadurch entstehende Hunger nach Realität und Bildern des Lebens wird insbesondere bei Kindern dadurch ausgedrückt, dass sie nachdem sie sich durch den schulischen Wissenstrichter quälen mussten, zu Hause wie paralysiert in den Sog des Fernsehens oder des Computers als Ersatz für wirkliches Leben gezogen werden. Die im Außen realisierte und exzentrisch motivierte Verschiebung des denkbaren Bereiches in den sichtbaren Bereich, kann zwar als Versuch der Selbstheilung durch Belebung 68

69 des sichtbaren Bereiches angesehen werden, führt aber statt zur Heilung in die Zerrissenheit zwischen Rationalität und Emotionalität. Erklärungen zur Abb. 12: In diesem Modell Abb. 12 finden wir zwischen dem sichtbaren und denkbaren Bereich inaktive und ausgebremste Zwischenbereiche vor, die bei dem Modell Abb. 15 (erweitertes Bildungsmodell) als Entwicklungszonen fungieren. Die Pfeile zwischen den Bereichen dringen nur einseitig vom denkbaren in den sichtbaren Bereich vor und unterstreichen damit den antidialogischen Charakter des Modells. Durch das massive Eindringen dieser Fremd-Ideen aus dem denkbaren Bereich durch konsumierte Begriffe in den sichtbaren Bereich des Menschen, der für die inneren Bilder verantwortlich ist vollzieht sich Störung, entsteht eine Kultur des Schweigens. Jeder mögliche echte Dialog wird durch ein konsumorientiertes System, in welcher der Mensch funktionalisiert wird, ausgeschaltet. Die Linie, die im Modell Abb. 15 eine Interiorisation echter eigener Sinneseindrücke in die Erfahrungswelt ermöglicht, führt hier lediglich zu einer einseitigen Übernahme künstlicher Scheinerfahrung in den Bereich der Sinne und Anschauungen, denn es gibt keine Widerspiegelungen, die eine Chance hätten, sich zu etwas dem Menschen ganz Eigenen im Subjektiven Bereich aufzubauen, denn anstelle von Aneignungsprozessen herrscht hier Reizüberflutung, welche die Abbildung des wirklichen Seins und der Wirklichkeit verhindert. Der subjektive Raum ist massiv besetzt durch Überlagerung des von außen Kommenden. Die Medienwelt hat das Sagen. Eine zusätzliche Behinderung findet im Bereich der Linie statt, die in dem erweiterten Bildungswegmodell Abb. 15 eine Austauschzone zwischen Denkbarem und Sichtbarem bildet. In diesem Modell Abb. 12 dagegen werden Begriffe und Ideen einfach als Fremdwissen konsumiert, haben keinerlei Bezug zum Menschen und seiner Lebens- und Anschauungswelt, sind leer und wie Adorno sagt verdunstete Realität (vgl. Adorno, 1956, S. 25). Der sichtbare Bereich bleibt deswegen genau wie der denkbare Bereich abgespalten, bedeutungslos und deswegen leblos. Er ist lediglich nur noch Behälter für konsumierte Bilder, die von außen eindringen. Der Mensch zerfällt quasi in zwei Teile in den rationalen Teil (denkbarer Bereich) und den emotionalen Teil (sichtbarer Bereich). 37 Statt eines 37 Alexithymie Gefühlsblindheit (Thymos kommt von Gefühl, lexis von Wort) An der Krankheit sieht man, wie die Leistungsideologie und Konsumorientierung unserer Gesellschaft zur Entwicklung von Störungen beitragen kann. Alexithymie gilt als ein neuropsychologisches Defizit der Gemütsregulierung und geht mit Symbolisierungsstörung der sprachlichen Sozialisierung einher. Dieses Defizit ist von der Unfähigkeit gekennzeichnet, im sozialen Umfeld bei anderen Menschen Gemütszustände erkennen bzw. eigene Gemütszustände in Worte packen zu können. Die Phantasie- und Traumtätigkeit sind eingeschränkt, das Denken ist operational, zweckgebunden und hat mechanischen und instrumentellen Charakter. Eine Verarmung des Wortschatzes zeichnet diese technokratischen Persönlichkeiten aus. Objektbeziehungen gelten als mechanisiert. Man könnte diese Menschen auch als Mensch-Rechner bezeichnen. Sie sind an die technische 69

70 fruchtbaren dialogischen Austauschs der Bereiche miteinander, kann der funktionalisierte Mensch diese Bereiche nicht mehr miteinander in Kontakt bringen und fühlt sich zerrissen und nekrophil. 38 Anstelle von Persönlichkeitswachstum sieht man hier in Abb. 12 eine tote Zone. Der Mensch ist seiner eigenen Lebendigkeit beraubt. Der gesellschaftliche Sinn tritt zunehmend mehr an die Stelle des persönlichen Sinns. Wenn Möglichkeiten der Identitätsfindung durch mitmenschliche Interaktion in der Schule oder auch zu Hause fehlen, ergeben sich solche in der Warenwelt. Dass die kommunikative Befriedigung ersatzweise in die orale verschoben wird, führt zu starker Frustration und zu einem ungestillten Verlangen, welches auf Wiederholung drängt, nur um wieder ersatzbefriedigt zu werden. Denker hat darüber nachgedacht, warum es Waren-Identität statt wahrer Identität gibt (vgl. Denker, 1985, S. 29) und sieht darin die Wurzel eines Frustrations-Sucht- Kreislaufes. Die Folge ist eine Null-Bock-Mentalität, bei der soziale Konflikte und Benachteiligungen ohne Anteilnahme aus der Zuschauerperspektive zur Kenntnis genommen werden und Aggressionen verstärkt auftreten. Der Mensch versucht seine mit der Unbefriedigung latent empfundene Angst einzudämmen, leidet aber an Ichschwäche und Antriebslosigkeit, weil das scheinbar Objektive, was durch Medien oder auch ersatzweise durch Gruppen unbewusst vermittelt wird, die Selbstreflexion erschwert, die zur Persönlichkeitsbildung relevant wäre (vgl. ebd.). Doch wie entwickelt sich die Waren-Identität die durch Denker besprochen wird? Menschen werden von klein auf in ein Bewertungsschema gepresst, aus dem sie nur schlecht wieder herausfinden. Schnell ist ein Urteil gefällt, ein Mensch selektiert, abgeschoben und ausqualifiziert. Unsere Schulen als Bewertungs- und Selektionsinstitutionen bereiten auf die gesellschaftlichen Perspektiven vor, die für viele allerdings nur noch als Untiefen bezeichnet werden können. Bevor man die Frage entscheidet, ob Menschen aus schlechten Gewohnheiten zu entwurzeln sind und, falls ja, auf welche Weise, sollte man rekapitulieren, wie es dazu kommen konnte, dass sie jemals in ihnen Fuß fassten (Sloterdijk P., 2009). Menschen zerfallen heute in verschiedene Bereiche/Welten. Eine Hauptwelt ist die Welt des Wissens als Arbeitsleben meistens allerdings ohne Selbstverwirklichung. Schule dient als konsequente Vorbereitung auf das, was im Anschluss daran im Arbeitsleben kommt. Insbesondere sind Kinder als Umwelt angepasst und spiegeln eine aktuelle allgemeine Entwicklung des modernen Menschen wider, sind also hervorragend vergesellschaftbar in einem technokratischen System. Die Störung liegt darin, dass entweder a) die Wege der psychischen Verarbeitung zum Bewusstsein blockiert sind oder b) die Weiterleitung von der somatischen Komponente des Affekts zur psychischen Verarbeitung nicht funktioniert (vgl. Sami-Ali zit. in Menk, 1997, S. 29). 38 Diese vollständige emotionale Abhängigkeit kann die Unterdrückten zu dem führen, was Fromm das nekrophile Verhalten nennt: zur Zerstörung des Lebens ihres eigenen oder ihrer unterdrückten Freunde (Freire, 1985, S. 51). 70

71 Ausgelieferte an eine Kultur, in die sie hineinwachsen müssen, schon von Sinnentleerung und fehlender Selbstwirksamkeit betroffen, wenn sie einem pathologischen Weg zur Bewältigung eines pathologischen Gesellschaftssystems folgen müssen, durch welches Wissen als Scheinwissen verpackt in die Köpfe hineingepresst werden soll, das den Menschen am wirklichen als mit der Wirklichkeit verbundenen Leben hindert und behindert. Der fehlende Dialog zwischen der Lebenswelt und der Wissenswelt drückt sich als Hunger nach Realität und Bildern des Lebens aus. Wenn Kinder sich durch den schulischen Wissenstrichter gequält haben, werden sie deswegen zu Hause meistens wie paralysiert in den Sog des Fernsehens oder des Computers als Ersatz für wirkliches Leben gezogen. Wie gebannte, erstarrte und gefesselte Marionetten starren sie nun wie die Gefesselten in der Höhle nur in eine Richtung auf die Schattenbilder, die sie für die Wirklichkeit halten und nach der sie hungern, ohne andere auch im Raum anwesende Lebewesen dabei wahrnehmen oder anschauen zu können. Zum Dialog nicht mehr fähig, die Wahrnehmung eingeschränkt, bleibt dann selbst, wenn die Mutter zum Mittagessen ruft, deren Ansprache ungehört. Erstaunlicherweise hat schon Sokrates, obwohl es zu seiner Zeit ja noch gar kein Fernsehen gab, bereits sehr treffend beschrieben, wie solch ein Medienkonsum sich gestaltet. 39 Hinter allen Abwegigkeiten der Menschen aber scheint nicht nur die Bemühung des Vergessens zu liegen als Ausschaltung des denkbaren Bereiches, sondern auch der Versuch der Selbstheilung durch Belebung des sichtbaren Bereiches, was dann aber statt zur Heilung in die Zerrissenheit und die Abwärtsspirale führt. Dem Menschen erschließt sich die objektive Welt durch sinnliche Erlebnisse wie Sehen, Hören, Tasten, Riechen und Schmecken, aber nicht am Bildschirm. Denn abgesehen davon, dass die Tiefendimension fehlt dem kann ja durch 3D nachgeholfen werden, kann nichts angefasst und schon gar nicht gerochen und geschmeckt werden. Deswegen zeigt Spitzer auf: Bildschirme liefern dem kleinen Kind weniger Struktur als wirkliche Realität. Man kann daher annehmen, dass ein substantieller Konsum von Bildschirm-Medien (d.h. ein Konsum von Bildschirm-Medien über einen substantiellen Zeitraum im Vergleich zur Gesamtzeit der kindlichen Erfahrung) eine geringere bzw. unklarere Strukturierung des kindlichen Gehirns und damit wiederum der kindlichen Erfahrungswelt nach sich zieht (vgl. Spitzer, 2007, S. 90 ff.). Spitzer zeigt auf, was es bedeutet, dass Bildschirme unsere Wahrnehmungswelt verändern. Die Konsequenzen beziehen sich auf formale Aspekte denn ein Auto am Bildschirm ist etwas anderes als ein wirkliches Auto und auf die Inhalte die insbesondere 39 Von Kind auf sind sie in dieser Höhle festgebannt mit Fesseln an Schenkeln und Hals, sie bleiben also immer an der nämlichen Stelle und sehen nur geradeaus vor sich hin, durch die Fesseln gehindert ihren Kopf herumzubewegen. [ ] Wenn sie nun miteinander reden könnten, glaubst du nicht, dass sie der Meinung wären, die Benennungen, die sie dabei verwenden, kämen den Dingen zu, die sie unmittelbar vor sich sehen? (Platon, Der Staat. Siebentes Buch, 1988 Bd. V ( v. Chr.), S. 268, 514 St.). 71

72 Kinder häufig überfordern, aber auch auf die Lebensgewohnheiten, denn immer weniger Kinder haben noch Zeit und Lust, sich an der frischen Luft zu bewegen. Spitzer zeigt einen empirisch nachgewiesenen Zusammenhang von Fernsehkonsum im Kleinkindalter und Aufmerksamkeitsstörungen im Schulalter auf (ebd.). Mir geht es nicht darum, ein Plädoyer dafür zu geben, dass neue Medien unbedingt aus den Kinderzimmern verschwinden müssen, noch will ich hier sonstige mediendidaktische Ratschläge geben. Die Dramatik wurde insbesondere von Spitzer ausreichend mit Lösungsvorschlägen versehen, die aber wie ich finde zu kurz greifen. Somit geht es nicht um kulturpessimistisch-apokalyptische Thesen gegen neue Medien. Es ist ja durchaus möglich, dass Alltagswirklichkeit und mediale Welt sich miteinander vernetzen. Dennoch ist es nicht hinweg zu diskutieren, dass die sanfte Gewalt des Bildschirmmediums auf einen weitgehend konsumierenden Wirklichkeitsbezug reduziert, viele Kinder und Jugendliche die Welt nicht mehr als Handelnde erleben und die Bedürfnisse schwinden, in eigener Wirklichkeit Regie zu führen (vgl. Wöll, 1998, S. 5). Ich verstehe die Verstümmelung und Entwertung unmittelbarer Erfahrungen ebenso wie die Verkümmerung von Eigentätigkeit und des handelnden Umgangs mit Wirklichkeit, die sich im Zusammenhang mit Medienkonsum darstellt, als Folge davon, dass die Welt schon vor der Konsumierung, die sich in Abb. 12 zeigt, in Lebenswirklichkeit und Wissenswelt aufgeteilt wurde. Anhand der Graphik Abb. 11 Verdrehung des gesunden Bildungsweges wurde die Trennung von Lebenswelt und Wissen in der Schule verdeutlicht, die sich später bei Erwachsenen zwischen Arbeitswelt und Sinn implantiert. Diese Trennung ist als grundlegend dafür anzusehen, dass Menschen hungrig nach entbehrten Erlebnissen und Erfahrungen, nach dem greifen, was ohne große Anstrengung nach dem ermüdenden Schul- oder Arbeitsalltag, nicht nur Abschaltung sondern auch Erlebnis-Befriedigung verspricht. Diese Bestandsaufnahme wird dann durch die Graphik Abb. 12 dargestellt. Wenn das Leben nicht mehr als Ganzes begriffen werden kann, zerfällt es in ökonomische Gebrauchs- und Verwertungskategorien, die meistens von Funktionalismus geprägt sind, der auch vor der Freizeit als Ausgleichsfunktion nicht Halt macht. Damit erfährt sich der Mensch gespalten und in verschiedene Funktionalismen zerteilt. Er kann die Welt innerlich nicht mehr abbilden, sondern fühlt sich durch sie zusammengepresst und isoliert von ihr, wie die Graphiken zeigen. Äußerst kritisch ist somit zu sehen, was Opp behauptet. Nach ihm lässt sich ein Leben, welches man als gelingend bilanzieren kann, nicht mehr als Ganzes begreifen. Er schlägt deswegen Konzepte für eine neue Erziehung zur Transformation vor, in der das Leben als ein Bündel von Teilkarrieren gesehen werden soll, ohne als hierarchisches Dependenzverhältnis aufgefasst zu werden. Demnach sollen die distinktiven Teilkarrieren unter dem Aspekt von Zugewinn und Verlust rekonstruiert werden (vgl. Opp, 2008, S. 272). So weit sind wir schon in der 72

73 Resignationsschleife und Anpassungsfähigkeit an ungesunde Zustände gekommen. Diese Art Selbstheilungsversuche erweisen sich aber als Sackgasse und Ausgangspunkt neuer Probleme, die hier im Einzelnen nicht aufgezählt werden sollen. Vielmehr bedarf es eines dialogischen Bildungsweges, den Lehrer so beschreiten müssen, dass sie Kindern über die Bewegung ihrer Seelen die Welt erschließend, aneignungsfähig machen. Platon betrachtet Leben als Selbstbewegung und bezeichnet beides zusammen als Seele. Leben als Selbstbewegung, die zugleich Seele ist (vgl. Jantzen, 1994, S. 35), sucht deswegen Bewegung durch Bildungsprozesse gleich einer Bildungs- und Entwicklungsspirale im Lebensprozess. Wenn dieser Weg verlassen wird, ist mit Entwicklungsstörungen oder Lernblockaden zu rechnen Traumalinien als Lern- und Entwicklungsblockaden Abb. 13: Traumalinien als Lern- und Entwicklungsblockaden Trauma Die Welt zerfällt in tausend Scherben. In tausend Scherben fall auch ich. 73

74 Es ist, als ob ich tausend Scherben wäre, weil nichts mehr mich zusammen hält, da hinter Gittern keine Welt (Jutta Lütjen, In Anlehnung an den Panther Rilkes) Die Graphik zeigt, wie Traumen Entwicklungsstörungen und Lernblockaden nach sich ziehen und alle Lebensgebiete des Menschen betreffen können. Wenn Armut, Vernachlässigung, Traumatisierung etc. den Erkenntnisgewinn behindern, ist Wachstum ohne Hilfe nur sehr begrenzt möglich. Der Mensch bewegt sich im Kreis, fühlt sich ver- und behindert. Benedetti nennt solche Traumalinien im Leben eines Menschen Todeslandschaften, weil Anteile und Fähigkeiten eines Menschen ungelebt, unbelebt und wie tot erscheinen (vgl. Benedetti, 2003, passim). 40 Weil alle Bereiche, also sowohl die Anschauungswelt, die Erfahrungswelt, die Erkenntniswelt als auch die Welt des Seins als Lebenswelt immer zusammenspielen, sind sowohl Körper, Seele als auch Verstand und soziale Fähigkeiten betroffen. Das heißt aber nicht, dass alle Bereiche des Menschen immer gleichermaßen tot erscheinen müssen, sondern es können gerade durch Traumen auch Fähigkeiten im Menschen besonders entwickelt werden, wie z.b. außergewöhnliche Intuition, Intelligenz, Durchhaltevermögen, Resilienz etc. Der Mensch ist in seinem Verhalten letztendlich weder voraussagbar noch programmierbar, weil er unbestimmt ist, das wird an dieser Stelle nochmal mehr als deutlich. Wie ein Mensch mit seinen Traumata umgeht oder diese integrieren kann, hängt nicht zuletzt von seinem Umfeld und seinem sozialen Netzwerk ab, sondern auch davon, ob diese Traumen schon sehr früh in seinem Leben oder erst zu einem späteren Zeitpunkt stattfinden, wie viel Zeit zwischen verschiedenen Traumen verläuft und wie die Bewältigung der verschiedenen Traumen jeweils verlaufen ist, welche Copingstrukturen ein Mensch in sich trägt, bzw. welches Copingverhalten er entwickelt etc. Das Thema zu vertiefen, ist an dieser Stelle nicht möglich. Deswegen sei auf Hans Keilson verwiesen, der eindrucksvolle Untersuchungen zum Schicksal jüdischer Kriegswaisen durchgeführt hat (vgl. Keilson, 2005, passim). 41 Schattenbereiche können jedenfalls der Loslösung und Entfesselung der Schatten bedürfen. Das wird in dem Kapitel 17.5 Ein Entwurf mäeutischer Transformationsarbeit beschrieben, bei welchem mögliche Hilfen der Begegnung 40 Auch in Kapitel Die Höhle Wohnstätte der Gefesselten wird schon auf dieses Thema Bezug genommen. 41 Hans Keilson analysiert die massiv-kumulative Traumatisierung bei Kindern am Beispiel der jüdischen Kriegswaisen in den Niederlanden in je einem deskriptiv-klinischen und einem quantifizierend-statistischen Untersuchungsgang. Zugleich überprüft er damit die Hypothesen der altersspezifischen Traumatisierung sowie einen Teil der psychoanalytischen Theorie der Traumatisierungsintensität (Keilson, 2005, Rückseite des Covers). 74

75 der Gefesselten mit einem inneren Schatten im Sinne Sokrates aufgezeigt werden. 2.3 Das erweiterte Bildungswegmodell als Grundlage für Bildung, Entwicklung und Transformation Das Bildungswegmodell wurde bereits durch Abb. 9 in einfacher Form vorgestellt. Auf dieses aufbauend folgen noch zwei Modelle, die die Dynamik der Entwicklungs- und Veränderungsmöglichkeiten durch Bildung aufzeigen sollen Das Bildungswegmodell als Entwicklungsmodell Die Welt eines Babys Abb. 14: Das Bildungswegmodell als Entwicklungsmodell Die Welt eines Babys Anhand dieser Vorlage kann im Vergleich zu Abb. 15 gesehen werden, dass der subjektive Bereich noch ganz klein ist, die Persönlichkeit ist noch 75

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