Wissenswert Religion und Popmusik. Hessischer Rundfunk hr2-kultur. Redaktion: Volker Bernius

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1 Hessischer Rundfunk hr2-kultur Redaktion: Volker Bernius Wissenswert Religion und Popmusik (5) Thank God It s Friday Sündige Genüsse Von Klaus Walter , Uhr, hr2-kultur Sprecherin: Sprecher: COPYRIGHT: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Der Empfänger darf es nur zu privaten Zwecken benutzen. Jede andere Verwendung (z.b. Mitteilung, Vortrag oder Aufführung in der Öffentlichkeit, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verteilung oder Zurverfügungstellung in elektronischen Medien, Übersetzung) ist nur mit Zustimmung des Autors/ der Autoren zulässig. Die Verwendung zu Rundfunkzwecken bedarf der Genehmigung des Hessischen Rundfunks.

2 Seite 2 Ray Charles Hallelujah I love her so ( ) 0.31 Vom Hallelujah im Gotteshaus ist es nur ein kurzer Weg zum Hallelujah, I love her so. Mit diesem Song landet der afroamerikanische Sänger Ray Charles einen Hit und die göttliche Botschaft landet mitten in der profanen Welt der körperlichen Liebe. Ob im Blues oder in der Countrymusik, im Rock n Roll oder im Soul - das hedonistische Vergnügen wird gefeiert. Tanzen, Liebe, Sex. Unter der Woche wird hart gearbeitet. Am Wochenende ist dann die Zeit gekommen für die sündige Verausgabung. Und am Sonntag ist es an der Zeit, die Sünden zu beichten, Zeit, den lieben Gott um Verzeihung zu bitten. So war das zumindest im 20.Jahrhundert. Als die Arbeitswoche noch 40 Stunden hatte. Als es noch klare Grenzen gab zwischen Arbeitszeit und Freizeit. Als man sich schon am Montag nach dem Freitag gesehnt hat. 0.45/1.15 Easybeats Friday on my mind 0.10 Sprecher: Montags hab ich den Freitag im Kopf. Die Hymne auf das Ende der Arbeitswoche, Friday on my mind, damit formulieren die Easybeats 1966 ein universales Lebensgefühl. In den Sechziger Jahren arbeiten die meisten Leute noch von morgens um Acht bis Nachmitags um fünf, von Montag bis Freitag. Heute sind die Arbeitswelten unübersichtlicher, die Arbeitszeiten flexibler, die Arbeitsrhythmen komplexer. Trotzdem träumen alle vom Wochenende, trotzdem fiebern alle dem Freitagabend entgegen. 0.30/1.55 Love & Kisses Thank God it s Friday 0.10 Gott sei Dank ist Freitag. Thank God it s Friday, von einer Gruppe mit passendem Namen. Love & Kisses. Das Wochenende ist die Zeit für Liebe und Küsse, dafür danken Love & Kisses

3 Seite 3 dem lieben Gott. Thank God it s Friday ist ein äußerst populärer Musikfilm aus dem Jahr 1978, wir sind auf dem Höhepunkt der Disco-Ära. Wie keine andere Musik zuvor feiert Disco das hemmungslose Vergnügen, die schrankenlose Verausgabung. Wie keine andere Musik zuvor wird Disco verdammt und verteufelt für die Feier des hemmungslosen Vergnügens, für die Feier der schrankenlosen Verausgabung. Disco das ist Sünde. So sehen das religiöse Fundamentalisten egal welcher Glaubensrichtung. Aber, Disco wird auch von links attackiert. Für Kritiker der kapitalistischen Kulturindustrie ist Disco der Inbegriff von ebenso seelenloser wie inhaltsleerer Fließbandproduktion. 0.50/2.55 The Smiths Panic (Hang The DJ) 0.15 Sprecher: Hängt den DJ, denn die Musik, die er da spielt hat nichts mit meinem Leben zu tun. Mit diesem Song bündeln The Smiths 1986 alle Ressentiments gegen die angeblich seelenlose und inhaltsleere Tanzmusik, der es nur ums Vergnügen und nicht um die Botschaften geht. Aber ist nicht genau das die Botschaft: das Vergnügen. Der Genuß. Die Ekstase. Das Fühlen. The Jacksons Can you feel it 0.10 Kannst du es fühlen? Can you feel it fragt Michael Jackson mit seinen Brüdern 19 Can you feel it? Das ist die Schlüsselfrage der hedonistischen Tanzmusik. Can you feel it? Das ist auch die Schlüsselfrage der afroamerikanischen Kirchenmusik, die Schlüsselfrage des Gospel. Die Ekstase des Tanzens und der körperlichen Liebe auf der einen Seite, die Ekstase des Gospel in der Kirche auf der anderen Seite. Zwei Seiten, eine Medaille.

4 Seite 4 Kannst du es fühlen? 0.50/4.10 Mr. Fingers Can you feel it 0.15 Sprecher: Für mich ist es definitiv wie in der Kirche. Wenn du 3000 Leute vor dir hast, dann sind das 3000 verschiedene Persönlichkeiten. Und wenn aus diesen 3000 Persönlichkeiten eine einzige wird, dann ist das die unglaublichste Sache der Welt. Wenn der Prediger alles in Gang gebracht hat oder der Chor alle in Fahrt bringt, kommt dieser besondere Moment, wenn der Höhepunkt erreicht wird und der ganze Raum eins wird. Das ist das Großartigste an der Sache. So beschreibt Frankie Knuckles die quasi religiöse Erfahrung des Verschmelzens in einer Nacht im Club. Von diesem Gefühl erzählt er in seiner Musik, in Tracks wie Party at my house Frankie Knuckles Party at my house ab 1.00 Frankie Knuckles ist einer der Pioniere der House Music aus Chicago. Die Bezeichnung House Music geht zurück auf das Warehouse. Sprecher: Wenn man in Chicago an der Schwelle zwischen den Siebziger und Achtziger Jahren schwarz und schwul war ging man in die Kirche namens The Warehouse, ein dreistöckiges Fabrikgebäude im desolaten Industriegebiet im Westen der Stadt. Für diejenigen, die sonst kaum irgendwohin gehen konnten, bot dieses Haus Hoffnung und Errettung. Man konnte dort seine Alltagssorgen vergessen und an einen besseren Ort fliehen. Wie die Kirche versprach es Freiheit, und das nicht erst im nächsten Leben. In diesem Club nahm Frankie Knuckles seine Gemeinde mit auf Reisen hin zu Erlösung und Erweckung.

5 Seite 5 So beschreibt die Zeitschrift Groove das quasireligiöse Treiben im Warehouse in Chcicago, der Geburtsstätte der modernen House Music. Für die Tänzerinnen und Tänzer der Nacht ist der Club eine Kirche. 1.35/6.00 Faithless God is a DJ 0.20 Sprecher: Dies ist meine Kirche, hier heile ich meine Wunden Hier werden Feinde zu Freunden und die Bitternis hat ein Ende Dies ist meine Kirche. Behauptet nicht nur die Band Faithless. Den Vergleich zwischen Club und Kirche greift auch Tobias Rapp auf. In einem vielgelobten Buch beschäftigt sich der Musikjournalist mit neuen kulturellen, sozialen und politischen Entwicklungen im Berlin der Nuller Jahre. Seit einiger Zeit ist die deutsche Hauptstadt auch Welthauptstadt der elektronischen Tanzmusik. In den vergangenen Jahren sind viele Produzenten und DJ s nach Berlin gezogen, hier ist am meisten los und in kaum einer Metropole ist das Leben so billig. Und jedes Wochenende pilgern Tausende von feierwütigen Ravern aus ganz Europa in die Berliner Tanztempel. Die niedrigen Flugpreise haben einen neue Feierklasse entstehen lassen: den Easyjetset. So heißt denn auch das Buch von Tobias Rapp: Lost and Sound Berlin, Techno und der Easyjetset.1.00/7.20 O-Ton Rapp 7: Kirche und Vereinsheim 0.25

6 Seite 6 Und worin besteht nun das Religiöse, Tobias Rapp? O-Ton Rapp 8: Religiöse Untertöne 0.25 und damit aus den schwarzen Kirchen, denn dort hat die schwarze Bürgerrechtsbewegung ihre Anfänge genommen. Sylvester: Take me to heaven 0.15 Der Club also ist das nächtliche und das sündige Pendant zur Kirche. Wenn das so ist, wer ist dann der Gott dieser Kirche? 0.15/8.25 Faithless God is a DJ 0.15 Sprecher: Dies ist meine Kirche, hier heile ich meine Wunden Heute Nacht ist Gott ein DJ Gott ist ein DJ. Von seiner Kanzel aus Predigt er Freiheit und Glück im hier und jetzt. Die Musiker von Faithless sind nicht die einzigen, die in Gott einen DJ erkennen: Pink God is a DJ 0.20 Sprecherin:

7 Seite 7 Wenn Gott ein DJ ist, ist das Leben eine Tanzfläche Liebe ist der Rhythmus Ihr seid die Musik Wenn Gott ein DJ ist Die amerikanische Popsängerin Pink mit ihrer Vergötterung des DJ s. Oder ist das ein Fall von Gotteslästerung? So denkt zum Beispiel Erika Steinbach. Die Frankfurter Bundestags- Abgeordnete aus der Christlich Demokratischen Union gab vor einigen Jahren ihren Austritt aus der Evangelischen Kirche Hessen Nassau bekannt. Ein Grund für diesen Schritt: Der Pfarrer der Frankfurter Katharinen-Kirche hatte versucht, eine jüngere Klientel in seine Kirche zu locken. Zu diesem Zweck engagierte er einen DJ und ließ Technoplatten spielen. Das war aber noch nicht der Tropfen, der bei Erika Steinbach das Fass zum Überlaufen brachte. Ihren Kirchenaustritt begründete sie so: 1.00/10.00 Sprecherin: Die Entscheidung, die die Landeskirche mit der Segnung von Homo-Gemeinschaften getroffen hat, ist ja nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Ich habe unter anderem auch die Techno-Partys in der Katharinenkirche angeführt, die eine unsägliche Gotteslästerung waren. Da hätte Christus mit Stricken die Menschen aus der Kirche geprügelt. Christus hätte die Menschen aus der Kirche geprügelt. Auch die Christin Erika Steinbach glaubt an die Prügelstrafe und damit an die Notwendigkeit eines strafenden Gottes. Diese Auffassung teilt sie mit einigen Christen. Zum Beispiel mit dem Priester der Pfingstgemeinde Church of God, House of Prayer in Washington DC. 0.40/10.40

8 Seite 8 Marvin Gaye The Lord s Prayer 0.15 Der amerikanische Soulsänger Marvin Gaye singt das Vater Unser. In die Hitparaden kommt er mit anderen Liedern. Das missfällt seinem Vater. Nicht dem allmächtigen Vater aus dem Vater Unser. Nein, Marvin Gayes leiblicher Vater, Marvin Gay Senior, seines Zeichens Priester der Pfingstgemeinde Church of God, House of Prayer in Washington DC ist wenig begeistert von den irdischen Genüssen, die sein Sohn in seinen Liedern besingt. 0.25/11.20 Marvin Gaye Sexual Healing 0.15 Sprecher: Oh Baby ich bin heßt wie ein Ofen, Ich brauche Liebe, Baby ich kann es nicht längerzurückhalten, es wird stärker und stärker, Wenn ich dieses Gefühl habe, dann brauche ich sexuelle Heilung. Marvin Gaye singt nicht nur von der die Heilung durch die körperliche Liebe. Er praktiziert auch, was er predigt. Mit häufig wechselnden Partnerinnen genießt er sexuelle Heilungen und dazu genießt er Kokain, und zwar reichlich. Über diesen Lebenswandel regt sich sein Vater so sehr auf, dass Marvin Gay Senior, der Priester der Pfingstgemeinde Church of God, House of Prayer in Washington DC seinen Sohn Marvin Gaye Junior, den weltberühmten Soulsänger kurzerhand erschießt. Es ist der 1.April 1984, ein Tag vor Marvins 45.Geburtstag. Kein Aprilscherz. 0.45/12.20

9 Seite 9 The Soul Stirrers Jesus will lead me to that promised land 0.15 Sprecher: Jesus wird mich in jenes gelobte Land führen. Der Gospelklassiker Jesus will lead me to that promised land gesungen von Sam Cooke mit seinen Soul Stirrers. Wie so viele hat Sam Cooke das Singen in der Kirche angefangen. Bis ihn Jesus, oder wer auch immer, auf einen anderen Weg geführt hat. Sam Cooke Twistin the night away 0.10 Sam Cooke findet Gefallen an den weltlichen Genüssen und twistet so manche Nacht hinweg. Er wird zu einem der populärsten Sänger der frühen Sechziger Jahre, vor allem das weiblich Publikum liegt ihm zu Füßen. Das bringt Probleme mit sich. Sam Cooke ist gerade mal dreiunddreißig jahre alt, als er seinen letzten Weg auf Erden antritt. Am 11. Dezember 1964 wird er im Hacienda Motel in Los Angeles erschossen, von der Motelmanagerin Bertha Franklin. Das vermutliche Motiv: Eifersucht. 0.45/ Al Green Let s stay together 0.15 Eifersucht ist auch im Spiel bei Al Greens Leidensgeschichte. Mit beseelten Liebesliedern wie Let s stay together wird der Sänger aus Memphis zu einem der größten Stars der Soulmusik der frühen Siebziger macht ihm seine Freundin Mary Woodson einen Heiratsantrag. Al Green lehnt ab. Daraufhin übergießt sie den Sänger mit heißer Grütze als er in der Badewanne sitzt. Al Green erleidet schwere Verbrennungen. Seine Freundin erschießt sich. Für Al Green wird das Drama zum Schlüsselerlebnis. Er wendet sich von der weltlichen Popmusik ab und dem Glauben zu. Al Green wird Priester an der Full Gospel Tabernacle-Church in Memphis. Und singt fortan Loblieder auf den Allmächtigen. 0.40/14.25

10 Seite 10 Al Green Praise the Lord