hr2wi Psychologische Schlüsselbegriffe 04 Freude Kraftquelle für schwierige Zeiten hr2wissen Psychologische Schlüsselbegriffe

Transkript

1 Hessischer Rundfunk hr2-kultur Redaktion: Volker Bernius hr2wissen Psychologische Schlüsselbegriffe 04 Freude Kraftquelle für schwierige Zeiten $ linear PS 04 Freude 7'33 : Monika Müller Heusch Zitatorin: Sylvia Heid Von Lisa Laurenz Sendung: xy. xy. 2014, hr2-kultur O-Töne: Peter Bergholz, Psychologe, Körperpsychotherapeut Annekatrin, Marita (anonym) hr2wi Copyright Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Der Empfänger darf es nur zu privaten Zwecken benutzen. Jede andere Verwendung (z.b. Mitteilung, Vortrag oder Aufführung in der Öffentlichkeit, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verteilung oder Zurverfügungstellung in elektronischen Medien, Übersetzung) ist nur mit Zustimmung des Autors/der Autoren zulässig. Die Verwendung zu Rundfunkzwecken bedarf der Genehmigung des Hessischen Rundfunks. 1

2 hr2wi (Annekatrin) 0`20 Ich hatte neulich ein Erlebnis, wo ich zur Arbeit fuhr. Es war ein Tag, der eher etwas stressig war. Ich musste an der Ampel halten und sah diese Spinnenweben, die von Tau erfüllt waren und die Sonne schien drauf und ich war so von Freude erfüllt in diesem Moment, es war nur dieser Moment, aber das hat mich den ganzen Tag getragen. Mal ist sie leise und behutsam, mal überschwänglich und ausgelassen. Freude ist ein Gefühl, das vermutlich jeder kennt, in unterschiedlichen Höhen und Tiefen. Wenn Freude auftaucht, ist sie auch körperlich spürbar. Der Atem wird tiefer, die Augen leuchten, die Mundwinkel zeigen nach oben. Freude beflügelt und verwandelt. Für viele Menschen ist die Natur eine Quelle der Freude. Auch andere Menschen können Freudenquellen sein, genauso wie Musik, kreatives Schaffen oder körperliche Bewegung: Autorin hr2wi (Peter Bergholz) 0`25 Ich weiß, dass richtiges Laufen auch die Seele erreicht. Aber man muss richtig laufen. Sie müssen langsam laufen und so, dass die Laufbewegungen sich mit den Gefühlen verbinden. Ich kann so laufen, dass ich mich in den inneren Einklang hineinbewege. Dann kommt die Freude und das merkt man auch, dann wird das Laufen ganz leicht. Es geht dann nicht mehr darum zu laufen, sondern mit sich selbst zu sein. Wenn der Mensch sich wohlfühlt und im Einklang mit sich selbst ist, dann freut er sich, so Peter Bergholz. Er ist Psychologe und Körpertherapeut: hr2wi (Peter Bergholz) 0`15 Freude das ist dieser Zustand des inneren Einklangs. Ich bin eins mit mir. Ich denke und fühle in eine Richtung, ich fühle mich verbunden, mit dem Menschen, mit dem ich gerade zu tun habe oder mit der Natur, mit der Welt, in der ich mich gerade bewege. Und das ist für mich Freude. Glücksgefühle, zu denen auch die Freude gehört, sind neurologisch gesehen elektrische Impulse. Diese werden mittels Botenstoffen von Nervenzelle zu Nerven- zelle geschickt. Was sie auslösen, ist jedoch von Mensch zu Mensch verschieden. Der eine springt vor Freude in die Luft, der andere weint vor Freude. Es ist aber nicht immer nur die große Freude, die glücklich macht. Besonders die kleinen Freuden scheinen für die seelische Ausgeglichenheit wichtig zu sein. Für die Psychoanaly- 2

3 tikerin Verena Kast ist Freude eine heilsame innere Quelle, die man so oft wie möglich aufsuchen sollte. In ihrem Buch `Freude, Inspiration, Hoffnung` schreibt sie: Zitatorin Man fühlt sich in der Freude dem Leben gewachsen... man fühlt sich bedeutsam, ohne dass man bedeutsam sein muss... Das Gefühl des Einsseins mit sich selbst und das Gefühl der Ganzheit, das so sehr von uns Menschen gesucht wird, ist im Moment der Freude vorhanden. Statt im Moment zu leben, ist der Mensch gedanklich jedoch meist mit der Vergangenheit oder der Zukunft beschäftigt. So nimmt er die vielen kleinen Gelegenheiten für einen freudigen Moment oft gar nicht wahr. Wenn man sorgenvoll, unzufrieden, unglücklich oder deprimiert ist, kann man sich nicht richtig freuen. Die Lebensfreude kann durch vielerlei Einflüsse verdeckt oder verdunkelt sein. Durch schlechte Erfahrungen in der Kindheit, durch Sorgen, Krankheit, Zeitdruck, durch Neid oder Überlastung: hr2wi (Peter Bergholz) 0`43 Letztlich kommt es darauf an, den Hebel zu finden, um aus diesem Stresszustand herauszukommen. Die Freude, nach meinem Verständnis, ist in uns und nur eingesperrt oder unterdrückt oder weggedrängt durch Zustände, die mit Freude nichts zu haben, zum Beispiel Stress und Anspannung. Wenn ich da herauskommen will, muss ich einen Hebel finden. Da kenne ich verschiedene. Ich in meiner Arbeit gehe über den Körper, Bewegung und Musik. Das Ziel ist, innerlich einen Zustand herzustellen, der sich wieder mit Freude verbindet und den Stresszustand, den kann man ja nicht auflösen, sondern, indem man den in den Hintergrund drängt. Musik und Bewegung seien in besonderer Weise geeignet, den Menschen mit seinem innersten Wesen in Berührung zu bringen und die Freude zu wecken. Peter Bergholz arbeitet in seiner psychologischen Praxis mit kleinen Bewegungen, die in eine positive Schwingung hineinführen: hr2wi (Peter Bergholz) 0`30 Die Verspannungsmuster, die wir entwickelt haben, jeder hat sein eigenes, die sind eher mit diesen kleinen Bewegungen auszuhebeln, weil der Widerstand wird mit diesen alltäglichen Bewegungen spielend fertig. Wenn wir den Widerstand auflösen oder schwächen wollen, müssen wir uns etwas 3

4 überlegen, was anders ist als das normale Reaktionsmuster. Diese kleinen Bewegungen wirken in bestimmter Weise auf das Nervensystem, das hat man herausgefunden. Manchmal, wenn es einem nicht so gut geht, wünscht man sich, man könnte die Freude einfach per Knopfdruck herstellen. Doch das funktioniert meist nicht. Man kann ihr jedoch den Weg ebnen, wie auch folgendes Beispiel zeigt. hr2wi (Marita) 0`23 Wenn ich mich nicht so freudig fühle und das merke, dann denke ich mir: ich will heute einen schönen Tag haben. Folglich tue ich etwas. Das mache ich sehr viel über Atemübungen, Meditation oder auch Konzentrationsübungen. Dann bin ich eigentlich gleich wieder in einer Freude, weil ich merke, wie schnell sich was ändert in mir, auch physisch. Die moderne Psychologie hat erkannt, dass Freude für den Menschen wichtig ist. Die Psychoanalytikerin Verena Kast plädiert seit langem dafür, den Blick mehr auf die gehobenen Emotionen zu richten, wozu sie auch die Freude zählt. Gerade in schwierigen Zeiten und Lebenssituationen sei es wichtig, sich an freudige Momente im eigenen Leben zu erinnern. Erfahrungen zeigen, dass Freude zu entwickeln auch möglich ist, wenn man mit einem persönlichen Leid oder schweren Schicksal zu leben hat. Verena Kast plädiert dafür, ein Freudetagebuch zu führen und auch die eigene `Freudenbiographie` zu rekonstruieren: Zitatorin Die Freudenbiographie richtet ihren Blick auf die Fragestellung: Wie habe ich Freude erlebt in meinem Leben? Wie habe ich sie abgewehrt? Wie wurde sie mir verwehrt? Und: was ist aus der Freude in Laufe des Lebens geworden? Ist sie weniger geworden? Ist sie mehr geworden? Der Sinn liegt nicht nur darin herauszufinden, was aus unserer Freude geworden ist, sondern auch darin, dass wir uns immer wieder mit vergangenen Freudensituationen, beispielsweise mit uns selber als freudigem Kind, identifizieren. Freude und Erinnerung haben viel miteinander zu tun. Freude zu entwickeln ist auch möglich, wenn man mit einem persönlichen Leid zu leben hat. Wenn Menschen innerlich wachsen und reifen und über sich hinauswachsen, erfüllt sie das mit Freude: 4

5 hr2wi (Marita) 0`24 Ich habe viele Zeiten erlebt, wo ich mich nicht freudig fühlte, besonders als kleines Kind und auch als Jugendliche. Und ich habe durch all die Dinge die ich gemacht habe, erlebt, dass ich, wenn ich mich bemühe, wenn ich andere Inhalte in mir habe, meine Freude selbst herstellen kann. 5