Einführung in die Gedichtanalyse

Transkript

1 ~ J.B.METZLER

2 Dieter Burdorf Einführung in die Gedichtanalyse 3., aktualisierte und erweiterte Auflage Mit 16 Abbildungen Verlag J. B. Metzler

3 Der Autor: Dieter Burdorf ist Professor für Neuere deutsche Literatur und Literaturtheorie an der Universität Leipzig. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nati.onalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über /dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN ISBN (ebook) DOI / Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen nnd die Einspeicherung nnd Verarbeitung in elektronischen Systemen Springer-Verlag GmbH Deutschland UrsprUnglieh erschienen bei J.B. Metzler'sche Verlagsbuchhandlung und Carl Ernst Poeschel Verlag GmbH in Stuttgart

4 Inhaltsverzeichnis Aus dem Vorwort zur 1. Auflage... VIII Vorwort zur 3. Auflage (Neubearbeitung)... IX Was Ist ein Gedicht? Zur Geschichte der Begriffe >Lyrik< und >Gedicht< Neuere Definitionsversuche Das Lied als >Kern der Lyrik< Kürze, Reduktion, Prägnanz als >Elemente der Lyrik< Differenztheoretische Ansätze Lyrik als Versrede Weitere Kriterien zur Definition von Lyrik Vorschlag einer Lyrikdefinition Der Ort des Gedichts in der Sprache Das Gedicht als Ued: Lyrik und Musik Volkslied und Kunstlied Das populäre Lied im 20. und 21. Jahrhundert Das gesprochene Gedicht: lyrische Klangfiguren Reim, Assonanz und Alliteration Lautmalerei (Onomatopoeie) Formen lyrischer Klanggebilde Das Gedicht als Schrift: graphische Ausdrucksformen Die Handschrift und das Faksimile Typographie, Orthographie und Interpunktion Innovative lyrische Schriftformen Buchstabenspiele: Akrostichon und Anagramm Lyrik und bildende Kunst, Fotografie und Film Figurengedichte und visuelle Poesie Die Form des Gedichts Das Verhältnis zwischen Metrum, Rhythmus und Syntax Formale Merkmale von Prosatexten Das Gedicht im Spannungsfeld zwischen Vers- und Satzstruktur Besonderheiten des Satzbaus Enjambement Glatte und harte Fügung; Zäsur Zum Problem des Rhythmus Metrische Grundformen Versformen Grundsätzliches zum Versmaß neuhochdeutscher Gedichte 79 Uedvers und Knittelvers Die Opitz'sche Versreform: der Zwang zur Alternation Romanische Versformen: Alexandriner, Vers commun, Madrigalvers, Endecasillabo, Romanzenvers

5 lnh;lltsvem~ichnl Antikisierende Versfonnen: Hexameter, Pentameter und jambischer Trimeter Zusammenfassung: Wie bestimme ich das Versmaß deutschsprachiger Gedichte? Strophenformen Der Ausdruckswert der Strophenformen Chevy-Chase-Strophe und Vagantenstrophe Romanzenstrophe Neue Formen vierzelliger Strophen seit Terzine, Ritornell und Stanze Antike Formen: sapphische, asklepiadeische und alkäische Odenstrophe Gedichtformen Verschiedene romanische Gedichtformen: 'lliolett, Rondel, Rondeau, Glosse, Sestine, Kanzone, Madrigal Das Sonett Freie Rhythmen und freie Verse - Hymnen und verwandte Formen (Dithyrambus, Päan, Psalm) Der Aufbau des Gedichts Der Rand des Gedichts: Automame, Datierung, Titel, Widmung und Motto Wort, Bild und Bedeutung im Gedicht Besonderheiten des Wortgebrauchs: Wortarten und Wiederholungen, Leitmotive und Thpoi Bildlichkeit Allegorie Symbol Vergleich Personifikation Metapher Metonymie und Synekdoche Metonymische und metaphorische Lyrik Die Vieldeutigkeit des Gedichts Wirklichkeitsbezug und Perspektive des Gedichts Mimesis und Fik.tionalität Zeit und Raum Personen- und Kommunikationsstrukturen im Gedicht Drei problematische Kategorien: Erlebnis, Stimmung und lyrisches Ich Das Ich und die anderen: Personalität im Gedicht Textsubjekt und erste Person: Wer spricht? Die zweite Person: Wer wird angesprochen? Die dritte Person: Von wem oder was ist die Rede? ~I

6 lnh lbvenelchnls 6 DasGediehtin dergeschichte-diegeschichtelmgedlcht Geschichtliche Bedingungen der Gedichtproduktion: Uterarbistorische 'lradition, Zeitgeschichte und Lebensgeschichte Ubenetzte und mehrsprachige Lyrik Publikations-, Editions-und Wirkungsgeschichte Entstehung und werkgeschichtlicher Zusammenhang des Gedichts Die Textgenese: Zum Umgang mit Fassungen und Varianten Das fragmentarische Gedicht Das Gedicht im Werkkontext Zyklen und andere 230 Sammlungen; das Problem der Parallelstellen Anhang Bibliographie Grundlagenliteratur Uteraturverzeichnis Abbildungsverzeichnis Personenregister Sachregister ,~.

7 Aus dem Vorwort zur 1. Auflage In diesem Buch werden Grundprobleme und Methoden der literaturwissenschaftliehen Gedichtanalyse vorgestellt und anhand von Beispielen aus der deutschsprachigen Lyrik vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart veranschaulicht. Gegenüber vergleichbaren Darstellungen habe ich einige Akzente neu gesetzt. Der im Einleitungskapitel entwickelte Lyrikbegriff kommt ohne Wertungen aus und erlasst daher die historische Vielfalt von Gedichten in ihrer ganzen Breite. Wahrend Lyrik bis heute vor allem als Klangphänomen, teilweise sogar nur als eine Art Ableger des Liedes dargestellt wird, hebe ich die besondere Bedeutung von Schrift und Druck für die Entstehung, Verbreitung und Überlieferung von Gedichten hervor. Das zweite Kapitel ist daher ganz der Verortung der Lyrik zwischen den Medien Musik, gesprochene Sprache und Schrift gewidmet. Generell biete ich bei theoretisch schwierigen und in der Forschung umstrittenen Themen (z. B. Rhythmus, Zeit und Rawn oder lyrisches Ich) nicht von vornherein eine einzige einfache Lösung an, sondern skizziere die kontroversen Standpunkte und entwickle daraus einen Lösungsvorschlag, der an Beispielen erprobt wird. Das Buch will daher - in dem Rahmen, der einer Einführung gesetzt ist - auch als eigenständiger Forschungsbeitrag gewertet werden. Zugleich möchte ich den Leserinnen und Lesern ein wenig von der Scheu und Skepsis gegenüber älterer Forschungsliteratur nehmen, die oft zu Unrecht als bloß verstaubt und vergilbt gilt. Diese Aufwertung der Literaturwissenschaft vergangener Jahrzehnte bedeutet jedoch - das sei hier noch einmal eigens betont - kein Ignorieren der fatalen Rolle der Germanistik in den Jahren der nationalsozialistischen Herrschaft. Diese Einführung soll dazu anregen, den subjektiven Zugang zu Gedichten und ihre genaue Analyse miteinander zu verknüpfen und daraus Interpretationen zu entwickeln, in denen die individuelle ästhetische Erfahrung nicht neutralisiert oder überspielt wird, die aber für andere nachvollziehbar und kritisierbar sind. Ob ein Gedicht als gelungen oder misslungen zu werten ist, ob es die einzelne Leserin und den einzelnen Leser anzieht, irritiert oder abstößt und wie schließlich eine ihrem Gegenstand adäquate Interpretation auszusehen hat, die subjektive und objektive Momente in sich vereinigt - für all das lassen sich heute keine allgemeingültigen Maßstäbe mehr aufstellen. Das Buch kann daher als Werkzeugkoffer verstanden werden; welche der hier aufgezeigten Analyseinstrumente jeweils anzuwenden sind, gilt es für jedes einzelne Gedicht neu zu entscheiden. VIII I

8 Vorwort zur 3. Auflage (Neubearbeitung) Etliche Jahre nach seinem ersten Erscheinen und auch nach der Publikation der korrigierten 2. Auflage ist eine grundlegende Neubearbeitung dieses mittlerweile bewährten Einführungsbuches dringend notwendig geworden. Einerseits ist die Forschung zur Lyrik und besonders auch zur Lyriktheorie in den letzten Jahren geradezu expandiert. Andererseits hat sich seit einiger Zeit auf dem Gebiet der Literatur- und Kulturwissenschaft eine reichhaltige Handbuch- und Lexikonkultur herausgebildet, die es zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der ersten beiden Auflagen noch nicht einmal in Ansätzen gab. Die Neuausgabe verfolgt das Ziel, möglichst viele dieser neuen Impulse und Wissensbestände, soweit sie fiir die Arbeit mit Gedichten wichtig sind, aufzunehmen und einzuarbeiten. Das Buch richtet sich also an Leserinnen und Leser, die bei ihm nicht stehen bleiben wollen, sondern von der Lektüre des Ganzen oder einzelner Abschnitte ausschweifen möchten zum Lesen weiterer Bücher - natürlich zunächst solchen, in denen Gedichte zu finden sind, dann aber auch solchen, in denen noch mehr Wissenswertes über Gedichte zu lesen ist, Lexika also, Handbüchern, Kompendien, Literaturgeschichten, Lyrikund Gattungstheorien, Interpretationen aller Art. Ein Schwerpunkt der Darstellung liegt also weiterhin darauf, dass im Text selbst und besonders unter den jeweiligen Abschnitten möglichst konkrete Literaturhinweise zu solchen weiterführenden Lektüren zu finden sind. Dabei wird auch die neueste Forschung berücksichtigt. Andererseits war an der Darstellung selbst nichts Grundlegendes zu ändern. Die im ersten Kapitel entwickelte, in der Forschung viel diskutierte Lyrikdefinition hat sich bewährt und wird daher nicht modifiziert. Auch die Auffächerung der Aspekte der Gedichtanalyse und die daraus abgeleitete Kapitelgliederung werden aus den ersten Auflagen übernommen. Der Text wurde in allen Einzelheiten überprüft und wo nötig ergänzt oder aktualisiert. Dabei musste fast nichts als veraltet oder unhaltbar gestrichen werden. Auseinandersetzungen mit aktuellen Forschungspositionen wurden entweder in den Text eingearbeitet oder - soweit sie etwas eingehender geführt werden - als Zur Vertiefung geeignete Textteile ausgezeichnet. Einzelne Abschnitte (etwa zu Sonetten, Hymnen und Balladen der Gegenwart, zur Unterscheidung von >metaphorischer< und >metonymischer< Lyrik, zu beschreibenden, erzählenden und reflektierenden Gedichten oder zu übersetzter und mehrsprachiger Lyrik) wurden ergänzt. Der Verlag hat angeregt, den Band aus der Sammlzmg Metzler in die Einfiihrungen im größeren Format zu übernehmen. Da die Neubearbeitung nun in dieser Reihe erscheint, ist einerseits der Raum da, um die genannten Aktualisierungen und Ergänzungen vornehmen zu können, ohne an der bisherigen Substanz etwas beschneiden zu müssen. Andererseits ist damit die Aufgliederung des Textes in den Grundtext mit einleitenden Stichwörtern (Spitzmarken) und erläuternden Marginalien sowie in vertiefende Abschnitte und Interpretationsbeispiele verbunden. Ferner konnten im neuen Format einige Abbildungen in den Band aufgenommen,~

9 Vorwort zur 3. Aufl ge werden. Damit sind die Anschaulichkeit, Benutzbarkeit und Lesbarkeit des Bandes weiter erhöht worden. Für die Aufnahme weiterer Interpretationsbeispiele und für die knappe Darstellung einer Geschichte der deutschsprachigen Lyrik vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart ließ die Neubearbeitung dennoch keinen Raum. Parallel zu diesem Band erscheint daher vom selben Verfasser und in derselben Ausstattung das Buch Geschichte der deutschen Lyrik. Einführung und Interpretationen, das als nützliche Ergänzung zu dem vorliegenden Band anzusehen ist. Ich möchte mich bei denjenigen herzlich bedanken, die mich bei der Arbeit an der Neuausgabe nach Kräften unterstützt haben. Ute Hechtfischer vom Metzler Verlag hat mich über lange Zeit und schließlich erfolgreich zu dieser Neubearbeitung ermuntert und das Buch wie stets professionell, fachkundig und engagiert betreut. Meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Stephanie Bremerich, Silvan Carius, Franziska Fehr, Magdalena Pricke und Sina Meißgeier haben mir bei der Literaturbeschaffung, bei der Erstellung der Bildvorlagen und bei redaktionellen Arbeiten an dem Band sehr geholfen. Leipzig, im August 2015 Dieter Burdorf