Aus der Jüdischen Welt: Sendung vom Februar 2018 Jerusalem
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- Linda Wolf
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1 Manuskript stimmt nicht unbedingt mit dem Wortlaut der Sendung überein. Es darf nur zur Presse- und Hörerinformation verwendet und nicht vervielfältigt werden, auch nicht in Auszügen. Eine Verwendung des Manuskripts für Lehrzwecke sowie seine Vervielfältigung und Weitergabe als Lehrmaterial sind nur mit Zustimmung der Autorin/des Autors zulässig. Aus der Jüdischen Welt: Sendung vom Februar 2018 Jerusalem Daniel Neumann Jerusalem. Es gibt keinen Ort auf der Welt, der uns Juden mehr bedeutet, als die goldene Stadt im Herzen Israels. Jerusalem, dessen Namen die Rabbiner als Stadt des Friedens deuten. Die Stadt Davids und Salomos, die für Juden - solange ein unabhängiger jüdischer Staat bestanden hat - nicht nur nationale Hauptstadt war, sondern mindestens so sehr geistiges Zentrum ihres Glaubens. Die Stadt, die nicht wenige gar als Mittelpunkt des Universums selbst ansehen. Als eben jenen Ort, an dem sich alles zusammenfinden wird, wenn die messianische Zeit anbricht. Jerusalem, der Ort von dem es heißt, dass sich dort Himmel und Erde berühren. Dreimal pro Tag, an 365 Tagen des Jahres haben Juden gut zwei Jahrtausende lang für das Wohl der heiligen Stadt gebetet. Bei jeder jüdischen Hochzeit tauschen Braut und Bräutigam ihr Treuegelübde mit dem Segensspruch aus, dass die Freude nach Jerusalem zurückkehren möge. Bei jeder Bestattung wird den Trauernden am Grab Beistand zu Teil, wenn gebetet wird, dass sie mit jenen getröstet werden, die um Jerusalem trauern. Fromme Juden sehnen sich durch die Jahrhunderte danach, innerhalb der Mauern der heiligen Stadt beigesetzt zu werden. Und an Pessach beenden wir unseren Sederabend stets mit dem Satz: Nächstes Jahr in Jerusalem.
2 2 Was heute nur die Wenigsten wissen oder wissen wollen ist, dass in den letzten 3000 Jahren eine ununterbrochene Präsenz von Juden in Jerusalem bestand. Dass dort während drei Jahrtausenden stets Juden gelebt haben. Mal mehr, mal weniger. Dabei waren die Phasen, in denen nur wenige Juden die goldene Stadt bewohnten, stets mit Gewalt erzwungen und meist eindringenden Feinden und Eroberern geschuldet. Nie hingegen verließen die jüdischen Bewohner ihre Stadt freiwillig. Und wenn sie gezwungen wurden, das Land und seine Hauptstadt zu verlassen, um sich ein anderes Zuhause zu suchen, wenn sie also ausgewiesen oder gewaltsam vertrieben wurden, dann sprachen sie stets davon, in der Galut zu sein, in der Diaspora, im Exil. Und blieben gleichzeitig von dem tief verwurzelten Wunsch beseelt, so bald wie irgend möglich nach Hause zurückzukehren. Denn Jerusalem blieb stets und zu allen Zeiten in ihren Köpfen. Und noch viel mehr in ihren Herzen. Bereits im Talmud findet sich eine Geschichte, welche die ewige und unverbrüchliche Hoffnung mit der Heiligen Stadt verbindet. Dort heißt es, dass Rabbi Akiva und die Weisen nach der Zerstörung Jerusalems und der Verwüstung des zweiten Tempels im Jahr 70 dorthin gepilgert waren. Nachdem sie die Ruinen des Tempels erreicht hatten und einen Fuchs erblickten, der ihnen aus den Trümmern entgegenkam, begannen die Weisen zu weinen, während Akiva lächelte. Die Weisen fragten ihn daraufhin, wie er nur lächeln könne, woraufhin der Rabbi zurück fragte, weshalb sie denn weinen würden. Die Weisen erklärten, zu weinen, weil die Voraussagen des Propheten Jeremias über die Zerstörung des Tempels in Erfüllung gegangen waren. Rabbi Akiva hingegen lächelte, weil er wusste, dass die Zerstörung nur einen Teil der maßgeblichen Prophezeihungen ausmachte. Ein anderer Teil sagte dagegen die Rückkehr der Zerstreuten nach Jerusalem und den Wiederaufbau des Tempels vorher. Rabbi Akiva war deshalb voller Zuversicht und Hoffnung, dass die Zerstörung nicht das Ende bedeute, sondern irgendwann, vielleicht erst in ferner Zukunft, ein neues Kapitel aufgeschlagen würde, in dem Jerusalem wieder in altem Glanz erstrahlen würde. Und obwohl historisch betrachtet die Phasen jüdischer Eigenstaatlichkeit, Selbstverwaltung und Souveränität eher überschaubar waren, änderte dies weder etwas an der tiefen Bindung noch an der ununterbrochenen jüdischen Präsenz in der goldenen Stadt. So sehr die Feinde Israels diesen Wunsch auch hegen mochten, Jerusalem war niemals judenrein.
3 3 Nicht nachdem der erste jüdische Tempel im Jahr 586 vor der Zeitrechnung von den Babyloniern dem Erdboden gleichgemacht worden ist; nicht nach der verheerenden Zerstörung des zweiten Tempels durch die Römer im Jahr 70; nicht während muslimischer Herrschaft, nicht während christlicher Dominanz und nicht zu Zeiten der Ottomanen. Mehr noch: seit spätestens 1844 stellten jüdische Einwohner in Jerusalem sogar wieder die Mehrheit. In den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts lag das Verhältnis der jüdischen zur muslimischen Bevölkerung bei drei zu eins. Und im Jahr 1948, dem Jahr der Wiedergeburt Israels als neuzeitlicher Nationalstaat, standen immerhin jüdische Einwohner den muslimischen gegenüber. Die Freude über die Erfüllung des uralten Traumes, über die Wiedergeburt Israels mit seiner historischen Hauptstadt, währte allerdings nur kurz, denn nur Stunden nach Verkündung der Unabhängigkeit wurde der junge jüdische Staat von den umliegenden arabischen Staaten mit dem Ziel vollständiger Vernichtung angegriffen. Israel verteidigte sich zwar erfolgreich, verlor allerdings die Kontrolle über den Ostteil Jerusalems an Jordanien. Mit fatalen Folgen: denn es folgte die Vertreibung der jüdischen Bevölkerung aus Ostjerusalem, die Zerstörung des uralten jüdischen Viertels in der Altstadt und die konsequente Verwehrung des Zugangs zur Kotel, also der Klagemauer und damit dem wohl heiligsten Ort des Judentums. Die Tragik dieser Situation war kaum zu ermessen. Denn ein israelischer Staat war ohne seine ungeteilte Hauptstadt Jerusalem, ohne den Zugang zu den heiligsten Stätten nur schwer vorstellbar. Diese befanden sich aber unter jordanischer Kontrolle und blieben damit vorerst unerreichbar. Das alles änderte sich im Jahr Denn in diesem Jahr eroberte Israel den Ostteil Jerusalems im 6-Tage-Krieg zurück. Die Hauptstadt des Heiligen Landes wurde befreit und wieder vereinigt. Und von diesem Augenblick an, begann eine Phase des Respekts gegenüber anderen Religionen, die bis heute beispiellos im Nahen Osten blieb. Denn zu keiner Zeit war den Empfindungen anderen Religionen so viel Respekt entgegen gebracht worden wie seit der Befreiung und Vereinigung Jerusalems im Jahr Seither stehen alle religiösen Stätten Jerusalems, welcher Religionsgemeinschaft auch immer sie heilig sind, jedermann offen. Mehr noch: sie werden von der israelischen Administration mit Fingerspitzengefühl und besonderer Sorgfalt zugänglich gemacht.
4 4 Deshalb hat jeder christliche Pilger stets die Möglichkeit, zu jedem nur denkbaren Ort historischer oder religiöser Bedeutung zu gelangen. Jeder arabische Besucher hat wenn Terroranschläge oder gewalttätige Demonstrationen der Palästinenser die israelische Polizei nicht zu besonderen Sicherheitsmaßnahmen zwingen freien Zugang zu den heiligen Stätten. Sie haben also jederzeit freien Zugang zur Omar- und der Al Aksa-Moschee, die sich auf dem Hügel hinter der Klagemauer erheben und auf den Ruinen der jüdischen Tempel errichtet worden sind. Letzteres hatte für Araber zwar auch unter jordanischer Besatzung gegolten. Juden allerdings war der Weg versperrt gewesen. Und er ist es in Teilen auch heute noch. Denn verrückterweise sorgen israelische Polizisten dafür, dass etwa der Tempelberg vor dem Betreten durch Juden geschützt wird, da diese aus muslimischer Sicht unrein sind und deshalb keinen Zugang erhalten dürfen. Es ist einmalig und spricht Bände, dass die Israelis dieses diskriminierende Spiel aus Respekt und zur Erhaltung des inneren Friedens seit Jahrzehnten mitspielen. Vor allem weil jeder weiß, wie es bei umgekehrter Rollenverteilung aussähe. Doch leider wird dieser Umstand kaum jemals gewürdigt. Erst recht nicht, wenn sich die hiesige Presse wieder einmal wutschnaubend auf Israel stürzt, um es für alles Übel dieser Welt verantwortlich zu machen. Dabei müssten die Unterschiede jedem klar denkenden Menschen sofort einleuchten: Während der jordanischen Besatzungszeit wurden die jüdischen Friedhöfe geschändet und die herausgerissenen Grabsteine als Befestigungsmittel für die Gehsteige missbraucht. Uralte und historische Synagogen, in denen Juden seit Jahrhunderten gebetet hatten, wurden demoliert und ein ganzes jüdisches Stadtviertel zerstört. Maßnahmen und Verhaltensweisen also, wie Juden sie aus der Nazizeit in Deutschland nur in allzu guter oder besser: allzu schlechter Erinnerung hatten. Unter israelischer Verwaltung hingegen geben Respekt und Toleranz gegenüber den Angehörigen anderer Religionen die Marschrichtung vor. Und so soll es auch bleiben. Heute, Morgen und Übermorgen. Unabhängig von der politischen Großwetterlage oder den real existierenden Gegebenheiten vor Ort, wird Jerusalem der immerwährende Gegenstand unserer Gebete bleiben. Der Ort, den ein jeder Jude
5 5 tief in seinem Herzen trägt, wo auch immer er sich befindet. Jerusalem ist der Kristallisationspunkt für unsere Sehnsüchte, unsere Träume, unsere Hoffnungen. Es ist Symbol für einen universellen Wunsch: Dass die Menschheit eines fernen Tages erleben möge, dass die ganze Welt Jerusalem ist. Und zwar nicht als Zankapfel der Weltreligionen oder politisches Pulverfass. Sondern als jener Ort, den unsere heiligen Schriften seit tausenden von Jahren beschreiben. Von dem die Propheten künden. Jerusalem als der Ort, an dem dereinst alle zusammenkommen werden. Gleich welcher Religion und gleich welcher Herkunft. In Anerkennung des einen und einzigen G ttes. In Frieden und Eintracht. Dort in der goldenen Stadt. Dort, wo der Himmel die Erde berührt. Bis dahin wünsche ich Ihnen einen guten Shabbat. Shabbat shalom!
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