REISE PHILIPPINEN 138_ BIKE 2/07

Transkript

1 REISE PHILIPPINEN 138_ BIKE 2/07

2 Das achte Weltwunder HANS REY WIRD AUF DIE PHILIPPINEN EINGELADEN. EIGENTLICH NICHTS NEUES. DOCH BEI DEM, WAS DER TRIAL-PROFI HIER ERLEBT, MUSS ER SICH DIE AUGEN REIBEN. Die Reisterrassen von Banaue: Selbst für Trial-Profi Hans Rey eine Herausforderung. BIKE 2/07 _139

3 REISE PHILIPPINEN Die Reisterrassen sind steil. Style muss natürlich trotzdem sein. WAS HANS NICHT WUSSTE: AUF DEN PHILIPPINEN IST ER SCHON LANGE KULTFIGUR. TEXT u. FOTOS MARCO TONIOLO Es ist vier Uhr in der Früh und unser Auto schaukelt irgendwo durch die philippinische Pampa, sechs Autostunden nördlich von Manila. An den Rhythmus der Schlaglöcher haben wir uns längst gewöhnt, als uns plötzlich die Fliehkraft packt und uns rechts gegen die Türen drückt. Unser Fahrer wendet und rast mit Vollgas die enge Bergstraße zurück. Was ist los?, fragt Hans. Doch die Antwort von Guide Goyo bekommt er schon nicht mehr mit. Hans ist wieder eingeschlafen. Seit zwei Tagen sind wir unterwegs: 15 Stunden Flug, ein paar Stunden in Manila im Stau, dazwischen Pressekonferenzen und diverse TV-Shows. Doch jetzt ist irgendetwas passiert. Nach nur wenigen Kilometern erreichen wir die dunkle Brücke, die wir kurz zuvor überquert haben und es sieht tatsächlich nicht gut aus: Eines der Begleitfahrzeuge scheint in der Dunkelheit von der Brücke abgekommen zu sein. Etwa zehn Meter tiefer kann ich den silberfarbenen Toyota in der Böschung aufblitzen sehen. Die zwei Insassen scheinen unverletzt. Sie sammeln das verstreute Gepäck ein und blicken verstört und mit bleichen Gesichtern zu uns herauf. Neben dem Wrack liegen die beiden Bikes, die zuvor noch auf dem Autodach transportiert wurden total verbogen. Goyo redet aufgeregt auf die beiden ein und übersetzt für uns: Der Fahrer des Begleitfahrzeugs ist eingeschlafen und hat in der Kurve scheinbar die Brücke nicht mehr gekriegt. ALS FERNSEHSTAR AUF DEN PHILIPPINEN Unser Guide Goyo Larrazabal ist nicht nur selbst begeisterter Mountainbiker, er organisiert auch das größte Bike-Festival Asiens: das Terry Larrazabal Bike-Festival benannt nach seinem verstorbenen Vater. Zur fünften Auflage hat er sich für dieses Jahr etwas Besonderes einfallen lassen: Er hat Trial-Legende Hans Rey als Stargast eingeladen. Das philippinische Tourismusbüro fragte nicht lange, bezahlte die Flüge und jetzt sind wir hier. Für Goyo ist damit ein lang gehegter Traum in Erfüllung gegangen. Sein Gesicht und sein Handy strahlen im Dauerbetrieb. Sein Daumen tippt rund um die Uhr SMS: Wir Philippiner sind Weltmeister im SMS-Schicken, erzählt er stolz. Letztes Jahr wurden von unseren 80 Millionen Einwohnern dreimal mehr Kurznachrichten gesendet als in ganz Europa zusammen! Piep, piep. Hans beeindrucken ganz andere Dinge: Nie hätte ich gedacht, dass es auf den Philippinen so eine lebendige Bike-Szene gibt, flüstert er mir am Eingang von Studio 25, dem größten Privat-Sender des 140_ BIKE 2/07

4 Sattes Grün in der Zentral-Cordillera. Landes, zu. Die junge Moderatorin einer Sportsendung begrüßt ihn mit offenen Armen. Hans schaltet schnell einen Gang hoch, gibt ein Interview und hüpft danach auf dem Hinterrad durch einen Parcours das Publikum ist begeistert und Goyo in den Kulissen freut sich: Jetzt weiß jeder Biker, dass er dieses Jahr unbedingt auf mein Festival kommen muss! Und schon wieder vibriert sein Handy. Immerhin hat er während der Aufzeichnung den Ton ausgeschaltet. Bis zum Festival sind es noch sechs Tage, und Hans hat ein paar eigene Ideen, was man unternehmen könnte. Ich möchte unbedingt zu den Reisterrassen von Banaue, erklärt er im Auto, als Goyo uns nach der Fernsehaufzeichnung eine Bahn durch Manilas Autoverkehr hupt. Kein Problem! Goyo nimmt die Hand von der Hupe, greift zum Handy und einige SMS später ist alles organisiert: Wir fahren heute Nacht noch los, dann ist am wenigsten Verkehr. Waschstraße: Eines der Begleitfahrzeuge landete im Fluss. Dass dabei ein Begleitfahrzeug die Böschung hinunter rauschen könnte, war zu der Zeit nicht abzusehen. DIE REISTERRASSEN VON BANAUE Am nächsten Morgen erreichen wir Banaue Weltkulturerbe der UNESCO. Mein Gott, das ist gewaltig!, Hans kann sich an den Reisterrassen nicht satt sehen. Vor Jahren haben die Bauern der Region mit primitiven Mitteln begonnen, diese Terrassen in die Berghänge zu stampfen. Meter für Meter haben sie die Stockwerke aufeinander gesetzt, bis daraus dieses Kunstwerk wurde. Auf einer Fläche von insgesamt einer Million Hektar klettern sogar kleinste Stufen eine Hanglage von bis zu 70 Prozent Steigung hinauf. Ganz Per TV in jedes Wohnzimmer Hans zu Gast bei Studio 25. BIKE 2/07 _141

5 REISE PHILIPPINEN schön steil. Die Abfahrt mit dem Bike wird kein Spaziergang, grübelt Hans laut. Der Kameramann der Sportsendung tänzelt ständig um ihn herum. Der Redaktionsleiter von Studio 25 hat ihn kurzfristig mitgeschickt und ihm eingeschärft, die Bike-Legende keine Minute aus den Augen zu lassen. Doch das ist gar nicht so leicht. Die Pfade sind eng, ausgesetzt und zu Fuß kaum begehbar. Von den meterhohen Terrassenmauern möchte man auch nicht herunterfallen. Kinder, die noch nie ein Fahrrad gesehen haben, scharen sich um uns. Aus dem saftigen Grün der Terrassen schauen immer wieder die sonnengegerbten Gesichter der Bauern auf. Sie betrachten uns verwundert, aber nicht unfreundlich. Und es wimmelt von roten Ameisen. Verschwitzt, fertig, aber zufrieden mit seiner Abfahrt, lehnt sich Hans am Flussufer erst einmal zurück. Das war wahrscheinlich die schwierigste Abfahrt, die ich je gefahren bin oder zumindest versucht habe. Er lacht. Auch Hans hat seine Grenzen. Zurück in der Hauptstadt. Zurück im Handy-Netz. Das ständige Piepsen von Goyos Handy kündet seit Stunden von einer neuen DIE PHILIPPINEN SIND EIGENTLICH EIN VULKANGEBIRGE, DAS IM WASSER STEHT. Früh aufstehen für das Frühstücksfernsehen: Nach wenigen Tagen wird Hans überall auf der Straße erkannt. Idee. Und tatsächlich: Am nächsten Morgen um sechs Uhr früh, steht Hans auf dem Dach eines mit Passagieren voll besetzten Jeepneys eine Mischung aus Jeep und Omnibus und hier Teil des öffentlichen Nahverkehrs. Unter dem Jubel der Fans und begleitet von den Kameras der beliebtesten Morningshow des Landes springt er von Bus zu Bus. Danach kennt ihn auch der letzte Bike-Muffel: Hans wird jetzt immer öfter auf der Straße erkannt. Immer wieder umringen uns Menschen mit zerknitterten amerikanischen Bike-Magazinen in der Hand. Darin alte Geschichten über Hans Rey. Routiniert verteilt Hans Poster, signiert Trikots, Bikes, Baseball-Caps aber ich kann sehen, wie seine Augen vor Rührung feucht werden. Die Abfahrt vom Taal, einem von 20 aktiven Vulkanen auf den Philippinen. 142_ BIKE 2/07

6 Eine Überraschung nach der nächsten: Erst das exotische Land, dann der Bekanntheitsgrad von Hans Rey und schließlich die große Begeisterung der Philippinos für s Freeriden. Da bahnen sich zwei bekannte Gesichter durch die Menschenmenge: Die beiden Biker, die nachts mit ihrem Toyota die Böschung an der Brücke hinuntergestürzt sind. Außer den Nackenschmerzen sind wir okay. Acht Stunden hätten sie an der Brücke gewartet, bis endlich der Abschleppwagen kam. Aber die Wache sei nötig gewesen, sonst hätten wir am nächsten Tag nur noch ein geplündertes Autogerippe gefunden. So viel Einsatz wird belohnt: Kommt Jungs, jetzt gehen wir erstmal was essen. Die Einladung von Hans wirkt Wunder. Piep, piep es dauert nicht lange und schon treffen noch mehr von Goyos Freunden ein. Wer weiß, wie viele SMS er dafür wieder rausgeschickt hat. Nach unserem Imbiss geht es auf Tour. Goyos Mannen stehen in Bike-Klamotten bereit. Ziel der Reise sollen diesmal die berühmten Hängenden Särge von Sagada sein. Eine Art Friedhof mitten in der Zentral-Cordillera. Hans windet sich: Ich habe extremen Respekt vor den Toten!, versucht er das Vorhaben abzuwehren. Doch Goyo und seine Freunde lassen nicht locker. Es sei eine Ehre für die Toten. Schade nur, dass die das nicht mehr per SMS bestätigen können. BIKE 2/07 _143

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