VERWALTUNGSGERICHT BERLIN BESCHLUSS
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1 VG 13 L VERWALTUNGSGERICHT BERLIN BESCHLUSS In der Verwaltungsstreitsache, Antragstellers, Verfahrensbevollmächtigte(r): g e g e n die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch die Bundespolizeidirektion Berlin, Schnellerstraße 139A/140, Berlin, Antragsgegnerin, hat die 13. Kammer des Verwaltungsgerichts Berlin durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Schubert, den Richter am Verwaltungsgericht Dr. Mueller-Thuns, den Richter am Verwaltungsgericht Prof. Dr. Schlette am 6. Mai 2015 beschlossen: Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, dem Antragsteller die Einreise in die Bundesrepublik Deutschland zur Teilnahme an der für den 9. Mai 2015 geplanten Veranstaltung aus Anlass des Sieges der Roten Armee zu verweigern. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens
2 - 2 - Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt. Gründe I. Der Antragsteller ist russischer Staatsangehöriger und im Besitz jedenfalls eines gültigen italienischen Schengen-Visums (Blatt 6 der Streitakte). Er beabsichtigt, am 9. Mai 2015 an einer Veranstaltung aus Anlass des Sieges der Roten Armee teilzunehmen, bei der der Gefallenen dieses Krieges gedacht werden soll. Am 30. April 2015 reiste er zu diesem Zweck mit dem Flugzeug nach Deutschland, wo ihm auf dem Flughafen Berlin-Schönefeld mit Bescheid vom selben Tage von der Antragsgegnerin die Einreise verweigert wurde. Der Antragsteller kehrte daraufhin einstwe i- len nach Russland zurück, beabsichtigt aber weiterhin die Teilnahme an der genannten Veranstaltung. Mit Schreiben vom 3. Mai 2015 erhob er Widerspruch gegen den Bescheid vom 30. April Am selben Tage hat er beim Verwaltungsgericht vorläufigen Rechtsschutz beantragt. II. Der Antrag ist als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gem. 123 Abs. 1 VwGO statthaft und auch sonst zulässig, denn die Einreiseverweigerung vom 30. April 2015 hat durch die umgehende freiwillige Rückkehr des Antragstellers nach Russland ihre Erledigung gefunden, womit ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nicht (mehr) in Betracht kommt (VG München, Urteil vom 27. Januar 2011 M 10 K Rn. 27 bei juris, m.w.n.; a. A. im Hinblick auf hier indes nicht ersichtliche Kosten nach 66 AufenthG VGH Kassel, Beschluss vom 3. September B 1596/12 -, Rn. 12 bei juris). Der Antrag ist auch begründet. Der Antragsteller hat sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund gem. 123 Abs. 1, 3 VwGO, 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft gemacht. Der Antragsteller hat in einem die Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigenden Maße ein Recht auf Einreise in die Bundesrepublik Deutschland glaubhaft gemacht
3 - 3 - Er ist im Besitz eines gültigen Schengenvisums, das zur Einreise in die Bundesrepublik Deutschland berechtigt; die Voraussetzungen für eine Einreiseverweigerung liegen nicht vor. Gem. Art. 13 Abs. 1 der VO (EG) Nr. 562/ Schengener Grenzkodex (SGK) - wird einem Drittstaatsangehörigen die Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten verweigert, wenn er nicht alle Einreisevoraussetzungen des Art. 5 Abs. 1 erfüllt. Nach Art. 5 Abs. 1 SGK gelten für einen Drittstaatsangehörigen folgende Einreisevoraussetzungen: a) Er muss im Besitz eines gültigen Reisedokuments sein, das ihn zum Überschreiten der Grenze berechtigt. b) Er muss im Besitz eines gültigen Visums sein. c) Er muss den Zweck und die Umstände des beabsichtigten Aufenthalts belegen, und er muss über ausreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts sowohl für die Dauer des beabsichtigten Aufenthalts als auch für die Rückreise in den Herkunftsstaat oder für die Durchreise in einen Drittstaat, in dem seine Zulassung gewährleistet ist, verfügen oder in der Lage sein, diese Mittel rechtmäßig zu erwerben. d) Er darf nicht im SIS zur Einreiseverweigerung ausgeschrieben sein. e) Er darf keine Gefahr für die öffentliche Ordnung, die innere Sicherheit, die öffentliche Gesundheit oder die internationalen Beziehungen eines Mitgliedstaats darstellen und darf insbesondere nicht in den nationalen Datenbanken der Mitgliedstaaten zur Einreiseverweigerung aus denselben Gründen ausgeschrieben worden sein. Dass es an den Voraussetzungen der Buchstaben a)-d) fehlt, wird von der Antragsgegnerin selbst nicht vorgetragen; hierfür sind auch sonst keine Anhaltspunkte ersichtlich. Auch dass der Antragsteller eine Gefahr für die innere Sicherheit i. S. des Buchstaben e) darstelle, wird weder behauptet noch ist dies sonst ersichtlich. Der Antragsteller hat unwidersprochen dargelegt, dass er Geschäftsführer eines näher bezeichneten Unternehmens sei und sich in den letzten 10 Jahren ca. je zweimal jährlich im Schengenraum aufgehalten habe, ohne dass Probleme aufgetaucht w ä- ren. Dem eingereichten Verwaltungsvorgang eine inhaltliche Stellungnahme ist bis zum Ablauf der hierfür gesetzten Frist nicht eingegangen sowie den mit der Bundespolizeidirektion geführten Telefonaten lässt sich entnehmen, dass die Antragsgegnerin vor allem befürchtet, die Einreise des Antragstellers könne die diplomatischen Be
4 - 4 - ziehungen zum Nachbarland Polen belasten, welches dem Antragsteller und anderen russischen Staatsangehörigen offenbar bereits zuvor die Einreise bzw. Durchreise zur Teilnahme an der Veranstaltung verweigert hatte; nicht auszuschließen sei auch, dass der Antragsteller von Deutschland aus versuchen werde, erneut nach Polen einzureisen (Vermerk vom 5. Mai 2015, Blatt 20 des Verwaltungsvorgangs, Telefonat mit der Bundespolizeidirektion vom 5. Mai 2015). Für die Regelung der auswärtigen Beziehungen räumt das Grundgesetz der Bundesregierung zwar grundsätzlich einen weit bemessenen Spielraum eigener Gestaltung ein; welche Ziele die Bundesregierung mit welcher Strategie verfolgen will, entzieht sich weithin einer g e- richtlichen Kontrolle. Gerichtlich nachprüfbar ist indessen, ob von einem zutreffend und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen wurde und die Prognose einleuchtend begründet wurde (vgl. zum Vorstehenden BVerfG, Urteil vom 7. Mai BvE 1/03, BVerfGE 121, 135, 158; BVerwG, Urteil vom 29. Oktober C 22/08 Rn. 15 f. bei juris). Nach diesen Maßstäben reicht eine bloße, durch nichts konkretisierte Befürchtung, die im Übrigen auch trotz der Regelung des Art. 13 Abs. 2 SGK im Bescheid vom 30. April 2015 keinen Niederschlag gefunden hat, nicht aus anzunehmen, der Antragsteller bzw. dessen kurzfristiger Aufenthalt in Deutschland stelle i. S. von Art. 5 Abs. 1 lit.e) SGK eine Gefahr für die internationalen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Polen dar. Das gilt umso mehr, als die Bundesregierung nach übereinstimmenden Medienberichten gegen die Gedenkveranstaltung, die offenbar im Wesentlichen in einem Motorradcorso mit einem überschaubaren Teilnehmerkreis bestehen soll, nicht vorgehen will (u. a. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 4. Mai 2015; Berliner Zeitung vom 5. Mai 2015, dort Seite 17), sie die Veranstaltung also entweder nicht als Belastung des deutschpolnischen Verhältnisses bewertet oder sie eine solche Belastung hinzunehmen b e- reit ist. Damit kann diese Veranstaltung im Übrigen auch schwerlich eine Gefahr für die öffentliche Ordnung i.s. des Art. 5 Abs. 1 lit e) SGK darstellen, wie im Vermerk vom 5. Mai 2015 (Blatt 20 des Verwaltungsvorgangs) geltend gemacht. Über Art. 13 SGK hinausgehende Zurückweisungsgründe nach 15 AufenthG sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich (zum grundsätzlichen Anwendungsvorrang des Art. 13 SGK vgl. im Übrigen Winkelmann, in: Renner/Bergmann/Dienelt, Auslä n- derrecht, 10. Aufl. 2013, 15 Rn. 9) Der Anordnungsgrund (Eilbedürftigkeit) ergibt sich daraus, dass die Veranstaltung, die der Antragsteller zu besuchen beabsichtigt, in Kürze stattfinden wird und dort des 70. Jahrestages des Endes des 2. Weltkrieges gedacht werden soll, die Veransta l
5 - 5 - tung und damit auch die Teilnahme daran folglich weder verschiebbar noch wiederholbar sind. Es spricht alles dafür, dass die Antragsgegnerin den Antragsteller bei einem erneuten Einreiseversuch wiederum zurückweisen würde; Rechtschutz in einem Hauptsacheverfahren Fortsetzungsfeststellungsklage oder vorbeugende Unterlassungsklage käme zu spät. Ohne die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes würde die Teilnahme des Antragstellers der unwidersprochen dargelegt hat, sein Großvater sei im 2. Weltkrieg gefallen - an dieser Veranstaltung endgültig vereitelt. Die Kostenentscheidung beruht auf 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Wertes des Verfahrensgegenstandes folgt aus 53 Abs. 2 Nr. 1 i.v.m. 52 Abs. 1 und 2 des Gerichtskostengesetzes. Rechtsmittelbelehrung Gegen die Sachentscheidung ist die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zulässig. Die Beschwerde ist bei dem Verwaltungsgericht Berlin, Kirchstraße 7, Berlin, schriftlich oder in elektronischer Form (Verordnung über den elektronischen Recht s- verkehr mit der Justiz im Lande Berlin vom 27. Dezember 2006, GVBl. S. 1183, in der Fassung der Zweiten Änderungsverordnung vom 9. Dezember 2009, GVBl. S. 881) einzulegen. Die Frist für die Einlegung der Beschwerde endet zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses. Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses schrif t- lich oder in elektronischer Form zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Hardenbergstraße 31, Berlin, einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entsche i- dung abzuändern oder aufzuheben ist und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Vor dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde. Als B e- vollmächtigte sind Rechtsanwälte und Rechtslehrer an einer staatlichen oder staa t- lich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus kö n- nen auch die in 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneten Personen und Organisationen auftreten. Ein als Bevollmächtigter zug e- lassener Beteiligter kann sich selbst vertreten. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch Beschäftigte mit Bef ä- higung zum Richteramt vertreten lassen; das Beschäftigungsverhältnis kann auch zu - 6 -
6 - 6 - einer anderen Behörde, juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einem der genannten Zusammenschlüsse bestehen. Richter dürfen nicht vor dem Gericht, e h- renamtliche Richter nicht vor einem Spruchkörper auftreten, dem sie angehören. Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 Euro übersteigt. Die Beschwerde ist bei dem Verwaltungsgericht Berlin, Kirchstraße 7, Berlin, schriftlich oder in elektronischer Form oder zu Protokoll der G e- schäftsstelle einzulegen. Sie ist innerhalb von sechs Monaten einzulegen, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat. Der Vertretung durch einen Prozessbevollmächtigten bedarf es nicht. Schubert Dr. Mueller-Thuns Prof. Dr. Schlette
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