Vitazeile Grafiker, Reproduktionsstecher, Zeichner und Maler. Porträts Professor an der Freien Zeichenakademie in Weimar
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- Linda Bieber
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1 Lips, Johann Heinrich, Porträt des Heinrich Freudweiler, um 1790, Kupferstich, 42,3 x 33,2 cm (Objektmass); 31,3 x 23,8 cm (Bildmass), Privatbesitz Bearbeitungstiefe Name Lebensdaten Bürgerort Staatszugehörigkeit Lips, Johann Heinrich * Kloten, Zürich Zürich CH Vitazeile Grafiker, Reproduktionsstecher, Zeichner und Maler. Porträts Professor an der Freien Zeichenakademie in Weimar Tätigkeitsbereiche Lexikonartikel Malerei, Lithographie, Zeichnung, Aquarell, Aquatinta, Radierung, Kupferstich, Grafik Sohn des Barbiers und «Chirurgus» Hans Ulrich Lips und der Elisabetha, geborene Kaufmann. Johann Heinrich Lips wuchs im ländlichen Kloten auf, wo er neben der Grundschulausbildung schon früh mit Zeichnen und Malen begann. Ab 1769 nahm er Lateinunterricht beim Theologen Leonhard Brennwald, da er den Beruf des Vaters lernen sollte. Nebenbei förderte Brennwald auch das Zeichentalent seines Zöglings und vermittelte 1772 den Kontakt mit Johann Caspar Lavater, Seite 1/6,
2 der in der Folge der entscheidende Förderer und Mentor des jungen Lips werden sollte erreichte Lavater, dass die Eltern den Berufswunsch für ihren Sohn aufgaben und ihn die Künstlerlaufbahn einschlagen liessen. Durch Lavater erhielt Lips auch die Gelegenheit, beim Radierer Johann Rudolf Schellenberg in Winterthur und bei Johann Kaspar Füssli Unterricht zu nehmen, während ihm Brennwald weiterhin Unterricht in Latein, Kulturgeschichte, Mythologie, Religion und Französisch erteilte. Seine rasche Auffassungsgabe und sein Talent befähigten Lips, sehr schnell auch autodidaktisch verschiedene künstlerische Techniken zu lernen war er mit der Illustration von Lavaters vierbändigem Werk Physiognomische Fragmente beschäftigt, das in deutscher und französischer Ausgabe erschien. Die Bücher wurden damals viel diskutiert, wodurch dem noch jungen Künstler ein hoher Grad an Publizität zuteil wurde. Lips arbeitete oft nach Vorlagen des deutschen Kupferstechers Daniel Nikolaus Chodowiecki, die Lavater bei diesem in Auftrag gegeben hatte (Sechs Nationalgesichter, 1775, Kunsthaus Zürich) unternahm Lips eine ausgedehnte Studienreise, die ihn zuerst nach Deutschland zu den Gemäldesammlungen und Akademien in Stuttgart, Mannheim und Düsseldorf führte, wo er Bilder kopierte. Hatte er schon zuvor Werke Raffaels, Poussins, Rubens und Holbeins zu Übungszwecken zum Teil nach grafischen Blättern kopiert, so entdeckte er in Düsseldorf die Malerei Anton van Dycks (Hl. Sebastian nach van Dyck, 1782, Kunsthaus Zürich). Über Augsburg reiste Lips dann weiter nach Italien bis nach Rom, wo er sich und nach kurzem Zwischenaufenthalt in Kloten ein zweites Mal im Umkreis der deutschen Künstlerkolonie bewegte (Kontakte mit Angelika Kauffmann, Philipp Hackert, Wilhelm Heinse, Alexander Trippel, Johann Heinrich Wilhelm Tischbein, Johann Friedrich Reiffenstein, Friederike Brun, Johann Wolfgang von Goethe und anderen). Zur Vertiefung des Studiums stellte er zahlreiche Kopien und Nachzeichnungen nach Gemälden und Antiken her. Lips, der zur Hypochondrie neigte, litt in Rom besonders. Er lebte sozusagen in finanzieller Abhängigkeit von Lavater und hoffte, dass ihm in dieser anregenden Umgebung mit einem eigenen Historiengemälde endlich der vollendete Wurf gelingen würde und er so den mühseligen Beruf des Druckgrafikers aufgeben könnte. Die befreiende Wende erfolgte erst 1789, als Goethe kurz nach seiner Rückkehr nach Weimar und mit Plänen für gemeinsame Projekte Lips vorschlug, als Professor an die Freie Zeichenakademie zu Seite 2/6,
3 kommen. Sie hatten sich bereits 1775 durch Lavater kennengelernt, waren 1786 in Rom wieder zusammengetroffen und hatten ihre Zusammenarbeit intensiviert (Iphigenie vor der Bildsäule Dianas, 1787; Faust im Studierzimmer, 1789, beide Kunsthaus Zürich). Lips folgte dem Ruf deshalb mit grossen Erwartungen, die sich auch erfüllen sollten. Bis 1794 lehrte er in Weimar, vor allem aber wirkte er als Illustrator von Goethes und Schillers Schriften und porträtierte daneben auch deutsche Persönlichkeiten (Johann Wolfgang von Goethe, 1791; Christoph Martin Wieland, 1793; Immanuel Kant, 1793, alle Kunsthaus Zürich). Lips war jetzt einer der gefragtesten Grafiker; er profilierte sich neben dem betagten Chodowiecki, dessen Stil er bereits als 16-Jähriger nachempfunden hatte und immer noch bewunderte. In den 1770er- Jahren hatte er sogar einiges nach seinen Vorlagen reproduziert, wollte ihn jedoch nie imitieren, wie das Lavater gern gesehen hätte. Vielmehr gehörte Lips einer jüngeren Generation an, der Chodowieckis Kunst unzeitgemäss und veraltet erschien. So wirkte der Kontakt mit Johann Heinrich Füssli in Zürich viel nachhaltiger auf die Entwicklung des jungen Autodidakten, der eine Zeitlang dessen Zeichnungen kopierte und Kompositionen nach dessen Geschmack anfertigte. Dennoch konnte er Füsslis manierierte Naturferne nicht langfristig adaptieren. 1794, kurz nach Goethes und Lavaters Zerwürfnis, kehrte Lips von Weimar nach Zürich zurück, wo er äusserst produktiv weiterarbeitete und eine internationale Kundschaft mit zahlreichen Arbeiten bediente; unter anderem schuf er die Illustrationen zu der Gesamtausgabe der Werke Wielands von Göschen heiratete er Elisabeth Graf von Winterthur, die ihm zwei Kinder schenkte: 1796 wurde Johann Heinrich und 1801 Wilhelmine geboren erwarb er das Bürgerrecht der Stadt Zürich beteiligte er sich regelmässig an den Ausstellungen der Zürcher Künstlergesellschaft. Johann Heinrich Lips Œuvre umfasst 1400 Radierungen und Kupferstiche, einige Gemälde, Aquarelle, Zeichnungen und eine Lithografie. Lips legte selbst vier Bände all seiner geschaffenen Grafiken an, die sich heute in der Graphischen Sammlung des Kunsthauses Zürich befinden. Hinzu kommt eine Vielzahl von Briefen, die als Schriftverkehr zwischen dem Künstler und seinen Freunden und Bekannten Aufschluss über sein Leben, sein Selbstverständnis und seine Bezüge zu Auftraggebern sowie über die Kulturgeschichte seiner Seite 3/6,
4 Zeit ermöglichen (Zentralbibliothek Zürich; Staatsbibliothek zu Berlin, Preussischer Kulturbesitz; Frankfurt am Main, Goethe-Museum). Seine Schüler waren Samuel Amsler, Johann Martin Esslinger, Johann Jakob Lips (nicht verwandt), Jakob Merz und Christian Müller. Im wahrsten Sinn des Wortes bestechend ist die virtuose Genauigkeit seiner reproduzierten und selbst erfundenen Themen und Porträts, die ihn als Kupferstecher und Grafiker an die Seite der berühmtesten Kunstschaffenden seiner Epoche stellen. In den Bildnissen von Grössen des Geisteslebens zeigt Lips sensibles Einfühlungsvermögen in der Darstellung der Charaktere, die sicherlich auch aus der Beschäftigung mit Lavaters Physiognomischen Fragmenten gereift ist. Nach dem Tod seines Mentors im Jahr 1801 entstanden unter anderem eine ganze Reihe von Lavater-Porträts (Lavater und sein Sohn Heinrich, 1802 nach einer Pinselzeichnung von 1787 ausgeführt, Kunsthaus Zürich). Lips Formvorstellungen, am Geist des Klassizismus orientiert, und seine grafische Genauigkeit waren entscheidend für seinen Erfolg. Diese Virtuosität brachte allerdings mit sich, dass die Aufmerksamkeit des Publikums wie auch der Produzenten auf noch genauere, das heisst mechanische Reproduktionsverfahren gelenkt wurde und Lips ungewollt einen Prozess einleitete, der lange nach seinem Tod zur Aufhebung des Berufs des Reproduktionsstechers führte (Joachim Kruse im Ausstellungskatalog der Kunstsammlungen der Veste Coburg, 1989). Lips Schaffen stand ein Leben lang unter dem Motto, das ihm Johann Caspar Lavater vor Antritt der Studienreise 1780 mit auf den Weg gegeben hatte: «Wahrheit und Natur sey Dein allereinfachstes Ziel. Strebe nicht nach Ideal; Sinke nicht zur Carrikatur. Halte die Wahrheit, die Natur fest.» Johann Heinrich Lips war der vollkommene Reproduktionsstecher. Werke: Coburg, Kunstsammlungen der Veste Coburg; Kunsthaus Zürich, Graphische Sammlung. Nicole Beyer, 1998, aktualisiert 2015 Literaturauswahl - Walter Borgers: «Johann Heinrich Lips und die Illustrationen zu GutsMuths' Gymnastik für die Jugend». In: Beiträge und Bibliographie zur Guts-Muths-Forschung. Sankt Augustin: Academia, 1998, S Helvetien in Deutschland. Schweizer Kunst aus Residenzen deutscher Seite 4/6,
5 Klassik Zürich, Städtische Galerie zum Strauhof, ; Schwäbisch Hall, Hällisch-Fränkisches Museum, Hrsg.: Martin Bircher, Gisold Lammel. Zürich: Offizin, Joachim Kruse: Johann Heinrich Lips ( ). Ein Zürcher Kupferstecher zwischen Lavater und Goethe. Kunstsammlungen der Veste Coburg, Paul Leemann-van Elck: «Johann Heinrich Lips als Buchillustrator». In: Stultifera Navis. Mitteilungsblatt der Schweizerischen Bibliophilen- Gesellschaft, 5, Oktober 1948, 3/4. S Maria Lanckoronska, Richard Oehler: Die Buchillustration des XVIII. Jahrhunderts in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Dritter Teil [...]. Leipzig: Maximilian, Ernst Beutler: «Das Goethebild von Lips». In: Goethe-Kalender, 1936, S F. C. [Frédéric Charles] Lonchamp: Manuel du bibliophile suisse. Essai sur la typographie, la littérature, la bibliophilie et l'art suisse dans l'illustration du livre du XVI!e au XX!e siècle [...]. Paris et Lausanne: Librairie des bibliophiles, F. C. [Frédéric Charles] Lonchamp: L'estampe et le livre à gravures. Guide de l'amateur. Un siècle d'art suisse Lausanne: Librairie des bibliophiles, [Johann Heinrich Meyer]: «Das Leben und die Charakteristik von Johann Heinrich Lips von Zürich». In: Neujahrsstück der Künstlergesellschaft in Zürich, XIV, 1818 Nachschlagewerke - Historisches Lexikon der Schweiz. Dictionnaire historique de la Suisse. Dizionario storico della Svizzera, hrsg. von der Stiftung Historisches Lexikon der Schweiz; Chefredaktor: Marco Jorio, Basel: Schwabe, 2002 ff. - E. Bénézit: Dictionnaire critique et documentaire des peintres, sculpteurs, dessinateurs et graveurs de tous les temps et de tous les pays par un groupe d'écrivains spécialistes français et étrangers. Nouvelle édition entièrement refondue sous la direction de Jacques Busse. Paris: Gründ, 1999, 14 vol. - Biografisches Lexikon der Schweizer Kunst. Dictionnaire biographique de l'art suisse. Dizionario biografico dell'arte svizzera. Hrsg.: Schweizerisches Institut für Kunstwissenschaft, Zürich und Lausanne; Leitung: Karl Jost. Zürich: Neue Zürcher Zeitung, 1998, 2 Bde. - The Dictionary of Art. Edited by Jane Turner. 34 volumes. London: Macmillan; New York: Grove, Allgemeines Künstler-Lexikon. Die bildenden Künstler aller Zeiten und Völker, München, Leipzig: Saur, 1992 ff. Seite 5/6,
6 - Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart, begr. von Ulrich Thieme und Felix Becker, 37 Bde., Leipzig: Seemann, Schweizerisches Künstler-Lexikon, hrsg. vom Schweizerischen Kunstverein; red. unter Mitw. von Fachgenossen von Carl Brun, 4 Bde., Frauenfeld: Huber, Johann Caspar Füssli, Joh. Caspar Füesslins Geschichte der besten Künstler in der Schweitz. Nebst ihren Bildnissen, 5 Bde., Zürich: Orell, Gessner und Comp., Archiv SIK-ISEA, Schweizerisches Kunstarchiv, HNA 203 Direktlink Normdaten GND Deutsche Biographie Letzte Änderung Disclaimer Alle von SIKART angebotenen Inhalte stehen für den persönlichen Eigengebrauch und die wissenschaftliche Verwendung zur Verfügung. Copyright Das Copyright für den redaktionellen Teil, die Daten und die Datenbank von SIKART liegt allein beim Herausgeber (SIK-ISEA). Eine Vervielfältigung oder Verwendung von Dateien oder deren Bestandteilen in anderen elektronischen oder gedruckten Publikationen ist ohne ausdrückliche Zustimmung von SIK-ISEA nicht gestattet. Empfohlene Zitierweise AutorIn: Titel [Datum der Publikation], Quellenangabe, <URL>, Datum des Zugriffs. Beispiel: Oskar Bätschmann: Hodler, Ferdinand [2008, 2011], in: SIKART Lexikon zur Kunst in der Schweiz, Zugriff vom Seite 6/6,
* 21.5.1471 Nürnberg, 6.4.1528 Nürnberg
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