Quelle: B.Brinkmann/HOA-QUI/laif. Gesundheit! Die grüne Präventionsstrategie
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- Pia Stein
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1 Quelle: B.Brinkmann/HOA-QUI/laif Gesundheit! Die grüne Präventionsstrategie
2 Prävention und Gesundheitsförderung sind Instrumente gegen die soziale Schieflage deshalb brauchen wir einen Paradigmenwechsel. Maria Klein-Schmeink MdB Sprecherin für Prävention & Patientenrechte Kehrtwende:»» Gesundheitsförderung geht vor Gesundheitspolitik ist in Deutschland vorrangig Krankenversorgungspolitik. Im Zentrum steht die Behandlung von Krankheiten. Wenig wird dagegen getan, um Gesundheit zu fördern. Nur knapp zwei Prozent der Gesundheitsausgaben aller Ausgabenträger wurden im Jahr 2010 direkt für Gesundheitsförderung genutzt. Zu den wichtigsten dieser Ausgabenträger gehören die gesetzlichen Krankenkassen. Sie setzten in den letzten Jahren für Gesundheitsförderung und Prävention immer weniger Mittel ein, während die anderen Ausgaben stiegen waren es gerade noch 0,15 Prozent. Davon wurde der Löwenanteil, nämlich 75 Prozent, für individuelle Präventionskurse der Kassen ausgegeben. Sie dienen vor allem dem Wettbewerb um Versicherte. Viele Menschen, auf die man gezielt zugehen müsste, erreicht man so nicht. Vertan wurde auch die Chance, ihre Lebenswelten gesünder zu gestalten: den Arbeitsplatz und die Kita, die Schule oder das Wohnquartier. Der Ausbau solcher Angebote, die direkt bei den Menschen ankommen, blieb auf der Strecke. 2 3
3 Zentrale Herausforderung:»» gesundheitliche Chancengerechtigkeit Viele Menschen sind heute sehr auf ihre Gesundheit bedacht. Sie treiben Sport, ernähren sich bewusst, nutzen den Urlaub zur Erholung und halten sich mit Informationen auf dem Laufenden. Diese Menschen mit Gesundheitsförderung zu erreichen ist einfach, genügt aber nicht. Wir brauchen gezielte Angebote, die bei den schwer erreichbaren Zielgruppen ankommen: den sozial Benachteiligten, den Älteren oder gesellschaftlich Ausgegrenzten. Gerade sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche tragen ein hohes Gesundheitsrisiko. Sie haben eine deutlich verkürzte Lebenserwartung und auch weniger gesunde Lebensjahre vor sich. Mit einem Appell an die Eigenverantwortung kommt man da nicht weit, das belegte die Kinder- und Jugendgesundheitsstudie (KiGGS) schon vor Jahren. Fehlende Bewegung, ungesunde und einseitige Ernährung sowie ein zunehmender Verlust an Sicherheit und sozialer Einbindung fördern chronische Erkrankungen bereits im jüngeren Lebensalter. Auch Umweltbelastungen spielen eine große Rolle. Kinder aus sozial benachteiligten Familien sind eher Passivrauchen ausgesetzt und wohnen häufiger an stark befahrenen Haupt- und Durchgangsstraßen. Sie müssen mehr Lärm ertragen und erleiden öfter Verkehrsunfälle. Was bereits bei den Kindern und Jugendlichen auffällt, setzt sich im Erwachsenenalter fort. Arbeitslosigkeit oder schon die Angst um den Arbeitsplatz, prekäre Beschäftigung, Schichtoder Leiharbeit sind Gesundheitsrisiken. Eine Art Nadelöhr im Leben jedes Menschen sind die Übergangssituationen: Geburt, Eintritt in die Schule oder Ausbildung, in den Beruf oder ins Rentenalter. Wenn sie die Menschen überfordern oder misslingen, sind sie eine Gesundheitsgefahr. Gelingen sie, dann stärken sie die Ressourcen für die eigene Gesundheit. Gesundheitsförderung muss stärker an den Lebensverhältnissen der Menschen ansetzen. Sie muss die unterstützenden und belastenden Lebensbedingungen in den Blick nehmen. Auch die Wechselwirkung von Lebensumständen und psychischer Gesundheit verdient mehr Beachtung. 4 5
4 Medizinische Prävention greift zu kurz Prävention als umfassende Gesundheitsvorsorge spielt für die jetzige Bundesregierung nur eine untergeordnete Rolle. Ein Präventionsgesetz im Koalitionsvertrag hatte Schwarz-Gelb zunächst ausgeschlossen und die Umsetzung der angekündigten Präventionsstrategie jahrelang aufgeschoben. Seit Jahresbeginn liegt nun ein Gesetzentwurf vor, der sich aber allein auf die Zuständigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung konzentriert. Quelle: picture alliance Die Präventionsstrategie der Bundesregierung ist rein medizinisch ausgerichtet. Es geht um ärztliche Empfehlungen und Bonusprogramme der Krankenkassen. Es geht um Gesundheitschecks und mehr Krebsvorsorge, um Impf- und Hygienekampagnen. Gesundheitsexperten finden diese Beschränkung nicht nur fachlich verfehlt, sondern katastrophal. Um sozial benachteiligte Zielgruppen zu erreichen, soll die mediale Durchschlagskraft der Prävention erhöht werden. Aber wer ändert sein Verhalten aufgrund einer Broschüre, eines Fernsehspots oder einer Plattform im Internet? Diese Präventionsstrategie ist defensiv, sie greift zu kurz. 6 7
5 Lebenswelten sind der Schlüssel Prävention, die alle Menschen erreichen will, muss zu ihnen gehen. Hinter dieser Idee steht der lebensweltorientierte sogenannte Setting-Ansatz. Seit der Ottawa Charta der World Health Organisation (WHO) gilt er als Schlüsselstrategie der Gesundheitsförderung. Präventionsangebote sind demnach dort zu konzentrieren, wo Menschen leben, lernen, arbeiten und wohnen. Wie das gehen kann, zeigen bereits zahlreiche erfolgreiche Modellprojekte für die verschiedensten Zielgruppen vor Ort. Diese gilt es jetzt, in die Fläche zu bringen. Wir wollen deshalb regional gebündelte Budgets und eine lokale Steuerung, die solche Angebote zielgenau umsetzt. Gesundheitsstrategien, die die Menschen über alle Lebensphasen hinweg begleiten, lassen sich am besten in sogenannten Präventionsketten verwirklichen. Dabei arbeiten verschiedenste kommunale Akteure Hand in Hand, um möglichst allen Menschen, unabhängig von ihren Lebens- und Wohnverhältnissen oder ihrer sozialen Lage, ein langes und gesundes Leben zu ermöglichen. Quelle: picture alliance 8 9
6 Gesundheitsförderung Müssen wir als gesamtgesellschaftliche Aufgabe ernst nehmen. Gute Gesundheit für alle ist unser Ziel. Dafür sind Anstrengungen in den verschiedensten Politikfeldern nötig - von der Ernährung über die Stadtplanung, die Umwelt- und Verkehrspolitik bis hin zur Schul- und Drogenpolitik. Eine nationale Präventionsstrategie, die ihren Namen verdient, muss für eine verbesserte Vernetzung und Kooperation und ein besseres Schnittstellenmanagement sorgen: zum Beispiel zwischen der Kinder- und Jugendhilfe, dem Gesundheitssystem und der Behindertenhilfe oder zwischen Arbeits- und Gesundheitsförderung. Die Grundlage dafür soll ein Gesetz für Gesundheitsförderung und Prävention bilden. Es muss eine gemeinsame Finanzierung durch alle Sozialversicherungsträger sowie die private Kranken- und Pflegeversicherung sicherstellen und eine sinnvolle Steuerung gewährleisten. Klar regeln wollen wir die Leistungen, Träger und Verantwortungsbereiche für Primärprävention und Gesundheitsförderung bei Bund, Ländern und Kommunen. Ergänzend wollen wir Koordinierungsstellen auf Bundes- und Landesebene einrichten, die auf bestehenden Strukturen aufbauen. Gesundheitsförderung findet vor allem in der Kommune statt. Deshalb wollen wir nach dem Vorbild der kommunalen Gesundheitskonferenzen auch regionale Planungs- und Kooperationsstrukturen etablieren. Ein Nationales Kompetenzzentrum soll für eine koordinierte, verbesserte Qualitätssicherung und Evaluation sorgen. Regelmäßig durchgeführte bundesweite Erhebungen können darüber Aufschluss geben, welche Programme und Maßnahmen die verschiedenen Zielgruppen am besten erreichen. Neben sogenannten harten Faktoren wie einem effizienten Mitteleinsatz sollen auch weiche Faktoren berücksichtigt werden. Dazu zählen etwa Partizipation, Empowerment, interkulturelle Kompetenz und Geschlechtergerechtigkeit
7 Keine Gesundheit ohne gute Ernährung. In den Kitas und Schulen wollen wir dafür die nötigen Strukturen schaffen. Erstklässler mit ihrer Bio-Brotbox, Hannover. Quelle: picture alliance 12 13
8 Nationale Strategie»» Gesundheit und soziale Lage Die Chancen auf eine gute Gesundheit sind auch in Deutschland ungleich verteilt. Um diese Ungleichheit abzubauen, wollen wir eine nationale Gesamtstrategie Gesundheit und soziale Lage auf den Weg bringen. Sie soll alle Politikfelder überspannen. Damit wollen wir systematisch den Versorgungseinbrüchen und Schnittstellenproblemen zwischen den verschiedenen Politikbereichen entgegenwirken. Gesundheitsförderung wollen wir als fachlichen Standard in der Kinder- und Jugendhilfe etablieren. In den Kitas und Schulen gilt es Strukturen zu schaffen, die eine gute und gesunde Ernährung für alle Kinder gewährleisten. Dazu gehört auch die finanzielle Förderung von Kindern aus einkommensschwachen Familien. Ernährungs- und Gesundheitswissen muss in die Lehrpläne und Ausbildungsgänge von Pädagoginnen und Pädagogen eingehen. Den Fokus der betrieblichen Gesundheitsförderung wollen wir stärker auf psychische Belastungen am Arbeitsplatz ausrichten. Arbeitsschutz, betriebliche Gesundheitsförderung und das Bemühen um gute Arbeitsbedingungen müssen dabei ineinandergreifen. Angebote in kleinen und mittleren Betrieben sowie Maßnahmen für Ältere und Frauen wollen wir stärken. Arbeitsförderung, Prävention und Gesundheitsförderung müssen besser miteinander verzahnt werden. Wer arbeitslos wird, sollte von Beginn an Zugang zu Prävention und Gesundheitsförderung sowie zur psychosozialen Stabilisierung erhalten. Denn Arbeitslosigkeit greift die individuellen Gesundheitsressourcen an und schmälert die Fähigkeit zur psychischen Bewältigung von Krisensituationen. Prävention und Gesundheitsförderung zielt bei älteren Menschen vor allem auf einen Zugewinn gesunder Lebensjahre. Die Herausforderung besteht darin, chronische Erkrankungen und Pflegebedürftigkeit zu vermeiden oder zu verzögern. Dafür brauchen wir ein Handlungsprogramm zur Prävention im Alter und Konzepte, wie wir ältere, noch nicht pflegebedürftige Menschen erreichen können
9 17/109 Noch Fragen? Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion Arbeitskreis 1: Wirtschaft, Arbeit, Soziales, Finanzen Maria Klein-Schmeink MdB, Sprecherin für Prävention und Patientenrechte TEL 030/ , FAX 030/ , Zum Weiterlesen: Mehr Bewegung in der Prävention (Fraktionsbeschluss vom ) Grüne Gesundheitspolitik (Broschüre 17/39) gruene-bundestag.de» Themen» Prävention Bundestagsdrucksachen: 17/5529 Gesetzliche Grundlage für Prävention und Gesundheitsförderung schaffen Gesamtkonzept für nationale Strategie vorlegen Diese Veröffentlichung informiert über unsere parlamentarische Arbeit im Deutschen Bundestag. Sie darf im Wahlkampf nicht als Wahlwerbung verwendet werden. Impressum: Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion Platz der Republik 1, Berlin Gestaltung: Jakina U. Wesselmann Stand: März 2013, Schutzgebühr: 0,05
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