Eckpunkte der Koalition für ein Integrationsgesetz
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- Frieda Heinrich
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1 Vermerk An die Mitglieder der Gesamtkonferenz Migration und Flucht Zentrum Migration und Soziales Johannes Brandstäter Caroline-Michaelis-Straße Berlin Telefon: Telefax: j.brandstaeter@diakonie.de Berlin, 20. April 2016 Eckpunkte der Koalition für ein Integrationsgesetz Licht und Schatten Der Koalitionsausschuss hat am 13. April Eckpunkte eines Integrationsgesetzes vereinbart. Die Eckpunkte werden am 22. April 2016 von der Ministerpräsidentenkonferenz erörtert werden. Die Bundesregierung beabsichtigt, den Gesetzentwurf am 24. Mai 2016 zu beschließen. Die Diakonie Deutschland begrüßt die Einigung der Koalition, die Integration in Deutschland voranzubringen. Sie sieht in den Eckpunkten allerdings nur zum Teil Verbesserungen für die Schutzsuchenden in Deutschland. Sie lehnt die vorgesehenen Leistungskürzungen und Restriktionen ab. Diakonie Deutschland versteht unter Integration den gesellschaftspolitischen Prozess der Herstellung von umfassender Teilhabe und Chancengleichheit. Sie darf nicht auf die Bereiche Arbeit und Deutschlernen verengt werden. Die Eckpunkte enthalten deutliche und anerkennenswerte Verbesserungen, stellen jedoch nur einen ersten Schritt auf diesem Wege dar und enthalten Licht und Schatten. Zwar werden einige bestehende Hindernisse beim Arbeitsmarktzugang aus dem Wege geräumt und Asylsuchenden Zugänge zu Leistungen eröffnet, die für andere Menschen in Deutschland Standard sind, doch sind nur wenige neue, fördernde Maßnahmen vorgesehen; im Bereich der Migrationssozialarbeit fehlen sie. Die vorgesehenen Sanktionsandrohungen unterstellen den Menschen, um deren Eingliederung es geht, eine durch die Empirie nicht bestätigte Verweigerungshaltung. Sie stellen eine Gefahr für ein positives Klima und einen gesellschaftlichen Zusammenhalt dar, der die Menschen, die auf der Suche nach Schutz nach Deutschland gekommen sind, annimmt und ins Gemeinwesen mit einschließt. Deutschsprachförderung Zu 14. und 15. Integrationskurse, und Nr. 2. Sanktionen Die Koalitionsparteien wollen die Teilnahmepflichten für Asylberechtigte, anerkannte Flüchtlinge oder subsidiär Schutzberechtigte, die es jetzt schon gibt, ausweiten und. Die Höchstteilnehmendenzahl soll von 20 auf 25 Personen erhöht werden.
2 Die Koalitionsparteien wollen prüfen, ob Verstöße gegen Integrationspflichten durch Leistungseinschränkungen im Asylbewerberleistungsgesetz bzw. SGB XII sanktioniert werden sollen. Bei den Integrationskursen ist es vorrangig, ausreichend Plätze anzubieten. Die nötige Finanzierung ist sicherzustellen; ein Heraufsetzen der Höchstteilnehmendenzahl ist kontraproduktiv. Sanktionen und Einschränkungen aufgrund von fehlender Teilnahme an Integrationskursen und anderen Eingliederungsmöglichkeiten in Ausbildung und Arbeitsmarkt sind abzulehnen. Um die Akzeptanz des Sprachkursangebots zu erhöhen, müssen diese ausreichend bekannt gemacht werden, eine gute Qualität aufweisen und Angebote der Kinderbetreuung beinhalten. Der Bund sollte außerdem die bundesgeförderte Migrationsberatung (MBE und JMD) bedarfsgerecht ausstatten, als begleitende Programme vor, während und nach dem Integrationskurs. Arbeiten, Ausbildung und Wohnen Arbeitsmarktintegration Die Änderungen im Bereich Arbeitsmarktintegration gehen insgesamt in die richtige Richtung. Geduldete sollen statt nur für ein Jahr nun für die gesamte Zeit der Ausbildung eine Duldung bekommen und anschließend bis zu sechs Monate zur Arbeitssuche. Im Falle einer Beschäftigung sollen sie für zwei Jahre eine Aufenthaltserlaubnis erhalten. Die Vorrangprüfung wird für drei Jahre eingefroren, jedoch nur in Arbeitsmarktbezirken mit unterdurchschnittlicher Arbeitslosigkeit. Arbeitsgelegenheiten im Asylbewerberleistungsgesetz sollen gefördert werden. Sicherzustellen ist, dass bei den Arbeitsgelegenheiten das Prinzip der Freiwilligkeit beachtet wird. Die Vorrangprüfung sollte grundsätzlich abgeschafft und nicht nur befristet und regional beschränkt ausgesetzt werden. Gerade in strukturschwachen Regionen führt die Vorrangregelung zum Ausschluss vom Arbeitsmarkt. Ausbildung und Ausbildungsförderung für Geduldete Die geplante Regelung zur Rechtssicherheit bei der Ausbildung ist zu begrüßen, sie ist längst überfällig. Problematisch ist, dass der Aufenthaltstitel nach einem Ausbildungsabbruch sofort erlischt, denn das bringt die Auszubildenden in ein hohes Abhängigkeitsverhältnis zum Arbeitgeber. Sinnvoll wäre eine Regelung, die dem Auszubildenden eine (Neu-)Orientierung auf dem Arbeitsmarkt ermöglicht. Gestatteten und Geduldeten mit guter Bleibeperspektive soll der Zugang zur Ausbildungsförderung nach SGB III befristet erleichtert werden. So sollen Gestattete mit guter Bleibeperspektive ausbildungsbegleitende Hilfen, assistierte Ausbildung, berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen schon nach drei Monaten erhalten und Berufsausbildungsbeihilfe und Ausbildungsgeld nach 15 Monaten. Insgesamt gut, wobei noch an einigen Stellen Unklarheiten bestehen. Wohnraum Es fehlen Ansätze, die Versorgung mit Wohnraum zu verbessern. Vermerk Seite 2 von 5
3 Es bedarf zusätzlicher Mittel für den Bau bezahlbarer Wohnungen. Insbesondere bedarf es der Programme des sozialen Wohnungsbaus sowie der Förderung des genossenschaftlichen Wohnungsbaus und eine Stärkung der kommunalen Wohnungsunternehmen. Wohnortzuweisung Die Koalitionsparteien wollen zur Vermeidung von sozialen Brennpunkten eine gleichmäßigere Verteilung von Schutzberechtigten, deren Verletzung für die Betroffenen zu spürbaren Konsequenzen führt. Über die konkrete Ausgestaltung soll mit den Ministerpräsidenten am 22. April 2016 Einvernehmen erzielt werden. Bereits nach geltendem Recht gibt es Wohnsitzauflagen für Geflüchtete, solange sie nicht von eigener Erwerbsarbeit leben können und Sozialleistungen beziehen. Wohnsitzauflagen für anerkannte Flüchtlinge sind schwere, unverhältnismäßige Eingriffe in das Recht auf Freizügigkeit und freie Wahl des Wohnsitzes, die die Betroffenen bei der Ausübung ihrer Rechte und ihrer Lebensgestaltung erheblich einschränken. Solche Auflagen hindern die Betroffenen daran, etwa eine Wohnung zu finden oder Arbeit aufzunehmen. Es ist sinnvoll, dass Flüchtlinge dort wohnen können, wo sie Arbeit finden und nicht erzwungenermaßen dort, wo sie rassistische Bedrohung und Gewalt fürchten müssen. Entsprechende Erfahrungen wurden bereits bei der Wohnsitzauflage für Spätaussiedler gemacht. Die Regional- und Infrastrukturplanung muss sich an den Bedürfnissen der Menschen ausrichten, nicht umgekehrt. Wenn es Bedarf gibt, die Regionalentwicklung zu steuern, muss dies durch infrastrukturelle Anreize wie gute Schulen, gute Verkehrsanbindungen, Einkaufsmöglichkeiten usw. erfolgen. Die Schaffung einer Wohnsitzauflage für anerkannte Schutzberechtigte lehnt die Diakonie Deutschland ab und stützt sich dabei auf ein EuGH-Urteil. 1 Soziale Brennpunkte werden durch eine gute Integrationspolitik vermieden und nicht durch ein bürokratisches System, für das sogar Strafen erwogen werden. Stattdessen sollte mit dem Prinzip der doppelten Freiwilligkeit gearbeitet werden: Kommunen sollten mit guter Infrastruktur und politischem Willen Anreize schaffen für den Zuzug der Flüchtlinge und diese Angebote sollten dann von den anerkannten Flüchtlingen auf freiwilliger Basis angenommen werden können. Schon Asylsuchende sollten schon dezentral und damit gleichmäßiger verteilt werden. Das erleichtert und beschleunigt Integration. Soweit sich die Wohnsitzauflage nicht verhindern lässt, muss zumindest gewährleistet sein, dass die Betroffenen bei jeder Arbeitsaufnahme den Wohnort wechseln können, also auch, wenn es sich um befristete Arbeitsverhältnisse handelt oder wenn aufgrund der geringen Bezahlung ein Anspruch auf ergänzende Sozialleistungen besteht. Zudem sollte die Wohnsitzauflage für die Betroffenen zeitlich eng begrenzt sein und die ganze Regelung auch nur zeitlich befristet gelten. Aufenthaltsfragen, Verpflichtungserklärungen, Leistungen Aufenthaltsgestattung und Ankunftsnachweis Zur Beseitigung bestehender Unsicherheiten in der Praxis soll künftig die Aufenthaltsgestattung einheitlich für alle Schutzsuchenden mit dem Erhalt des Ankunftsnachweises entstehen. Überfällig ist, dass Asylsuchende, auch wenn sie nicht von vornherein eine gute Bleibeperspektive aufgrund ihrer Nationalität haben, Orientierungsangebote erhalten sollen. Sie warten oft viele Monate auf ihren Asylbescheid, weil die Prüfung ihres Falles zeitaufwändig ist, um den Schutzbedarf festzustellen. Positiv ist, dass der Ankunftsnachweis nun als Aufenthaltsgestattung gelten soll. Fraglich ist, warum es dann zwei unterschiedliche Papiere geben muss. Es besteht unverändert die Problematik, dass Rechte von Asylsuchenden an die Aufenthaltsgestattung gebunden sind, die sie jedoch erst nach formaler Asylantragstellung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge oft 1 Vgl. Vermerk Seite 3 von 5
4 Monate nach Einreise erhalten. Mehrere hunderttausend Asylsuchende in Deutschland besitzen weder einen Ankunftsnachweis noch eine Aufenthaltsgestattung. Aufenthaltsverfestigung von anerkannten Flüchtlingen nur bei erbrachter Integrationsleistung Die Koalitionsparteien wollen die Erteilung einer unbefristeten Niederlassungserlaubnis von Integrationsleistungen wie Sprache, Ausbildung, Arbeit, Abwesenheit von Sicherheitsbedenken unter noch festzulegenden Umständen abhängig machen. Die geplante Verknüpfung der Erteilung einer unbefristeten Niederlassungserlaubnis an eine Integrationsleistung, wie Sprache, Ausbildung, Arbeit, ist abzulehnen. Es gibt gute Gründe, warum anerkannte Flüchtlinge beim Übergang in eine unbefristete Niederlassungserlaubnis gegenüber anderen Drittstaatlern privilegiert sind. Wer einen gesicherten Aufenthalt in Deutschland hat, wird sich viel engagierter um seine gesellschaftliche Eingliederung bemühen als diejenigen, die Zweifel über ihre Perspektiven hegen müssen. Außerdem können besonders schutzbedürftige Flüchtlinge (Traumatisierte, älteren Menschen, Kranke) diese Anforderungen nicht in gleicher Weise erfüllen, so dass die geplante Neuregelung dem Gedanken einer dauerhaften Schutzgewährung aufgrund der Flucht widerspricht. Höhe der Asylbewerberleistung Die Koalitionsparteien beabsichtigen Einschränkungen des Leistungssystems nach Asylbewerberleistungsgesetz bei Fehlverhalten. Eine Einigung im Detail steht allerdings noch aus. Außerdem sollen die Leistungssätze für Asylsuchende in einer Aufnahmeeinrichtung in Höhe von 34,00 Euro unter Hinweis auf die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2013 (EVS) abgesenkt werden. Das Asylbewerberleistungsgesetz an sich ist ein Integrationshindernis. Die geplanten weiteren Kürzungen der Leistungen von 34,00 Euro sind verfassungsrechtlich bedenklich. Bereits die generelle Absenkung der Leistungen um 10,00 durch das Asylpaket II stehen im Konflikt mit dem Urteil des BVerfG von Der Zugang Asylsuchender zu Gesundheitsleistungen und Behandlung von Krankheiten ist unzureichend. Ein Integrationsgesetz sollte bestehende Lücken schließen. Dolmetscherkosten Dolmetscherkosten sollen zukünftig dem jeweiligen Leistungsträger zugeordnet werden können. Diese Regelung ist zu begrüßen. Die Erstattung von Dolmetscherleistungen insbesondere bei Leistungen der GKV ist eine langjährige Forderung der BAGFW. Es bedarf jedoch nicht nur einer Klarstellung der Sozialleistungsträgerzuständigkeit, sondern einer Ausweitung des Anspruchs. Verpflichtungserklärung Die Koalitionsparteien wollen die Verpflichtungserklärungen, für nachziehende Verwandte den vollen Lebensunterhalt einschließlich Krankenversicherung zu übernehmen, wie sie von syrischen und irakischen Verwandten im Zusammenhang mit Landesaufnahmeprogrammen eingegangen wurden, auf fünf Jahre beschränken. Die geplante Dauer der Verpflichtung ist erheblich zu lang. Es wird vorgeschlagen, sich an den Erfahrungen mit private-sponsored UNHCR-Resettlement-Programmen beispielsweise in Kanada zu orientieren. Die Verpflichtung entfällt dort, wenn die aufgenommenen Flüchtlinge ihre wirtschaftliche und soziale Unabhängigkeit (wieder-) erlangt haben, spätestens aber ein Jahr nach der Einreise. Vermerk Seite 4 von 5
5 Prävention vor rassistischer Diskriminierung In der Sorge um die Sicherheit darf die rassistische Gewalt, die vor dem Hintergrund zunehmender Einwanderung und Aufnahme von Geflüchteten zunimmt, nicht vernachlässigt werden. Nirgends dürfen Angsträume geduldet werden, insbesondere Frauen und Kinder müssen sich überall sicher fühlen. Hierzu finden sich in den Eckpunkten keine Aussagen. In einem Integrationsgesetz mit umfassendem Anspruch sollten auch strukturelle Hindernisse, die einer Gewährung der vollen Chancengleichheit und Teilhabe Eingewanderter im Wege stehen, adressiert werden. Diakonie Deutschland fordert die nachdrückliche Umsetzung der Empfehlungen des ersten NSU-Untersuchungsausschusses. Rassistische Tatmotivationen müssen durch Polizei und Justiz nachdrücklicher als bislang verfolgt werden. Schlussbemerkung Die Aufnahme und Unterbringung von Geflüchteten ist eine Gemeinschaftsaufgabe des Bundes, wofür die nötigen Mittel bereit zu stellen sind. Diese Anforderung wird in den Eckpunkten nicht gespiegelt. Bund und Länder verfügen über ausreichend Einnahmequellen, um die Aufnahme und Unterbringung einer höheren Zahl Geflüchteter sowie die Beschulung und Ausbildung der Kinder und Jugendlichen zu finanzieren. Diese Investitionen sind erforderlich, um eine positive Wirkung des geplanten Integrationsgesetzes zu erzielen und zahlen sich spätestens nach einer Generation aus. Ein Integrationsgesetz muss von haushaltspolitischen Entscheidungen, die die tatsächlichen Bedarfe widerspiegeln, flankiert werden. Vermerk Seite 5 von 5
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