Landschaft der Forschungsinfrastrukturen. European XFEL ein Röntgenlaser der Superlative
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- Jasmin Hummel
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1 Landschaft der Forschungsinfrastrukturen European XFEL ein Röntgenlaser der Superlative
2 LANDSCHAFT DER FORSCHUNGSINFRASTRUKTUREN: EUROPEAN XFEL, STAND SEPTEMBER European XFEL ein Röntgenlaser der Superlative Mit extrem kurz getakteten Röntgenlaserpulsen wollen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bis in die feinsten Strukturen komplexer Materie vorstoßen und bisher unverstandene biochemische und physikalische Prozesse auf der Nanoskala untersuchen. Dazu planen sie einen imposanten Freie-Elektronen-Laser (FEL) für Röntgenstrahlen: den European XFEL. Ab September 2017 können Forschende die Anlage für Experimente nutzen. Laserlicht ist aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. DVD-Player nutzen das besondere Licht ebenso wie die Glasfaserleitungen zur Informationsübertragung im Internet. Dank bestimmter physikalischer Eigenschaften ist das im Gleichtakt schwingende oder kohärente Licht aber auch bestens dafür geeignet, den dreidimensionalen Aufbau von komplexen Molekülen und Atomansammlungen zu untersuchen. Dabei gilt: Je kurzwelliger das Licht ist, umso winziger die Strukturen, die sich damit sichtbar machen lassen. Außerdem lassen sich mit einem Laser in Form von rasch aufeinanderfolgenden Lichtpulsen physikalische, chemische und biologische Prozesse filmen. Deshalb nutzen die Forschenden kohärente Lichtquellen auch im extrem kurzwelligen Röntgenbereich. Anders als bei einem klassischen Laser, bei dem die Elektronen, die die kohärenten Lichtwellen aussenden, fest an Atome gebunden sind, wird die laserartige Röntgenstrahlung anhand von freien Elektronen in einem speziell zu diesem Zweck gebauten Teilchenbeschleuniger erzeugt. Der kürzlich in Betrieb genommene Freie-Elektronen-Laser für Röntgenstrahlung European XFEL soll solch hochenergetisches Laserlicht bei einer Wellenlänge von 0,05 bis 4,7 Nanometern liefern. Die extrem kurz gepulsten Photonenpakete wird er mit einer Wiederholrate von Blitzen pro Sekunde aussenden. Ein moderner Flachbildfernseher arbeitet mit einer Wechselfrequenz von gerade einmal 100 Bildern pro Sekunde vergleichsweise langsam. Das Außergewöhnliche am European XFEL aber ist seine Leuchtstärke die sogenannte Brillanz: Sie ist in ihren Spitzenwerten milliardenfach höher als die herkömmlicher Röntgenlichtquellen. Selbst im Mittel erreicht die Brillanz immer noch zehntausendmal höhere Werte. Mit seinen einzigartigen Röntgenblitzen eröffnet der European XFEL neue Möglichkeiten für viele Bereiche der Forschung. So lassen sich etwa die Strukturen von Werkstoffen und biologischen Zellen entschlüsseln. Die Untersuchungen können beispielsweise dazu beitragen, Produktionsverfahren in der Industrie zuverbessern und neue Medikamente zu entwickeln. Tunnelfächer mit Undulatoren zur Erzeugung von Röntgenblitzen Verzweigungsbauwerke Schacht 1 und Halle 1 Eingangsbauwerk mit einem Zugangsschacht Modulatorhalle für die Stromversorgung Haupttunnel mit Linearbeschleuniger Kältehalle Forschungszentrum mit unterirdischer Experimentierhalle Injektortunnel Injektorkomplex zur Bereitstellung freier Elektronen Die freien Elektronen für den European XFEL werden auf dem DESY-Gelände in Hamburg-Bahrenfeld erzeugt (siehe Injektorkomplex rechts). Zunächst werden die Elektronen im Haupttunnel auf gerader Strecke beschleunigt, bevor sie am Osdorfer Born (Mitte) und in Schenefeld (links) auf insgesamt fünf Undulatorstrecken für die Lichterzeugung verteilt werden. In der ersten Ausbaustufe sind drei dieser Undulatorstrecken vorgesehen. Die Elektronen werden aus dem Strahlrohr entfernt, sodass an den Messplätzen in Schenefeld nur noch das wertvolle Röntgenlicht ankommt. (Bild: B. v. Heintze/Welt der Physik, cc by-sa)
3 LANDSCHAFT DER FORSCHUNGSINFRASTRUKTUREN: EUROPEAN XFEL, STAND SEPTEMBER Der European XFEL ist eine Art Supermikroskop und Superkamera mit breitem Anwendungsspektrum. Deutschland, das mehr als die Hälfte der Baukosten trägt, sichert sich so eine weltweite Spitzenposition in der Forschung mit Photonen. An dem europäischen Großprojekt, das von der European XFEL GmbH betrieben wird, sind derzeit elf Länder beteiligt; Großbritannien hat einen Beitritt als zwölftes Mitgliedsland angekündigt. Der Röntgenlaser gilt als eines der wichtigsten Vorhaben der Grundlagenforschung in Europa und ist nicht nur in der Roadmap des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) priorisiert, sondern auch Teil der ESFRI-Roadmap, einem Strategiepapier des Europäischen Strategieforums für Forschungsinfrastrukturen. Finanzierung und Standort Der European XFEL wird von den internationalen Partnern gemeinsam gebaut und betrieben. Deutschland wird in der Gesellschafterversammlung der European XFEL GmbH vertreten durch das Deutsche Elektronen- Synchrotron (DESY), das vom BMBF institutionell gefördert wird. Der Bau des Röntgenlasers wird aus Projektmitteln des Bundes sowie der Länder Hamburg und Schleswig-Holstein finanziert, ergänzt durch einen Anteil aus der institutionellen Förderung. Deutschland beteiligt sich mit insgesamt rund 820 Millionen Euro am Bau des European XFEL, das entspricht einem Anteil von 58 Prozent an den Gesamtkosten. Hiervon stellt das Bundesforschungsministerium ca. 730 Millionen Euro bereit. Um die deutsche Nutzergemeinde auf die Forschungsarbeit an dem außergewöhnlichen Röntgenlaser vorzubereiten, fördert das BMBF darüber hinaus Vorhaben der Verbundforschung im Rahmen der Erforschung von Universum und Materie mit 8,3 Millionen Euro für die Jahre 2016 bis In den Projekten entwickeln Forschergruppen aus Universitäten und Instituten neuartige Instrumente und Technologien für den European XFEL. Die geplante Großforschungsanlage wird sich vom DESY-Campus in Hamburg-Bahrenfeld über 3,4 Kilometer zum großen Teil unterirdisch bis in die schleswig-holsteinische Stadt Schenefeld erstrecken. Die Anlage ist mit dem Erzeugen erster Laserpulse kürzlich in Betrieb gegangen. Der Nutzerbetrieb startet im September Schnelle Elektronen auf Slalomkurs Die Elektronenquelle für den European XFEL steht in Hamburg-Bahrenfeld. Mit einem gewöhnlichen Laser werden dort Elektronen aus einem Metall herausgelöst und in dicht aufeinanderfolgenden Teilchenpaketen als Elektronenstrahl in einen Linearbeschleuniger eingespeist. Darin durchlaufen die Elektronen elektrische Wechselfelder, die bei Frequenzen im Mikrowellenbereich schwingen und die Elektronen sukzessive immer stärker beschleunigen. Auf einer Strecke von 1,7 Kilometern erreichen sie im unterirdischen Tunnel so eine Energie von maximal 17,5 Gigaelektronenvolt; sie bewegen sich dann nahezu mit Lichtgeschwindig-keit. Zum Vergleich: In einer klassischen Fernsehröhre prallen die Elektronen mit Energien von einigen Kiloelektronenvolt auf den Bildschirm. Schematische Darstellung eines Freie-Elektronen-Lasers: In einem linearen Teilchenbeschleuniger werden Elektronen mithilfe von supraleitenden Resonatoren auf hohe Energien gebracht und anschließend durch eine besondere Magnetanordnung ( Undulator ) auf einen Slalomkurs geschickt. Dabei senden sie laserartig gebündelte Strahlung im Röntgenbereich aus. (Bild: DESY) Für den European XFEL werden in einem Beschleuniger mit Resonatoren aus Niob elektromagnetische Wechselfelder in Form von Mikrowellen erzeugt. Heruntergekühlt auf minus 271 Grad Celsius wird das Material supraleitend. Die aus dem Strom zugeführte Leistung kann nahezu verlustfrei in Mikrowellen umgewandelt und schließlich auf den Elektronenstrahl übertragen werden. (Bild: DESY)
4 LANDSCHAFT DER FORSCHUNGSINFRASTRUKTUREN: EUROPEAN XFEL, STAND SEPTEMBER Die elektrischen Wechselfelder werden in Resonatoren erzeugt, die aus dem Übergangsmetall Niob bestehen. Bei der Arbeitstemperatur des Beschleunigers von minus 271 Grad Celsius ist dieses Material supraleitend. So verschwindet der elektrische Widerstand, und nahezu sämtliche durch Strom zugeführte Leistung lässt sich in Mikrowellen umwandeln und schließlich zur Beschleunigung der Elektronen verwenden. Anschließend werden die Elektronen durch speziell angeordnete Magnete, sogenannte Undulatoren, auf einen Slalomkurs gezwungen. In jeder Slalomkurve senden die Teilchen laserartige Röntgenstrahlung aus, die sich in Laufrichtung der Elektronen ausbreitet. Dabei überholt der Röntgenblitz diejenigen Elektronenpakete, die sich vor ihm auf Slalomkurs befinden, und tritt mit diesen in Wechselwirkung. Ein Teil der Elektronen aus dem Paket wird dabei etwas ausgebremst, ein anderer Teil dagegen ein wenig beschleunigt. Dieser Prozess wird über eine Strecke von hundert Metern mehrfach wiederholt. Nach und nach ordnen sich die Elektronen in den Teilchenpaketen dabei in parallelen, hauchdünnen Scheiben senkrecht zur Bewegungsrichtung an. Alle Elektronen einer Scheibe emittieren nun Licht im Gleichtakt nach dem SASE- Prinzip; die Abkürzung steht für Self-Amplified Spontaneous Emission und bedeutet selbstverstärkte spontane Emission. Durch gezielte Anordnung der Undulatoren und den Einsatz weiterer optischer Elemente lassen sich die Röntgenlaserblitze für unterschiedliche Zwecke zuschneiden und zum Beispiel in ihrer Intensität und Bandbreite abwandeln. Deshalb wird der Elektronenstrahl bereits nach der Beschleunigungsphase aufgefächert, um die Teilstrahlen auf unterschiedliche Slalomstrecken zu schicken. Dies wird nach Passieren des Betriebsgeländes Osdorfer Born geschehen. Am Ende jedes der fünf Tunnel in der unterirdischen Experimentierhalle in Schenefeld sind zwei oder drei Messplätze geplant. Vielfältige Forschungsmöglichkeiten Mit dem European XFEL steht Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus den unterschiedlichsten Fachbereichen eine Lichtquelle zur Verfügung, mit der sie kleinste Strukturen von komplexer Materie, aber auch zeitliche Abläufe auf Mikro- und Nanoebene detaillierter als je zuvor untersuchen können. Die Anwendungsgebiete reichen von Biologie über Materialund Lebenswissenschaften bis hin zur Astrophysik und mo-derner Energie forschung. So soll der European XFEL etwa das Wissen über den Aufbau von Biomolekülen und Viren erweitern. Zwar lässt sich die Struktur solcher Objekte bereits heute mit Röntgenstrahlen untersuchen, allerdings nur, wenn es gelingt, davon Kristalle zu erhalten. Mit den Röntgenlaserblitzen der geplanten Forschungsanlage werden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einen Blick auf Biomoleküle werfen oder sogar Viren im atomaren Detail abbilden können, auch ParticleÊinjection X-rayÊpulse DiffractionÊpattern Ein Röntgenlaserpuls aus einem Freie-Elektronen-Laser beleuchtet ein injiziertes Biomolekül. Dabei streut es einen Teil der Röntgenstrahlen, sodass ein Beugungsmuster entsteht. Eine Kamera zeichnet das Beugungsmuster auf, das Informationen über die Struktur des Moleküls enthält. Mithilfe von Messungen zahlreicher solcher Beugungsbilder an unterschiedlich ausgerichteten Kopien des gleichen Biomoleküls können die Forschenden dessen dreidimensionale Struktur entschlüsseln. (Bild: European XFEL) Mit einem Röntgenlaser wie dem European XFEL lassen sich Plasmen erzeugen, die so heiß wie das Innere riesiger Sterne sein können. Zugleich bietet sich die Möglichkeit, mit einem Teil des Röntgenlaserstrahls die erzeugten Plasmen zeitlich aufgelöst zu untersuchen und so den Plasmazustand zu erforschen. (Bild: DESY)
5 5 LANDSCHAFT DER FORSCHUNGSINFRASTRUKTUREN: EUROPEAN XFEL, STAND SEPTEMBER 2017 wenn diese nur als win zige Nanokristalle oder als Teil einer biologischen Probe vorliegen. Besonders interessant kann dies für die Forschung an HI- oder Herpes-Viren werden; denn diese lassen sich nicht kristallisieren und daher mit heu tigen Mitteln noch nicht genau untersuchen. Die Laserblitze mit einer Dauer von weniger als hundert billiardstel Sekunden ermöglichen extrem kurze Belichtungszeiten sodass beispielsweise auch sehr schnelle Prozesse wie Abläufe an Zellmembranen oder die entscheidenden Schritte chemischer Reaktionen zwischen Molekülen zeitlich scharf aufgelöst abgebildet werden. Ebenso lassen sich auch Vorgänge in Nanomaterialien filmen, wie etwa chemische Reak tionen in der Solarzellenforschung oder physikalische Prozesse, die bei der Magnetisierung oder Umpolung von magne tischen Materialien eine Rolle spielen. Außerdem wollen die Forscheenden mit dem neuen Freie-Elektronen-Laser das Verhalten kleinster Objekte in starken Feldern beobachten: Dazu zählen Atome in mehrfach ionisierten Zuständen oder auch komplexere Ansammlungen von Atomen, sogenannte Atomcluster. Zudem lassen sich mit dem Röntgenlaser extreme Formen von Materie herstellen wie zum Beispiel Plasmen, die so heiß sind wie das Innere von Sternen ein wichtiges Forschungsgebiet in der Fusions forschung. European XFEL Forschungsinfrastruktur der Forschungsinfrastruktur der naturwissenschaftlichen Grundlagenforschung naturwissenschaftlichen Grundlagenforschung
6 LANDSCHAFT DER FORSCHUNGSINFRASTRUKTUREN: EUROPEAN XFEL, STAND SEPTEMBER Steckbrief European XFEL Typ: Technologie: Standorte: Betreiber: Röntgenlaser, Röntgenstrahlungsquelle Freie-Elektronen-Laser Hamburg (DESY-Bahrenfeld und Osdorfer Born) und Schenefeld European XFEL GmbH Baukosten: 1,225 Milliarden Euro (Preisbasis 2005) Betriebskosten: ca. 118 Millionen Euro pro Jahr (Preisbasis 2017) Deutsche Beteiligung: 58 Prozent an Bau- und Betriebskosten Bauphase: Beginn des Nutzerbetriebs: ab September 2017 Gesamtlänge: Länge des Beschleunigers: Tunneltiefe: 3,4 Kilometer 1,7 Kilometer 6 bis 38 Meter Zahl der Messplätze: 10 Maximale Elektronenenergie: Maximale Brillanz: Wellenlänge des Röntgenlichts: Pulsdauer: Wiederholrate: Bestandteil folgender Roadmaps: Beteiligte Länder: 17,5 Gigaelektronenvolt Photonen pro Sekunde, mm 2, mrad 2 und 0,1% Bandbreite 0,05 bis 4,7 Nanometer 100 Femtosekunden pro Sekunde BMBF, ESFRI 11: Dänemark, Deutschland (58%), Frankreich, Italien, Polen, Russland (27%), Schweden, Schweiz, Slowakei, Spanien und Ungarn
7 LANDSCHAFT DER FORSCHUNGSINFRASTRUKTUREN: EUROPEAN XFEL, STAND SEPTEMBER Impressum Dieser Artikel ist Teil der Webseite Landschaft der Forschungsinfrastrukturen ( die der Projektträger DESY im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gestaltet und umsetzt. Auf der Webseite werden Großforschungsanlagen der naturwissenschaftlichen Grundlagenforschung aus aller Welt vorgestellt, an denen sich Deutschland derzeit wissenschaftlich und finanziell beteiligt vom Radioteleskop ALMA bis zum Röntgenlaser European XFEL. Herausgeber: Deutsches Elektronen-Synchrotron DESY Abteilung Projektträger DESY Notkestraße Hamburg pt@desy.de Stand: September 2017 Redaktion: Dr. Claudia Schneider Design und Layout: Britta von Heintze Bildnachweis (Titelbild, Weltkarte): DESY; Britta von Heintze/Projektträger DESY
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