Anlässlich des 250. Geburtstages von Johann Gottlieb Fichte
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- Leonard Linden
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1 Anlässlich des 250. Geburtstages von Johann Gottlieb Fichte Interview mit Johann Gottlieb Fichte "Wir sind, was wir denken. Alles was wir sind, entsteht mit unseren Gedanken. Mit unseren Gedanken machen wir die Welt." (Weisheit von Buddha) 1. Herr Doktor FICHTE, wie sollte Eurer Meinung nach die schulische Ausbildung der Zöglinge in unserem sächsischen Lande organisiert sein? Nun es sollte eine Nationalerziehung geben, für alle Menschen, ganz gleich aus welchem Stande. Mädchen und Jungen sollten gleichermaßen Zugang haben in den neuen staatlichen Bildungseinrichtungen. Und die Lehrkräfte selbst sollten fleißige Schüler Pestalozzis sein. 2. Was haltet Ihr von Pestalozzi? Ihr habt Ihn ja wohl persönlich gut gekannt? Ich verehre seinen pädagogischen Geist, seinen warmen Verstand und bewundere seine Liebe zu den Kindern 3. Als Professor an den Universitäten in Jena und in Berlin erlangtet Ihr große Popularität. Könnt Ihr Eure Philosophie und Pädagogik in wenigen Sätzen zusammenfassen? Ohne Theorie keine Praxis, ohne Praxis keine Theorie! Ferner: Zum Wissen kommen wir über die Anschauung. Und vor allem: All unser Denken bedarf einer kritischen Reflexion. Und die beginnt beim Lehrer und überträgt sich dann als Lehrweise auch auf das Lernen des Lehrlings der Wissenschaft. 4. Herr Doktor FICHTE, verfolget Ihr selbst eine eigene bewusste Lebensmaxime? Ein Jeder denke und handle selbstständig und mache sich nicht den Nächsten zum Mittel seines Tuns. 5. Und wie denkt Ihr über die Relation von Wissen und Tun in der schulischen Ausbildung? Nicht bloßes Wissen, sondern nach deinem Wissen Tun ist deine Bestimmung. Nicht zu müßigem Beschauen und Betrachten deiner selbst, oder zum Brüten über andächtigen Empfindungen nein, zum Handeln bist du da, dein Handeln und allein dein Handeln bestimmt deinen Wert. 1 1 Vgl. Fichte, Johann Gottlieb (1960). Über die Erziehung - Pädagogische Schriften und Reden. Ausgewählt und eingeleitet von Heinz Schuffenhauer. Berlin, S. 22 unten.
2 6. Herr Doktor FICHTE, was fällt Euch auf, wenn Ihr über die Freiheit des Denkens, auch in der beruflichen Bildung nachsinnt? Die Willkür, der individuelle Charakter hat fast gar keinen Spielraum, er soll keinen haben; er ist überflüssig, er ist schädlich und ein guter Vater und Erzieher sucht sorgfältig seinen Zögling vor diesem nachteiligen Hausrate zu bewahren. Jeder Kopf wird mühsam in die konventionelle Form seines Zeitalters gegossen.- Warum ist doch dies oder jenes so, es könnte auch anders sein, warum ist es nicht anders? fragt der Zögling. Schweig, antwortet ihm ein weltkluger Lehrer: das ist so, das muß[ss] so sein, darum, weil es so ist und um ein wenig, daß[ss] er diese Lehre wiederholt, wird er seinen Zögling überreden, und dieser wird sich seiner unbequemen Fragen hinfüro enthalten. 2 2 o. A. (1773). Beiträge zur Berichtigung der Urteile des Publikums über die Französische Revolution. Teil I: Zur Beurteilung ihrer Rechtmäßigkeit, Vorrede. o.o., S. 89.
3 Anlässlich des 250. Geburtstages von Johann Gottlieb Fichte Biographie Geburt in Rammenau, Oberlausitz, Sachsen 1771 in Niederau bei Pfarrer Krebel, Hausunterricht Etwa 1773 Stadtschule in Meißen 1774 Schulpforta in Naumburg 1780 Theologiestudent in Jena 1781 Student in Leipzig, aus Geldnot Hausmeistern 1788 Besuch im Elternhaus 1788 Hauslehrer in Zürich 1790 Verlobung mit Johanne Rahn (Nichte Klopstocks) Studium Kants Kritik der praktischen Vernunft 1791 bei Kant in Königsberg 1793 Heirat mit Johanne Rahn 1794 Professor der Philosophie in Jena 1795 Disput mit den studentische Orden, Randale seines Wohnhauses 1796 Geburt des Sohnes Immanuel Hermann Fichte 1788/89 Atheismusstreit, in Folge unehrenwürdige Entlassung 1800 Umzug der Familie nach Berlin 1804 Lesungen der Wissenschaftslehre (erste Fassung bereits 1794, bis 1813 erscheinen sechs weitere Auflagen) 1805 Berufung nach Erlangen 1806 weitere Werke erscheinen, Flucht nach Königsberg 1 Vgl. Jacobs, W. G. (2012). Johann Gottlieb Fichte - Eine Biographie. Berlin: Insel Verlag. S. 244f. 2 Vgl. Petzhold, H. (1993). Begegnung mit Fichte. Aus dem Leben eines großen deutschen Philosophen.Waltersdorf (Zitttau). S. 148f.
4 1807 provisorische Professur in Königsberg, Flucht nach Kopenhagen, Rückkehr nach Berlin (trotz dessen Besetzung) 1807/08 liest die Reden an die deutsche Nation 1810 Professor für Philosophie an der neu gegründeten Berliner Universität, der heutigen Humboldt-Universität Antrittsrede als erster gewählter Rektor der heutigen Humboldt- Universität 1812 Rücktritt vom Rektorat Letzter Besuch bei den Eltern in Rammenau Tod des Vaters Tod Fichtes in Berlin
5 Auswahl wesentlicher Werke 1792 Versuch einer Kritik aller Offenbarung (erscheint anonym) Mit Hilfe von Immanuel Kant ( ) 3 gelingt Fichte der Durchbruch und er erlangt einen großen Bekanntheitsgrad. In diesem Werk setzt er sich kritisch mit Kants Kritik der praktischen Vernunft und seiner Philosophie im Ganzen auseinander Beitrag zur Berichtigung der Urteile des Publikums über die Französische Revolution /1795 Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre 5 Dieses Buch stellt die theoretische Hauptschrift seiner Frühphase bis Es stellt ein präzise ausgeformtes und zugleich prägnantes Werk einer Bewusstseinsphilosophie dar, deren philosophischer Ansatz die Philosophie Immanuel Kants bildet, mit den sich daraus ergebenden Problemen. Zudem setzt sich Fichte hier kritisch mit der Philosophie von Friedrich Heinrich Jacobi ( ) auseinander. Als absolut erster (höchster) Grundsatz Fichtes Philosophie in der Wissenschaftslehre wird dargelegt (siehe Abb. 1): Die Thathandlungen liegen dem Bewusstsein zu Grunde, einem Ich bin, Daraus folgt, dass das Ich ursprünglich und schlechthin gesetzt ist. Ihm gegenüber steht das Nicht-Ich. Ich und Nicht-Ich sind beide teilbar (bei Fichte teilweise ), das Nicht-Ich begrenzt das Ich. 6 Nicht- Ich Welt Ich Abbildung 1 3 Vgl. Petzhold, H. (1993). Begegnung mit Fichte, Aus dem Leben eines großen deutschen Philosophen. Waltersdorf (Zitttau), S. 58ff, S Vgl. Jacobs, W. G. (2012). Johann Gottlieb Fichte - Eine Biographie. Berlin: Insel Verlag. S Vgl. Witte, E. (2010): Zur Geschichte der Bildung. Eine philosophische Kritik. Freiburg/München: Karl Alber Verlag. S Vgl. ebenda, S. 131.
6 1800 Der geschlossene Handelsstaat Die Utopie einer zukünftigen, deutschen Politik! 1800 Die Bestimmung des Menschen 1806 Anweisung zum seligen Leben oder auch die Religionslehre 7 Das Werk stellt eine religionsphilosophische Abhandlung über den Weg zum glücklichen Leben dar, die jedem Menschen verständlich gemacht werden soll. Es enthält 11 Vorlesungen, die Fichte in Berlin gehalten hat. Als zentrale Begriffe, die abgehandelt werden, seien zu nennen: das Leben, das Sein, die Seligkeit, die Liebe, das Denken, die Erkenntnis, das Wissen, das Als und der (göttliche) Glauben. 1807/08 Reden an die deutsche Nation 8 Die Reden enthalten Pläne für neue Bildungsanstalten, sogenannte Erziehungskolonien, in denen die Zöglinge bis zum Abschluss der Erziehung (d.h. der Ausbildung) gemeinsam leben und arbeiten. Die deutsche Nationalerziehung soll staatlich gesteuert werden. Jungen und Mädchen dürfen gleichermaßen lernen. Die Ideen Fichtes werden aus den pädagogischen Theoremen des Schweizer Johann Heinrich Pestalozzi ( ) abgeleitet und sind wie folgt kurz zusammengefasst: o Anschaulichkeit (wurde idealisiert umgedeutet) als Grundsatz o Prinzip der Selbstständigkeit o Verbindung von geistiger (Lernen) und körperlicher Aktivität (Tun) o Schüler Pestalozzis als erste Lehrer der neuen Erziehungsanstalten 7 Vgl. Amuth, Ch. (Hrsg.)(2000). Sein Bewusstsein und Liebe: Johann Gottlieb Fichtes Anweisung zum seligen Leben, Mainz: Dieterich, S. 7ff, 19ff. 8 Vgl. Fichte, Johann Gottlieb (1960). Über die Erziehung - Pädagogische Schriften und Reden. Ausgewählt und eingeleitet von Heinz Schuffenhauer. Berlin, S. 90ff.
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