Willkommen zum FORUM 10. Arbeit ist das halbe Leben!?
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- Kajetan Lang
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1 Willkommen zum FORUM 10 Arbeit ist das halbe Leben!? Impulsreferat zum Landespsychiatrietag Samstag, 27. Juni 2015 in Stuttgart
2 I - Einführung II - Der (wechselseitige) Zusammenhang von Armut und Krankheit III - Die Rolle von Arbeit und Arbeitslosigkeit IV - Schlussgedanken
3 Soziale Anerkennung, gesellschaftliche Zugehörigkeit und Status werden in unserer Leistungs- und Erfolgsgesellschaft mehr denn je über Beruf und Position vermittelt. Gleichzeitig sind die Zugänge dahin immer schwieriger. Einfache (bezahlte) Arbeit gibt es kaum noch. Die Konkurrenz im Niedriglohnsektor treibt die Schwächeren gegeneinander, die Schwächsten werden ausgeschlossen. Die für alle Seiten aufwändige Arbeitsintegration z.b. langzeitarbeitsloser, psychisch erkrankter oder behinderter Menschen trifft auf einen immer schwerer zugänglichen allgemeinen Arbeitsmarkt. Es gilt aber auch: nicht nur Arbeitslosigkeit kann krank machen auch Arbeit kann krank machen.
4 Die Arbeitswelt erfordert hohe Qualifikationen, hohe Belastbarkeit und Flexibilität unter Zeit- und Erfolgsdruck. Aufgrund von Arbeitsverdichtung, steigenden Anforderungen und Arbeitsplatzkonkurrenz steigt der Druck auf die Erwerbstätigen - mit der Folge einer Zunahme an psychischen Erkrankungen in der Arbeitswelt. Die alleinige Zielbestimmung und Sinnhaftigkeit von Arbeitsintegration in sozialversicherungspflichtige Arbeit (und z.b. die Fixierung dieses Zieles im SGB II) ist nicht mehr haltbar. Auch Zuverdienst, öffentlich-geförderte Beschäftigung, Orte bürgerschaftlichen Engagements und Selbsthilfe müssen als Arbeitsorte größere gesellschaftliche Akzeptanz erfahren denn: Jeder Mensch will auch notwendig sein. (Klaus Dörner)
5 I - Einführung II - Der (wechselseitige) Zusammenhang von Armut und Krankheit III - Die Rolle von Arbeit und Arbeitslosigkeit IV - Schlussgedanken
6 Hat der Fahrstuhleffekt in Deutschland ausgedient? seit den 1950er Jahren ein beständiges kollektives Mehr an Bildung, Einkommen, Mobilität und Wohlstand bei weiter bestehenden Einkommensungleichheiten seit den 1980er Jahren stottert der Fahrstuhl, die Polarisierung schreitet voran von der Mitnahme im Fahrstuhl sind viele abhängt
7 Aspekte der Armut Armut ist relativ Armut ist in Bezug zu setzen zu Raum/Ort und Zeit, ist relativ in Bezug auf den Mainstream der Gegenwartsgesellschaft Armut ist mehrdimensional Armut an Ein- und Auskommen, Bildung, Anerkennung, sozialer Einbindung, Gesundheit, gesellschaftlichem Einfluss Armut grenzt aus Ausgrenzung findet weniger als Ausgrenzung aus der Gesellschaft, sondern als Ausgrenzung in der Gesellschaft statt. und: Armut macht krank.
8
9 Datenreport Sozialbericht für Deutschland (Statistisches Bundesamt, WZB, DIW) Dauerhafte Armut verfestigt sich Das Risiko, der Armut nicht mehr entrinnen zu können, ist seit den 1980er Jahren kontinuierlich gestiegen. Das heißt, weniger Menschen gelingt es, ihre Einkommenssituation wieder zu verbessern.
10 Datenreport Sozialbericht für Deutschland (Statistisches Bundesamt, WZB, DIW) Noch nie seit der deutschen Vereinigung waren so viele Menschen erwerbstätig wie heute. ( ) Dies ist die eine Seite der gesellschaftlichen Entwicklung in Deutschland. Betrachtet man die Einkommenssituation der Menschen und insbesondere die ungleiche Verteilung der Einkommen und das Risiko, in eine finanzielle Armutslage zu geraten, zeichnet sich ein anderes Bild.
11 Die (ver-)öffentlich(t)e Meinung
12 Arme und Irre Sozialhistorisch hat der Teufelskreis von psychischer Krankheit, sozialer Ausgrenzung und materieller Armut eine lange Geschichte. Auch die Institution Psychiatrie hat jahrhundertelang eine ambivalente Rolle in der gesellschaftlichen Organisation psychischen Leidens (Keupp/Zaumseil).
13 Teufelskreis der Armut Quelle: The World Health Report, 2001
14 3. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung (2008) Zusammenhang zwischen Einkommenslage und Gesundheit Anteil der Personen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen... bei Männern aus der Armutsrisikogruppe 5 x höher... bei Frauen aus der Armutsrisikogruppe 3 x höher als bei Frauen/Männern aus höchster Einkommensgruppe
15 Chronische Krankheiten in der Armutsrisikogruppe (Quelle: Datenreport 2011) Viele chronische Krankheiten und Beschwerden treten in der Armutsrisikogruppe in der Altersspanne > 45 Jahre vermehrt auf: Herzinfarkt und Schlaganfall Angina pectoris und Hypertonie Diabetes mellitus chronische Bronchitis chronische Lebererkrankung Osteoporose und Arthrose Depression
16 Wilkinson/Pickett "The Spirit Level" (2009) (Deutsche Ausgabe Gleichheit ist Glück. Warum gerechte Gesellschaften für alle besser sind ) Mit zunehmender Ungleichverteilung der Einkommen und Chancen nehmen alle gesellschaftlichen Probleme zu: Ob es nun um Lebenserwartung, Säuglingssterblichkeit, Fettleibigkeit, Drogensucht, Teenager-Schwangerschaften, Selbstmorde oder soziale Mobilität geht die ungleicheren Länder schneiden erheblich schlechter ab. Und zwar unabhängig davon, wie arm oder reich ein Land insgesamt ist. Das Ausmaß der Einkommensunterschiede innerhalb unserer eigenen Gesellschaft betrifft uns also viel stärker als die Höhe des Durchschnittseinkommens im Land.
17 Geringer Zusammenhang zwischen durchschnittlichem Einkommen und gesundheitlichen + sozialen Problemen Quelle: Wilkinson/ Pickett, S. 35
18 Hoher Zusammenhang zwischen Einkommensungleichheit und gesundheitlichen + sozialen Problemen Quelle: Wilkinson/ Pickett
19 In den Ländern mit höherer Einkommensungleichheit sind mehr Menschen psychisch krank. Quelle: Wilkinson/ Pickett
20 Arme Menschen sind verletzbarer. Arme Menschen werden häufiger und länger krank haben mehr Stress durch Existenzsorgen verfügen über weniger stabile soziale Netze haben weniger Sozialkontakte machen seltener die Erfahrung von sozialer Anerkennung sterben früher
21 I - Einführung II - Der (wechselseitige) Zusammenhang von Armut und Krankheit III - Die Rolle von Arbeit und Arbeitslosigkeit IV - Schlussgedanken
22 Was fehlt, wenn Arbeit fehlt? Marie Jahoda, Paul Lazarsfeld, Hans Zeisel (1933) Die Arbeitslosen von Marienthal. Ein soziographischer Versuch über die Wirkungen langdauernder Arbeitslosigkeit
23 Was fehlt, wenn Arbeit fehlt? Es fehlt nicht nur das Einkommen! Erfahrungskategorien von Arbeitslosigkeit jenseits des Mangels an Einkommen (in Anlehnung an Jahoda et al. 1933, Jahoda 1983) Auflösung der Zeiterfahrung (Zeitstruktur) Reduktion der sozialen Kontakte (Kommunikation, Beziehungen) Fehlende Beteiligung an kollektiven Zielen (Selbstverwirklichung, Zugehörigkeit) Fehlen eines anerkannten Status (Identität, soziale Anerkennung) Fehlen einer regelmäßigen Tätigkeit (Tätig sein, Sinn)
24 Wandel der Arbeitswelt - Megatrends Wandel der Arbeitswelt u.a. gekennzeichnet durch Rationalisierung und Globalisierung Vermarktlichung Flexibilisierung Beschleunigung Prekarisierung der Arbeit Entgrenzung Chancen und Risiken Gewinner und Verlierer
25 Arbeit ist janusköpfig Arbeit ist nicht per se gut oder schlecht, heilsam oder krankmachend.
26 I - Einführung II - Der (wechselseitige) Zusammenhang von Armut und Krankheit III - Die Rolle von Arbeit und Arbeitslosigkeit IV - Schlussgedanken
27 Schlussgedanken Angesichts der Zusammenhänge zwischen Armut und (psychischer) Krankheit geht es bei Diagnostik und Therapie dieser gesellschaftlichen Herausforderung um die Bekämpfung der Ursachen von Armut und wachsender sozialer Ungleichheit um Solidarität mit den Betroffenen abstrakt und konkret um konkrete förderliche Unterstützungsangebote für die betroffenen Menschen
28 Was ist nötig? An den Ursachen ansetzen weniger soziale Ungleichheit weniger soziale Polarisierung (Das kommt allen in der Gesellschaft zugute!) mehr Chancengerechtigkeit in Bezug auf Zugänge zu Bildung, Arbeit und Einkommen, Wohnen Solidarität stärken die weitere Bereitschaft der gesamten Gesellschaft zur solidarischen Finanzierung des Sozial- und Gesundheitssystems, damit arme, kranke Menschen nicht aus dem sozialen Netz fallen. eine faire Existenzsicherung für Menschen, die bedürftig sind.
29 Was ist nötig? passende Arbeits- und Unterstützungsangebote neben Reha, Integration in Erwerbsarbeit, öffentlich-geförderter Beschäftigung und einer humaneren Arbeitswelt brauchen wir auch mehr Möglichkeiten der Begegnung und Förderung sinnstiftender Beschäftigung, Engagementmöglichkeiten und Betätigung in der Gemeinde, im Sozialraum ggf. auch jenseits von Erwerbsarbeit und deren Anerkennung!
30 Werbeblock: Landesweite Aktionswoche gegen Armut
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