Teilhaben! Neue Konzepte der NeuroRehabilitation - für eine erfolgreiche Rückkehr in Allta

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1 Teilhaben! Neue Konzepte der NeuroRehabilitation - für eine erfolgreiche Rückkehr in Allta Bearbeitet von Wolfgang Fries, Heliane Lössl, Steffi Wagenhäuser 1. Auflage Buch. 200 S. Hardcover ISBN Format (B x L): 17 x 24 cm Weitere Fachgebiete > Medizin > Physiotherapie, Physikalische Therapie Zu Inhaltsverzeichnis schnell und portofrei erhältlich bei Die Online-Fachbuchhandlung beck-shop.de ist spezialisiert auf Fachbücher, insbesondere Recht, Steuern und Wirtschaft. Im Sortiment finden Sie alle Medien (Bücher, Zeitschriften, CDs, ebooks, etc.) aller Verlage. Ergänzt wird das Programm durch Services wie Neuerscheinungsdienst oder Zusammenstellungen von Büchern zu Sonderpreisen. Der Shop führt mehr als 8 Millionen Produkte.

2 5.2 Mobilität: Evidenzbasierte Therapie 51 Krafttraining Die beim Treppensteigen benötigte Kraft beträgt das Doppelte der Kraft, die beim Gehen aufgewendet werden muss. Daher eignet sich die Treppe hervorragend zum Krafttraining, z. B. beim rückwärts Treppensteigen, seitlichem Treppensteigen oder beim zwei Stufen auf einmal nehmen (s. Abb. 5.8). Dieses Training ist in der Regel in jedem Treppenhaus durchführbar und daher sehr alltagstauglich. Beim Krafttraining muss diejenige Muskulatur spezifisch trainiert werden, die für die Gangstörung verantwortlich ist. So liegt der Grund für eine niedrige Ganggeschwindigkeit häufig in zu geringer Kraft der Wadenmuskulatur. Diese lässt sich z. B. durch Hüpfen auf dem Trampolin kräftigen. Mangelnde Kraft der ischiocruralen Muskulatur führt zu reduzierter oder fehlender Kniebeugung beim Treppensteigen und kann aufgabenspezifisch im Stand mit Alltagsgegenständen trainiert werden (siehe Abb. 5.9). Abb. 5.6 Eine Patientin bei der Dehnung auf ihrem täglichen Weg nach Hause. Abb. 5.7a b Die Treppe ist nicht nur ideal zum Kräftigen, auch Dehnungen lassen sich hier sehr gut ausführen.

3 52 5 Mobil im Alltag Abb. 5.8 Zwei Stufen auf einmal nehmen als Krafttraining. Abb Gehstützen als Hilfsmittel zur Sicherung beim freien Gehen. Abb. 5.9 Training der ischiocruralen Muskulatur mit Alltagsgegenständen im Stand. Posturale Kontrolle Wichtig beim Training der posturalen Kontrolle ist das Hands-off-Prinzip (Freivogel 1997). Unterstützen des Patienten durch Festhalten am Rumpf oder an den Händen vergrößert die Unterstützungsfläche und verringert dadurch die Anforderung an seine Muskelaktivität. Der Patient muss selbstständig den Körperschwerpunkt halten. Bei Patienten, die das Abb Training der posturalen Kontrolle durch Aktivitäten im Freien.

4 5.2 Mobilität: Evidenzbasierte Therapie 53 nur schwer können, ist es sinnvoll, Anforderungen an die posturale Kontrolle zu reduzieren. Dies kann auf dem Laufband durch ein Gurtsystem geschehen. Beim freien Gehen können sie Gehstützen als Hilfsmittel zur Sicherung einsetzen (siehe Abb. 5.10). Das Training der posturalen Kontrolle findet in Einzeltherapie und in der Gruppe statt. Es sollte nicht als isoliertes Funktionstraining, sondern so bald wie möglich auch außerhalb des Hauses (s. Abb. 5.11) und/oder im Alltagskontext (s. Abb und Abb. 5.13) stattfinden Laufband, Lokomat und Gangtrainer Abb Training der posturalen Kontrolle durch Tätigkeiten im Haushalt. Laufbandtraining unterstützt das Wiedererlernen des Gehens durch Repetition. Grundlegende Informationen zur Laufbandtherapie über Indikation, Durchführung und Ergebnisse finden sich u. a. bei Jasper-Seeländer (2001), Wulf (2004). Die wesentlichen Vorteile der Laufbandtherapie liegen darin, dass bereits frühzeitig auch schwer paretische Patienten das Gehen, gegebenenfalls mit Gewichtsentlastung, üben können. Die Gehgeschwindigkeit kann individuell im Sinne des Shapings reguliert und ge- Abb Die Benutzung einer Leiter als Training der posturalen Kontrolle. Abb Transportieren von Gegenständen beim Laufbandtraining.

5 54 5 Mobil im Alltag Abb Auf- und Absteigen ohne Therapeutenhilfe. Abb Gehen auf dem Laufband ohne Festhalten. steigert werden (Hesse et al. 1995). Ein Training mit systematischer Steigerung der Ganggeschwindigkeit verbessert die Gangparameter (Pohl et al. 2002). Nicht zuletzt erlaubt das Laufband auch ein aerobes Training, das die Herz-Kreislauf-Kondition verbessert. (Mehrholz und Pohl 2005). Im Ergebnis, d. h. in der Gehfähigkeit, unterscheiden sich Laufbandtraining und zielorientiertes Gehtraining, d. h. eine moderne, an den Prinzipien des Motor Relearning Programme (MRP) orientierte physiotherapeutische Behandlung allerdings nicht (Nilsson et al. 2001; Richards et al. 2004). Für das Ergebnis entscheidend ist, dass auf dem Laufband in der Regel die Anzahl der Schritte viel höher und die Übungsdauer sehr viel länger sind als beim Gehen auf dem Boden. Wichtig ist ein langsamer Aufbau der Anforderung vom Gehen unter Entlastung im Gurtsystem, bis zu freiem Gehen mit Temposteigerung, Dual- und Multi-Task-Aufgaben, Transportieren von Gegenständen wie Tabletts oder Einkaufstüten (s. Abb. 5.14). Der Patient trainiert auf dem Laufband so selbstständig wie möglich; dazu gehört z. B. das Auf- und Absteigen ohne Therapeutenhilfe (siehe Abb. 5.15) und das frühzeitige Gehen ohne Festhalten (siehe Abb. 5.16). Auch mit Lokomat oder Gangtrainer kann Gehen repetitiv, wie auf dem Laufband trainiert werden. Im Unterschied dazu ist kein aktiver Einsatz des Therapeuten nötig, da Extensions- und Flexionsphase vollautomatisch unterstützt werden. Nach Werner et al. (2002) sind Ergebnisse mit Gangtrainer/Lokomat und Laufband ähnlich, die Ergebnisse einer großen multizentrischen Gangtrainer-Studie erscheinen in diesem Jahr (Pohl et al. 2006) Motomed Kamps und Schüle (2005) untersuchten die Wirkung eines zyklischen Trainings am (MOTOmed )- Bewegungstherapiegerät (siehe Abb. 5.17). Dabei ließen sich in mehreren Messparametern (komfortable Ganggeschwindigkeit, Timed Up and Go, 2- und 6-Minuten-Gehtest) Verbesserungen nachweisen. Aufgrund dieser Ergebnisse empfehlen sie das Training mit dem Motomed als ergänzende Maßnahme zur Therapie. Um Lokomotionsleistungen in den Alltag zu transferieren ist zusätzlich Kraft-, Ausdauertraining und Üben posturaler Kontrolle erforderlich. Dies kann zunächst im geschützten Rahmen innerhalb des Therapieraumes stattfinden, später vor Ort in

6 5.2 Mobilität: Evidenzbasierte Therapie 55 Abb Orthesenversorgung. Abb Zyklisches Training am MOTOmed-Bewegungstherapiegerät. Begleitung eines erfahrenen Therapeuten, d. h. im Straßenverkehr oder an der Rolltreppe Rhythmisch-akustische Stimulation (RAS) Die rhythmisch-akustische Stimulation zählt ebenfalls zu den aufgabenorientierten Therapien. Sie bewirkt als externer Taktgeber die Auslösung (als Priming bezeichnet) und die Synchronisation der Muskelaktivität für die Lokomotion (Thaut et al. 1993). Allerdings liegt auch die Fallbeschreibung eines Patienten mit rechtshemisphärischem Schlaganfall vor, bei dem externe rhythmische Taktgebung das Gehen verschlechterte (Fries und Swihart 1990). Geeignet für rhythmisch-akustische Stimulation sind Metronom, Tamburin, noch besser aber Musik, die Patienten auch emotional anspricht und einen geeigneten Gang-Tempo-Takt besitzt. Rhythmisch akustisches Training ist auch auf dem Laufband möglich. Abb Orthesenversorgung. 5.3 Die große Welt der Hilfsmittel: Stöcke, Stützen, Schienen Hilfsmittel können fehlende oder nur unzureichend wiederherstellbare Funktionen ersetzen oder kompensieren (s. Kap. 3). Das Tragen einer Orthese verschlechtert, entgegen geäußerten Befürchtungen, die Gangparameter nicht. Im Gegenteil zeigen verschiedene Studien, dass Orthesen unter anderem die Gewichtsübernahme auf das paretische Bein, Gangsymmetrie und Geschwindigkeit verbessern (Burdett et al. 1988; Bestmann et al. 2000; Leung und Moseley 2003, Pohl und Mehrholz 2006). Zusätzlich kommt es zu einer Reduzierung der energetischen Kosten durch verminderten Kraftaufwand (Corcoran et al. 1970). In einer Studie stellten sich Laufband- und Gehtraining mit Schienen als gleich wirksam heraus (Kosak und Reding 2000).