6 Conways Chequerboard-Armee
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- Petra Brauer
- vor 8 Jahren
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Transkript
1 6 Conways Chequerboard-Armee Spiele gehören zu den interessantesten Schöpfungen des menschlichen Geistes und die Analyse ihrer Struktur ist voller Abenteuer und Überraschungen. James R. Newman Es ist sehr schwer, John Horton Conway mit wenigen Worten zu beschreiben. Er ist als Mathematiker von Weltrang allgemein anerkannt und dieser Ruf wird dadurch erhärtet, daß er die John-von-Neumann-Professur für Mathematik der Universität Princeton innehat. Seine umfassenden Fähigkeiten und seine bemerkenswerte Originalität führten ihn unter anderem zu wesentlichen Ergebnissen auf den Gebieten der Gruppentheorie, Knotentheorie, Zahlentheorie, Codierungstheorie und Spieltheorie. Er ist auch der Erfinder der surrealen Zahlen, welche die ultimative Erweiterung des Zahlensystems zu sein scheinen. Am bekanntesten ist er jedoch durch sein Game of Life, ein Zellularautomatenspiel. In Kapitel 14 werden wir sehen, wie er Brüche für einen mysteriösen Zweck einsetzte, aber hier befassen wir uns mit einem anderen Zellularspiel, das auf typische Weise gleichzeitig einfach und tiefgründig ist. Das Problem Man stelle sich ein unendliches zweidimensionales Damebrett vor, das durch eine unendliche Barriere halbiert ist (vgl. Abb. 6.1). Oberhalb der Barriere sind die horizontalen Levels so numeriert, wie auf der Abbildung dargestellt. Damesteine werden nun auf Quadrate unterhalb der Barriere gelegt und können sich horizontal oder vertikal unterhalb oder oberhalb der Barriere bewegen, indem sie einen benachbarten Stein überspringen, der anschließend entfernt wird. Das Puzzle, das Conway mit dieser einfachen Situation formulierte, besteht im Auffinden von Startkonfigurationen, die vollständig unterhalb der Barriere liegen und es einem einzigen Damestein gestatten, ein spezielles Target-Level T oberhalb der Barriere zu erreichen. Es ist sehr instruktiv, mit den Steinen zu experimentieren, und nachdem wir das getan haben, stellen wir fest, daß Abb. 6.2 die minimalen Konfigurationen zeigt, die zum Erreichen der Levels 1 bis 3 erforderlich sind; in jedem Fall wird das Zielquadrat T von einem einzigen Stein erreicht.
2 60 6 Conways Chequerboard-Armee Abb Das Spielfeld Abb Erreichen von (a) Level 1, (b) Level 2, (c) Level 3 Die minimale Anzahl von Damesteinen, die zum Erreichen von Level 1, 2 und 3 erforderlich ist, beträgt 2, 4 bzw. 8. Die Antwort für Level 4 ist komplizierter und Abb. 6.3 offenbart eine erste Überraschung: man benötigt nicht 16, sondern 20 Damesteine, um das Zielquadrat T zu erreichen. Die zweite Überraschung, die uns für den Rest des Kapitels beschäftigen wird, besteht darin, daß es unmöglich ist, Level 5 zu erreichen und zwar unabhängig von der Anzahl der Damensteine und der Konfigurationen unterhalb der Barriere. Tabelle 6.1 faßt die Situation zusammen. Das Ergebnis ist wirklich ebenso überraschend wie Conways geniale Beweismethode, bei der von allem anderen abgesehen der Goldene Schnitt ins Spiel kommt. Die Lösung Zu Beginn fixieren wir irgendein Zielquadrat T auf Level 5 und ordnen relativ dazu jedem Quadrat eine nichtnegative ganzzahlige Potenz der Variablen
3 6 Conways Chequerboard-Armee 61 Abb Erreichen von Level 4 Tabelle 6.1. Vergleich zwischen Level und Damesteinen Minimalzahl von Steinen zum Erreichen Level des Levels existiert nicht x zu, wobei diese Potenz der Damenbrettabstand oder Taxiabstand des betreffenden Quadrates von T ist. Dieser Abstand ist als Anzahl der Quadrate definiert, die horizontal und vertikal von T aus gemessen werden. Das Verfahren führt zu Abb Abb Etikettieren der Quadrate
4 62 6 Conways Chequerboard-Armee Mit Hilfe dieser Schreibweise läßt sich jede Anordnung von Damesteinen ganz gleich, ob es sich um die Ausgangskonfiguration oder um eine spätere Konfiguration handelt durch das Polynom darstellen, das durch Addition der betreffenden Potenzen von x entsteht. Zum Beispiel können die Startpositionen zum Erreichen von Level 1 bis 4 durch die Polynome x 5 + x 6, x 5 +2x 6 + x 7, x 5 +3x 6 +3x 7 + x 8 bzw. x 5 +3x 6 +5x 7 +6x 8 +4x 9 + x 10 dargestellt werden. Wir sehen uns jetzt den Effekt eines Zuges auf das repräsentierende Polynom an. Hierzu bemerken wir, daß sich die Auswahl von Zügen auf genau drei wesentlich verschiedene Möglichkeiten reduziert, die durch die schattierten Felder in Abb. 6.4 gekennzeichnet sind, wobei in jedem Falle die Potenzangaben in den hell schattierten Feldern durch die Potenzangabe des dunkel schattierten Feldes ersetzt werden. Die entsprechenden allgemeinen Formen sind: x n+2 + x n+1 wird ersetzt durch x n, x n + x n 1 wird ersetzt durch x n, x n + x n+1 wird ersetzt durch x n+2. Jede Startkonfiguration definiert ein Polynom und mit jedem durchgeführten Zug ändert sich dieses Polynom gemäß einer der oben angegebenen drei Möglichkeiten. Die Variable x ist beliebig und es steht uns frei, sie durch irgendeinen von uns gewünschten Wert zu ersetzen. Wir werden diese Ersetzung so durchführen, daß wir einen Wert (größer als 0) wählen, der den numerischen Wert des Polynoms im zweiten und im dritten Fall verringert und im ersten Fall (aus späteren algebraischen Bequemlichkeitsgründen ) ungeändert läßt. Wegen x>0 gilt offensichtlich x n + x n 1 >x n. Ist x n + x n+1 >x n+2, dann fordern wir 1 + x>x 2 und das bedeutet, daß 0 <x< 1 2 ( 5+1)=ϕ, womit der versprochene Goldene Schnitt ins Spiel kommt. Um zu erreichen, daß der erste Zug den Wert des Polynoms ungeändert läßt, fordern wir x n+1 + x n+2 = x n,wasx + x 2 = 1 und x = 1 2 ( 5 1) = 1/ϕ bedeutet, womit der Goldene Schnitt einmal mehr ins Spiel kommt. Setzen wir also x =1/ϕ (<ϕ), dann gehen wir sicher, daß die Bedingungen erfüllt sind, und daß für diesen Wert von x die Gleichung x + x 2 = 1 gilt. Was immer auch unser Startkonfigurationspunkt unterhalb der Trennlinie gewesen ist, es werden endlich viele Quadrate besetzt. Das bedeutet, daß der Wert einer jeden bei x = 1/ϕ berechneten Startposition kleiner ist als der Wert des unendlichen Polynoms, das durch die Besetzung sämtlicher der unendlich vielen Quadrate erzeugt wird. Wir können hierfür einen Ausdruck finden, indem wir die Terme so wie in Abb. 6.5 illustriert in vertikalen Pfeilen addieren. Die auf diese Weise durchgeführte Addition der Terme liefert den Ausdruck
5 6 Conways Chequerboard-Armee 63 Abb Das ultimative Polynom. P = x 5 +3x 6 +5x 7 +7x 8 + = x 5 (1 + 3x +5x 2 +7x 3 + ). Die Reihe in runden Klammern ist eine Standardreihe, die auch unter dem Namen arithmetisch-geometrische Reihe bekannt ist, und ihre Summation erfolgt so wie bei einer gewöhnlichen geometrischen Reihe: S =1+3x +5x 2 +7x 3 + und deswegen xs = x +3x 2 +5x 3 +7x 4 +, also S xs =(1 x)s =1+2x +2x 2 +2x 3 + =1+2(x + x 2 + x 3 + ) =1+ 2x 1 x = 1+x 1 x und schließlich S = 1+x (1 x) 2. Multiplikation mit dem Term x 5 ergibt den abschließenden Ausdruck P = x5 (1 + x) (1 x) 2. Unser für x gewählter Wert erfüllt x + x 2 = x(1 + x) = 1. Deswegen gelten 1+x =1/x und 1 x = x 2. Somit haben wir P = x5 (1/x) (x 2 ) 2 = x5 x 5 =1. Das bedeutet, daß der Wert einer beliebigen Startposition echt kleiner als 1 sein muß. Da jeder Zug den Wert einer Position senkt oder beibehält, kann
6 64 6 Conways Chequerboard-Armee dieser Wert niemals die 1 erreichen. Deswegen ist es nicht möglich, Level 5 zu erreichen. Wir können uns davon überzeugen, daß der Beweis mit niedrigeren Levels nicht funktioniert. Zum Beispiel gelangen wir bei Level 4 zu dem Produkt x 4 S = x 4 1 x 5 = 1 x > 1. Dieses Produkt läßt genügend Raum für eine Reduktion der Position auf exakt den Wert 1.
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