Zusammenfassung Interview Prof. em. Dr. Hartmut Jonas am
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- Alfred Maurer
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1 Zusammenfassung Interview Prof. em. Dr. Hartmut Jonas am Hartmut Jonas hat die Deutschdidaktik der DDR mitgestaltet, geprägt und nach der Wende 1989 an der Universität Greifswald, als Vertretung auch in Kiel und längere Zeit auch in Lüneburg, gelehrt. Sein Weg in die Unterrichtsmethodik, die dem heutigen Verständnis von Didaktik ähnelt, war eher zufällig und auf allgemeinem wissenschaftlichem Interesse ohne spezielle Ausrichtung auf die Didaktik begründet. Nach dem Lehramtsstudium in Germanistik und Slawistik war er neun Jahre als Lehrertätig bei gleichzeitiger Arbeit an seiner Dissertation zur Literatur des 16./17. Jahrhunderts. Kurz vor der Promotion erhielt er von der Universität Potsdam die Anfrage, in der Unterrichtsmethodik tätig zu werden, da er durch die Verbindung von wissenschaftlicher Arbeit und Unterrichtserfahrung dafür prädestiniert sei. Damit war sein weiterer wissenschaftlicher Werdegang bestimmt. Seine Interessen richteten sich auf das theoretisch und praktisch relevante Problem der Unterrichtsmethoden und der empirisch erfassbaren Rezeption von Literatur. Diese Forschungsaspekte, die aus der eigenen, immer wieder reflektierten Unterrichtspraxis, aber auch aus der kritischen Sichtung des Forschungsstandes in Ost und West erwuchsen, bestimmten seine wissenschaftliche Arbeit bis Weiterführende Forschungsinhalte, auch in seiner Habilitationsschrift bearbeitet, bezogen sich auf typische Unterrichtssituationen, die mit dem Methodenproblem und mit Ergebnisse der Analyse des Rezeptionsverhaltens von Schülern verknüpft werden konnten. Bereits hierin spiegelt sich eine generelle Grundposition der DDR-Unterrichtsmethodik: die Verbindung von Theorie und Praxis. Anders als heute gab es keine wissenschaftlichen Arbeiten im Bereich Methodik, die nicht den Blick auf die Schulpraxis richteten. Diesen konsequenten Praxisbezug hat H. Jonas nach der Wiedervereinigung in der fachdidaktischen Forschung teilweise vermisst. 1
2 Die Deutschmethodikausbildung hatte innerhalb des Lehramtsstudiums der DDR auch institutionell - einen wichtigen Stellenwert. Sie entwickelte sich im Laufe der Zeit zu einer wissenschaftlichen Ausbildung, die sich mit der Entwicklung von Zielen, Bedingungen und Methoden für einen erfolgreichen Umgang mit Sprache und Literatur sowie deren Vermittlung an die Studierenden zur Umsetzung in die Praxis befasste. H. Jonas sah und sieht einen der Schwerpunkte - und auch ein wichtiges Studienziel - der Deutschdidaktikausbildung darin, den Reflexionsprozess über Lehr-Lern-Prozesse im Deutschunterricht und über ihn hinaus in Gang zu halten, theoretisch zu fundieren und praxisrelevante Ergebnisse zu erzielen. Die Deutschmethodik war schon seit den 1970-er Jahren kein Anhängsel der Fachwissenschaften, sondern profilierte sich allmählich zu einer eigenen Wissenschaftsdisziplin, die nicht nur Methoden, sondern auch den Gesamtprozess aus Zielen, Bedingungen und Methoden des Deutschunterrichtsbehandelt hat und dabei Lehre und Forschung verband. Deutschmethodik i. S. der Praxis in der DDR und die heutige Deutschdidaktik haben als gemeinsames Ziel im Blick, die Lernenden so zu befähigen, nachhaltige Kompetenzen im Umgang mit Sprache und Literatur auszubilden. In der DDR wurde allerdings statt des Kompetenzbegriffs ein weitgefasster Könnensbegriff verwendet, der dem heutigen Verständnis von Kompetenzen nahe kommt. Das Studium in der DDR hatte allerdings auch eine starke politische Ausrichtung, d.h., es verfolgte das staatstragende Ziel, sozialistische Persönlichkeiten zu entwickeln, die nicht nur über ein solides fachliches Wissen und Können verfügen, sondern sich mit dem Staat identifizieren und in der Lage sein sollten, in der pädagogischen Praxis - fachspezifisch reflektiert - auch so wirksam zu werden. Damit war ein allgemeiner Rahmen abgesteckt, in dem man sich 2
3 bewegen musste, wobei es allerdings auch viele Freiräume gab, sich mit Literatur und Sprache unter schulischen Bedingungen zu beschäftigen. Zwar wurden einige Bereiche von Literatur und Sprache ausgespart (Franz Kafka, Gottfried Benn u.a.) oder eingeschränkt (Argumentieren zu kontroversen politischen Problemen), andere im Vergleich zum westdeutschen Unterricht erweitert (etwa unter weltliterarischem Aspekt), aber im Kern gab es substanzielle Ähnlichkeiten, die allerdings den westdeutschen Didaktikern verborgen blieben, die sich einseitig auf die politische Ausrichtung von Studium und Deutschunterricht konzentrierten. Ein weiterer Unterschied zwischen DDR-Unterrichtsmethodik und Deutschdidaktik im Westen Deutschlands bestand im Prinzip der Einheitlichkeit der Deutschlehrerausbildung. Während im Westen Deutschlands eine Zuordnung zu den Erziehungswissenschaften oder den Fachwissenschaften und heute zu den Schools of Education als eigene Abteilungen auf pluralistischer Grundlage geschah und geschieht, fand in der DDR die Strukturierung einer einheitlichen Methodik von oben an allen Hochschulen mit gleichem Stellenwert statt. Die Gründe dafür lagen in den unterschiedlichen politischen Systemen, die föderalistisch bzw. zentralistisch strukturiert waren. In der DDR gab es zentral erarbeitete und einheitliche Lehr- und Studienprogramme. Die Programme, im Auftrage der Fachministerien erarbeitet, gaben Rahmenthemen, entsprechende Zeitvorgaben und auch Ausbildungsschwerpunkte vor, jedoch hatten die einzelnen Methodiker die Möglichkeit, sich bei der Entwicklung und auch bei der Umsetzung der Programme einzubringen. Die Einheitlichkeit der Lehre wurde an allen pädagogischen Hochschulen und Universitäten von einer zentralen Fachkommission initiiert, überprüft und gefördert, deren Mitglieder Professoren aus allen Einrichtungen waren (also Fachvertreter/Methodiker und keine politischen Vertreter) und von den Fachministerien eingesetzt wurden. Sie befasste sich mit grundsätzlichen wissenschaftlichen Fragen der Lehre, erarbeitete Vorschläge für die Entwicklung des wissenschaftlichen Nachwuchses und stimulierte durch die Auswertung von Kontrollergebnissen der Lehr- und Studienprogrammrealisierung an einzelnen Hochschulen und Universitäten die Diskussion unter allen Methodikern im Sinne einer Vereinheitlichung und Differenzierung der Ausbildung von Deutschlehrern/innen. 3
4 Befragt nach Schwerpunkten oder Beispielen der Forschungsarbeit der Deutschmethodik erkennt H. Jonas durchaus Parallelen zwischen West- und Ostdeutschland. Auch in der DDR hat eine kommunikative Wende Ende der 1960-er Jahre im Rahmen der sozialistischen Einheitsschule begonnen, die sich in Lehrplänen und Lehrkonzeptionen niedergeschlagen hat. Als qualitativen Gewinn, den die Deutschmethodik erreicht hat, sieht er die kommunikations-orientierte Ausrichtung von Sprachunterricht und die rezeptionsorientierte Ausrichtung des Literaturunterrichts, wenn auch mit Einschränkungen in der Praxis und nicht in gleicher Ausprägung wie in der BRD. Als großen Gewinn im Vergleich zur Forschung der 1980-er Jahre sieht H. Jonas die Debatten der Deutschdidaktik über die Kompetenzentwicklungvor allem seit dem Jahre Dies war für die Ausrichtung auf die zentralen Fragen der Deutschdidaktik ein enormer qualitativer Sprung. Im Wesentlichen haben diese Debatten die Deutschdidaktik bis heute beeinflusst. H. Jonas hat sich nach der Wende 1989 auf zwei Forschungsfragen konzentriert: Zum ersten auf eine kritische Aufarbeitung der Ergebnisse der Deutschmethodik der DDR, auch um sichtbar zu machen, dass trotz berechtigter Kritik manche Ergebnisse (etwa zur Rezeptionsforschung oder zur muttersprachlichen Bildung in der Schule) nicht nur auf der Höhe der Zeit waren, sondern auch heute noch produktive Impulse für die Forschung und Lehre geben können. Zum zweiten hat er sich seit den 1990-er Jahren mehr mit der Nutzung der digitaler Medien für deutschdidaktische Anliegenbefasst, vor allem unter dem Gesichtspunkt, wie sich Lernprozesse dadurch verändern und wie die Deutschdidaktik darauf zu reagieren hat. 4
5 Zur Frage nach dem Beitrag der Deutschdidaktik für andere Wissenschaftsdisziplinen bezieht sich H. Jonas auf die Kompetenzdiskussion, die er als einen der Höhepunkte theoretischer Diskussionen in den letzten 20 Jahren betrachtet, gerade weil sie auch zu einer genaueren Gegenstandsbestimmung der Deutschdidaktik geführt hat. Dadurch ist es ihr eher als früher möglich, ihre Beziehungen zu anderen Wissenschaftsdisziplinen genauer zu definieren und den Platz innerhalb des Wissenschaftssystems zu bestimmen. Wenn sich die Deutschdidaktik allgemein formuliert - mit Theorien des Lehrens und Lernens im Umgang mit Sprache, Literatur und digitalen Medien, darin eingeschlossen mit Zielen, Bedingungen und Methoden der Kompetenzentwicklung befasst, ist sie damit nicht Appendix oder Dienstleister für andere Wissenschaftsdisziplinen, wie auch heute noch mitunter missverstanden, sondern hat eineneigenständigen wissenschaftlichen Wert. Diese Gegenstandbestimmung prägt das Verhältnis zu anderen Wissenschaften. Dabei wären aus der Perspektive des Ausbildungsziels Deutschlehrer/innen, das ja der überwiegende Teil der Germanistik-Studierenden verfolgt, eher die Sprachund Literaturwissenschaften, Erziehungswissenschaft, Psychologie etc. Dienstleister für die Didaktiker. Zusammenfassend zu dieser Frage: Die Didaktik hat von ihrem Gegenstand her eine zentrale Position in der Lehrerausbildung, die jedoch durch traditionelle Strukturen an den Universitäten, durch Mittel- und Personalknappheit etc. in der Praxis nicht ausreichend umgesetzt werden kann. Für die Zukunft der Deutschdidaktik sind Wissenschaftskooperationen, z.b. mit der Lernpsychologie, Wissenschaftsintegration, Interdisziplinarität und Empirie die zentralen Erfordernisse, ohne die die Didaktik zur Randerscheinung werden würde. So sollte sich die Deutschdidaktik stärker formieren und über ihre Berufsvereinigung Symposion Deutschdidaktik hinaus weiter in Gremien etc. in Erscheinung treten und ihre Interessen sinnvoll und nachhaltig vertreten. 5
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