Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
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- Martha Koenig
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1 Orientierungssatz: Rechtsbehelfe einer Gemeinde gegen aufsichtliche Maßnahmen können nicht den laufenden Angelegenheiten ohne grundsätzliche Bedeutung zugerechnet werden, weil rechtsaufsichtliche Beanstandungen für Gemeinden sehr selten sind. Insbesondere die Frage, ob der erste Bürgermeister seinen Pflichten zur Einberufung des Gemeinderats nachkommt oder sich ein materielles Vorprüfungsrecht anmaßt und damit das Antragsrecht einer qualifizierten Zahl von Gemeinderäten leerlaufen lässt, ist für die Kommune grundsätzlich bedeutsam.
2 - 2-4 CS RO 3 S G r o ß e s S t a a t s - w a p p e n Bayerischer Verwaltungsgerichtshof In der Verwaltungsstreitsache Stadt Furth im Wald, ******** ** ***** ***** ** ***** - Antragstellerin - bevollmächtigt: Rechtsanwälte ******* ****** ******** ************ *** *** ***** ********* gegen Freistaat Bayern, vertreten durch: Landesanwaltschaft Bayern, ********** *** ***** ******** - Antragsgegner - wegen rechtsaufsichtlicher Beanstandung und Verpflichtung zur Ladung zu einer Stadtratssitzung (Antrag nach 80 Abs. 5 VwGO); hier: Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 25. August 2011, erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 4. Senat, durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Zöllner, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Wagner,
3 - 3 - die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Greve-Decker ohne mündliche Verhandlung am 20. Oktober 2011 folgenden Beschluss: I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen. II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. III. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf Euro festgesetzt. Gründe: I. 1 Sechs Mitglieder des Stadtrats der Antragstellerin (Furth im Wald) hatten mit Schreiben vom 9. Juni 2011 die Einberufung einer Sondersitzung mit neun näher bezeichneten Tagesordnungspunkten gemäß Art. 46 Abs. 2 Satz 3 GO beantragt. Der erste Bürgermeister kam diesem Antrag obwohl er von der Rechtsaufsichtsbehörde darauf hingewiesen worden war, dass ihm insoweit kein materielles Vorprüfungsrecht zustehe nicht nach. Mit Bescheid vom 25. Juli 2011 beanstandete das Landratsamt Cham die Antragstellerin handelnd durch das Organ erster Bürgermeister rechtsaufsichtlich und verpflichtete sie zur Einberufung und Ladung einer Stadtratssitzung mit den beantragten Beratungsgegenständen. Die sofortige Vollziehung des Bescheids wurde angeordnet. 2 Der erste Bürgermeister beauftragte eine Rechtsanwaltskanzlei und ließ für die Antragstellerin einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung stellen. Einen die Prozessführung genehmigenden Stadtratsbeschluss hat er trotz entsprechender Aufforderung des Verwaltungsgerichts nicht vorgelegt. 3 Das Verwaltungsgericht hat den Antrag, die aufschiebende Wirkung der erhobenen Klage gegen den Bescheid wiederherzustellen, mit Beschluss vom 25. August 2011 als unzulässig abgelehnt, weil es für den Antrag nach 80 Abs. 5 VwGO an einem wirksamen Beschluss des zuständigen Gremiums der Antragstellerin fehle.
4 - 4-4 Dagegen wendet sich die Beschwerde, der der Antragsgegner entgegengetreten ist. II. 5 Die zulässige Beschwerde, die nur anhand der dargelegten Gründe geprüft wird ( 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), ist nicht begründet. 6 Die Antragstellerin meint, der erste Bürgermeister sei entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nach der Geschäftsordnung für den Stadtrat Furth im Wald zur Prozessführung befugt, denn weder sei die dort (in 11 Abs. 2 Nr. 3 lit. a) genannte Wertgrenze von Euro überschritten noch habe die Angelegenheit für die Stadt grundsätzliche Bedeutung. Bei der Frage der grundsätzlichen Bedeutung der Angelegenheit sei auf die einzelnen Beratungspunkte der im Streit stehenden Stadtratssitzung abzustellen. Da über den Großteil der beantragten Beratungsgegenstände bereits in früheren Stadtratssitzungen beraten worden sei, sei dies zu verneinen. Da im Verwaltungsrecht die aufschiebende Wirkung der Regelfall sei und der Sofortvollzug die Ausnahme, sei bereits fraglich, ob dem Antrag gemäß 80 Abs. 5 VwGO überhaupt eine messbare Bedeutung im Sinne der Geschäftsordnung zukomme, da nichts anderes erstrebt werde, als die Herstellung des üblichen verwaltungsgerichtlichen Regelmodells. 7 Damit kann die Beschwerde nicht durchdringen. Das Verwaltungsgericht hat was die Beschwerde nicht angreift die Rechtsprechung zum bayerischen Kommunalrecht zugrundegelegt (BayVGH vom VGH n.f. 59, 14/20 m.w.n.; OLG München vom MDR 2009, 405 = FSt 2009 RdNr. 307 und vom Az. 34 Wx 065/10 und 34 Wx 65/10 <juris>), wonach die in Art. 38 Abs. 1 GO niedergelegte Außenvertretungskompetenz des ersten Bürgermeisters nicht dessen Vertretungsmacht zur Vornahme von Rechtsgeschäften beinhaltet; diese richtet sich nach Art. 37 GO. In die Zuständigkeit des ersten Bürgermeisters fallen nach dessen Abs. 1 S. 1 Nr. 1 die laufenden Angelegenheiten, die für die Gemeinde keine grundsätzliche Bedeutung haben und keine erheblichen Verpflichtungen erwarten lassen. Für diese laufenden Angelegenheiten kann der Gemeinderat Richtlinien aufstellen (Abs. 1 S. 2). Des weiteren kann der Gemeinderat dem ersten Bürgermeister durch die Geschäftsordnung weitere Angelegenheiten zur selbständigen Erledigung übertragen (Abs. 2). Nach 11 Abs. 2 Nr. 3 lit. a) der Geschäftsordnung für den Stadtrat
5 - 5 - Furth im Wald gehörten zu den Aufgaben des ersten Bürgermeisters die Behandlung von Rechtsbehelfen, einschließlich Abhilfeverfahren, die Abgabe von Prozesserklärungen, einschließlich Klageerhebungen, die Einlegung von Rechtsmitteln und der Abschluss von Vergleichen sowie die Erteilung des Mandats an einen Prozessbevollmächtigten, wenn die finanzielle Auswirkung auf die Stadt Euro bzw., falls diese nicht bestimmbar ist, den Streitwert von Euro nicht übersteigt und die Angelegenheit keine grundsätzliche Bedeutung hat. 8 Das Verwaltungsgericht hat zutreffend entschieden, dass die Erhebung des vorläufigen Rechtsschutzantrags nicht in die eigene Zuständigkeit des ersten Bürgermeisters fällt, weil zum einen der Streitwert hier Euro beträgt und zum anderen die Angelegenheit für die Antragstellerin grundsätzliche Bedeutung hat. Letzteres gilt unabhängig von der im Antragsverfahren aufgeworfenen Frage nach der Wirksamkeit der Geschäftsordnungsbestimmung. Denn selbst wenn diese unwirksam wäre, wofür nach dem oben genannten Urteil des Senats nichts ersichtlich ist, verbliebe es bei der gesetzlichen Regelung des Art. 37 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GO. Die hier von der Antragstellerin zu beurteilende Angelegenheit ist die Frage, ob und welche Rechtsbehelfe gegen den Bescheid der Rechtsaufsichtsbehörde ergriffen werden sollen. Die beantragten Tagesordnungspunkte sind insoweit nicht von Belang; deren rechtliche Einschätzung kann allenfalls in die Beurteilung der prozessualen Erfolgsaussichten einfließen. Rechtsbehelfe gegen aufsichtliche Maßnahmen können nicht den laufenden Angelegenheiten ohne grundsätzliche Bedeutung zugerechnet werden (VG Würzburg vom Az. W 2 S 01/1092 <juris> und nachfolgend BayVGH vom FSt 2002 RdNr. 167, Bauer/Böhle/Ecker, Bayerische Kommunalgesetze, RdNr. 5 zu Art. 37 GO; Widtmann/Grasser/Glaser, Bayerische Gemeindeordnung mit VGemO, LKrO und KommZG, RdNr. 5 zu Art. 37 GO). Denn rechtsaufsichtliche Beanstandungen sind für Gemeinden in der Regel einmalig oder höchst selten und schon deshalb nicht den laufenden Angelegenheiten zuzurechnen (vgl. Hölzl/Hien/Huber, Gemeindeordnung mit Verwaltungsgemeinschaftsordnung, Landkreisordnung und Bezirksordnung, Art. 37 Anm. II 1, Prandl/Zimmermann/Büchner, Kommunalrecht in Bayern, Anm. 3.1 zu Art. 37 GO). Die Frage, ob der erste Bürgermeister seinen Pflichten nach Art. 46 Abs. 2 GO nachkommt oder sich ein materielles Vorprüfungsrecht anmaßt und damit das Antragsrecht einer qualifizierten Zahl von Gemeinderäten leerlaufen lässt, ist für die Kommune auch grundsätzlich bedeutsam.
6 - 6-9 Die grundsätzliche Bedeutsamkeit der Angelegenheit lässt sich entgegen der Beschwerde auch nicht mit dem Hinweis darauf entkräften, dass zwischen der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs ( 80 Abs. 1 VwGO) und der sie außer Kraft setzenden Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit eines Verwaltungsakts durch die Behörde gemäß 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO grundsätzlich ein Regel- Ausnahme-Verhältnis besteht. Hier steht dem Suspensivinteresse des ersten Bürgermeisters das Vollzugsinteresse der vom aufsichtlichen Bescheid begünstigten Stadträte gegenüber. Wie auch sonst bei mehrpoligen Rechtsverhältnissen kann der Anfechtende im Hinblick auf den Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes auf den sich der erste Bürgermeister in dem von ihm persönlich angestrengten Verfahren (Az. 4 CS ) ausdrücklich beruft nicht verlangen, dass er durch die einstweilige Festschreibung des status quo privilegiert wird (vgl. Schmidt in Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, RdNr. 1 zu 80). 10 Die Kostenentscheidung beruht auf 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf 47 Abs. 1 i.v.m. 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG i.v.m. Nrn. 1.5, 22.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Dieser Beschluss ist unanfechtbar ( 152 Abs. 1 VwGO). Dr. Zöllner Dr. Wagner Greve-Decker
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