Philosophische Fakultät Institut für Philosophie, Lehrstuhl für Theoretische Philosophie, Dr. Holm Bräuer. 6. Philosophie des Geistes
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- Johann Wetzel
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1 Philosophische Fakultät Institut für Philosophie, Lehrstuhl für Theoretische Philosophie, Dr. Holm Bräuer 6. Philosophie des Geistes 1279
2 Tod und Narr aus dem Großbaseler Totentanz (Kupferstichkopie von Matthäus Merian 1621) 1280
3 Problembereiche 1281
4 Ontologie Körper-Geist-Problem Wie verhalten sich die mentalen Eigenschaften des Menschen zu seinen physischen Eigenschaften? Lassen sich mentale auf physische Phänomene zurückführen? Kann man das Denken oder Fühlen naturwissenschaftlich erklären? 1282
5 Erkenntnistheorie Priorität der ersten Person Problem des Fremdpsychischen Das Wissen über meine eigenen mentalen Zustände ist mir unmittelbar präsent. Zu den mentalen Zuständen eines anderen jedoch habe ich nur einen indirekten Zugang. g 1283
6 Wissenschaftstheorie Problem der Methodologie Status psychophysischer Gesetze Lassen sich geistige Phänomene als solche überhaupt wissenschaftlich untersuchen? Gibt es psychophysische Gesetze zwischen dem Verhalten und geistigen Prozessen? 1284
7 Sprachphilosophie Problem der Bedeutung mentaler Begriffe Beziehen sich mentale Begriffe auf unsere privaten Vorstellungen, Ideen oder Empfindungen? Aber wie könnte ich diese dann lernen? 1285
8 Das Leib-Seele Problem 1286
9 Gibt es neben den physischen Dingen auch noch immaterielle, geistige Entitäten, die die Träger mentaler Eigenschaften sind? 1287
10 Dualisten Ja, es gibt immaterielle, geistige Substanzen Der Geist (die Seele) ist der Träger psychischer Eigenschaften. Problem: In welchen Verhältnis stehen die beiden verschiedenen Entitäten? 1288
11 Physikalisten Nein, es gibt nur physische Gegenstände. Psychische Eigenschaften treffen auf physische Gegenstände zu. Problem: Wie lässt sich dann das Bewusstsein physikalisch erklären? 1289
12 Die charakteristischen Merkmale des Mentalen Empfindungen Empfindungen sind in erster Linie durch ihren phänomenalen Erlebnischarakter definiert, durch das, was man erlebt oder fühlt, wenn man eine Empfindung hat, oder die Art, wie es ist, eine solche Empfindung zu haben. Einstellungen Einstellungen wie Überzeugungen, Wünsche, Erwartungen, Befürchtungen usw. zeichnen sich dadurch aus, dass sie auf etwas gerichtet sind, dass sie einen Inhalt besitzen. und die Probleme der Naturalisierung i des Geistes Qualitativer Erlebnischarakter Gehirnzustände hat man, aber man erlebt sie nicht. Wie soll es überhaupt möglich sein, dass es sich irgendwie anfühlt ein bestimmtes Wahrnehmungserlebnis (z.b. einer grünen Wiese) zu besitzen, wenn man dabei in einem bestimmten Gehirnzustand ist? Intentionalität Manche mentalen Zustände haben einen repräsentationalen Inhalt bzw. sind auf ein bestimmtes Objekt gerichtet. Wie aber ist es möglich, dass physische Zustände dieses Merkmal aufweisen? 1290
13 Substanz-Dualismus Spielarten des Physikalismus Semantischer Physikalismus Logischer Behaviorismus Identitätstheorie Funktionalismus Anomaler Monismus Supervenience-Theorie Repräsentationale Theorie des Geistes Theorie intentionaler Systeme Eliminativer Materialismus Die Naturalisierung des Geistes 1291
14 Substanz-Dualismus 1292
15 Typische Annahmen (insbesondere der christlich-abendländischen Kultur) 1293
16 Der Mensch besteht aus einem materiellen Körper und einer immateriellen Seele. 1294
17 Die Seele macht das eigentliche Selbst des Menschen aus. 1295
18 Körper und Seele sind nur während des Lebens eines Menschen miteinander verbunden. Nach dem Tode löst sich die Seele vom Körper ab. 1296
19 Die Seele benötigt für ihre Existenz keinen Körper. Sie kann auch ohne diesen, für sich selbst existieren. 1297
20 Während der Körper vergänglich ist, ist die Seele unsterblich. 1298
21 Platons Argumente für den Substanz- Dualismus 1299
22 Platon (427 v. Chr. 348 v. Chr.) Platon stammte aus vornehmer Familie. Unter dem Einfluss seines Lehrers Sokrates begann er sich, der Philosophie zuzuwenden und gründete um 386 v.chr. in Athen seine eigene Schule, die Akademie. Alle von Platon veröffentlichten Schriften sind überliefert. Seine Schriften sind mit Ausnahme der Apologie (Die Verteidigung des Sokrates) und einer Anzahl Briefen als Dialoge abgefasst. In fortgeschrittenem Alter reiste er nach Syrakus auf Sizilien (366 und 361), wo er den jungen Tyrannen Dionysios II unterrichtete. 1300
23 Der Zyklus des Entstehens und Vergehens Zu jedem Prozess, der von A nach B führt, muss es einen Prozess geben, der umgekehrt von B nach A führt. Insbesondere muss es zum Prozess des Sterbens den entsprechenden Prozess des Wiederauflebens geben. Die Seelen müssen sich nach dem Tod und vor dem Wiederaufleben irgendwo aufhalten. 1301
24 Erinnerung Wir verfügen über Wissen, das wir nur vor der Geburt erworben haben können. Zu diesem Wissen gelangen wir dadurch, dass sich die Seele wieder daran erinnert. Also muss die Seele schon vor der Geburt existiert haben. 1302
25 Verwandtschaft von Seele und Ideen Während die Seele nach der Erkenntnis ewiger Ideen strebt, richtet sich der Körper auf die Welt der vergänglichen Dinge. Es gibt also eine Verwandtschaft zwischen Körper und vergänglicher Welt und Seele und der Welt der unvergänglichen Ideen. 1303
26 Seele als Lebensprinzip Die Seele verleiht allem, wovon sie Besitz ergreift, Leben. Wenn die Seele allem, dem sie innewohnt, Teilhabe am Leben verleiht und Teilhabe am Tod verhindert, dann kann sie nicht selbst etwas sein, dass vergänglich ist. Also ist die Seele unsterblich. 1304
27 Descartes: res cogitans und res extensa 1305
28 René Descartes ( ) Descartes war Mathematiker und gilt als Gründer des neuzeitlichen Rationalismus. Da er in einer Zeit lebte als traditionelle Ideen hinterfragt wurden, suchte er nach einer Methode, mit der man zu wahrer und gesicherter Erkenntnis kommen konnte. Sein Problem und seine Methode des systematischen Zweifels hatten einen enormen Einfluss auf die nachfolgende Entwicklung der Philosophie, was ihn zu dem Vater der Philosophie der Neuzeit machte. Diskurs über die Methode (1637); Meditationen über die erste Philosophie (1641); Prinzipien der Philosophie (1644) 1306
29 Descartes metaphysisches Argument für den Substanz-Dualismus 1307
30 Zuerst: da ich weiß, dass alles, was ich klar und deutlich begreife, von Gott in der Weise gemacht werden kann, wie ich es begreife, so reicht es aus, daß ich eine Sache ohne eine andere klar und deutlich begreifen kann, damit ich sicher bin, daß die eine von der anderen verschieden ist,... da ich auf der anderen Seite eine klare und deutliche Idee von mir selbst habe, insofern ich ein denkendes, nicht ausgedehntes Ding bin, und auf der anderen Seite eine deutliche Idee vom Körper, insofern dieser nur ein ausgedehntes nicht denkendes Ding ist, so ist, sage ich, gewiß, daß ich von meinem Körper wirklich verschieden bin und ohne ihn existieren kann. René Descartes, Meditationen über die erste Philosophie 1308
31 (1) Alles, was ich mir vorstellen kann, ist möglich. (2) Ich kann mir vorstellen, dass ich allein als geistiges Wesen ohne einen Körper existiere. (3) Ich kann mir Körper vorstellen, die ohne zu denken existieren. 1309
32 Konklusion Es ist möglich, dass Körper (res extensa) und Geist (res cogitans) getrennt existieren (d.h. nicht identisch sind). 1310
33 (4) Für alle x und y: Wenn x und y identisch sind, dann kann es nicht sein, dass sie verschieden sind; sie sind sie also notwendig identisch. 1311
34 Konklusion Körper und Geist sind tatsächlich verschieden (auch wenn sie zufällig gerade nicht getrennt existieren). 1312
35 Descartes naturphilosophisches Argument für den Substanz- Dualismus 1313
36 ... gäbe es... Maschinen, die unseren Körpern ähnlich wären und unsere Handlungen insoweit nachahmten, wie dies für Maschinen wahrscheinlich möglich ist, so hätten wir immer zwei ganz sichere Mittel, um zu erkennen, daß sie keineswegs wahre Menschen sind. Erstens könnten sie nämlich niemals Worte oder andere Zeichen dadurch gebrauchen, daß sie sie zusammenstellen, wie wir es tun, um anderen unsere Gedanken mitzuteilen. [Und zweitens:] Sollten diese Maschinen auch manches ebenso gut oder sogar besser verrichten als irgendeiner von uns, so würden sie doch zweifellos bei vielem anderen versagen, wodurch offen zutage tritt, daß sie nicht aus Einsicht handeln, sondern nur aufgrund der Einrichtung ihrer Organe. Denn die Vernunft ist ein Universalinstrument, das bei allen Gelegenheiten zu Diensten steht, während diese Organe für jede besondere Handlung einer besonderen Einrichtung bedürfen. René Descartes, Diskurs über die Methode 1314
37 (1) Der Gebrauch der Sprache sowie das autonome Handeln bedürfen der Vernunft. (2) Es ist nicht möglich, Maschinen zu konstruieren, die (wie der Mensch) eine Sprache verwenden können. (3) Es ist nicht möglich, Maschinen zu konstruieren, die ebenso universale Fähigkeiten besitzen wie der Mensch. 1315
38 Konklusion Es ist nicht möglich, Maschinen (Körper) zu konstruieren, die Vernunft (Geist) besitzen. 1316
39 (4) Wenn Körper und Geist identisch sind, dann wäre es möglich Maschinen zu konstruieren, die Vernunft besitzen. 1317
40 Konklusion Körper und Geist sind nicht identisch. 1318
41 Positionen des Dualismus 1319
42 Interaktionistischer Dualismus Parallelismus Okkasionalismus Epiphänomenalismus 1320
43 Interaktionistischer Dualismus Körper und Geist stehen in einer kausalen Wechselwirkung. René Descartes John Eccles & Karl Popper 1321
44 Probleme 1322
45 Wenn Körper und Geist kausal interagieren, dann muss es einen Ort der Interaktion zwischen Geist und Gehirn geben. Wo findet sie statt? Und wie genau geht das vor sich? 1323
46 Descartes Die Interaktion zwischen Körper und Geist findet in der Zirbeldrüse statt. Die Nerven bestehen aus kleinen, biegsamen Röhrchen, durch die sich die spiritus animales bewegen. Der Geist kann dann die Zirbeldrüse so drehen, dass sich die aus ihr austretenden spiritus animales in die Nerven bewegen, die zu den entsprechenden Muskeln und damit zu Körperbewegungen führen. 1324
47 Eccles/ Popper Die Interaktion findet im Liaisonhirn statt. Der Geist kann kleine funktionelle Einheiten des Liaisonhirns abtasten und damit die Aktivität des Liaisonhirns modifizieren, was zu spezifischen Erregungsmustern und damit u.a. zu spezifischen Körperbewegungen führt. 1325
48 Neurobiologische Untersuchungen haben bisher nirgends einen Anhaltspunkt für das Wirken nicht- physiologischer Ursachen in unserem Gehirn ergeben. 1326
49 Das kausale Eingreifen des Geistes in ein physikalisches System würde auf jeden Fall eine Änderung des Energiezustandes dieses Systems implizieren und damit in Konflikt zum Energieerhaltungssatz stehen. 1327
50 Geist vs. Gehirn Wie ist es zu erklären, dass der Geist eines komplexen Gehirns bedarf? Entweder ist ein Großteil unseres Gehirns überflüssig, da in ihm Probleme gelöst werden, die eigentlich in die Kompetenz des Geistes fallen, oder der Geist hat wenig oder gar nichts zu tun, da das meiste schon vom Gehirn erledigt wird. 1328
51 Geist vs. Gehirn Wie kommt es, dass mein Geist auf mein Gehirn und auf kein anderes einwirken kann? Welche Relation könnte zwischen meinem Geist und meinem Gehirn bestehen, damit mein Geist auf mein Gehirn und nicht auf das Gehirn irgendeiner anderen Person einwirkt? 1329
52 Parallelismus Körper und Geist sind kausal voneinander unabhängig. Es besteht aber eine prästabilisierte Harmonie zwischen beiden. Gottfried Wilhelm Leibniz 1330
53 Okkasionalismus Körper und Geist sind kausal voneinander unabhängig. Gott bringt jeweils anlässlich bestimmter Zustände im Körper bestimmte Zustände im Geist hervor und umgekehrt. Arnold Geulincx Nicolas Malebranche 1331
54 Epiphänomenalismus Zustände im Geist werden von Zuständen im Körper verursacht, aber nicht umgekehrt. Julien Offray de la Mettrie Thomas Henry Huxley Frank Jackson 1332
55 Der Geist ist kausal unwirksam! Es scheint so, daß sich das Bewußtsein der Tiere zum Mechanismus ihrer Körper nur wie eine Begleiterscheinung seiner Arbeitsweise verhält und daß es genauso wenig eine Kraft hat, diese Arbeitsweise zu verändern, wie die Dampfpfeife, f die das Funktionieren i der Antriebsmaschine einer Dampflokomotive begleitet, einen Einfluss auf deren Arbeitsweise besitzt. Ihre Willensakte... sind nichts weiter als eine Emotion, die physische Veränderungen anzeigt, diese Veränderungen aber nicht verursacht. T.H. Huxley, On the Hypothesis that Animals are Automata,
56 Probleme 1334
57 Wie können physikalische Vorgänge im Gehirn Bewusstsein verursachen? Mögliche Antwort Mentale Eigenschaften sind emergente Eigenschaften des Gehirns. 1335
58 Zombie-Problem Unser gesamtes Leben könnte genau so ablaufen, wie es jetzt abläuft, ohne dass wir je bewusste Erlebnisse, Überzeugungen oder Wünsche hätten. Vielleicht sind SIE ja ein Zombie! Oder ICH? 1336
59 Eigenschaftsdualismus Zwar sind physische Dinge (biologische Organismen) Träger mentaler Eigenschaften, aber mentale Eigenschaften können nicht auf physikalische Eigenschaften zurückgeführt werden. David Chalmers 1337
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