Position. Öffentliche Finanzen konsolidieren. Stand: September
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- Hildegard Brahms
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1 Position Öffentliche Finanzen konsolidieren Stand: September
2 Vorwort X Vorwort Mit Ausgabendisziplin und Investitionen zu gesunden Staatsfinanzen Die europäische Schuldenkrise hat den Blick auf die hohen Staatsverschuldungen in Griechenland, Spanien, Portugal, Italien und Irland fokussiert. Dabei rückt in den Hintergrund, dass auch Deutschland ein Schuldenproblem hat, das strukturell nicht auf die Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise zurückzuführen ist. Der Schuldenstand liegt bei über 81 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und damit über 20 Prozentpunkte oberhalb der Grenze des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts. Ohne die langfristig aufgebauten Schulden aus der Zeit vor 2007 hätte Deutschland einen Schuldenstand von ca. 20 Prozent des BIP und könnte auch neue Herausforderungen durch schwere Zeiten gelassen sehen. Die Entwicklung in Europa hat vor Augen geführt, welch dramatische Folgen eine aus dem Ruder laufende Staatsverschuldung hat. Übermäßige staatliche Konsumausgaben, die daraus folgende Verschuldung und in Folge unterlassene Investitionen belasten die wirtschaftliche Entwicklung und den Erfolg von Unternehmen nachhaltig und umfassend. Die Finanzierung über die Kapitalmärkte wird immer schwieriger, die Zinslast immer höher, die politische Handlungsfähigkeit immer kleiner und die Konjunktur immer schlechter. Deutschland hat allen Grund, einem Abrutschen in diese Probleme vorzubeugen. Das bayerische Beispiel zeigt: solide Staatsfinanzen sind ein entscheidender Wettbewerbsfaktor. Deshalb plädiert die vbw Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. für einen strikten Konsolidierungskurs der öffentlichen Haushalte in Deutschland auf allen Ebenen. Diese Konsolidierung darf nicht über die Einnahmen-, sondern muss über die Ausgabenseite erfolgen. Zudem müssen Investitionen von den Sparbemühungen unberührt bleiben, da sie die Basis für künftiges Wachstum bilden. Wenn es gelingt, diesen Weg zu gehen und die Staatsfinanzen wieder auf eine nachhaltig verlässliche Basis zu stellen, ist dies die beste Voraussetzung für Wachstum, Beschäftigung und Wohlstand in Deutschland und Bayern. Bertram Brossardt 30. September 2012
3 Inhalt X Inhalt 1 Entwicklung der Staatsschulden in Deutschland Schuldenstandsquote Finanzierungssaldo Schuldenbremse Verschuldungslage der Länder Problematik übermäßiger Verschuldung Einschränkung des fiskalpolitischen Handlungsspielraums Verdrängungseffekte auf den Kapitalmärkten Verschuldung als Auslöser künftiger Steuererhöhungen Inflationsgefahr Zehn Forderungen zu den Staatsfinanzen Die Konsolidierung muss sich auf Sparsamkeit, Investitionen und Wachstum stützen Alle Gebietskörperschaften müssen aus eigener Kraft konsolidieren Der Länderfinanzausgleich muss reformiert werden Der Staat muss neben seinen Schulden auch sein Vermögen offenlegen Die Staatsausgaben müssen gekürzt werden Das Konzept der qualitativen Konsolidierung muss verfolgt werden Effizienzsteigerungen müssen genutzt werden Die öffentliche Hand muss ihre Aufgaben hinterfragen Steuererhöhungen müssen unterbleiben Haftungsrisiken müssen abgebaut werden Ansprechpartner / Impressum... 11
4 Entwicklung der Staatsschulden in Deutschland 1 1 Entwicklung der Staatsschulden in Deutschland Die öffentlichen Defizite sind zu hoch, die Länder sehr unterschiedlich betroffen Es gibt keine allgemein gültigen quantitativen Kriterien für solide Staatsfinanzen. Orientierungsgröße können aber die sogenannten Maastricht-Kriterien sein. Im Maastricht- Vertrag von 1992 haben sich die EU-Mitgliedsstaaten zu den EU-Konvergenzkriterien verpflichtet. Diese wurden weitgehend in den Stabilitäts- und Wachstumspakt übernommen, der für finanzpolitische Stabilität in der Europäischen Währungsunion sorgen soll. Die Konvergenzkriterien zu den öffentlichen Haushalten sind Obergrenzen. Sie lauten: Der staatliche Schuldenstand darf nicht mehr als 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) betragen. Das jährliche Haushaltsdefizit darf nicht mehr als drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts betragen. 1.1 Schuldenstandsquote Abbildung 1 Schuldenstandsquote in Deutschland Verschuldung der öffentlichen Haushalte in Prozent des Bruttoinlandsprodukts ,4 83,0 81, ,4 66,3 68,6 68,1 65,2 66,7 58,5 59,8 60,5 61,3 60,2 60,7 59,1 55, ,9 49,3 40,4 42, Quelle: Sachverständigenrat; waagrechte Linie: Verschuldungsgrenze des Vertrages von Maastricht
5 Entwicklung der Staatsschulden in Deutschland 2 Die Schuldenstandsquote gibt die staatliche Gesamtverschuldung in Relation zum BIP an. Darunter ist die Verschuldung aller Gebietskörperschaften, der staatlichen Sozialversicherung und der Sondervermögen des Bundes zusammengefasst. Nach der Wiedervereinigung stieg die Schuldenstandsquote in Deutschland kräftig an von 40,4 Prozent im Jahr 1991 auf 61,3 Prozent im Jahr Anschließend lag die Staatsverschuldung nur noch einmal, im Jahr 2001, unter der 60-Prozent-Grenze. Seit diesem Zeitpunkt wurde diese Vorgabe aus dem Stabilitäts- und Wachstumspakt nicht mehr eingehalten. Infolge der Finanz- und Wirtschaftskrise der Jahre 2008/2009 und der staatlichen Hilfsmaßnahmen für Rettung der Banken und zur Stabilisierung der Konjunktur stieg der Schuldenstand nochmals kräftig auf 83 Prozent des BIP im Jahr Im vergangenen Jahr konnte er wieder leicht auf 81,2 Prozent abgebaut werden. Nach der im Deutschen Stabilitätsprogramm 2012 abgebildeten Projektion der Bundesregierung wird die Schuldenstandsquote im laufenden Jahr bei 82 Prozent liegen. Bis 2016 soll sie dann auf 73 Prozent abgebaut werden. 1.2 Finanzierungssaldo Der Finanzierungssaldo ist die Differenz aus Einnahmen und Ausgaben der öffentlichen Hand. Ein negativer Finanzierungssaldo führt notwendigerweise zur Neuverschuldung. In der zweiten Hälfte der 1990er Jahre wurde der Finanzierungssaldo in Deutschland kontinuierlich abgebaut. Im Jahr 2000 wurde sogar ein Überschuss von 1,1 Prozent des BIP erzielt. In den darauf folgenden Jahren wurde das Ziel des Stabilitäts- und Wachstumspakts, ein Finanzierungssaldo mit maximal drei Prozent Neuverschuldung, wieder verfehlt. In den Jahren 2007 und 2008 folgten zwei in etwa ausgeglichene Haushaltsjahre, bevor die Wirtschaftskrise dazu führte, dass das Stabilitätsziel in den Jahren 2009 und 2010 erneut verletzt wurde. Im Jahr 2011 konnte das Defizit auf 1,0 Prozent des BIP zurück gefahren werden (vgl. Abbildung 2, nächste Seite) Für das laufende Jahr strebt die Bundesregierung erneut einen Finanzierungssaldo von einem Prozent des BIP an soll dieser halbiert werden, für die Jahre 2014 bis 2015 werden ausgeglichene Haushalte projiziert.
6 Entwicklung der Staatsschulden in Deutschland 3 Abbildung 2 Finanzierungssaldo in Deutschland in Prozent des Bruttoinlandsprodukts 2 1,1 0 0,2-0,1-1,0-2 -1,6-1,6-4 -2,9-2,4-3,0-2,5-3,4-2,8-2,3-3,1-3,8-4,2-3,8-3,3-3,2-4, , Quelle: Statistisches Bundesamt; waagrechte Linie: Neuverschuldungsgrenze im Vertrag von Maastricht So wichtig die Entwicklung des Schuldenstandes und des Finanzierungssaldos sind: ihre Aussagekraft ist beschränkt. Denn sie spiegeln nicht wieder, wie sich das staatliche Vermögen entwickelt. Bisher erfassen nur einige Bundesländer und ein Teil der Kommunen im Rahmen der doppischen Buchführung der staatlichen Form von Bilanzen ihr Vermögen. Der Staat insgesamt hat weder einen Überblick über sein Vermögen noch über Vermögensänderungen. Er hat damit keinen systematischen Überblick darüber, welche Vermögenswerte zur Erfüllung seiner Aufgaben unerlässlich und damit unveräußerlich sind. Er erfasst nicht systematisch, wo Vermögenswerte aufgezehrt werden und nachinvestiert werden muss. Im Rahmen der Feststellung des Schuldenstandes weiß er nicht, wie viel Vermögen diesen Schulden gegenübersteht und wie weit er seine Haushalte über Verkäufe oder Privatisierungen entlasten könnte. Das sind denkbar schlechte Voraussetzungen für eine nachhaltige Konsolidierungspolitik. 1.3 Schuldenbremse Um die Neuverschuldung mittelfristig zurückzuführen und den Schuldenstand langfristig zuverlässig abzubauen, hat Deutschland 2009 die sogenannte Schuldenbremse eingeführt. Diese beruht auf folgenden Regelungen:
7 Entwicklung der Staatsschulden in Deutschland 4 Die Schuldenbremse zwingt Bund und Länder seit 2011, die Neuverschuldung sukzessive abzubauen. Die um Konjunkturschwankungen bereinigte Neuverschuldung des Bundes darf ab 2016 nur noch 0,35 Prozent des BIP betragen. Die Länder müssen ab 2020 ohne neue Schulden auskommen. Eine antizyklische Kreditaufnahme zur Reaktion auf konjunkturelle Schwankungen bleibt zulässig, muss jedoch in konjunkturell guten Zeiten ausgeglichen werden. Mit dem Fiskalpakt wurde diese Schuldenbremse zum Modell für die EU. Nur Länder, die sich auf eine vergleichbare Lösung verpflichten, können europäische Stabilisierungshilfen beanspruchen. Die Schuldenbremse zwingt zu deutlich höherer Zurückhaltung bei den Ausgaben. Nachdem sie die Neuverschuldung im Saldo über die Jahre auf Null begrenzt, sinkt mit ihr auch der Schuldenstand im Verhältnis zum BIP zuverlässig sofern es gelingt, weiter Wachstum zu generieren. 1.4 Verschuldungslage der Länder Eines der großen Probleme bei der Konsolidierung der öffentlichen Haushalte ist die sehr unterschiedliche Verschuldungslage der Länder der Bundesrepublik. Abbildung 3 Länder der Bundesrepublik Deutschland Schulden je Einwohner 2011 Quelle: Statistisches Bundesamt; Schuldenstand 2011, Einwohnerstand Ende 2010
8 Entwicklung der Staatsschulden in Deutschland 5 Die Herausforderung der Länder durch die Schuldenbremse hat sich mit dem Fiskalpakt verschärft. Denn dieser bezieht im Gegensatz zur Schuldenbremse die kommunale Verschuldung in die Berechnung mit ein. Abbildung 3 weist in Euro pro Einwohner die gemeinsame Verschuldung von Ländern und Kommunen aus. Dieser Wert lag 2011 in Bremen bei fast dem 13-fachen von Sachsen und dem 9-fachen von Bayern. Weiter müssen etliche Länder für ihre Finanzierung mittlerweile einen noch kleinen, aber schon spürbaren Zinsaufschlag gegenüber vergleichbaren Anleihen des Bundes zahlen. Hier schlagen trotz Haftungsverbund unterschiedliche Einschätzungen zur Bonität der Länder durch. Die Kapitalgeber fragen immer deutlicher danach, ob die eigene Finanzpolitik und Ausgabenstruktur und die eigene wirtschaftliche Basis eines Landes tragfähig sind.
9 Problematik übermäßiger Verschuldung 6 2 Problematik übermäßiger Verschuldung Die Handlungsfähigkeit künftiger Generationen sinkt Öffentliche Schulden sind nichts grundsätzlich Schlechtes. Sie geben vorübergehenden Handlungsspielraum, wenn die Einnahmen kurzfristig hinter dringenden oder verpflichtenden Ausgaben zurückbleiben und erlauben es damit, konjunkturell schwache Phasen zu überbrücken. Um dauerhafte Defizite zu vermeiden, müssen diese Schulden in wirtschaftlich guten Zeiten wieder komplett abgebaut werden. Sinnvoll kann es sein, öffentliche Investitionen über Schulden zu finanzieren. Da sie ihren Nutzen in der Zukunft entfalten, bietet es sich an, sie auch von den künftigen Generationen finanzieren zu lassen sofern die künftigen Einnahmen aus diesen Investitionen über den jeweiligen Kreditzinsen liegen. Um die dafür notwendige Transparenz sicherzustellen, müssen entsprechende Projekte bilanziell klar von den öffentlichen Haushalten abgegrenzt werden. In eine nicht mehr verantwortbare Schieflage führt eine übermäßige und dauerhafte Verschuldung der öffentlichen Hand. Das führt zu negativen ökonomischen Folgen, insbesondere auch für die Unternehmen. 2.1 Einschränkung des fiskalpolitischen Handlungsspielraums Je höher die Verschuldung ist desto höher steigt die Zinslast. Verschärft wird dies, wenn die die Märkte immer weniger darauf vertrauen, dass ein öffentlicher Schuldner seine Schulden tragen kann und daher höhere Zinsen fordern.,. Folglich stehen dem Staat weniger finanzielle Mittel für andere Ausgaben zur Verfügung insbesondere für Investitionen in Infrastruktur oder Bildung. Diese Investitionen sind notwendig, um die Basis für künftiges Wirtschaftswachstum zu schaffen. Um wirtschaftlich erfolgreich zu sein, benötigen Unternehmen eine moderne und leistungsfähige Infrastruktur sowohl im Bereich Verkehr und Energie als auch bei den Informations- und Telekommunikationsnetzen. Ebenso sind die Firmen auf eine ausreichende Zahl qualifizierter Arbeitnehmer angewiesen. Ohne entsprechende Investitionen in das Bildungssystem kann dem Fachkräftemangel nicht begegnet werden. 2.2 Verdrängungseffekte auf den Kapitalmärkten Auf den Kapitalmärkten konkurrieren private und staatliche Investoren um das Kapital der Anleger. Je mehr der Staat versucht, sich über den Kapitalmarkt zu finanzieren, umso eher werden private Unternehmen verdrängt. Hinzu kommt, dass durch erhöhte öffentliche Nachfrage nach Kapital das Zinsniveau steigt. Private Investitionen, die zu
10 Problematik übermäßiger Verschuldung 7 einem geringeren Zinssatz noch profitabel gewesen wären, sind dies nun möglicherweise nicht mehr. Man spricht hier vom sogenannten crowding out. Wenn private Investitionen verdrängt werden, reduziert dies die Wachstumspotenziale der Unternehmen und damit sinkt das Steueraufkommen, aus dem der Staat sich eigentlich finanzieren sollte. 2.3 Verschuldung als Auslöser künftiger Steuererhöhungen Die Schulden von heute sind tendenziell die Steuererhöhungen von morgen. Der Weg, die öffentliche Verschuldung über Ausgabenkürzungen zurück zu führen, ist politisch unbequemer als eine von der Öffentlichkeit zunächst kaum bemerkte Neuverschuldung. Und ab einer gewissen Höhe des Schuldenstands wird die öffentliche Hand kaum umhin kommen, Steuern und Abgaben zu erhöhen, um ihre Einnahmen zu steigern. Die Tendenz, diesen Weg zu gehen, spiegelt sich in der aktuellen Programmatik einiger politischer Parteien wieder. Eine Erhöhung der Unternehmenssteuern führt jedoch zu steigenden Kosten und sinkender Rentabilität der Firmen. Eine Anhebung von Einkommen- oder Konsumsteuern hat ebenfalls negative Folgen für den Unternehmenssektor. Zum einen sinkt dadurch die reale Kaufkraft der Konsumenten, was den Konsum dämpft. Zum anderen werden Arbeitnehmer und Gewerkschaften versuchen, diesen Kaufkraftverlust durch höhere Lohnsteigerungen zu kompensieren. Damit führen Steuererhöhungen zwingend zu negativen Wachstumseffekten und in Folge zu sinkendem Steueraufkommen. 2.4 Inflationsgefahr Steuererhöhungen führen zu höheren Tarifforderungen. Wenn diese durchgesetzt werden, kommt eine Lohn-Preis-Spirale in Gang. Die Unternehmen versuchen, die gestiegenen Lohnkosten an die Konsumenten weiter zu geben. Auf die steigenden Preise antworten die Gewerkschaften erneut mit hohen Lohnforderungen. Die Regierungen könnten sogar geneigt sein, diesen Prozess zu unterstützen und damit die Inflation zu treiben. Denn Inflation entwertet auch die Staatsschulden. Erfolgreiche Unternehmen sind hingegen ebenso wie Arbeitnehmer und Vermögensbesitzer die Verlierer einer inflationären Entwicklung, weil Unternehmenserträge und Kapitaleinkommen ebenso wie die Arbeitseinkommen real an Wert verlieren.
11 Zehn Forderungen zu den Staatsfinanzen 8 3 Zehn Forderungen zu den Staatsfinanzen Der Konsolidierungsprozess muss konsequent verfolgt werden Angesichts eines Schuldenstands von über 80 Prozent des Bruttoinlandsprodukts führt an einer nachhaltigen Konsolidierung der öffentlichen Haushalte in Deutschland kein Weg vorbei. Die vbw Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. zeigt in zehn Punkten, wie die Haushaltskonsolidierung zu erfolgen hat, damit Wachstum und Beschäftigung nicht beeinträchtigt, sondern gefördert werden. 3.1 Die Konsolidierung muss sich auf Sparsamkeit, Investitionen und Wachstum stützen Eine langfristig und nachhaltig angelegte Konsolidierungspolitik setzt auf Ausgabendisziplin, Investitionen in Zukunftspotenziale, Abbau der relativen Schuldenlast durch Wachstum, also ein höheres Bruttoinlandsprodukt sowie eine Rückführung der Staatsquote in Richtung 40 Prozent. Auf dieser Basis entsteht das notwendige Vertrauen für günstige Refinanzierungen am Kapitalmarkt und gelingt ein aktiver Abbau von Altschulden. 3.2 Alle Gebietskörperschaften müssen aus eigener Kraft konsolidieren Haushaltskonsolidierung ist nicht nur auf der Bundesebene notwendig. Auch Länder und Kommunen müssen aus eigener Kraft einen strikten qualitativen Konsolidierungskurs einschlagen und in enger Zusammenarbeit mit der jeweiligen Wirtschaft ein Geschäftsmodell entwickeln, das nachhaltig auf Wachstum und Erfolg ausgerichtet ist. Auch um das Zinsniveau bei Neu- und Refinanzierungen beherrschbar zu halten, muss es Ziel jedes Landes sein, auf der Ausgabenseite zu konsolidieren, die eigene wirtschaftliche Basis verlässlich auszubauen und so Abhängigkeiten von finanziellen Zuweisungen möglichst schnell und nachhaltig zu reduzieren. 3.3 Der Länderfinanzausgleich muss reformiert werden Um die Bereitschaft der Länder zur Konsolidierung aus eigener Kraft zu stärken und sie an entsprechenden Erfolgen auch teilhaben zu lassen, müssen die Anreizsysteme im gegenwärtigen Finanzföderalismus hinterfragt werden. Insbesondere gilt das für den Länderfinanzausgleich, der in eine deutliche Schieflage geraten ist und durch seine Ausgestaltung Investitionen in eigenen wirtschaftlichen Erfolg sogar unattraktiv machen kann. Mit der Reform zu verbinden ist eine stärkere Finanzhoheit der Länder. Ein Schritt in diese Richtung wäre eine Regionalisierung der Erbschaftsteuer.
12 Zehn Forderungen zu den Staatsfinanzen Der Staat muss neben seinen Schulden auch sein Vermögen offenlegen Eine zielführende Auseinandersetzung mit Schuldenabbaustrategien setzt voraus, dass neben den Schulden auch Eigenkapital und Vermögensveränderungen bekannt sind und in Entschuldungsstrategien einfließen. Um das zu erreichen, müssen Bund, Länder und Gemeinden insgesamt auf die sogenannte doppische Buchführung die öffentliche Form des Bilanzwesens umstellen. 3.5 Die Staatsausgaben müssen gekürzt werden Eine nachhaltige Konsolidierung der öffentlichen Haushalte ist nur über eine Reduktion der staatlichen Ausgaben und über solides Wirtschaftswachstum möglich. Nur dieser Weg signalisiert auch den Kapitalmärkten die Ernsthaftigkeit und die Erfolgsaussichten der Konsolidierungspolitik. Und das ist wiederum Voraussetzung für nachhaltig günstige Finanzierungskonditionen, die bei Umschuldungen auch die Zinslast aus den bestehenden Schulden begrenzen. In diesem Zusammenhang muss es mittelfristig gelingen, die Staatsquote von heute über 45 Prozent in Richtung 40 Prozent abzusenken. 3.6 Das Konzept der qualitativen Konsolidierung muss verfolgt werden Ausgabenkürzungen der öffentlichen Hand müssen im konsumtiven Bereich ansetzen. Öffentliche Investitionen dürfen nicht gekürzt, sondern müssen ausgebaut werden. Denn Investitionen, zum Beispiel in Infrastruktur, Forschung und Entwicklung sowie in Bildung sind die Basis für künftiges Wachstum. Dieses Konzept wird als qualitative Konsolidierung bezeichnet. Der Weg dahin führt über den Abbau von Subventionen ebenso wie über die Kürzung staatlicher Leistungszusagen, die nicht unter die übliche Definition für Subventionen fallen also vor allem der Titel, die konsumtiven Zwecken dienen. 3.7 Effizienzsteigerungen müssen genutzt werden Einsparungen müssen auch durch eine effizientere Erbringung öffentlicher Leistungen erreicht werden. In Deutschland sind noch erhebliche Effizienzpotenziale zu heben. Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) hat schon in einer 2007 vorgestellten Studie ermittelt, dass in den Feldern Gesundheit, Schuldbildung, Infrastruktur, Öffentliche Ordnung und Allgemeine Verwaltung sowie Armutssicherung Effizienzreserven zwischen 4 und 40 Prozent möglich sind. Pro Jahr wird hier ein Einsparvolumen von 83 Milliarden Euro gesehen. Die vbw hat in der 2009 vorgestellten Studie Die Stadt der Zukunft erhebliche, bis heute nicht ausreichend abgearbeitete Effizienzpotenziale auf kommunaler Ebene aufgezeigt.
13 Zehn Forderungen zu den Staatsfinanzen Die öffentliche Hand muss ihre Aufgaben hinterfragen Mit den Ausgaben des Staates müssen auch die Aufgaben der öffentlichen Hand kritisch beleuchtet werden. Viele Leistungen, die derzeit öffentlich erbracht werden, können privatwirtschaftlich angeboten werden. Durch eine Privatisierung dieser Aufgaben kann der Staat einerseits einmalige Privatisierungserlöse erzielen und damit entweder den Verschuldungsstand abbauen oder wie Bayern Investitionen in Bildung und Infrastruktur anstoßen. Zum zweiten werden dauerhaft volkswirtschaftliche Effizienzgewinne erzielt. Denn die Privatwirtschaft arbeitet in aller Regel effizienter und damit auch etwa für Verbraucher günstiger als die öffentliche Hand. Insbesondere bietet es sich an, Infrastrukturinvestitionen privatwirtschaftlich darzustellen. Damit können außerhalb öffentlicher Haushalte auch die Vorteile nachhaltig Ertrag bringender Kreditfinanzierungen genutzt werden. 3.9 Steuererhöhungen müssen unterbleiben Mit einer Haushaltskonsolidierung über höhere Steuern und Abgaben können Defizite nur kurzfristig reduziert werden. Mittel- und längerfristig führt dies zu erheblichen Wachstumseinbußen und damit zu einer neuen Verschärfung der Schuldenproblematik. Deshalb gilt es zunächst, Steuererhöhungen, auch über kalte Progression, unbedingt zu vermeiden. Mittelfristig muss es als Teil der Konsolidierungs- und Wachstumsstrategie gelingen, neue Spielräume für Steuer- und Abgabensenkungen zu schaffen Haftungsrisiken müssen abgebaut werden Um den Erfolg der Konsolidierungsmaßnahmen nicht zu gefährden, müssen auch Haftungsrisiken begrenzt und abgebaut werden. Das gilt in erster Linie für die Risiken, die zur Sicherung des Euro in Kauf genommen wurden. Deutschland muss darüber hinaus verhindern, dass die EU Strukturen entwickelt, die ähnlich wie der Länderfinanzausgleich zu unkontrollierbaren und unfinanzierbaren Solidarleistungen führen würden.
14 Ansprechpartner / Impressum 11 Ansprechpartner Volker Leinweber Abteilung Volkswirtschaft Telefon Telefax volker.leinweber@vbw-bayern.de Dr. Benedikt Rüchardt Abteilung Wirtschaftspolitik Telefon Telefax benedikt.ruechardt@vbw-bayern.de Impressum Alle Angaben dieser Publikation beziehen sich grundsätzlich sowohl auf die weibliche als auch auf die männliche Form. Zur besseren Lesbarkeit wurde meist auf die zusätzliche Bezeichnung in weiblicher Form verzichtet. Herausgeber: vbw Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. Max-Joseph-Straße München vbw September 2012
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