Ausführungen. des Präsidenten des Rechnungshofs der Freien und Hansestadt Hamburg. zum Sonderbericht über die. Haushaltslage 2008
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- Hans Jaeger
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1 Der Präsident Ausführungen des Präsidenten des Rechnungshofs der Freien und Hansestadt Hamburg zum Sonderbericht über die Haushaltslage 2008 der Freien und Hansestadt Hamburg Hamburg, den (Es gilt das gesprochene Wort)
2 2 I. Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, wie es Hermann Hesse formuliert hat. Dieser neuen Legislaturperiode wohnt ein ganz besonderer Zauber inne: Ihre wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen eröffnen nämlich die Chance einer für Hamburg historischen Weichenstellung für einen strukturell ausgeglichenen Haushalt. In dieser Legislaturperiode kann und muss es gelingen, erstmalig seit der Haushaltsreform von 1970 dauerhaft so zu wirtschaften, dass alle Ausgaben mit den laufenden Einnahmen gedeckt werden können. Dies wäre ein entscheidender Schritt zu Nachhaltigkeit, Generationengerechtigkeit und Handlungsfähigkeit der Stadt. Es könnte und muss der Politik gelingen, die Bedarfe Hamburgs an der Schwelle zu einem strukturell ausgeglichenen Haushalt so zu definieren, dass sie erstmalig ohne Neuverschuldung und ohne weiteren Rückgriff auf die Substanz befriedigt werden können. Das Licht am Ende des Tunnels ist so deutlich zu sehen, dass ein Stehenbleiben nicht zu rechtfertigen wäre. Verteilungskonflikte der Gegenwart lassen sich nicht nur durch Verschuldung und Substanzverzehr zulasten von noch nicht wahlberechtigten Generationen lösen, sondern auch durch einen verbindlich vereinbarten und Grenzen setzenden Finanzrahmen. II. Die Rahmenbedingungen für eine nachhaltige Haushalts- und Finanzpolitik sind so günstig wie nie zuvor:
3 3 - Noch boomt die Konjunktur, noch fließen die Einnahmen, noch verringert sich jedenfalls nach der bisherigen Finanzplanung das jährliche Finanzierungsdefizit. - Noch stehen geburtenstarke Jahrgänge im Berufsleben und können produktiv zur Steigerung der Wirtschaftskräfte beitragen. In weniger als zehn Jahren wird auch eine wachsende Stadt demographische Veränderungen auffangen müssen. - Hamburg gehört zu den wenigen Ländern, in denen das Parlament sich zu einem grundsätzlichen gesetzlichen Verschuldungsverbot hat durchringen können. Dass dies im letzten Jahr nicht einstimmig geschehen ist, liegt allein daran, dass diese Regelung nur die Verschuldung begrenzt hat, nicht aber Veräußerungen, und dies den bisherigen Oppositionsfraktionen nicht konsequent genug war. - Hamburgs bisherige Regierung hat sich klare finanzpolitische Ziele gesetzt: Beendigung jeder Aufnahme von neuen Krediten ab 2007, keine Vermögensmobilisierungen mehr zur Einnahmeerzielung, schrittweiser Abbau der Altschulden. - Mit Einführung der Doppik in Hamburg wird eine auf Vermögenserhalt ausgerichtete Finanzpolitik künftig auch daran gemessen werden können und müssen, inwieweit sie Abschreibungen und Pensionsrückstellungen erwirtschaftet. Die gute Konjunktur eröffnet insoweit Chancen für den Jahresabschluss 2007.
4 4 III. Die Einführung von Verschuldungsverbot und Doppik sowie die parteiübergreifende grundsätzliche Einigkeit über die finanzpolitischen Ziele Hamburgs sind kein Zufall, sondern folgen aus der gewachsenen Einsicht, dass die bisherige Praxis der Deckung von Finanzierungsdefiziten durch Verschuldung und Vermögensmobilisierung beendet werden muss: - Allein von 1995 bis 2007 hat Hamburg für 6,7 Mrd. Euro Vermögen veräußert, darunter HEW, Landesbankanteile und öffentliche Gebäude. Wesentliche Teile der Erlöse sind in den Betriebshaushalt gegangen, d.h. für laufende Ausgaben wie Gehälter, Sozialhilfe oder Zinsausgaben verwendet worden. Soweit der Investitionshaushalt finanziert wurde, ist offen, inwieweit nachhaltige und ggf. ertragbringende Investitionen getätigt wurden oder in eher Kurzlebiges wie Kraftfahrzeuge, Computer oder Büromöbel investiert wurde. - Auch durch die Krediteinnahmen ist Hamburg nicht reicher, sondern ärmer geworden: Den zwischen 1970 und 2007 so gewonnenen ca. 20 Mrd. Euro stehen für denselben Zeitraum 23,5 Mrd. Zinsausgaben für diese Schulden gegenüber. Diese Bilanz wird mit jedem Jahr um ca. eine Milliarde Euro jährlicher Zinsausgaben schlechter solange es nicht gelingt, die Schulden deutlich zu reduzieren. Hinzu kommt, dass den Schulden Hamburgs und den von ihnen erzwungenen jährlichen ca. 1 Mrd. Euro Zinsen grob geschätzt zu 2/3 keine Werte mehr gegenüber stehen: Peterwagen oder Computer z.b. sind seit 1970 generations-
5 5 weise verschrottet und kreditär finanziert wiederbeschafft worden. - Neben die Vorbelastung durch die Verschuldung von insgesamt 26 Mrd. treten eher zu gering geschätzte 19 Mrd. Euro eingegangene Verpflichtungen für die künftige Altersversorgung der Bediensteten Hamburgs hinzu. - Trotz beachtlicher Konsolidierungserfolge seit 1995 hat Hamburg es bisher selbst in Boomjahren wie 2000 und 2006 noch nicht geschafft, mit seinen hohen Einnahmen auszukommen. Es liegt auf der Hand, dass in guten Jahren vorgesorgt werden muss, damit nicht in schlechten Jahren rote Zahlen geschrieben werden müssen wie zuletzt 2003 mit einem Rekorddefizit von gut 1,9 Mrd. Euro. Welchen Wert haben Deiche, die schon bei normaler Tide keinen Schutz geben können? Auch die bisherige bis 2011 reichende Finanzplanung zeigt Finanzierungsdefizite von 1,6 Mrd. Euro, enthält aber die in den letzten Monaten beschlossenen Ausgaben noch nicht. Diese fortwirkenden strukturellen Probleme des Haushalts haben ihren wesentlichen Grund darin, dass Hamburg die vom Finanzplanungsrat mit Zustimmung Hamburgs empfohlenen Zuwachsraten für den Betriebs- und den Investitionshaushalt immer wieder und zum Teil massiv überschritten hat. - Diese in den letzten Jahrzehnten entstandenen Strukturprobleme werden aktuell dadurch verschärft, dass in Hamburg in Höhe von über 1 Mrd. Euro nicht finanzierte Ausgabeermächtigungen bestehen. Derartige Haushaltsreste kommen z.b. dadurch zustande, dass Baumaßnahmen sich verzögern
6 6 und die Mittel nicht wie im Haushaltsplan vorgesehen abfließen. IV. Vor diesem Hintergrund sieht der Rechnungshof die Notwendigkeit und die Chance, jetzt, d.h. mit der im Juni zu beschließenden Finanzplanung 2008 bis 2012 und dem Doppelhaushalt 2009/2010 die Weichen so zu stellen, dass 1. der Haushalt strukturell ausgeglichen ist, d.h. alle Ausgaben mit den laufenden Einnahmen gedeckt werden können und Verschuldung sowie Verkäufe zur Einnahmeerzielung in Zukunft ausgeschlossen werden, 2. Vorsorge getroffen wird, dass dies nachhaltig geschieht, d.h. auch bei Konjunkturschwankungen Finanzierungsdefizite aufgefangen werden können und 3. Regelungen für einen verbindlichen Einstieg in den Abbau der Altschulden getroffen werden. Der Rechnungshof hat hierzu Vorschläge gemacht: - Konsolidierung der Ausgaben durch Aufgabenkritik insbesondere Finanzierung neuer Aufgaben nur durch Umschichtung und Konzentration auf Kernaufgaben, eine langfristig angelegte Reformstrategie ohne Schonbereiche, strikte Ausgabedisziplin mindestens Einhaltung der Vorgaben des Finanzplanungsrats,
7 7 Fortsetzung der Verwaltungsmodernisierung hinsichtlich Organisation, Steuerung und Controlling. - Insbesondere bei der derzeitigen flächendeckenden Reform des Hamburger Haushaltswesens muss auch das Parlament frühzeitig und kontinuierlich beteiligt werden. Hierzu gehört auch seine Information über die Auswirkungen von Senatsentscheidungen und -planungen auf künftige kaufmännische Jahresabschlüsse. - Die bisher nicht durchgeführten Maßnahmen mit über 1 Mrd. Euro nicht finanzierter Ausgabeermächtigungen müssen hinsichtlich Finanzierbarkeit und Wirtschaftlichkeit im Rahmen eines festzulegenden Finanzkorridors auf den Prüfstand. Dies gilt auch für die für 2007 und 2008 beschlossenen Maßnahmen von mehreren hundert Millionen Euro. - Hamburg darf nicht hinter das bereits gesetzlich geregelte grundsätzliche Verschuldungsverbot zurückfallen, wenn die Föderalismuskommission II hierzu den Weg öffnen sollte. Das Verschuldungsverbot gehört jedenfalls mittelfristig in die Verfassung Hamburgs. - Statt wie in 2006 letztlich kreditfinanzierte allgemeine Rücklagen zu bilden, sollten nicht unmittelbar benötigte Mittel zur Konsolidierung des Haushalts, d.h. in erster Linie für die Schuldentilgung verwandt werden. Dies gilt ebenso für Verkäufe aus wirtschafts- oder ordnungspolitischen Gründen. - Die jedes Jahr von neuem zu erbringende Last von ca. 1 Mrd. Euro Zinsen für größtenteils nicht mehr vorhandene Gegenwerte muss im Interesse von Generationengerechtigkeit
8 8 und Handlungsfähigkeit verringert werden. Dies kann nur durch Tilgung von Altschulden geschehen. Hermann Hesse beschließt seinen Aufruf zur Abkehr von eingefahrenen Gewohnheiten und Zuständen mit den Worten: Wohlan denn, nimm Abschied und gesunde. Auch der Hamburger Haushalt wird nicht gesunden durch Festhalten an den bisherigen Verteilungsmechanismen und in der Hoffnung auf einen ewig dauernden Konjunkturfrühling, sondern nur durch den Abschied von Verschuldung und Rückgriff auf die Substanz als Mittel politischer Gestaltung.
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