Betreuung & Vorsorgevollmacht Patientenverfügung
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- Ina Rosenberg
- vor 8 Jahren
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1 Betreuung & Vorsorgevollmacht Patientenverfügung Vortrag von Notar Dr. jur. Christian Winkler, LL.M. (London) (Neu-Ulm) Augsburger Strasse 10, Neu-Ulm ;
2 Inhaltsübersicht Betreuung: - Was ist Betreuung? - Wann wird Betreuung angeordnet? - Verfahrensablauf bei Antragstellung - Wer wird Betreuer - Aufgabenbereich und Pflichten eines Betreuers - Praktische Auswirkungen Vorsorgevollmacht als Alternative zur Betreuung Patientenverfügung Erbrechtliche Besonderheiten
3 Betreuung Fall aus der Praxis: Der 55-jährige Franz Kranz bricht wegen eines Schlaganfalles beim Sport zusammen. Im Krankenhaus liegt er auf der Intensivstation. Die Lebensgefährtin möchte Auskunft von den Ärzten über den Gesundheitszustand erhalten. Die Ärzte weigern sich mit Hinweis auf die Schweigepflicht. Zu Recht?
4 Betreuung Abwandlung: Die Ehefrau von Herrn Kranz möchte die Auskunft erhalten. Dürfen die Ärzte die Auskunft unter Hinweis auf die Schweigepflicht verweigern?
5 Betreuung Antwort: Die ärztliche Schweigepflicht besteht gegenüber Nichtverwandten genauso wie gegenüber Verwandten und Ehegatten. Was ist in einem solchen Fall zu tun? Der Ehegatte bzw. Lebensgefährte muss beim zuständigen Betreuungsgericht die Betreuung beantragen. Der bestellte Betreuer erhält dann die gewünschte Auskunft von den Ärzten.
6 Betreuung Was ist unter Betreuung zu verstehen? Staatlicher Beistand in Form von Rechtsfürsorge und nicht tatsächlicher Hilfe (diese muss der Betreuer aber gegebenenfalls organisieren) Erhaltung der Autonomie des Betreuten: Wünschen des Betreuten ist soweit wie möglich der Vorrang zu lassen (vgl Abs. 1, 2, 1897 Abs. 4 BGB), z.b. bei der Auswahl des Betreuers Die Entmündigung wurde ab abgeschafft
7 Betreuung Wann wird Betreuung angeordnet? 1896 Abs. 1 BGB: Kann ein Volljähriger auf Grund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen, so bestellt das Betreuungsgericht auf seinen Antrag oder von Amts wegen für ihn einen Betreuer. (...)
8 Betreuung Die Betreuung darf gem Abs. 2 BGB nur für Aufgabenkreise angeordnet werden, die der Betroffene nicht selbst erledigen kann (Unterschied zur Entmündigung ) Die Dauer der Betreuung ist auf die zwingend erforderliche Zeit zu beschränken Spätestens alle 7 Jahre muss das Betreuungsgericht über die Verlängerung oder Aufhebung der Betreuung entscheiden, 294 Abs. 3 FamFG
9 Betreuung Gegenwärtig stehen weit über 1 Millionen Menschen unter Betreuung, Tendenz steigend Gesetzesentwurf der Länder zur Änderung des Betreuungsrechts sah ein gesetzliches Vertretungsrecht für Ehegatten und eingetragene Lebenspartner vor; dies wurde vom Gesetzgeber nicht umgesetzt
10 Betreuung VERFAHRENSABLAUF: Anregung der Betreuung beim Betreuungsgericht Bestellung eines Verfahrenspflegers, der die Interessen des Betroffenen wahrnimmt Sachaufklärung durch das Gericht: - Z.B. Anhörung nahestehender Personen
11 Betreuung Fachärztliches Gutachten Anhörung der/des Betroffenen Einführungsgespräch mit Rechtspfleger Bestellungsurkunde
12 Betreuung Kriterien für die Auswahl der Person des Betreuers: Wohl des Betroffenen oberste Maxime, 1897 Abs. 4 S. 1 BGB Geäußerter Wunsch des Betroffenen maßgeblich ( Betreuungsverfügung ) Rücksichtnahme auf verwandtschaftliche und sonstige persönliche Bindungen (Gefahr von Interessenkonflikten) Kein absoluter Vorrang von Verwandten und sonstigen nahestehenden Personen bei der Bestellung zum Betreuer
13 Betreuung Personensorge, Aufenthaltsbestimmung Vermögenssorge, Sorge um das persönliche, insbesondere gesundheitliche Wohl Sicherstellung der ärztlichen Heilbehandlung Vertretung gegenüber Heimund Klinikleitung Vertretung gegenüber Behörden und Versicherungen
14 Betreuung Betreuer unterliegt Aufsicht des Betreuungsgerichts Auf jederzeit zulässiges Verlangen des Gerichts Auskunftspflicht hinsichtlich Führung der Betreuung und persönliche Verhältnisse des Betreuten, 1908 i, 1839 BGB Grundsätzlich jährliche Rechnungslegungspflicht hinsichtlich der Vermögensverwaltung, 1908 i, 1840 BGB (bei kleineren Vermögen kann Gericht Rechnungslegungspflicht für 3-Jahres-Zeitraum anordnen)
15 Betreuung Für bestimmte Rechtsgeschäfte muss der Betreuer die Genehmigung des Betreuungsgerichts einholen, 1908i, 1821, 1822 Nrn. 1-4, 6-13 BGB Genehmigung insbesondere bei Verfügungen über Immobilien erforderlich (in der Regel wird Sachverständigengutachten über Angemessenheit des Kaufpreises vom Gericht gefordert; zeitaufwändig und kostenintensiv!)
16 Betreuung-Beispielsfall Die 71jährige Frau Bronner ist seit vielen Jahren schwer dement. Ihr Ehemann erledigt alle anfallenden Aufgaben. Frau Bronner erkrankt an einer Kieferknochenentzündung und hat schwere Schmerzen. Der konsultierte Arzt lehnt eine sofortige Operation ab, da eine rechtswirksame Einwilligung in den Eingriff von der Patientin nicht abgegeben werden kann. Er verlangt vom Ehemann (zu recht) die Vorlage einer Vollmacht oder eines Betreuerausweises. Von beidem hat der Ehemann noch nie etwas gehört. Er wendet sich an den Notar mit der Bitte um Beurkundung einer Vollmacht, da dies der einfachere Weg sei.
17 Betreuung-Beispielsfall Lösung: Eine Vollmacht darf der Notar nur beurkunden, wenn der Vollmachtgeber geschäftsfähig ist. Im vorliegenden Fall sind die Beteiligten zu spät dran. Der Notar muss die Beurkundung der Vollmacht ablehnen. Der Ehemann hat beim Betreuungsgericht die Betreuung zu beantragen.
18 Betreuung-Zusammenfassung Der Ehegatte und die nahen Verwandten haben de lege lata nicht das Recht, für den Betreuungsbedürftigen zu handeln und Erklärungen abzugeben Das Betreuungsgericht ist befugt, einen familienfremden Dritten zum Betreuer zu ernennen Der Betreuer, z.b. der Ehegatte und die nahen Verwandten, hat zahlreiche mit der Ernennung zum Betreuer einhergehende Verpflichtungen zu erfüllen Das Verfahren zur Bestellung eines Betreuers ist zeitaufwändig und die Durchführung der Betreuung ist mit Kosten verbunden Für bestimmte Rechtsgeschäfte muss der Betreuer die Genehmigung des Betreuungsgerichts einholen
19 Subsidiarität einer Betreuung 1896 Abs. 2 BGB: Ein Betreuer darf nur für Aufgabenkreise bestellt werden, in denen die Betreuung erforderlich ist. Die Betreuung ist nicht erforderlich, soweit die Angelegenheiten des Volljährigen durch einen Bevollmächtigten (...) ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können.
20 Vorsorgevollmacht Inhalt der Vorsorgevollmacht: Sofern gewünscht, muss die Vollmacht ausdrücklich zu Folgendem ermächtigen: Unterbringung, die mit Freiheitsentziehung verbunden ist, sowie alle Maßnahmen, durch die mittels mechanischer Vorrichtungen, Medikamente oder auf andere Weise über längeren Zeitraum oder regelmäßig die Freiheit entzogen werden soll Entscheidungen über Untersuchungen und über die Vornahme, das Unterbleiben oder den Abbruch von Heilbehandlungen und ärztlichen Eingriffen, auch wenn es sich hierbei um gefährliche ärztliche Maßnahmen handelt, bei denen die begründete Gefahr besteht, dass der Vollmachtgeber stirbt oder einen schweren und länger dauernden gesundheitlichen Schaden erleidet oder umgekehrt die Maßnahme medizinisch angezeigt ist und ihr Unterbleiben oder der Abbruch der Maßnahme die begründete Gefahr mit sich bringt, dass der Vollmachtgeber stirbt oder einen schweren und länger dauernden gesundheitlichen Schaden erleidet.
21 Vorsorgevollmacht Inhalt der Vorsorgevollmacht: Sofern gewünscht, muss die Vollmacht ausdrücklich zu Folgendem ermächtigen: Neu ab : Einwilligung in eine dem natürlichen Willen widersprechende ärztliche Maßnahme Wenn Vollmachten die vorgenannten Sachverhalte nicht umfassen, ist trotz Vollmacht eine Betreuerbestellung erforderlich!
22 Vorsorgevollmacht Vorsorgevollmacht mit Generalvollmacht verbinden! Handlungsbefugnis des Bevollmächtigten auch, wenn der Betroffene nur aus tatsächlichen Gründen verhindert ist (z.b. Urlaub) Vollmacht ist in der Praxis besser einsetzbar, da Nachweis der Handlungsunfähigkeit des Vollmachtgebers nicht geführt werden muss ABER: Missbrauchsrisiko einer Generalvollmacht!
23 Vorsorgevollmacht Form der Vollmacht: Grundsätzlich keine besondere Form vorgeschrieben Ausnahme: Schriftform erforderlich bei Ermächtigung zur Entscheidung über gefährliche ärztliche Eingriffe und zu Maßnahmen, die mit Freiheitsentziehung verbunden sind Ausnahme: Bei Grundstücksverfügungen und Handelsregisteranmeldungen notarielle Beurkundung bzw. Beglaubigung erforderlich
24 Vorsorgevollmacht Notarielle Beurkundung empfehlenswert: Nachweis der Echtheit der Unterschrift des Vollmachtgebers Erläuterungen über die Tragweite der Vollmacht durch Notar Indiz für die Geschäftsfähigkeit des Vollmachtgebers
25 Vorsorgevollmacht Kosten für eine notarielle Vorsorgevollmacht: Abhängig vom Vermögen Bei Aktivvermögen in Höhe von ,- beträgt Beurkundungsgebühr 273,- 60,- für eine Patientenverfügung (jeweils zuzügl. USt und Schreibauslagen)
26 Patientenverfügung Was ist eine Patientenverfügung? Schriftliche Festlegung eines einwilligungsfähigen Volljährigen, ob er für den Fall seiner Einwilligungsunfähigkeit in bestimmte, zum Zeitpunkt der Festlegung noch nicht unmittelbar bevorstehende Untersuchungen seines Gesundheitszustands, in Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe einwilligt oder sie untersagt. So die Definition in 1901a BGB, eingefügt durch Drittes Gesetz zur Änderung des Betreuungsrechts, gültig ab Zweck: Wahrung des Selbstbestimmungsrechts des Patienten
27 Patientenverfügung Gesetzliche Neuregelung ab : Patientenverfügung ist für den Arzt verbindlich, wenn sie aktuell und konkret (bestimmt genug) ist Patient kann jederzeit seinen in der Patientenverfügung geäußerten Willen formlos widerrufen
28 Patientenverfügung Gesetzliche Neuregelung ab : Betreuer und Bevollmächtigter müssen dem in der (wirksamen) Patientenverfügung geäußerten Willen Geltung verschaffen Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen Arzt und Betreuer/Bevollmächtigtem entscheidet das Betreuungsgericht
29 Patientenverfügung Patientenverfügung versus Verbot aktiver Sterbehilfe
30 Patientenverfügung Passive Sterbehilfe ist zulässig, z.b.: Abstellen des Beatmungsgeräts Beendigung der Behandlung mit einer Sonde Indirekte Sterbehilfe ist ebenfalls zulässig Gabe eines Medikaments, das primär den Schmerz lindern soll, aber als Nebenfolge den Eintritt des Todes beschleunigt Wenn dies dem (mutmaßlichen) Willen des Patienten entspricht
31 Patientenverfügung Aktive Sterbehilfe ist in Deutschland verboten und strafbar (Totschlag, 212 StGB, Tötung auf Verlangen, 216 StGB) Alt-Bundespräsident Köhler: Nicht durch die Hand eines anderen sollen die Menschen sterben, sondern an der Hand eines anderen. = Wesentlicher Grundgedanke der Hospizbewegung
32 Patientenverfügung Patientenverfügung: Spannungsverhältnis zwischen Selbstbestimmungsrecht des Patienten und Medizinischem Standesethos ( salus aegroti suprema lex - Wohlergehen des Patienten ist oberstes Gebot )
33 Patientenverfügung Grundsatz des Selbstbestimmungsrechts des Patienten ist verfassungsrechtlich durch Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (Menschenwürde) und durch 223 StGB ( Körperverletzung ) strafrechtlich geschützt Ein Patient, der die natürliche Einsichts- und Urteilsfähigkeit besitzt, darf nicht gegen seinen Willen therapiert werden, auch wenn dieser Wille objektiv unvernünftig ist
34 Patientenverfügung Im Einzelfall ist problematisch, ob der Patient zum Zeitpunkt der Verweigerung der Einwilligung in die ärztliche Maßnahme über die erforderliche Einsichtsund Urteilsfähigkeit verfügt Ist die erforderliche Einsichts- und Urteilsfähigkeit nicht gegeben, ist vom Arzt der mutmaßliche Wille zu ermitteln Unsicherheiten bei der Ermittlung des mutmaßlichen Willens
35 Patientenverfügung Deshalb rechtzeitig in einer Patientenverfügung konkret festlegen in welcher Situation welche ärztlichen Maßnahmen zu unterlassen sind welche ärztliche Maßnahmen gewünscht werden alle 2 Jahre den Willen bestätigen
36 Patientenverfügung Welche Form muss eine Patientenverfügung haben? Schriftform erforderlich Notarielle Beglaubigung empfehlenswert (Beweis, dass Unterschrift tatsächlich vom Patienten stammt)
37 Patientenverfügung Weiterführende Informationen insbesondere in der Broschüre des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz Vorsorge für Unfall, Krankheit und Alter durch Vollmacht Betreuungsverfügung Patientenverfügung Zu beziehen über den Buchhandel oder kostenlos über das Internet unter
38 Erbrechtliche Besonderheiten Erbrechtliche Besonderheiten bei Testierunfähigen: Bei der Testamentsgestaltung ist zu beachten, dass das Vermögen, das ein im Pflegeheim untergebrachter, geschäftsunfähiger Mensch erbt, vom Sozialhilfeträger für die Aufbringung der Heim- und Pflegekosten eingesetzt wird Vorsicht vor gesetzlicher Erbfolge Vorsicht vor Testamenten und Erbverträgen, die eine gegenseitige Erbeinsetzung der Ehegatten vorsehen (vor allem in der älteren Generation als Ehe- und Erbverträge verbreitet)
39 Fazit: Jeder Mensch braucht einen rechtlichen Notfallkoffer In diesem Notfallkoffer müssen sich eine General- und Vorsorgevollmacht sowie ein Testament befinden Über die Bedeutung einer Patientenverfügung sollte jeder zumindest nachdenken
40 Danke für Ihre Aufmerksamkeit!
Betreuung, Vorsorgevollmacht
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