Das Wesen einer Marke
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- Birgit Gerber
- vor 8 Jahren
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1 1. Einleitung Marken haben Hochkonjunktur. Sie begegnen uns überall, nicht nur auf Produkten und in der Werbung, sondern auch im politischen und künstlerischen Diskurs. Ihre Aussagen sind vielfältig. Sie stehen längst nicht mehr nur für eine betriebliche Herkunft, sondern für Ideologien und Inhalte: Marken vermitteln den Eindruck einer besonderen Qualität der angebotenen Waren. Sie helfen uns dabei, uns in der Flut an gleichartigen Warenartikeln zu orientieren und zu einer schnellen Kaufentscheidung zu gelangen. Zudem beeinflussen sie unser Wohlbefinden: Sie drücken die Zugehörigkeit zu sozialen Gruppen aus und tragen zur Differenzierung und zum Ausdruck der eigenen Persönlichkeit bei. Dem kann sich kein Verbraucher entziehen: Jeder Mensch hat so seine Marken, zu denen er sich hingezogen fühlt. Für das hinter einer bekannten und mit positiven Assoziationen aufgeladenen Marke stehende Unternehmen ist diese im wahrsten Sinne des Wortes Gold wert! Sie stellt für den Kunden einen emotionalen Mehrwert dar, der sich kapitalisieren lässt: Dem Markeninhaber ist es möglich, eine größere Menge seines Produkts abzusetzen und/oder einen höheren Preis zu verlangen. Das schützt das Unternehmen vor dem erbitterten Preiskampf eines immer stärker werdenden Verdrängungswettbewerbs. Zudem bietet eine erfolgreiche Marke eine gute Plattform, um neue Produkte auf den Markt zu bringen. Sie zieht aber auch die besten Mitarbeiter magisch an, erleichtert die Geldbeschaffung am Kapitalmarkt und hindert Konkurrenten daran, am Markt nennenswert Fuß zu fassen. Hält man sich alle diese Vorteile vor Augen, dann überrascht es nicht, dass Marken den eigentlichen Wert eines Unternehmens ausmachen. Diese Vorteile entstehen allerdings nicht von selbst: Die größten Unternehmen investieren jedes Jahr zweistellige Milliardenbeträge in die Bekanntheit ihrer Marke. Diese horrenden Investitionen zeigen schon, dass Marken alles andere sind als ein bloßer Produktname oder ein Logo. Sie stellen einen erheblichen Vermögenswert dar. Aus diesem Grund drängt 3
2 Einleitung sich die Frage auf, wie sich ein solcher am besten vor Trittbrettfahrern schützen lässt, die sich bewusst an bekannte Marken anhängen, um von deren Aufmerksamkeitseffekt zu profitieren. Die Europäische Kommission hat sich dieser Herausforderung angenommen und mit der Richtlinie 89/104/EWG 1 europaweit einheitliche Normen zum Schutz des Rechts an der Marke geschaffen. Diese RL, die im Jahre 2008 in einigen Punkten abgeändert und deswegen in neuer, kodifizierter Fassung 2 herausgegeben wurde, soll zum einen verhindern, dass sich Konkurrenten mit ihrem Zeichen derart an die Marke annähern, dass auf Seiten der Verbraucher die Gefahr von Verwechslungen entsteht. Zum anderen sieht die Markenrichtlinie (in der Folge MRL) einen erweiterten Schutz für bekannte Marken vor. So soll sich der Inhaber auch ohne Vorliegen von Verwechslungsgefahr wehren können, wenn der Dritte ein mit der Marke identisches oder ähnliches Zeichen derart benutzt, dass es zu einer unlauteren Ausnutzung oder Beeinträchtigung der Unterscheidungskraft oder der Wertschätzung der bekannten Marke kommt. Darüber hinaus scheint die MRL jede Verwendung eines mit der Marke identischen Zeichens für Waren oder Dienstleistungen, die mit denen identisch sind, für welche die Marke eingetragen ist, zu verbieten. Allerdings soll die MRL nur dann anwendbar sein, wenn der Dritte das in Frage stehende Zeichen für Waren benutzt. Ziel dieses Buchs ist, einen Überblick darüber zu geben, inwieweit die in Art 5 MRL geregelten Verletzungstatbestände dazu geeignet sind, den Vermögenswert Marke effektiv vor Ausnutzungen oder Beeinträchtigungen durch unbefugte Dritte zu schützen. Im Zuge dessen soll zunächst in Kapitel 2 auf das Wesen einer Marke eingegangen werden. Es wird sich zeigen, dass sich dieses in den letzten Jahrzehnten stark gewandelt hat. In Kapitel 3 sollen dann die Tatbestandsmerkmale des Art 5 MRL diskutiert werden. Insbesondere dem Erfordernis, dass der Dritte ein das Recht an der Marke störendes Zeichen für Waren benutzen muss, kommt eine entscheidende Bedeutung zu. Es bestimmt maßgeblich, inwieweit die Bestimmungen der MRL überhaupt anwendbar sind. Nach einer eingehenden Diskussion der diesbezüglichen Rsp und Literatur wird sich zeigen, dass die Verletzungstatbestände des Art 5 MRL in den meisten Fällen von Markenverletzungen Abhilfe schaffen. Schutzlücken ergeben sich idr nur dann, wenn die angegriffene Marke nicht bekannt im Sinne des Art 5 Abs 2 MRL ist. In Kapitel 4 soll ein Vor- 1 Vgl Erste Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken. 2 Vgl Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken. 4
3 Einleitung schlag erarbeitet werden, mit welchen Änderungen der MRL sich diese Lücken am besten schließen lassen, bevor in Kapitel 5 die wichtigsten Fallgruppen von Markenverletzungen diskutiert werden. In diesem Buch wird immer wieder auf die Bestimmungen der MRL Bezug genommen. Der Einfachheit halber wird im Zuge dessen auf den Zusatz MRL verzichtet. Wiedergegebene Normen ohne Zusatz beziehen sich also durchwegs auf die der MRL. 5
4 Das Wesen einer Marke 6
5 2. Das Wesen einer Marke Art 2 3 definiert den Markenbegriff einheitlich für ganz Europa. Demnach können alle Zeichen Marken sein, die sich grafisch darstellen lassen. Insbesondere Wörter einschließlich Personennamen, Abbildungen, Buchstaben, Zahlen und die Form oder Aufmachung der Ware können als Marke fungieren. Der Kreativität bezüglich der denkbaren Markenformen sind abgesehen vom Erfordernis der Darstellbarkeit 4 keine Grenzen gesetzt. Marken sind allerdings nur solche Zeichen, die geeignet sind, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden. 2.1 Marken als Zeichen zur Identifizierung Marken sind Kennzeichen, welche es dem Verbraucher ermöglichen, Waren im Handel zu erkennen, sie gegebenenfalls als Teilbestand einer Produktserie zu identifizieren und sie von anderen Produkten zu unterscheiden. So 3 Alle wiedergegebenen Normen ohne Zusatz beziehen sich auf die der MRL. 4 Vgl zur grafischen Darstellbarkeit von Farb- bzw Hörmarken: Fezer, Die grafische Darstellung der Farbmarke: Zur Markenfähigkeit der Einfarbenmarke und Mehrfarbenmarke nach dem Grundsatzbeschluss Farbmarke gelb/grün II des BGH, WRP 2007, 223 ( ); Nordemann, Wettbewerbsrecht, Markenrecht 11 (2012) Rz ; Schmitz, Zur grafischen Darstellbarkeit von Hörmarken: EuGH contra Freiheit des markenrechtlichen Schutzes?, GRUR 2007, 290 (291 f). Die Europäische Kommission erwägt, künftig auf die Anforderung der grafischen Darstellbarkeit von Marken zu verzichten, weil diese inzwischen überholt sei. Vgl Europäische Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken, KOM (2013) 162 final, 6 sowie Art 3. Mit dieser Änderung würde das Erfordernis der grafischen Darstellbarkeit vom Erfordernis der eindeutigen Bestimmbarkeit ersetzt. Vgl Fezer, Der Wettbewerb der Markensysteme: Chancen und Risiken der Änderungsvorschläge der EU-Kommission zur Markenrichtlinie und Gemeinschaftsmarkenverordnung, GRUR 2013, 1185 (1187 ff). 7
6 Das Wesen einer Marke ist für den Konsumenten im Geschäftslokal sofort erkennbar, ob ein Körperpflegemittel aus der Serie der Nivea -Produkte stammt oder ob es sich bei der Cola um das Original von Coca-Cola handelt. Die Marke ist der Name eines Produkts 5. Sie individualisiert das Produkt aus der Anonymität des Marktgeschehens 6. Nur wenn das Produkt einen Namen hat, ist es dem Unternehmer möglich, es in der Werbung vorzuführen. Denn erst dann sind die Konsumenten überhaupt in der Lage, die Waren im Handel wiederzuerkennen und sich an die Werbebotschaften zu erinnern. Gleiches gilt, wenn der Verbraucher mit dem Warenartikel zufrieden war und deswegen weitere Einheiten erwerben möchte. Der Markenname reduziert das Risiko, beim Wiederkauf irrtümlich zur Ware einer völlig anderen Produktserie zu greifen 7. 5 Danger vergleicht den Akt der Produktbenennung mit einer Taufe. Allein dem Zeicheninhaber stünde es zu, sein Produkt mit einer Marke zu versehen oder eben nicht. Wird das Produkt auf eine bestimmte Bezeichnung getauft, dann kann diese unter bestimmten Voraussetzungen vom Verkehr verwendet werden, um die Sache bei ihrem Namen zu nennen, in: Die rechtsverletzende Benutzungshandlung im Markenrecht Abschied von der Herkunftsbezogenheit (2007) Rz 252 f. 6 Vgl Danger, Die rechtsverletzende Benutzungshandlung im Markenrecht Abschied von der Herkunftsbezogenheit (2007) Rz 198, 224; Essig, Die gattungsmäßige Verwendung von Marken (2010) 23 f; Fezer, Markenrecht 4 (2009) Einl D Rz 1, 27 ff; ders, Was macht ein Zeichen zur Marke?: Die latente Herkunftsfunktion als rechtliche Voraussetzung der Eintragungsfähigkeit einer Marke ( 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 MarkenG, Art. 3 Abs. 1 lit b bis d MarkenRL, Art. 7 Abs. 1 lit b bis d GMV), WRP 2000, 1 (1 ff); ders, Grundprinzipien und Entwicklungslinien im europäischen und internationalen Markenrecht: Richtlinienkonforme Auslegung Internationale Marktaufteilungen Funktionenlehre Markenrechtlicher Designschutz, WRP 1998, 1 (12); Heydt, Zur Funktion der Marke, GRUR Int 1976, 339 (342 f); Kiethe/Krauß, Die Verwechslungsgefahr nach dem Markengesetz Verstärkter Rechtsschutz durch legislative Begriffserweiterung, WRP 1996, 495 (496 f); Meyer, Das deutsche und französische Markenrecht nach der Umsetzung der Ersten Markenrichtlinie (RL 89/104/EWG), GRUR Int 1996, 592 (598); Sack, Die rechtlichen Funktionen des Warenzeichens 1. Teil, GRUR 1972, 402 (406); ders, Die rechtlichen Funktionen des Warenzeichens 2. Teil, GRUR 1972, 445 (452); Sambuc, Was soll das Markenrecht?: Ein Beitrag zur Funktionenlehre, WRP 2000, 985 (985, 987 f); Schröder, Mittelbare Kennzeichnung im Kraftfahrzeugzubehörbereich bei Produktveränderungen und Ausschluss der Erschöpfung, WRP 2007, 55 (56). Dieselbe Wirkung haben im Übrigen auch Firmennamen. Sie dienen dazu, einen bestimmten Geschäftsbetrieb zu benennen und von anderen unterscheidbar zu machen. Vgl Kochendörfer, Originäre Unterscheidungskraft von Unternehmenskennzeichen, WRP 2009, 239 (240). 7 Vgl Fezer, Markenrecht 4 (2009) Einl D Rz 27, 29; Meister, Die Verteidigung von Marken. Eine Skizze zum neuen Recht, WRP 1995, 366 (371); Sack, GRUR 1972, 445 (449 ff). 8
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